Das Fondaco dei Tedeschi in Venedig - zahlreiche Funktionen unter einem Dach


Hausarbeit, 2005

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Gliederung

1 Einleitung

2 Das Fondaco als Kontaktpunkt zweier Welten
2.1 Ein orientalisches Modell erobert Europa
2.2 Das Fondaco dei Tedeschi in Venedig – das wohl bekannteste Beispiel eines Fondaco im Mittelalter

3 Henry Simonsfelds umfassende Quellen-Sammlung
3.1 Ein Brief des Nürnberger Rats vom 24. November
3.2 Handelseinschränkung als politisches Mittel im 15. Jahrhundert

4 Eine zeitgenössische Quelle gibt Auskunft über Handelsbeziehungen zwischen deutschen Städten und Venedig

5 Zusammenfassung

6 Bibliographie

1 Einleitung

Im Mittelalter präsentierte sich Venedig mit ihrer exponierten Lage an der Adria und gut erreichbar von Handelsrouten aus dem Norden über Alpenpässe als südeuropäische Handelsmetropole ersten Ranges. Venezianische Händler importierten Gold, Seide, Gewürze und Öle aus dem Dar Al-Islam und es bestand ein großer Bedarf nach Gütern aus den Nordländern wie Holz, Eisen, Schafswolle, Wachs, Silber, Felle, Keramik, Waffen und Tuche. Wie war diese Warenaustausch organisiert, wo einerseits die Händler aus deutschen Städten an dem profitablen Geschäft teilhaben wollten, andererseits die venezianische Regierung – obwohl ebenfalls am Warenaustausch interessiert - sich seine absolute Vormachtstellung als Handelsknotenpunkt bewahren wollte. Die Lösung für die venezianischen Dogen präsentierte sich in einem Import aus der muslimischen Welt, dem Fondaco. Das Fondaco dei Tedeschi ist heute eines der bekanntesten Beispiele für eine solche Handelseinrichtung im Mittelmeerraum. Doch ist es auch ein repräsentatives Beispiel für die europäische Adaption dieser muslimischen Erfindung? In dieser Einrichtung konnte durch strenge Regeln, die ebenfalls von den muslimischen Vorbildern übernommen wurden, die gesamte Handelstätigkeit deutscher Kaufleute kontrolliert werden. Das bot gleichzeitig die Gelegenheit, alle Waren mit Einfuhr- und Ausfuhrzöllen zu belegen, und außerdem Gebühren für die Lagerung von Gütern und Mieten für Übernachtungsmöglichkeiten zu erheben. Für deutsche Händler war Venedig von solcher Bedeutung als Handelsplatz, dass sie diese Einschränkungen in Kauf nahmen.

Auch deutsche Städte bewerteten Venedig als Handelsmetropole sehr hoch, wie besonders bei der Bearbeitung einer Quelle ersichtlich wurde , die in Henry Simonsfelds „Der Fondaco dei Tedeschi in Venedig und die deutsch-venetianischen Handelsbeziehungen“ veröffentlicht wurde, das erstmals 1887 im Verlag der J. G. Cotta`schen Buchhandlung erschien.

An der Quelle, einem Brief des Nürnberger Rates an die Räte der Städte Ulm und Konstanz aus dem Jahr 1423, ist auch zu untersuchen, inwieweit die Politik Einfluss auf die Handelstätigkeit nahm.

2 Das Fondaco als Kontaktpunkt zweier Welten

Schon im antiken Griechenland erwies sich das Pandocheion – „accepting all comers“ - als äußerst nützliche Einrichtung zur Beherbergung von Fremden. Diese Idee wurde in der muslimischen Welt übernommen und zum funduq weiterentwickelt. Jetzt war es nicht mehr eine Herberge für Fremde, sondern ein Treffpunkt für muslimische Händler im Dar al-Islam. Während des 7. Jahrhunderts entwickelte sich das Funduq zu einem festen Bestandteil einer muslimischen Stadt, der nicht mehr weg zu denken war. Hier konnte man als Händler seine Waren lagern, Geschäftsverhandlungen führen und hatte eine sichere Übernachtungs-möglichkeit innnerhalb der Mauern großer Handelszentren.

