Auf dem Titelblatt der Hausarbeit über die Entstehung des Inquisitionsverfahrens im Mittelalter sieht man eine Darstellung des bedeutenden und maßgebenden Meisters der italienischen Trecentomalerei, Giotto di Bondone (1266-1337). Um 1300 schuf er seine berühmte Darstellung des Papsttraumes Innozenzs III. (1198-1216) in seinem Franziskuszyklus in der Oberkirche von San Francesco in Assisi, der wohl wichtigsten Kirche des Minoritenordens. Der sogenannte Papsttraum bestand der Überlieferung zufolge darin, daß der Heilige Franziskus (1182-1226) die Papstbasilika San Giovanni in Laterano vor dem Einstürzen bewahrte, indem er sie mit seinem Körper abstützte. Diese Traumszene wurde, wie es zur damaligen Zeit üblich war, metaphorisch interpretiert. Der Heilige Franziskus stützt Kirche und Papsttum und wird als Retter der Kirche gefeiert. Die Darstellung des Papsttraumes steht im Kontext der franziskanischen Ordenspropaganda, denn Innozenz III. war der erste Papst, der die Regeln des Ordens approbierte. Neben dieser günstigen, gab noch eine zweite, recht unschmeichelhafte Interpretation, die darin bestand, daß der Heilige Franziskus die von Degeneration bedrohte Kirche stützt, während der Papst schläft und seine Aufgaben nicht wahrnimmt.1
Dieser Vorwurf kann jedoch nicht aufrechterhalten werden, denn Innozenz III. eröffnete das IV. Laterankonzil (1215) mit dem Satz: ,,Ut in hoc nostri pontificanus anno XVIII templum Domini, quod est ecclesia, restauretur."2 Schon vor dem Konzil trat die Programmatik des Papstes deutlich hervor: die Reform des Klerus mit Hilfe einer neuen Prozeßform, dem kirchlichen Inquisitionsverfahren.
Das Wort Inquisition (dem etymologischen Ursprung nach vom lateinischen Verb inquirere, d.h. erforschen, nachsuchen, abgeleitet) ist ursprünglich ein juristischer Begriff und skizziert eine amtliche Vorgehensweise im Gerichtsverfahren. Diese, an sich rein rechts-technische Bezeichnung, weitete sich im Laufe der Geschichte zu einer Chiffre für das Böse in der (katholischen) Kirche aus.
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1 Schmitt, Stefan: Die bildlichen Darstellungen Papst Innozenz III., in: Frenz, Thomas (Hg.): Papst Innozenz III - Weichensteller der Geschichte Europas, Stuttgart 2000, 36-39.[...].
2 Zitat aus: Schmitt, Die bildlichen Darstellungen Papst Innozenz III., 38.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Inquisitionsbegriff im römischen Recht
- Die Rechtsverfahren nach dem Fall Roms
- Das fränkische Sendgerichtsverfahren
- Das karolingische Rügeverfahren
- Das Strafverfahren im Decretum Gratiani
- Das römisch-kanonische Akkusationsverfahren
- Das Denuntiationsverfahren
- Das Verfahren bei Notorietät
- Die Infamie und Purgatio canonica im Decretum Gratiani
- Die Infamie
- Die Purgatio canonica
- Vom Infamationsverfahren zum Inquisitionsprozeß
- Innozenz III. und die Strafrechtsreform
- Die Infamieinquisition in den Dekretalien Innozenz III.
- Der Inquisitionsprozeß auf dem IV. Laterankonzil
- Zusammenfassung
- Die Entwicklung des Inquisitionsverfahrens bis hin zur Ketzerinquisition
- Die Entwicklung im 13. Jahrhundert
- Die Ketzerinquisition
- Inquisition und Tortur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit untersucht die Entstehung des kanonischen Inquisitionsprozesses im Mittelalter und seine Anwendung in der Ketzerverfolgung. Sie verfolgt das Ziel, die Entwicklung des Verfahrens von seinen römisch-rechtlichen Wurzeln bis hin zur Etablierung der Ketzerinquisition nachzuzeichnen.
- Die historischen Wurzeln des Inquisitionsprozesses im römischen Recht
- Die Entwicklung des Verfahrens im frühen Mittelalter
- Die Rolle von Innozenz III. bei der Einführung des Inquisitionsverfahrens
- Die Etablierung der Ketzerinquisition im 13. Jahrhundert
- Die Anwendung von Folter im Rahmen des Inquisitionsprozesses
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung führt den Leser in die Thematik der Hausarbeit ein und stellt den Zusammenhang zwischen dem Papsttraum Innozenz III. und der Reform des Klerus durch die Einführung des Inquisitionsverfahrens dar.
- Kapitel 1 beleuchtet den Inquisitionsbegriff im römischen Recht und dessen Bedeutung in der Rechtspraxis.
- Kapitel 2 untersucht verschiedene Rechtsverfahren im frühen Mittelalter, die als Vorläufer des kanonischen Inquisitionsprozesses gelten können.
- Kapitel 3 widmet sich der Rolle von Innozenz III. bei der Strafrechtsreform und der Einführung der Infamieinquisition.
- Kapitel 4 erläutert die weitere Entwicklung des Inquisitionsverfahrens bis hin zur Ketzerinquisition im 13. Jahrhundert.
Schlüsselwörter
Die zentralen Begriffe dieser Arbeit sind kanonisches Inquisitionsverfahren, Ketzerverfolgung, Mittelalter, Rechtsgeschichte, Römisches Recht, Infamie, Purgatio canonica, Innozenz III., IV. Laterankonzil, Ketzerinquisition, Folter.
- Arbeit zitieren
- Thorsten Hübner (Autor:in), 2002, Entwicklung und Verfahren der Inquisition: Die Entstehung des kanonischen Inquisitionsprozesses im Mittelalter mit Blick auf die Ketzerverfolgung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8170