Trauer gehört zum Leben. Was wäre das Leben ohne die Liebe? Wer liebt, geht das Risiko des Verlusts ein. Darum sind Verluste Teil eines gelingenden Lebens, Trauer als natürliche Reaktion auf Verluste ebenfalls. Wer sich vor dem Tod schützen will, um dem schmerzlichen Gefühl der Trauer auszuweichen, indem er sich nicht auf Beziehung und Veränderung einlässt, ist eigentlich schon tot. Folglich behandle ich Trauer in der vorliegenden Arbeit als etwas, das zum Leben gehört. Dies soll nicht darüber hinwegtäuschen, wie schmerzhaft und durcheinanderrüttelnd Trauer auslösende Ereignisse sein können. Verlustkrisen bringen Menschen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit und nicht selten darüber hinaus. Darum möchte ich nicht der Gefahr erliegen, bagatellisierend an diese im einzelnen Schicksal oft als unbegreifliche Katastrophe erlebte Thematik heranzugehen. Mir ist bewusst: Trauerbegleitung ist keine leichte Aufgabe. Sie erfordert neben einem hohen Maß an Empathie und dem Bewusstsein für die Unbegreiflichkeit des Geschehens einiges Wissen über Trauerabläufe. Manches, was auf den ersten Blick pathologisch aussieht, kann in Wirklichkeit Ausdruck eines gesunden Trauerprozesses sein. Anderes, was gesund und stark wirkt, kann einer verdrängten, lebenshemmenden Art zu trauern entspringen. Um Trauer besser zu verstehen und Erkenntnisse für sozialpädagogische Begleitung von Trauerarbeit zu gewinnen, betrachte ich Trauer aus dem Blickwinkel von Entwicklung. Diese Sicht verharmlost Verlustkrisen nicht, sondern ermöglicht Hoffnung auf Licht am Ende des Tunnels von Verzweiflung, Schmerz und Unfassbarkeit. Ein Trauernder wird am Ende des Trauerprozesses nicht mehr derselbe sein. Im besten Fall ist er trotz aller Verwundungen in seiner Persönlichkeit gereift und den Herausforderungen des Lebens besser gewachsen als vorher.
Konkret stelle ich zu Beginn dieser Arbeit die These auf, dass Trauer weder als zementierter Zustand noch als Lebenshindernis, sondern als Entwicklungsprozess zu verstehen ist und dass dieses Verständnis aufschlussreiche Erkenntnisse ermöglicht für eine sozialpädagogische Trauerbegleitung unter besonderer Berücksichtigung kreativer Medien.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Trauer gehört zum Leben
- 1. Trauer als Entwicklungsphänomen
- 1.1 Zum Verständnis des Trauerprozesses
- 1.1.1 Die Bedeutung der Trauer für das menschliche Leben
- 1.1.1.1 Zur Definition von Trauer
- 1.1.1.2 Trauer als angemessene Reaktion auf Verlust
- 1.1.1.3 Vielfalt von Traueranlässen
- 1.1.1.4 Das Trauma des Verlusts
- 1.1.2 Trauer im Kulturvergleich
- 1.1.2.1 Trauer zu anderen Zeiten und in anderen Kulturen
- 1.1.2.2 Die Problematik der Trauer in unserem Kulturkreis heute
- 1.1.3 Trauer verstehen und bewältigen
- 1.1.3.1 Die Vielschichtigkeit von Trauer
- 1.1.3.2 Die Bedeutung von Abwehrprozessen im Rahmen von Trauer
