Zur Rolle der Wissenschaften in der DDR von 1945 bis 1989


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

33 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Ein kurzer Überblick und Phaseneinteilung

3. Die Aufbau- und Rekonstruktionsphase in den Jahren 1945 bis 1951
3.1. Die erste Hochschulreform
3.2. Die Wiedereröffnung der Universitäten
3.3.Kaderpolitik
3.3.1. Entnazifizierung
3.3.2. Demokratisierung
3.4. Forschung: Die deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin
3.5. Das Wissenschaftsverständnis der SED

4. Die Konsolidierungsphase in den Jahren 1951/52 bis 1961
4.1. Umstrukturierung des Studiums und des Hochschulwesens
4.2. Forschungsplan und Forschungsfreiheit
4.3. Die Neue und die Alte Elite
4.4. Das Wissenschaftsverständnis der 50er Jahre

5. Reformphase 1962 bis 1970/71
5.1. Bildungsreform
5.2. Auflösung der Institute
5.3. Der Wahrheitsanspruch der SED
5.4. Die Theorieproduktion in der DDR

6. Die Zeit der Krisen in den Jahren 1971 bis 1989
6.1. Wissenschaft nach dem Machtwechsel
6.2. Neuer Modernisierungsversuch

7. Fazit

8. Anhang: Institutionalisierung der Wissenschaftspolitik 1945-1956

9. Literatur

1. Einleitung

Die Sphären Wissenschaft, Politik und Gesellschaft sind in einer zentralistisch organisierten Gesellschaft, wie es die DDR war, nicht getrennt zu betrachten. Darum müssen bei einer Untersuchung des Wissenschafts- und Hochschulbetriebes der DDR die vielseitigen Wechselwirkungen mit dem politischen System, also explizit die praktische und kognitive Einflussnahme und institutionelle Steuerung durch die SED, auf den Wissenschaftsbetrieb, sowie das gesellschaftliche Umfeld der Wissenschaftsproduktion berücksichtigt werden.

Auch in der DDR waren die Verflechtungen zwischen Wissenschaft und Politik vielschichtig und keineswegs auf ideologische Instrumentalisierung der Wissenschaft durch die SED einseitig geprägt. Und trotz der Steuerung der Wissenschaften durch die SED, auch auf kognitiver Ebene, wurde in der DDR systematisch neues Wissen kreiert.[1]

Die Wissenschaft hat insbesondere was Orientierungs- und Strategiewissen angeht, für die Gesellschaft eine wichtige Problemlösungsfunktion.[2] Das heißt, um das Wissenschaftsverständnis der DDR zu begreifen, also die Rolle, welche die Wissenschaften in dieser Gesellschaft spielten, ist es sinnvoll, auch nach der Theorieproduktion zu fragen. Dies wird in dieser Arbeit berücksichtigt, kann aber nicht abschließend diskutiert werden.

Ziel ist es zu klären, ob und inwiefern wissenschaftliche Autonomie, Selbstverwaltung und Forschungsfreiheit noch durchsetzbar waren. Die Frage ist also, ob sich die Wissenschaften einen Rest an Autonomie bewahren konnten, oder ob sich „das Verhältnis von Wissenschaft und Politik lediglich als Verhältnis von Herrschaft und Unterwerfung beschreiben lässt.“[3]

Der Zugang zu diesem Thema gestaltet sich unter anderem schwierig, weil nicht nur die innergesellschaftliche Betrachtung ideologisch gefärbt ist, sondern auch in der Gegenwart eine bestimmte, westlich geprägte Perspektive auf die DDR vorherrscht.[4]

Die ausgewählte Literatur stammt dementsprechend hauptsächlich aus der westlichen Wissensproduktion der Nachwendezeit.

2. Ein kurzer Überblick und Phaseneinteilung

Die Zeit direkt nach dem Krieg1945 bis zur zweiten Hochschulreform und ihrer Umsetzung 1951/52 kann berechtigterweise als die Aufbau- und Rekonstruktionsphase bezeichnet werden. Wobei das Jahr 1951 eine Zäsur darstellte.

Bereits 1946 begann der Aufbau des sozialistischen Hochschulsystems mit der ersten Hochschulreform. Aber die tradierten Wissenschaften waren zu Beginn noch viel stärker institutionalisiert, als das bei der Wissenschaftspolitik der Fall war. Und erst mit zunehmender Institutionalisierung wurde die Wissenschaftspolitik der SED einflussreicher.

So waren 1945/46 die politischen Eingriffe in den Wissenschaftsbetrieb hauptsächlich auf Personalpolitik und Zulassungsbeschränkungen konzentriert. Ansonsten handelte es sich noch um ein diskursives Verhältnis zwischen Wissenschaft und Politik.[5] Auch wenn man dabei nicht von einem Diskurs zwischen Gleichen reden kann.

Außerdem wurde Wissenschaftspolitik ab 1945/46 kontinuierlich bis in die 80er Jahre, aber in besonderem Maße bis zum Mauerbau 1961, ebenfalls als Förderpolitik gehandhabt.

