Das Problem der Polysemie: Eine Untersuchung anhand von Beispielen aus dem Französischen


Hausarbeit, 2004

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Definitionen von Polysemie

3. Abgrenzung zur Homonymie

4. Beispielanalyse

5. Zusammenfassung

6. Literatur

1. Einleitung

In einem Wörterbuch gibt es kaum ein Wort, das nicht mehrere Bedeutungen hat. Dieses Phänomen nennt man lexikalische Ambiguität[1] und bezeichnet das Auftreten von „Ausdrücken mit derselben Laut und/oder Schriftform und mehr als einer lexikalischen Bedeutung“ (Löbner 2003: 58). Man unterscheidet dabei zwischen Homonymie und Polysemie.

Diese Arbeit beschäftigt sich vorrangig mit dem lexikalischen Phänomen der Polysemie im französischen Vokabular und wird die Homonymie nur am Rande betrachten. Im Zentrum steht dabei eine Analyse verschiedenster Fälle von Polysemie um einen Einblick in die Facetten der lexikalischen Ambiguität im Französischen zu geben. Zu Beginn der Darstellung wird der Begriff Polysemie definiert. Im Folgenden findet sich ein Kapitel zur Homonymie, um beide Begriffe klar voneinander zu trennen. Nach einer kurzen Analyse der Beziehungen zwischen Polysemie und Homonymie wendet sich diese Arbeit der Analyse von Fällen von Polysemie zu. Dabei werden sowohl seine Herkunft als auch Arten und Ursachen von Polysemie an diversen Beispielen betrachtet. Im Zentrum stehen dabei das klassische Beispiel „Schule“ und das Wort „coup“. Zum Schluss geht es dann um die Frage, welche Rolle Polysemie bei Wortspielen zuteil wird. Ein „jeux de mots“ steht dabei im Mittelpunkt.

2. Definitionen von Polysemie

Der Terminus Polysemie tauchte zum ersten Mal bei Bréal[2] im Jahre 1897 auf (Clarke 2003: 60ff.) und bedeutet übersetzt „Mehrdeutigkeit oder Vieldeutigkeit“ (Lewandowski 1994: 818) von Wörtern. Er wurde seitdem vielfach von Linguisten definiert. Eine erste Annäherung an den Begriff gibt Kleiber in seinem Buch Problèmes de sémantique, in dem er Polysemie als

« (i) une pluralité de sens liée à une forme
(ii) des sens qui ne paraissent pas totalement disjoints, mais se trouvent unis par tel ou tel rapport.»

(Kleiber 1999: 55)

Auch wenn die Definitionen von Polysemie facettenreich sind, so enthalten doch alle die zwei Elemente, die auch Kleiber anspricht, nämlich das ein polysemes Lexem zwei oder mehr Bedeutungen aufweisen und das es zwischen diesen Bedeutungen auf der Inhaltsebene Beziehungen geben muss[3]. Gauger geht bezüglich dieser Verbindungen noch mehr ins Detail, in dem er von „bewußtseinsmäßigen“ (Gauger 1970: 81) Beziehungen spricht. Unter „bewußtseinsmäßig“ versteht Gauger dabei eine Verbindung der Wörter auf der Ebene des Unbewussten. Er nutzt als Beispiel das Wort „Geist“, dass sowohl als christliches Symbol „der Heilige Geist“ als auch als Eigenschaft des Gehirns „der Mann hat Geist“ existiert. Zwischen diesen Bedeutungen von Geist gibt es offensichtlich eine Beziehung, denn sie meinen beide ein nicht Fassbares auf der Ebene der Imagination vorhandenenes Phänomen. Sie haben denselben Ursprung, jedoch im Laufe der Zeit Bedeutungsvariationen entwickelt. Dieser etymologische Aspekt ist ebenfalls bedeutend für eine klare Definition von Polysemie. Dabei wird davon ausgegangen, dass es eine Grundbedeutung des Lexems Geist gibt, von dem sich alle Bedeutungsvariationen ableiten lassen. (Vgl. Bußmann 1990). Der Ursprung des Lexemes „Geist“ liegt in dem lateinischen „spiritus“ und der Theorie entsprechend vereint es alle möglichen Bedeutungsvariationen von „Geist“. Der Mensch nutzt das Lexem Geist heute unbewusst in verschiedenen Kontexten mit verschiedenen Bedeutungen, das ist es, was Gauger unter „bewußtseinsmäßig“ versteht.

Polysemie kommt in der Sprache sehr häufig vor. Es gibt kaum ein Wort, das nur eine Bedeutung hat und deshalb bezeichnet Lewandowski die Polysemie auch als die „zentrale Eigenschaft lexikalischer Einheiten“ (Lewandowski 1994: 818)und Schippan sieht die Polysemie sogar als einen strukturellen Grundzug der Sprache auf der Ebene der langue dessen Realisierung in einer bestimmten Bedeutung auf der Ebene der parole stattfindet (Vgl. Schippan 1975: 94).

Synchron betrachtet ist die Polysemie das Gegenteil der Synonymie (Ullmann 1969: 199f.). Während bei der Synonymie zwei unterschiedliche Lexeme auf eine Bedeutung verweisen ist es bei der Polysemie genau umgekehrt, doch ist diese Betrachtung nur mit Einschränkungen zulässig, da sie die Herkunft der Wörter außer Acht lässt.