Es waren jedoch nicht nur muslimische Händler, die an die Tore muslimischer Handelsmetropolen wie Alexandria und Damaskus klopften. Christliche Händler entdeckten früh das Gewinnpotenzial des Handels mit dem Orient. Gefragt waren insbesondere Gold, Farbstoffe, Seide und Gewürze während Holz, Eisen, Tuche und Silber in den Orient exportiert wurden. Für diesen Warenaustausch zwischen christlichen und islamischen Händlern wurde das Funduq zum Fondaco weiterentwickelt. Es bot einem christlichen Kaufmann einen sicheren Handelsstützpunkt und gleichzeitig dem Sultan die Möglichkeit, den Handel mit den Fremden zu kontrollieren. Denn weniger erwünscht als die Waren des jeweils anderen, war die Kultur der Christen beziehungsweise der Muslime. So bot das Fondaco einen geschützten Raum, wo die Vorteile der Handelsbeziehungen genutzt werden konnten und die befürchteten Nachteile des kulturellen Einflusses vermieden werden konnten.

“Foreign merchants wished for protection and seclusion from local people, while Muslim city officials equally wished to prevent western Christians from wandering freely through the town. For this reason, control of fondaco gates, and their schedule of opening and closure, became an issue of negotiation between Christian and Muslim powers.”[1]

Die wichtigsten Funktionen dieser Institution bestanden darin, die Waren der Händler sicher zu lagern, als Unterkunft zu dienen, einen Handelsplatz bereitzustellen und für den Schutz der Händler zu sorgen. Die Entstehung der Fondacos im Mittelmeerraum ist auf die wachsende Bedeutung der europäischen Kaufleute auf dem internationalen Markt und den Zuwachs der europäischen Wirtschaft in dieser Zeit zurückzuführen. Beides ist jedoch auch Ergebnis des Handels mit dem Orient.

Diese Einrichtungen wurden meist von der muslimischen Regierung aufgebaut und beaufsichtigt „in order to facilitate official communications, to monitor the movement of people and goods, to collect taxes and fees, and to profit from the trade.”[2] Das Leben innerhalb des Fondaco wurde von den Konsuln des jeweiligen Landes geregelt, in letzter Instanz jedoch hatte der herrschende Sultan die Macht über diese Einrichtung. „Christian governments, their consuls, and other westerns thus walked a fine line, skimming off profits to the greatest extent possible without seriously jeopardising relations with the local Muslim administration.”[3]

Die christlichen Händler, gleich wie lange sie sich in dem muslimischen Land aufhielten, sollten sich nicht zu heimisch fühlen. Deshalb wurden für den Aufenthalt strenge Regeln aufgestellt, die unter anderem festlegten, unter welchen Bedingungen der Händler sich außerhalb der Mauern des Fondaco aufhalten durfte, aber auch dass er innerhalb des Fondaco seinen gewohnten Gebräuchen nachgehen konnte. Demnach war es den europäischen Kaufleuten, wie auch den westlichen Pilgern verboten, sich außerhalb der Fondacomauern aufzuhalten, ohne dass ein genehmigter Fremdenführer oder Dolmetscher präsent war. Die sonstige Zeit sollten sie sich innerhalb der Mauern aufhalten, deren Türen nachts und während des Freitagsgebets von außen geschlossen wurden.[4] Sowohl aus religiösen, als auch aus militärischen Gründen wurden die Händler aus bestimmten Gebieten ferngehalten. So fürchtete die islamische Regierung Spione unter den Gästen.