Ab 1948/49 wuchs das Interesse der SED an Machtpositionen und Steuerungsmöglichkeiten auf dem Wissenschaftssektor. Der Schwerpunkt lag schon damals auf Naturwissenschaften und Technik.

Ab 1951/52 bis 1961 kommt es zu einer Konstituierungs- und Konsolidierungsphase.

Diese Zeit war einerseits bestimmt von Reformversuchen, welche bis in die 80er Jahre andauerten und mehr oder weniger aufgrund des fehlenden Drucks von Außen (unter anderem wegen der Isolation durch die Mauer, welche die Konkurrenz mit dem Westen relativ unbedeutend werden ließ) versandeten. Andererseits wuchs der Einfluss der SED auf den Wissenschaftsbetrieb. Ab 1952 kam es zu einer zielstrebigen Politisierung der Wissenschaft, da sie nun einen höheren Stellenwert im machtpolitischen Kalkül der SED erhielt.

Für die Jahre 1951 bis 1955 wurde der erste Fünfjahresplan für die Forschung aufgestellt und das Paradigma des Marxismus-Leninismus, insbesondere für die Geisteswissenschaften, wurde erstmals offen eingefordert.

Die Zeit 1962 bis 1970/71 ist die Zeit der Reformen. Die dritte Hochschulreform sorgte dafür, dass der Hochschulbetrieb nach sowjetischem Vorbild gänzlich umstrukturiert wurde, wodurch die SED sich zwar alle machtpolitischen Schlüsselpositionen im Wissenschaftsbetrieb sichern konnte, gleichzeitig aber einer ständigen Handlungsüberlastung ausgesetzt war.

So kam es in den Jahren 1971 bis 1989 zu einer neuen Orientierungskrise, der die SED relativ machtlos gegenüberstand. Die planwirtschaftliche Organisation und die dogmatische Vorgabe der Marxismus-Leninismus als einzig gültiges Paradigma der Wissenschaften führte dazu, dass innovative Lösungsansätze nicht diskutiert oder gar unterbunden wurden.

Die drei Hochschulreformen ergeben einen einheitlichen Prozess. Denn im Grunde handelte es sich um die konsequente Fortführung des Aufbaus eines sozialistischen Hochschul- und Wissenschaftssystems. Kein anderes sozialistische Land hat diesen Prozess so konsequent forciert und so schnell und gründlich auf die Wege gebracht, wie die DDR. Die ‚Intelligenzpolitik’ der SED, Kaderpolitik und institutionelle Steuerung zeigte ihre Wirkung.

So ist die Kontinuität des politischen (stalinistischen) Personals auffällig, welches seit den 1950er Jahren bis in die 1980er Jahre agierte. Und das „Resultat war kontinuierliches Wachstum und kontinuierliche Perfektionierung des ursprünglich stalinistischen Systems.“[6]

3. Die Aufbau- und Rekonstruktionsphase in den Jahren 1945 bis 1951

Von Anfang an hatte die SED (bzw. KPD) jede Machtposition der Ministerien der Länder, welche den Bildungssektor betrafen, selbst inne. Zusätzlich war das erklärte Ziel der SED, sich in alle Machtpositionen der Universitätsgremien zu bringen. Das gestaltete sich allerdings zunächst etwas schwierig. Denn im „allgemeinen überlagerten tagespolitische Nöte eine intensivere Beschäftigung mit Wissenschaft. Wissenschaftspolitik konzentrierte sich in den ersten Jahren in starkem Maße auf Hochschulpolitik.“[7]

Wissenschaftspolitik wurde immer auch als Förderpolitik verstanden. So wurden einzelne Wissenschaftler insbesondere ‚Techniker’ finanziell unterstützt und es kam zu Neugründungen, die als Anreize gedacht waren. Dadurch sollte hoch qualifiziertes, wissenschaftliches Personal der SBZ/DDR erhalten bleiben.

Zwar wurde in den Jahren der SBZ massiv über Zulassung Hochschulpolitik betrieben,

aber erst in den 1950ern konnte sich die SED an den Universitäten durchsetzten. Also verlief der Wissenschaftsbetrieb zunächst weitgehend in bekannten, tradierten Bahnen. Wobei durch die gesteuerte Zulassungspolitik und einer Reihe von akademischen Neugründungen strukturell bereits die Weichen für eine mächtige politische Steuerung und Umlenkung im Wissenschaftsbetrieb gestellt wurden.

3.1. Die erste Hochschulreform

In der SBZ sollte zunächst ein egalitäres, gesellschaftspolitisches Bildungssystem eingeführt werden. Die erste Hochschulreform sollte die Demokratisierung des Bildungswesens sicherstellen. Dazu wurde zunächst eine einheitliche achtjährige Gesamtschule errichtet. Außerdem wurden die „Arbeiter- und Bauernfakultäten“ (so benannt 1949) eingeführt, die den benachteiligten Gesellschaftsschichten (Klassen) den Zugang zu den Hochschulen ermöglichen sollten.[8] Die Zugangsregelungen zu den Hochschulen wurden im ideologischen Sinne instrumentalisiert, um das Bildungssystem für die ideologische Homogenisierung der Gesellschaft nutzbar zu machen.[9]

3.2. Die Wiedereröffnung der Universitäten

Die erste Hochschule, welche wiedereröffnet wurde, war die Friedrich-Schiller-Universität zu Jena, am 15.10.1945. Im Jahr 1946 wurden dann kurz hintereinander Universitäten in Berlin, Halle, Leipzig, Freiberg, Greifswald und Rostock wiedereröffnet.

Rektoren jener Universitäten waren zumeist nicht vorbelastete, angesehene bürgerliche Wissenschaftler. Zum einen lag der SED daran, diese in gesellschaftliche Verantwortung zu nehmen, zum anderen aber, und dies darf als der gewichtigere Bewegrund gelten, gab es nicht genug renommierte Wissenschaftler mit SED-Parteibuch.[10]

Später, als klar wurde, dass das akademische Milieu mit der doch allzu stark vertretenen bürgerlichen Wissenschaftselite der SED-Hochschulpolitik im Wege stand, waren jene Wissenschaftler weiterhin unentbehrlich. Es herrschte allein schon auf Grund der Abwanderung bedeutender Wissenschaftler in die USA während der Nazi-Herrschaft und der breit angelegten Entnazifizierungskampagne nach dem Krieg erheblicher Personalmangel an den Hochschulen.

3.3. Kaderpolitik

Somit war die dringendste Frage, der ersten Hochschulreform die so genannte ‚Kaderfrage’. Dabei ging es um die Personalpolitik an Schulen, Universitäten, Hochschulen und Fachhochschulen einerseits und um die Zulassungsbestimmungen zum Studium andererseits.

„Im Hochschulwesen zeigte sich in der SBZ/DDR eine deutliche Resistenz gegenüber einer politisch-ideologischen >>Gleichschaltung<< unter Studenten wie unter Professoren. Die Politik der SED zielte auf die Gewinnung der >>bürgerlichen Professoren<<, die Heranbildung parteikonformer jüngerer Kräfte sowie die Etablierung der FDJ als einziger Organisation unter den Studenten.“[11]

[...]


[1] Vgl.: Malycha, A.: „Produktivkraft Wissenschaft“ – Eine dokumentierte Geschichte des Verhältnisses von Wissenschaft und Politik in der SBZ/DDR 1945-1990. In: Burrichter 2002, S. 39

[2] „Wissenschaft“ ist „eine spezifische gesellschaftliche Problemlösungsinstanz, deren Spezifik in der systematischen und intersubjektiv kontrollierten Lösungssuche für Gesellschaftliche Probleme zu sehen ist.“ Burrichter, C.: Auf dem Weg zur „Produktivkraft Wissenschaft“. Essayistische Bemerkungen zu einer wissenschaftstheoretischen Untersuchung im Rahmen einer gesellschaftswissenschaftlichen DDR-Forschung. In: Burrichter, 2002, S.17

[3] Malycha, A.: „Produktivkraft Wissenschaft“ – Eine dokumentierte Geschichte des Verhältnisses von Wissenschaft und Politik in der SBZ/DDR 1945-1990. In: Burrichter 2002, S.45

[4] Vgl.: Burrichter, C.: Auf dem Weg zur „Produktivkraft Wissenschaft“. Essayistische Bemerkungen zu einer wissenschaftstheoretischen Untersuchung im Rahmen einer gesellschaftswissenschaftlichen DDR-Forschung. In: Burrichter 2002, S. 15f

[5] Vgl.: Malycha, A.: „Produktivkraft Wissenschaft“ – Eine dokumentierte Geschichte des Verhältnisses von Wissenschaft und Politik in der SBZ/DDR 1945-1990. In: Burrichter 2002, S. 49

[6] Connelly, J.: Humboldt im Staatsdienst. Ostdeutsche Universitäten 1945-1989 In: Ash 1999, S.81

[7] Malycha, A.: „Produktivkraft Wissenschaft“ – Eine dokumentierte Geschichte des Verhältnisses von Wissenschaft und Politik in der SBZ/DDR 1945-1990. In: Burrichter 2002, S. 63

[8] Vgl. Anweiler 1992, S. 15

[9] Vgl.: ebd. S. 13f

[10] Vgl.: Malycha, A.: „Produktivkraft Wissenschaft“ – Eine dokumentierte Geschichte des Verhältnisses von Wissenschaft und Politik in der SBZ/DDR 1945-1990. In: Burrichter 2002, S.64f

[11] Anweiler 1992, S.20

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Zur Rolle der Wissenschaften in der DDR von 1945 bis 1989
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Der soziale Wandel der Universität
Note
2,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
33
Katalognummer
V81546
ISBN (eBook)
9783638866071
Dateigröße
498 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rolle, Wissenschaften, Wandel, Universität
Arbeit zitieren
Edda Laux (Autor:in), 2006, Zur Rolle der Wissenschaften in der DDR von 1945 bis 1989, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81546

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