Anna Wierzbickas "Natural Semantic Metalanguage". Theoretische Grundlagen und exemplarische Bedeutungsanalysen mithilfe der semantischen Primitiva


Hausarbeit, 2007

16 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Theoretische Grundlagen der „Natural Semantic Metalanguage“
1.1 Was ist die „Natural Semantic Metalanguage“?
1.2 Die semantischen Primitiva
1.3 Allolexie und Polysemie bei den semantischen Primitiva
1.4 Syntax der semantischen Primitiva

2. Verfahren zur Bedeutungsanalyse mithilfe der semantischen Primitiva

3. Exemplarische Bedeutungsanalysen
3.1 Die Adjektive guilty und disappointed
3.2 Die Substantive house und rainbow

Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

Einleitung

Zu Beginn der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts entwickelte die polnischstämmige Linguistin ANNA WIERZBICKA einen semantischen Ansatz, mit dessen Hilfe es möglich ist, die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks in kleinere, universale Einheiten zu zerlegen, und so gleichzeitig eine natürlichsprachliche Bedeutungsbeschreibung dieses Ausdrucks vorzunehmen. Bekannt wurde diese Theorie unter dem Terminus „Natural Semantic Metalanguage“.

Die vorliegende Hausarbeit legt zunächst die theoretischen Grundlagen dieser „Natural Semantic Metalanguage“ dar, indem sie genauer auf die universalen Konzepte, die so genannten semantischen Primitva, eingeht. In einem zweiten Schritt wird dann das Analyseverfahren vorgestellt, welches es ermöglicht, mithilfe dieser semantischen Primitiva die Bedeutung eines Wortes zu beschreiben. Schließlich werden in einem letzten Teil an exemplarisch ausgewählten Begriffen eigene Analysen durchgeführt und die sich dabei ergebenden Schwierigkeiten aufgezeigt.

1. Theoretische Grundlagen der „Natural Semantic Metalanguage“

1.1 Was ist die „Natural Semantic Metalanguage“?

Wie eingangs bereits erwähnt, ist die „Natural Semantic Metalanguage“ (NSM) ein von ANNA WIERZBICKA entwickelter linguistischer Ansatz, bei dem mithilfe von universalen Konzepten versucht wird, eine Bedeutungsbeschreibung von sprachlichen Ausdrücken vorzunehmen. Ihre Theorie stützt sich dabei auf die Annahme, „that the meanings expressible in any language can be adequately described within the resources of that language“ (GODDARD 2002: 5), so dass demnach jede natürliche Sprache auch als ihre eigene Metasprache dienen kann. Zur Beschreibung der Bedeutung eines komplexen Ausdrucks wird dazu eine Paraphrase verwendet, die sich aus Wörtern zusammensetzt, „which are simpler and easier to understand than the original [words]“ (GODDARD 2006). Diese Methode der Bedeutungsbeschreibung wird als „reductive paraphrase“ bezeichnet (GODDARD 2002: 5). Voraussetzung für eine solche Methode ist, dass in jeder natürlichen Sprache ein „semantic core“ vorhanden ist, „which would be left after all the decomposable expressions had been dealt with“ (ebd.). Dieser „semantic core“ muss eine sprachähnliche Struktur aufweisen, die aus einem Lexikon von nicht weiter zu definierenden Ausdrücken – den so genannten semantischen Primitiva (engl. „semantic primes“ oder „semantic primitives“) – und einer Grammatik besteht, die angibt, wie die Elemente des Lexikons kombiniert werden können (vgl. ebd.). Die semantischen Primitiva stellen somit zusammen mit den Kombinationsregeln eine Art Mini-Sprache dar, die als „Natural Semantic Metalanguage“ bezeichnet wird. „Natürlich“ ist diese semantische Metasprache – im Unterschied zu einer „künstlichen“ Metasprache – dadurch, dass die mithilfe der semantischen Primitiva gebildete „reductive paraphrase“ als „basically self-explanatory“ aufgefasst wird (WIERZBICKA 1972: 1).