Doch auch wirtschaftliche Motive brachten die Sultane dazu, den Handel der Europäer auf klare geographische Gegenden einzuschränken. Da diese nicht in das Innere des Landes reisen durften, konnten die Zölle auf den Einfuhr und den Verkauf der Waren besser kontrolliert und die muslimischen Händler geschützt werden.[5]

Doch diese Maßnahmen sind nicht nur als Restriktionen der christlichen Händler zu sehen, sondern auch als Bemühung der Sultane für die Sicherheit der Gäste.

Der Ansprechpartner für den Sultan war der Konsul, „an officer either appointed by the home state or elected by local merchants, who was in charge of the building and all within it.”[6] Er hatte das höchste Amt in Fondaco inne und trug somit die Hauptverantwortung für die Geschehnisse. So war er Repräsentant, vorerst seine Fondacos, dann aber auch seines Staates gegenüber der muslimischen Regierung.[7] Wenn der Konsul eine Erlaubnis einholen musste, ging er zum Sultan. Dieser wiederum informierte den Konsul, der einmal monatlich verpflichtet war ihn zu besuchen, wenn er etwas zu beanstanden hatte. Des weiteren fungierte der Konsul als Richter, wenn es Auseinandersetzungen innerhalb des Fondacos oder zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Fondaci gab. Nur bei schweren Vergehen (capital crimes), wurde die Rechtsprechung dem Sultan überlassen.

Daran ist erkennbar, dass die Bewohner eines Fondacos bis zu einem gewissen Grad nach eigenem Recht lebten. Auch wenn der Gebäudekomplex dem Sultan gehörte, waren die „western merchants [...] allowed [to] practice their faith, follow their customs, and even drink wine within the fondaco walls.”[8] So gab es im Fondaco nicht nur Übernachtungsmöglichkeiten und Warenlager sondern zum Teil auch eine Kirche, ein Bad, Läden, einen Ofen, Bankeinrichtungen und auch eine Schenke.

“The existence of funduq and fondaco in the Muslim world encouraged European traders to visit Islamic ports, while the lack of comparable institutions in European cities meant that Muslim merchants rarely journeyed to European markets.”[9] Wenn Olivia Remie Constable hier auch feststellt, dass es in den europäischen Städten keine den Fondacos vergleichbaren Einrichtungen gab, so haben die christlichen Kaufleute doch diese Idee der Handelseinrichtung mit nach Hause gebracht und für ihre Zwecke adaptiert.

2.1 Ein orientalisches Modell erobert Europa

Während die Fondacos im islamischen Raum ein Ort waren, wo verschiedenste Kulturen aufeinander trafen, so stand in den südeuropäischen Modellen der wirtschaftliche Aspekt im Vordergrund. Die Möglichkeit ein Fondaco nach islamischen Vorbild im europäischen Raum nachzubilden, hing von der politischen, ökonomischen und geographischen Lage der jeweiligen Stadt ab. In großen Handelsmetropolen - meist Hafenstädte am Mittelmeer – wurde es den auswärtigen Kaufleuten durch die Einrichtung eines solchen Fondacos erleichtert, ihren Geschäften nachzugehen. “that… westerners carried the institution back to their home cities in Europe is further testimony of the endurance and malleability of the fondaco.”[10] Es zeigt sich jedoch, dass diese Einrichtung nicht ganz genau adaptiert wurde, sondern den Bedürfnissen in den jeweiligen Städten angepasst wurde. So hatten die Fondaci im südeuropäischen Raum nicht die wichtige Funktion als Kommunikations- und Kontaktraum zwischen Islam und Christentum, denn es waren in der überwiegenden Mehrzahl Christen, die diese Stützpunkte nutzten.

Rings um das Mittelmeer entstanden vom 11.bis zum 15. Jahrhundert Mittelalter eine Vielzahl dieser Handelseinrichtungen, so in Genua, Marseille, Ragusa und Amalfi. Überhaupt nicht Fuß fassen konnten Fondaci in den nordeuropäischen Handelsstädten, da es hier bereits durch die Hanse ausreichend Anlaufpunkte und Handelsmöglichkeiten gab.