- 1.1.3.3 Faktoren, die den Verlauf von Trauer beeinflussen
- 1.1.3.4 Trauerphasen und Traueraufgaben
- 1.1.3.5 Die Problematik pathologisch verlaufender Trauerprozesse
- 1.1.3.6 Folgen lebenshemmender und lebensfördernder Trauer
- 1.1.3.7 Heilsamer Umgang mit Trauer
- 1.1.4 Abrundung: Trauer als Chance
- 1.2 Die Verknüpfung von Trauer und Entwicklung
- 1.2.1 Kegans Verständnis von Entwicklung
- 1.2.1.1 Konstruktion und Entwicklung als psychologische Grundlage
- 1.2.1.2 Bedeutungsbildung als Grundprozess der Persönlichkeit
- 1.2.1.3 Interaktion des Organismus mit der Umwelt als Motivation für Entwicklung
- 1.2.1.4 Entwicklung als Äquilibration durch Adaptation
- 1.2.1.5 Differenzierung und Integration
- 1.2.1.6 Die Dualität menschlicher Existenz
- 1.2.1.7 Die Funktion der einbindenden Kultur
- 1.2.1.7.1 Festhalten – Bestätigung
- 1.2.1.7.2 Loslassen – Widerspruch
- 1.2.1.7.3 In der Nähe bleiben – Fortdauer
- 1.2.1.8 Der Umgang mit Menschen in Krisen
- 1.2.2 Trauer als Entwicklungsprozess
- 1.2.2.1 Entwicklungstypische Merkmale des Trauerprozesses
- 1.2.2.2 Eine Deutung des Trauerprozesses aus der Perspektive von Kegans Entwicklungsverständnis
- 1.2.2.2.1 Zum Stichwort Konstruktion und Entwicklung
- 1.2.2.2.2 Zum Stichwort Bedeutungsbildung
- 1.2.2.2.3 Zum Stichwort Motivation
- 1.2.2.2.4 Zum Stichwort Äquilibration
- 1.2.2.2.5 Zum Stichwort Differenzierung und Integration
- 1.2.2.2.6 Zum Stichwort Streben nach Zugehörigkeit und Unabhängigkeit
- 1.2.2.2.7 Zum Stichwort einbindende Kultur
- 1.2.2.2.8 Zum Stichwort Umgang mit Menschen in Krisen
- 1.2.2.2.9 Zusammenfassung in acht Aspekten
- 1.2.3 Konsequenzen für die Begleitung von Trauerarbeit
- 1.2.3.1 Konsequenz aus Aspekt 1: Trauer als Prozess, in dem der Trauernde schöpferisch aktiv ist
- 1.2.3.2 Konsequenz aus Aspekt 2: Trauer ist Ausdruck einer Bedeutungsbildungskrise
- 1.2.3.3 Konsequenz aus Aspekt 3: Motivation durch Interaktion von Faktoren im Selbst und in der Umwelt
- 1.2.3.4 Konsequenz aus Aspekt 4: Der Trauernde befindet sich in einer Phase des Ungleichgewichts und braucht Unterstützung um sich von der Assimilation zur Akkommodation durchzuringen
- 1.2.3.5 Konsequenz aus Aspekt 5: Ein gesund verlaufender Trauerprozess beinhaltet Differenzierung und Integration
- 1.2.3.6 Konsequenz aus Aspekt 6: Das Streben nach Zugehörigkeit und Unabhängigkeit sind gleichbedeutend
- 1.2.3.7 Konsequenz aus Aspekt 7: Trauerbegleitung als einbindende Kultur
- 1.2.3.8 Konsequenz aus Aspekt 8: Verlustkrisen als Chance zum Wachstum behandeln
- 1.2.3.9 Schlussbemerkung
- 2. Trauerbegleitung als sozialpädagogische Aufgabe
- 2.1 Trauerbegleitung als Arbeitsfeld sozialer Arbeit
- 2.2 Inhaltliche Konturierung professioneller sozialpädagogischer Arbeit
- 2.2.1 Die Dialektik sozialpädagogischer Arbeit
- 2.2.2 Grundaspekte erzieherischen Handelns nach Schleiermacher als Grundaspekte sozialpädagogischen Handelns