Wie lässt sich nun aber der „semantic core“ einer natürlichen Sprache finden? CLIFF GODDARD gibt darauf folgende Antwort:

„Presumably by experimentation; i.e. by an extensive program of trial and error attempts to explicate meanings of diverse types, aiming always to reduce the terms of the explications to the smallest and most versatile set.“ (GODDARD 2002: 6)

ANNA WIERZBICKA hat sich über einen Zeitraum von inzwischen mehr als 30 Jahren genau damit beschäftigt. Das Ergebnis ihrer langjährigen Forschungsarbeit besteht aus der Herausarbeitung eines Sets von aktuell etwas mehr als 60 semantischen Primitiva bzw. „indefinable meanings“ (ebd.), welches jedoch keinen Anspruch auf Vollständig-keit erhebt und durchaus noch erweitert werden kann (vgl. dazu vor allem WIERZBICKA 1996 und GODDARD/WIERZBICKA 2002).

Wenn ANNA WIERZBICKA und Vertreter ihres Ansatzes etwa THINK, WHEN oder GOOD als semantische Primitiva erachten, dann wird ihrer Ansicht nach der Anspruch erfüllt,

„that the meanings of these words are essential for explicating the meanings of numerous other words and grammatical constructions, and that they cannot themselves be explicated in a non-circular fashion.” (GODDARD 2002: 6)

Ausdrücke bzw. Konzepte wie THINK, WHEN oder GOOD repräsentieren also „simple and intuitively intelligible meanings“ (ebd.) und sind als „definitional features […] not themselves defined, but […] given in the definitional metalanguage“ (GEERAERTS 1994: 3804).

Obwohl die semantischen Primitiva bisher ausschließlich in Englisch ausgedrückt werden, gehen viele NSM-Forscher davon aus, dass sie sich alle – oder zumindest ein Großteil von ihnen – als „semantic fundamentals in all languages“ erweisen (GODDARD 2006).

1.2 Die semantischen Primitiva

Das NSM-Modell hat sich seit den Anfängen seiner Entwicklung in den 70er Jahren stark verändert. Zunächst ging ANNA WIERZBICKA von lediglich 14 semantischen Primitiva aus (vgl. WIERZBICKA 1972), doch inzwischen hat sich bereits ein Set von über 60 Ausdrücken herausgebildet. Von der ursprünglichen Gruppe sind im heutigen Modell noch die folgenden zehn Primitiva vorhanden: I, YOU, SOMEONE, SOMETHING, PART, THIS, SAY, HAPPEN, WANT und FEEL (vgl. GODDARD 2002: 13 und WIERZBICKA 1996: 35).

In den späten 80er und frühen 90er Jahren konnte schließlich eine weitere Gruppe von Primitiva herausgearbeitet werden: PEOPLE, KNOW, THINK, THE SAME, OTHER, ONE, TWO, MUCH / MANY, ALL, GOOD, BAD, BIG, SMALL, IF, CAN, LIKE, BECAUSE, VERY, WHEN / TIME, BEFORE, AFTER, WHERE / PLACE, BELOW und ABOVE (vgl. GODDARD 2002: 13).

Eine dritte Gruppe zeichnete sich zum Ende der 90er Jahre hin ab, die aber im Gegensatz zu den anderen beiden Gruppen noch keinem „rigorous cross-linguistic testing“ unterworfen wurde (ebd.). Zu dieser Gruppe gehören: BODY, SEE, HEAR, WORDS, TRUE, LIVE, DIE, A LONG TIME, A SHORT TIME, FOR SOME TIME, NEAR, FAR, INSIDE, SIDE und MORE (vgl. ebd.).

Die folgende Tabelle zeigt nun eine kategorisierte Auflistung der aktuell angenom-menen semantischen Primitiva (vgl. GODDARD 2006), wobei die Elemente, die gegen-über den „ Proposed semantic primes“ von 2002 neu hinzugekommen sind, unter-strichen dargestellt sind (vgl. dazu GODDARD 2002: 14):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Die aktuell angenommenen semantischen Primitiva

Die Kategorien, denen die semantischen Primitiva in der Tabelle zugeordnet sind, wurden unter zwei Gesichtspunkten erstellt:

„They recognize certain natural semantic groupings such as, for example, time and space, and at the same time they pay attention to the combinatorical properties of the elements.” (WIERZBICKA 1997: 27)