Diachron betrachtet entsteht Polysemie im Laufe der Sprachentwicklung, in dem ein Lexem eine oder mehrere neue Bedeutungen erhält ohne seine Grundbedeutung zu verlieren (siehe 4. Beispiel „école“).

Auch andere Wissenschaftsdisziplinen beschäftigen sich mit der Polysemie. So ist die Polysemie unter anderem ein fester Bestandteil der Prototypensemantik, die Wörter in lexikalische Kategorien einteilt und zum Beispiel untersucht, warum das Nomen „Kohle“ auch ein Synonym für „Geld“ ist (Vgl. Müller 2002)[4]. Dabei geht die Prototypentheorie davon aus, das Lexeme eine Kernbedeutung besitzen, von denen sich alle Varianten über metaphorische oder metonymische Prozesse ableiten lassen (Vgl. Bußmann 1990: 524).

Bei der von Bußmann erwähnten Zwei-Ebenen-Semantik wird davon ausgegangen, dass Polysemie ein „Phänomen semantischer Unterbestimmtheit“ ist und das Varianten der Bedeutung das „Ergebnis kontextuell gesteuerten, konzeptuellen Spezifizierung einer unterbestimmten „Semantischen Form“(Bußmann1990: 524)“ sind. Diese Erläuterung fasst wiederum das Problem des semantischen Kontextes auf, das im Folgenden noch reflektiert wird.

3. Abgrenzung zur Homonymie

Auch bei der Homonymie handelt es sich um einen Fall lexikalischer Ambiguität. Dabei spricht man laut Bußmann von Homonymen bei Lexemen die eine gleiche Orthographie und Aussprache besitzen, aber unterschiedliche Bedeutung haben und bei denen zumeist auch eine unterschiedliche etymologische Herkunft nachgewiesen werden kann (Bußmann: 1990). Homonyme haben also ein identisches signifiant und zwei oder mehrere völlig unterschiedliche signifiés.

Ein Fall von Homonymie liegt bei dem Beispiel „louer“[5] vor, denn es handelt sich dabei um ein „Lexem mit verschiedenen Bedeutungen, die zufällig dieselbe Form haben“ (Löbner 2003 : 57). „Louer“ kann dabei je nach Kontext „(ver)mieten“ oder „loben“ bedeuten. „Louer1“ mit der Bedeutung „(ver)mieten“ stammt von dem lateinischen Wort locare ab und „louer2“ mit der Bedeutung „loben“ von dem lateinischen Wort laudare. Dieses Beispiel zeigt, dass homonyme Wörter diachron betrachtet etymologisch verschiedene Wurzeln haben können also getrennte lexikalische Einheiten darstellen. Das heißt, dass sich aus historisch vollkommen unterschiedlichen Wörtern im Laufe der Sprachentwicklung zwei Lexeme gebildet haben, die phonetisch vollkommen identisch sind, aber in ihrer Bedeutung im Gegensatz zur Polysemie keinerlei Ähnlichkeit oder Verwandtschaft aufweisen. Bußmann sieht im etymologischen Kriterium aber auch eine Gefahr, da „nicht zu klären ist, wie weit die historische Herkunft zurückverfolgt werden soll“(Bußmann 1990: 283). Auch Lewandowski sieht das etymologische Kriterium kritisch und bezieht sich dabei auf die Systemhaftigkeit der Sprache.

[...]


[1] Die Einteilung in verschiedene semantische Kategorien auf die ich hier zurückgreife stammt von Kees van Deemter und Stanley Peters, die schreiben: „Natural language is known fort he ambiguity of ist expressions. Whereas artificial forms of communication tend to be designed in such a way that ambiguity is reduced to a minimum, natural language is ambiguous at various ‘levels’ of interpretation. “ und zwischen “a. lexical ambiguity, b. syntactic (und) c. contextual semantic level” unterscheiden. (Vgl. Van Deemter & Peters 1996)

[2] Vgl. Bréal, Michel (1924 [1897]): Essai de sémantique. Paris: Gérard Monfort.

[3] Vgl. Bartels 1992, Bußmann 1990, Kleiber 1999,Löbner 2003, Müller 2002, Stechow 1991, Ullmann 1969.

[4] Laut Müller zeichnen sich beide Nomen durch die Adjektive „wertvoll“ und „knapp“ aus, sie stellen einen Besitztum dar, der begehrt ist, sich aber schnell „verflüchtigt“. Durch solche Betrachtungen kann man Metaphern im Nachhinein rekonstruieren und auch die Entstehung von Polysemien erklären. (Vgl Müller 2003: 207)

[5] Auf das Beispiel „louer“ geht Lewandowski näher ein.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Das Problem der Polysemie: Eine Untersuchung anhand von Beispielen aus dem Französischen
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut für Romanistik)
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
17
Katalognummer
V81465
ISBN (eBook)
9783638858403
Dateigröße
376 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Sehr gute Arbeit, Grundstudium, umfangreiche Literaturliste
Schlagworte
Problem, Polysemie, Eine, Untersuchung, Beispielen, Französischen
Arbeit zitieren
Martina Hoffeins (Autor:in), 2004, Das Problem der Polysemie: Eine Untersuchung anhand von Beispielen aus dem Französischen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81465

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