- 2.2.2.1 Sorge tragen
- 2.2.2.2 Mitwirken
- 2.2.2.3 Unterstützen
- 2.2.2.4 Balance als verbindender Aspekt
- 2.2.3 Eine Handlungskonzeption als Grundlage für professionelles sozialpädagogisches Handeln
- 2.2.3.1 Vier Elemente einer pädagogischen Handlungskonzeption
- 2.2.3.2 Themenzentrierte Interaktion (TZI) als sozialpädagogische Handlungskonzeption
- 2.2.3.2.1 Situationsdeutung
- 2.2.3.2.2 Vision
- 2.2.3.2.3 Haltung
- 2.2.3.2.4 Methode
- 2.3 Trauerprozessbegleitung als professionelles sozialpädagogisches Handeln
- 2.3.1 Situationsdeutung
- 2.3.2 Vision
- 2.3.3 Haltung
- 2.3.4 Methode
- 2.4 Die Verortung sozialpädagogischer Trauerbegleitung zwischen unproblematisch ablaufender Trauer einerseits und Bewältigung krankhaft blockierter Trauer durch Psychotherapie andererseits
- 3. Sozialpädagogische Begleitung des Trauerprozesses mit kreativen Medien
- 3.1 Vorbemerkungen
- 3.2 Die Chance kreativer Verfahren für Trauerprozessbegleitung unter entwicklungsspezifischer Perspektive
- 3.2.1 Im Bezug auf Trauer als Prozess, in dem der Trauernde schöpferisch aktiv ist
- 3.2.2 Im Bezug auf Trauer als Bedeutungsbildungskrise
- 3.2.3 Im Bezug auf Motivation zur Entwicklung durch Interaktion von Faktoren im Selbst und in der Umwelt
- 3.2.4 Im Bezug auf Trauer als Erfahrung von Ungleichgewicht und dem Ringen um Adaptation
- 3.2.5 Im Bezug auf Differenzierung und Integration als Elemente von Trauerarbeit
- 3.2.6 Im Bezug auf das Streben nach Zugehörigkeit und Unabhängigkeit im Trauerprozess
- 3.2.7 Im Bezug auf Trauerbegleitung als einbindende Kultur
- 3.2.8 Im Bezug auf Verlustkrisen als Chancen zum Wachstum
- 3.3 Ergänzung des Handlungskonzeptionselements Methode für die Anwendung kreativer Medien in der Arbeit mit Gruppen
- 3.3.1 Strukturieren durch TZI-Gruppenregeln
- 3.3.2 Strukturieren durch Aufgaben – ein Blick in die Praxis
- 3.4 Umsetzung in die Praxis
- 3.4.1 Beispiele kreativer Elemente für eine Trauerbegleitungsgruppe
- 3.4.1.1 Lockerungs-, Entspannungs- und Körperübungen
- 3.4.1.2 Kreative Arbeit mit Texten
- 3.4.1.3 Bildnerisches Gestalten
- 3.4.1.4 Intermediale Quergänge
- 3.4.1.5 Kreativ gestaltete Rituale
- 3.4.2 Planung einer Trauerbegleitungsgruppe
- 3.4.2.1 Beispiel für eine Ausschreibung
- 3.4.2.2 Geplanter Ablauf
- 3.4.2.2.1 Ein Wochenende als zeitlicher Rahmen
- 3.4.2.2.2 Sieben Abende in wöchentlichem Abstand als zeitlicher Rahmen
- 3.4.2.3 Einzelheiten zur Durchführung
- 3.4.1 Beispiele kreativer Elemente für eine Trauerbegleitungsgruppe
- Schluss: Trauer – ein Thema zum Leben
- 1.2.1 Kegans Verständnis von Entwicklung
- 1.1.1 Die Bedeutung der Trauer für das menschliche Leben
- 1.1 Zum Verständnis des Trauerprozesses
- Quote paper
- Ingrid Jope (Author), 2005, Trauer als Entwicklungsprozess, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81425