Clemens August Graf von Galen hatte bereits zu Lebzeiten mit einigen Kontroversen um seine Person zu kämpfen. Stets gab es Schwierigkeiten bei einer genauen Charakterisierung und Einordnung des Predigers. Diese Tatsache endete nicht mit seinem Tod am 22. März 1946, sondern setzt sich bis heute fort. Durch seine Seligsprechung im Jahre 2005 erhielt sie zusätzlich eine neue Dynamik.
Die heutigen Forscher haben zwar vermehrt Zugang zu Archiven, in denen sich bislang unberücksichtige Dokumente finden lassen, allerdings haben sie auch mit einer großen Schwierigkeit umzugehen. Sie dürfen nicht den großen Fehler begehen und Galen nach aktuellen Kriterien charakterisieren und einordnen, sondern müssen den zeitlichen Wandel berücksichtigen und ihn nach den Maßstäben seiner Zeit beurteilen. So wird zum Beispiel der Versailler Vertrag, dessen Unterzeichnung Galen aus Sicht seiner damaligen Lebenswirklichkeit wie viele andere als demütigend empfand, heutzutage mit dem Wissen um die Hintergründe und Folgen anders einzuschätzen sein. Auch die langjährige Feindschaft zu Frankreich ist heute kaum noch vorstellbar, während sie zu Lebzeiten Galens in der Gesellschaft stark präsent war. Um einiges bedeutender war zudem die Angst vor dem Bolschewismus, die im Denken der Menschen weitestgehend vertreten war. Auch wenn man versucht, Zitate aus der damaligen Zeit auszuwerten und zu interpretieren, ist in jedem Falle zu beachten, dass es sich um die Terminologie der damaligen Zeit handelt und selbst wenn diese weniger als 100 Jahre zurückliegt, einem immensen Wandel unterliegt. Diese und andere Unterschiede zum heutigen Zeitgeist sind bei einer genauen Erfassung der Person Galens unbedingt zu berücksichtigen.
Diese knappe Darstellung soll zeigen, dass nach wie vor eine Kontroverse bezüglich der Charakterisierung und Einordnung Galens besteht. Ich untersuche in meiner Examensarbeit, wie sich diese Kontroverse entwickelt hat – zu Lebzeiten Galens bis in die heutige Zeit. Dazu werde ich einen Überblick über den bisherigen Stand der Forschung geben und die Argumentation der wichtigsten Kritiker und Fürsprecher Galens analysieren.
Das Thema ist meiner Meinung nach besonders geeignet für eine umfassende Darstellung, da Clemens August Graf von Galen seit seiner Seligsprechung im Jahre 2005 gerade in Münster als herausragende, aber auch umstrittene, Persönlichkeit, präsent ist.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung
- B. Hauptteil
- 1. Quellen und Literatur
- 2. Definition des Widerstandsbegriffes und seine Anwendung auf Galen
- 3. Prägung Galens durch Familie und Herkunft
- 4. Die Rolle der Kirche und des Episkopats
- a. Das Verhältnis von Kirche und Staat im Dritten Reich
- b. Das Reichskonkordat
- c. Die Enzyklika „Mit brennender Sorge“ und Galens Einfluss bei deren Erstellung
- d. Das Verhältnis zwischen Galen und dem Episkopat
- 5. Galens Auffassung vom Staat
- 6. Wie verhielt sich Galen gegenüber dem NS-Regime?
- a. Schulkampf
- b. Das Neuheidentum
- c. Galens Kampf für katholische Organisationen
- d. Saarabstimmung und Besatzung des Rheinlands
- e. Klostersturm
- f. Euthanasie-Programm
- 7. Die Reaktion des NS-Regimes auf das Verhalten Galens
- a. Vor Beginn des Zweiten Weltkriegs
- b. Während des Zweiten Weltkriegs
- 8. Veränderungen in Galens Haltung
- C. Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit Clemens August Graf von Galen, einem prominenten deutschen Bischof im Dritten Reich. Die Arbeit untersucht die Entwicklung seiner Vorstellung vom Verhältnis von Kirche und Staat im Kontext der nationalsozialistischen Herrschaft.
- Die Definition des Widerstandsbegriffes und seine Anwendung auf Galens Handeln
- Der Einfluss von Familie und Herkunft auf Galens Denkweise und Vorgehen
- Das Spannungsverhältnis von Kirche und Staat im Dritten Reich und die Rolle des Episkopats
- Galens Staatsauffassung im Vergleich zur Weimarer Republik und dem Nationalsozialismus
- Galens Proteste und Kritik an den Maßnahmen des NS-Regimes, insbesondere im Bereich Schule, Neuheidentum, katholische Organisationen, Saarabstimmung, Klostersturm und Euthanasie-Programm
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Beschreibung der Quellenlage und einer Einordnung Galens in den Kontext der historischen Forschung. Anschließend wird der Begriff des Widerstands definiert und seine Anwendung auf Galen diskutiert. Die Prägung Galens durch Familie und Herkunft wird beleuchtet, um seine Motivationen und Handlungen im Kontext der nationalsozialistischen Herrschaft besser zu verstehen. Des Weiteren wird das Verhältnis von Kirche und Staat im Dritten Reich und die Rolle des Episkopats skizziert. Im weiteren Verlauf wird Galens Staatsauffassung analysiert, um seine Haltung zur Weimarer Republik und dem Nationalsozialismus besser zu begreifen. Schließlich werden Galens Proteste und Kritik an den Maßnahmen des NS-Regimes anhand verschiedener Beispiele dargestellt. Dabei wird besonders auf die Zeit bis zu seinen drei berühmten Predigten aus dem Sommer 1941 eingegangen. Die Reaktionen der Nationalsozialisten auf Galens Aktionen werden ebenfalls betrachtet. Schließlich werden mögliche Veränderungen in Galens Haltung im Laufe der Zeit analysiert.
Schlüsselwörter
Die Hausarbeit beleuchtet Themen wie das Verhältnis von Kirche und Staat, Widerstand, Menschenrechte, katholischer Glaube, Neuheidentum, Nationalsozialismus, Clemens August Graf von Galen, Euthanasie-Programm, Schulkampf, Reichskonkordat, Fuldaer Bischofskonferenz und die Großen Prozessionen in Münster.
- Quote paper
- Lisa Brückner (Author), 2007, Das Recht auf Widerstand - Der Wandel von Galens Vorstellung zum Verhältnis von Kirche und Staat im Dritten Reich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81453