Die erschütternden Terroranschläge in New York und Washington haben der Welt am 11.September 2001 schlagartig vor Augen geführt, wie verletzbar westliche Demokratien auch nach dem Ende des Kalten Krieges sind.
Vor diesem Hintergrund widmet sich diese Arbeit der Beantwortung der Frage, welche Effekte diese Bedrohungslage auf die Entwicklung der Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres (ZBJI) in der EU hatte und inwieweit diese ursächlich für die Zusammenarbeit der nationalen Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden auf europäischer Ebene ist. Im Speziellen wird untersucht, ob und inwieweit nach dem 11.09.2001 eine Beschleunigung und Vertiefung der Integration – insbesondere im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit – erreicht wurde und welche Faktoren hierbei als Anstoß eine Rolle gespielt haben könnten.
Diese Arbeit gibt einen Überblick über die Entwicklung der Terrorismusbekämpfung im Politikfeld ZBJI vor und nach dem 11.09.2001. Unter dem der Arbeit zugrunde liegenden Begriffsverständnis von Integration werden Rückschlüsse auf den Grad der Integration gezogen und der jeweils erreichte Integrationsgrad in einen zeitlichen Zusammenhang mit den Ereignissen des 11.09.2001 gestellt. Darüber hinaus wird auf integrationstheoretische Erklärungsansätze der gängigen Integrationstheorien zur Europäischen Einigung zurückgegriffen. Es wird versucht den Prozess der Vertiefung im Bereich der ZBJI anhand der beiden Haupttheorienfamilien einzuordnen um die Ursachen für die Vertiefung einzugrenzen.
In der Gesamtschau ist festzustellen, dass die Anschläge zu einer beschleunigten Vertiefung der Zusammenarbeit geführt haben. Eine Weiterentwicklung der vertraglichen primärrechtlichen Bestimmungen nach Amsterdam hat jedoch nicht stattgefunden und das Legislativverfahren findet nach wie vor in der von Amsterdam vorgegebenen Form statt. Die Verhandlungssituationen zu und die Umsetzungsprobleme von beschlossenen Rechtsakten zeigen, dass die MS zentrale Akteure in diesem Politikfeld sind. Zusammenfassend bestätigt sich die Theorie des liberalen Intergouvernementalismus, demnach die Regierungspositionen von Beginn an vordefiniert sind und aufgrund von externen Zwängen zustande kommen. Die Ursachen für die nach dem 11.09.2001 entfaltete Kooperationsdynamik liegen deshalb nicht in einer institutionellen Eigendynamik des Integrationsprozesses sondern in einer, durch exogene Faktoren ausgelösten, Präferenzverschiebung der MS nach dem 11.09.2001.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 2 Fragestellung der Arbeit und Untersuchungsthese
- 2.1 Fragestellung der Arbeit
- 2.2 Untersuchungsthese
- 3 Begriff der Integration
- 3.1 Grundaussagen zur Integration
- 3.2 Sektorale Integration
- 3.3 Vertikale Integration
- 3.4 Horizontale Integration
- 4 Die wichtigsten integrationstheoretischen Entwicklungen
- 4.1 Allgemeines
- 4.2 Supranationalismus
- 4.2.1 Föderalismus
- 4.2.2 Funktionalismus
- 4.2.3 Neofunktionalismus
- 4.2.4 Rationalistischer Supranationalismus
- 4.2.5 Konstruktivistischer Supranationalismus
- 4.3 Intergouvernementalismus
- 4.3.1 Liberaler Intergouvernementalismus
- 4.3.2 Realistischer Intergouvernementalismus
- 5 Die Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres (ZBJI) im Kontext der Terrorismusbekämpfung
- 5.1 Zielrichtung der Betrachtung
- 5.2 Die ZBJI vor dem 11.09.2001
- 5.2.1 Anfänge der Zusammenarbeit außerhalb der EG
- 5.2.2 Schengener Abkommen
- 5.2.3 Vertrag von Maastricht
- 5.2.4 Vertrag von Amsterdam
- 5.2.5 Programm von Tampere
- 5.3 Die Weiterentwicklung nach dem 11.09.2001
- 5.3.1 Nach dem 11.09.2001 ergriffene Maßnahmen
- 5.3.2 Nach dem 11.03.2004 ergriffene Maßnahmen
- 5.3.3 Das Haager Programm
- 5.3.4 Die Anschläge von London
- 5.3.5 Vertrag von Prüm
- 5.3.6 Deutsche EU-Präsidentschaft 2007
- 6 Katalysatoreffekt des 11.09.2001?
- 6.1 Verstärkte Kooperation auf EU-Ebene
- 6.2 Verstärkung der Integration?
- 7 Institutionelle Eigendynamik oder Mitgliedstaatliche Präferenzverschiebung?
- 7.1 Stand der integrationstheoretischen Einordnung der ZBJI
- 7.2 Rechtliche Grundlagen der ZBJI
- 7.3 Untersuchung der Intergouvernementalistischen Perspektive
- 7.3.1 Exemplarische Untersuchung der Aktionspläne zur Terrorismusbekämpfung
- 7.3.2 Der europäische Haftbefehl
- 7.3.3 Die gemeinsame Terrorismusdefinition
- 8 Mitgliedstaatliche Präferenzen als Ursache verstärkter Kooperation
- 8.1 Phänomen Terrorismus als Herausforderung für den Nationalstaat
- 8.2 Bedeutung für die staatliche Aufgabe der Gewährleistung der inneren Sicherheit
- 8.3 Vorteile der Kooperation für die EU und die MS
- 9 Ausblick
- 10 Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres (ZBJI) in der Europäischen Union (EU) im Kontext der Terrorismusbekämpfung. Sie untersucht, ob und inwieweit nach den Anschlägen vom 11. September 2001 eine Beschleunigung und Vertiefung der Zusammenarbeit in diesem Politikfeld erreicht wurde, und welche Faktoren hierbei eine Rolle gespielt haben könnten.
- Die Entwicklung der Terrorismusbekämpfung im Bereich der ZBJI vor und nach dem 11.09.2001
- Der Grad der Integration in der ZBJI im zeitlichen Zusammenhang mit den Ereignissen des 11.09.2001
- Integrationstheoretische Erklärungsansätze für die Vertiefung der Zusammenarbeit im Bereich der ZBJI
- Die Bedeutung des Phänomens Terrorismus für den Nationalstaat
- Die Rolle von Mitgliedstaatlichen Präferenzen bei der verstärkten Kooperation
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Einleitung Dieses Kapitel stellt den Hintergrund der Arbeit dar, indem es die Bedeutung des 11. Septembers 2001 für die Entwicklung der Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres in der EU hervorhebt.
- Kapitel 2: Fragestellung der Arbeit und Untersuchungsthese Hier werden die zentralen Fragen und die Hypothese der Arbeit formuliert, die die Untersuchung der verstärkten Kooperation im Bereich der ZBJI nach den Anschlägen vom 11. September 2001 lenken.
- Kapitel 3: Begriff der Integration Dieses Kapitel beleuchtet den Begriff der Integration, der als Grundlage für die Analyse der Zusammenarbeit im Bereich der ZBJI dient. Es werden verschiedene Dimensionen der Integration erläutert, um die verschiedenen Ebenen der Zusammenarbeit zu verstehen.
- Kapitel 4: Die wichtigsten integrationstheoretischen Entwicklungen Dieses Kapitel stellt verschiedene integrationstheoretische Ansätze vor, die zur Erklärung der Entwicklung der Europäischen Union und der Zusammenarbeit im Bereich der ZBJI herangezogen werden.
- Kapitel 5: Die Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres (ZBJI) im Kontext der Terrorismusbekämpfung Dieses Kapitel gibt einen historischen Überblick über die Entwicklung der Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres in der EU vor und nach dem 11. September 2001.
- Kapitel 6: Katalysatoreffekt des 11.09.2001? Hier werden die Auswirkungen der Anschläge vom 11. September 2001 auf die Zusammenarbeit im Bereich der ZBJI untersucht und die Frage gestellt, ob der 11. September einen Katalysatoreffekt hatte.
- Kapitel 7: Institutionelle Eigendynamik oder Mitgliedstaatliche Präferenzverschiebung? Dieses Kapitel untersucht die Frage, ob die verstärkte Kooperation im Bereich der ZBJI durch institutionelle Dynamiken oder durch veränderte Präferenzen der Mitgliedstaaten angestoßen wurde.
- Kapitel 8: Mitgliedstaatliche Präferenzen als Ursache verstärkter Kooperation In diesem Kapitel wird die Rolle von Mitgliedstaatlichen Präferenzen bei der verstärkten Kooperation im Bereich der ZBJI analysiert. Es werden die Herausforderungen des Terrorismus für den Nationalstaat und die Bedeutung von innerer Sicherheit für die Mitgliedstaaten beleuchtet.
Schlüsselwörter
Terrorismusbekämpfung, Europäische Union, Justiz und Inneres, Integrationstheorien, Intergouvernementalismus, Supranationalismus, ZBJI, Kooperation, Mitgliedstaatliche Präferenzen, innere Sicherheit, Sicherheitspolitik, europäischer Haftbefehl, gemeinsame Terrorismusdefinition.
- Arbeit zitieren
- Sven Dorn (Autor:in), 2007, Die Terrorismusbekämpfung der Europäischen Union im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit aus integrationstheoretischer Sicht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81599