Auf welche Weise konnten die semantischen Primitiva nun aber als solche identifiziert werden? Am Beispiel von GOOD soll dies kurz verdeutlicht werden. Der Definition nach ist ein semantisches Primitivum zunächst „a linguistic expression whose meaning cannot be paraphrased in any simpler terms“ (GODDARD 2002: 16). Außerdem sollte für ein Primitivum ein „lexical equivalent (or a set of equivalents) in all languages“ vorhanden sein (ebd.). Versucht man die Bedeutung von good durch einfachere Ausdrücke zu paraphrasieren, die zudem nicht spezifisch für eine bestimmte Sprache sind, so stößt man schnell an Grenzen. Mögliche Umschreibungen wie approve, value, positive oder please sind semantisch deutlich komplexer angelegt als good und zudem „highly language-specific“ (ebd.). Die Schwierigkeit, eine zufrieden stellende „reductive paraphrase“ für GOOD zu finden, spricht stark dafür, dass es sich hier um einen Kandidaten mit dem Status eines semantischen Primitivums handelt (vgl. ebd.). Außerdem ist GOOD notwendig für die Beschreibung bzw. Erklärung von „innumerable lexical items which imply positive evaluation (such as, to name a handful, nice, tasty, kind, happy, pretty)“ (ebd.). Darüber hinaus lassen sich in allen Sprachen Wortentsprechungen finden, die dieselbe Bedeutung haben, wie sie good im Englischen hat (vgl. ebd.).

1.3 Allolexie und Polysemie bei den semantischen Primitiva

Bestimmte semantische Primitiva können in verschiedenen Varianten bzw. Formen auftreten, die aber jeweils als Allolexeme desselben Lexems anzusehen sind (vgl. GODDARD 2006). ANNA WIERZBICKA verwendet den Begriff der Allolexie daher zur Kennzeichnung von Situationen „in wich several different words or word-forms (allolexes) express a single meaning in complementary contexts“ (GODDARD 2002: 20). Sie unterscheidet dabei zwischen der „positional allolexy“ und der „combinatorical allolexy“ (vgl. ebd.).

„Positional allolexy“ tritt im Englischen beispielsweise bei I und me auf. „It is impossible to state, in the form of a substitutable paraphrase, any semantic difference between I and me“ (ebd.). In einem Ausdruck wie I don’t know hat I dieselbe Bedeutung wie me in You did something to me. Die unterschiedliche Verwendungs-weise der beiden Formen ist lediglich durch die Position bestimmt, „i.e. I preverbally and me elsewhere“ (ebd.).

Die „combinatorical allolexy“ lässt sich an der Beziehung zwischen thing und something verdeutlichen. In Kombination mit „determiners and quantifiers, thing functions as an allolex of SOMETHING“ (ebd.), wie etwa in den Beispielen this thing (= this something), the same thing (= the same something) oder all things (= all somethings). Auch bildet das englische else „in combination with indefinites“ ein Allolexem zu OTHER (ebd.), wie beispielsweise bei something else (= another something) oder someone else (= another someone).

Eine weitere Schwierigkeit bei der Identifizierung von semantischen Primitiva stellt die Polysemie einiger Ausdrücke dar (vgl. ebd.: 24). BEFORE kann sowohl zeitlich (im Sinne von ‘first’) als auch räumlich (im Sinne von ‘ahead’ oder ‘front’) interpretiert werden (vgl. ebd.: 25), „but only one sense […] is proposed as primitive“ (GODDARD 2006). Dies sorgt vor allem beim Auffinden eines entsprechenden Ausdrucks in einer anderen Sprache für Komplikationen:

„While it is claimed that the simplest sense of the exponent words can be matched across languages (i.e. that they are ‘lexical universals’), it is recognised that their secondary, polysemic meanings may differ widely from language to language.“ (ebd.)

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Anna Wierzbickas "Natural Semantic Metalanguage". Theoretische Grundlagen und exemplarische Bedeutungsanalysen mithilfe der semantischen Primitiva
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Deutsches Seminar)
Veranstaltung
Semantische Theorien
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
16
Katalognummer
V81670
ISBN (eBook)
9783638885249
ISBN (Buch)
9783638886666
Dateigröße
427 KB
Sprache
Deutsch
Arbeit zitieren
Tim Fischer (Autor:in), 2007, Anna Wierzbickas "Natural Semantic Metalanguage". Theoretische Grundlagen und exemplarische Bedeutungsanalysen mithilfe der semantischen Primitiva, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81670

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