Ein wichtiges Kennzeichen der Fondaci im mediterranen Raum ist, dass sie ihre Funktion als Unterkunft für Kaufleute verloren hatten. Denn in diesen Handelsmetropolen gab es schon zahlreiche Herbergen für Händler. Außerdem konnte der Kaufmann – anders als in muslimischen Städten -frei entscheiden, ob er das Fondaco der Stadt aufsuchte. Und natürlich gab es nicht diese strengen Restriktionen, wie die Ausgangssperre, man befand sich ja im eigenen Kulturraum.

Doch es gab eine Ausnahme. In Venedig hatten die Dogen ein Interesse – ähnlich wie die muslimischen Sultane- die auswärtigen Händler unter strenger Kontrolle zuhalten und maximal von ihnen zu profitieren. So wurde hier als einziges Beispiel das muslimische Modell mit all seinen Restriktionen eins zu eins übernommen. Das Fondaco dei Tedeschi fungierte in Venedig nicht nur als Handelspunkt, sondern auch als Unterkunft für deutsche Kaufleute. Ein vergleichbares Beispiel im europäischen Raum ist nicht zu finden.

2.2 Das Fondaco dei Tedeschi in Venedig –
das wohl bekannteste Beispiel eines Fondaco im Mittelalter

Venedigs einzigartige geographische und wirtschaftliche Situation erlaubte es der Lagunenstadt, das Fondaco dei Tedeschi nach den strengen Regeln des islamischen Vorbildes aufzubauen. Denn für Kaufleute aus dem Norden, die ihre Handelstätigkeit auf den Süden, speziell auf den süd-östlichen Mittelmeerraum ausdehnen wollten, ging kein Weg an der blühenden Handelsstadt vorbei. Mit ihrem hervorragend ausgebauten Hafen hatte sich Venedig, die auf Grund ihrer topographischen Lage den Blick auf den Seehandel gerichtet hatte, zu einer mächtigen Handelsmacht im Mittelmeerraum entwickelt. “[To] attract the merchants from across the Alps, Venice had several advantages, especially for the Germans. Venice was nearer to the relatively low passes over the eastern Alps.”[11]

[...]


[1] Olivia Remie Constable, Housing the stranger in the Mediterranean world: lodging, trade, and travel in late antiquity and the Middle Ages. Cambridge 2004. S. 123.

[2] Constable, Housing the stranger in the Mediterranean world. Cambridge 2004. Seite 7.

[3] Constable, Housing the stranger in the Mediterranean world. Cambridge 2004. Seite 140.

[4] Vgl. Constable, Housing the stranger in the Mediterranean world. Cambridge 2004. Seite 124.

[5] Vgl Constable, Housing the stranger in the Mediterranean world. Cambridge 2004. S. 119.

[6] Constable, Housing the stranger in the Mediterranean world. Cambridge 2004. S. 133.

[7] Constable, Housing the stranger in the Mediterranean world. Cambridge 2004. S. 136.

[8] Constable, Housing the stranger in the Mediterranean world. Cambridge 2004. S. 8.

[9] Constable, Housing the stranger in the Mediterranean world. Cambridge 2004. S. 110.

[10] Constable, Housing the stranger in the Mediterranean world. Cambridge 2004. S. 157.

[11] Frederic C. Lane, Venice. A Maritime Republic. Baltimore 1973. S. 61.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Das Fondaco dei Tedeschi in Venedig - zahlreiche Funktionen unter einem Dach
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
20
Katalognummer
V81719
ISBN (eBook)
9783638877466
Dateigröße
389 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fondaco, Tedeschi, Venedig, Funktionen, Dach
Arbeit zitieren
Anne Seidenstücker (Autor:in), 2005, Das Fondaco dei Tedeschi in Venedig - zahlreiche Funktionen unter einem Dach, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81719

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Das Fondaco dei Tedeschi in Venedig - zahlreiche Funktionen unter einem Dach



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden