Mindestlohn. Die Möglichkeiten und Folgen einer gesetzlichen Einführung in Deutschland


Bachelorarbeit, 2007

64 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretische Modelle
2.1 Beschäftigungseffekt
2.1.1 Modelle mit „lohnnehmenden“ Unternehmen
2.1.2 Modelle mit „lohnsetzenden“ Unternehmen
2.1.3 Integriertes Modell
2.1.4 Zwischenergebnis
2.2 Modelle mit Wohlfahrtseffekten
2.3 Verhalten in Modellsituationen
2.4 Zusammenfassung

3 Internationaler Vergleich
3.1 Überblick
3.2 Vereinigte Staaten von Amerika (USA)
3.3 Europa
3.3.1 Großbritannien
3.3.2 Frankreich
3.4 Fazit

4 Bundesrepublik Deutschland
4.1 Juristische Aspekte
4.2 Debatten und Kampagnen
4.2.1 Bundespolitik
4.2.2 Arbeitnehmerverbände/Gewerkschaften
4.2.3 Arbeitgeberverbände
4.2.4 Arbeitnehmer
4.3 Prognosen
4.4 Mindestlohn-Modelle für die Bundesrepublik Deutschland
4.5 Mindestlohnwirkungen für Arbeitgeber
4.6 Alternativen zum Mindestlohn
4.6.1 Kombilohn
4.6.2 Negative Einkommenssteuer
4.6.3 Bedingungsloses Grundeinkommen
4.6.4 Bewertung der Alternativen

5 Schlussbemerkung

Anlagenverzeichnis

.1 Modellrechnungen der Arbeitskosten vor und nach einer möglichen

Mindestlohneinführung

Quellenverzeichnis

Danksagung

Bedanken möchte ich mich besonders bei Herrn Dr. Ulrich Heisig und Herrn Dr. Martin Herberg für die umfassende und gute Unterstützung bei der Erstellung und Betreuung dieser Arbeit.

Eine besondere Erinnerung gilt meinen ehemaligen Kollegen der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags, die mir die politische Kontaktaufnahme zur Erfassung der für die Statistik erforderlichen Daten ermöglicht haben.

Der größte Dank gilt meinen Eltern, die mir diese Ausbildung ermöglichten und mir immer helfend mit Rat und Tat zur Seite standen.

Auch bei Herrn Dipl.-Ing. (FH) Dennis Mertens möchte ich mich für die vielen, mit Geduld ertragenen Entbehrungen während meines Studiums und besonders für die Ratschläge bei der Anfertigung dieser Arbeit herzlich bedanken.

Ebenso gebührt denjenigen Dank, die auf ihre Freizeit verzichteten, um mir beim Korrigieren zu helfen.

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Mindestlöhne in Euro im Vergleich zu KKS (Stand 1/2007)

Abbildung 2: Mindestlohnentwicklung in Großbritannien (in britischen Pfund)

Abbildung 3: Mindestlohnentwicklung in Frankreich (von 1992 bis 2007 in Euro)

Abbildung 4: Theoretische Entwicklungen der Lohnnebenkosten

Abbildung 5: Verhältnis von Netto und Brutto (in%)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Mindestlöhne im Überblick (Auswahl)

Tabelle 2: Weitere Studien zum Beschäftigungseffekt in den USA der 90er Jahre

Tabelle 3: Ergebnisse der Mindestlohnakzeptanzstudie in der Bevölkerung (in %)

Tabelle 4: Mindestlohnakzeptanz nach Parteipräferenz

Tabelle 5: Arbeitskostenmodell für vier verschiedene Entlohnungsbeispiele

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Zurzeit findet in Deutschland eine kontrovers geführte Diskussion über die mögliche Einführung eines Mindestlohns statt. Allerdings ist diese Diskussion kein Phänomen der Gegenwart: Seit Jahrzehnten interessieren sich Ökonomen für die wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen von Gesetzen und Verordnungen zum Mindestlohn. Ziel ist es dabei, heute wie damals, ein funktionierendes Werkzeug zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und der zunehmenden daraus resultierenden Verarmung zu entwickeln.

In Meyers Lexikon heißt es: „Mindestlohn, im engeren Sinn eine gesetzlich, im weiteren Sinn auch eine durch Tarifvertrag festgelegte Untergrenze für den von privaten Unternehmen, öffentlichen und sonstigen Arbeitgebern zu zahlenden Lohn. Mit Mindestlöhnen wird angestrebt, eine Einkommenshöhe der Arbeitskräfte zu gewährleisten, die für eine als mindestens erforderlich erachtete (Güter-)Versorgung ausreichend ist. Mindestlöhne gibt es in vielen der wirtschaftlich führenden Länder, etwa in den USA sowie in den meisten EU-Mitgliedsstaaten (nicht u. a. in Deutschland, Österreich, Italien, Dänemark, Finnland, Schweden).“

Die Hauptziele, die mit der Einführung von Mindestlöhnen erreicht werden sollen, liegen im Schutz der Arbeitenden1 vor Ausbeutung durch die Arbeitgeber und der daraus resultierenden Armutsbekämpfung2 innerhalb der Bevölkerung. Die Erhöhung der Haushaltseinkommen, die unterhalb des Existenzminimums liegen, ist ein weiterer Aspekt der mit einer Mindestlohnwirkung in Verbindung gebracht wird. Zusammenfassend soll aufbauend auf der Mindestlohneinführung ein gewisser Lebensstandard ermöglicht werden (Neumark, et al., 1998).

Ein garantiertes Mindesteinkommen könnte der Mehrheit an Kleinverdienern helfen, da hierbei die Mindestlöhne gegen die Ausbeutung von unter den Mindestlohn fallenden Arbeitsverhältnissen wirken (Gerhardt, 2006 S. 204). Zudem ist es mehr als erstaunlich, dass die wissenschaftliche Forschung diesen Punkten wenig Beachtung schenkt und sich beinahe ausschließlich auf die Beschäftigungseffekte von Mindestlöhnen konzentriert (Neumark, et al., 1998).

International herrscht Einigkeit darüber, dass Mindestlöhne die Streuung von Löhnen verringern, wobei das Ausmaß durch die Höhe des Entgeltes bestimmt wird. Das Ziel der effektiven und nachhaltigen Bekämpfung von sozialer Ungerechtigkeit und Ausbeutung der Arbeitnehmer mit geringer Verhandlungsmacht kann durch eine Mindestlohneinführung erreicht werden (OECD, 1998 S. 49 und Anhang 2.D).

In Ländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) lassen sich nach Angaben des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) vier Regelungstypen für die Festlegung von Mindestlöhnen ausmachen (Hans Böckler Stiftung, 2006)3:

Dazu zählt zum einen der durch die amtierende Regierung festgesetzte nationale Mindestlohn. Diese Methodik ist beispielsweise in Frankreich, Großbritannien4, Irland5, Luxemburg, Niederlande, Portugal, Spanien und den Vereinigten Staaten anzutreffen. Die Mindestlohngesetzgebungen unterscheiden sich in diesen Ländern jedoch stark bezüglich Ausnahmeregelungen, Indexierung und weiteren Faktoren (OECD, 1998). Neben diesem existiert auch die Form eines Mindestlohns, der durch nationale Kollektivverhandlungen festgesetzt wird und in derzeit Ländern wie Belgien, Dänemark und Griechenland Anwendung findet. In der dritten Variante finden sich Kollektivverträge mit variierenden Mindestlöhnen für unterschiedliche Wirtschaftsbranchen. Dabei gelten die Regelungen sowohl für organisierte als auch für nicht organisierte Arbeitnehmer. Diese abgespeckte Form eines Mindestlohnes lässt sich in Deutschland, Italien, Österreich und (bis zu einem gewissen Grad) in der Schweiz ausmachen. Hiervon ausgehend allerdings mit der Einschränkung, dass der Mindestlohn nur für organisierte Arbeitnehmer gilt, wird als vierte Variante überwiegend in nordeuropäischen Staaten - wie Finnland, Norwegen und Schweden - festgeschrieben (Machin, et al., 1997).

Die vorliegende Arbeit6 untersucht die Möglichkeiten einer Mindestlohneinführung in der Bundesrepublik Deutschland. Neben der anfänglichen Gegenstandserklärung erfolgt im folgenden Abschnitt, eine Analyse der wichtigsten theoretischen Erkenntnisse im Hinblick auf die Auswirkungen staatlich festgesetzter Mindestlohngrenzen. Kapitel drei stellt eine Übersicht der aktuellen internationalen Mindestlohngesetzgebung dar, wobei der Fokus sich dabei auf die Europäische Union

(EU) konzentriert. Das vorletzte Kapitel dient der Prüfung einer Mindestlohneinführung in der Bundesrepublik Deutschland. Neben der grundsätzlichen rechtlichen Analyse wird zudem der Stand der öffentlichen Diskussion erörtert. Die aus Politik und Wissenschaft entwickelten Mindestlohnmodelle sollen einen Aufschluss über eine potentielle Umsetzung in Deutschland aufzeigen. Anhand von Beispielrechnungen, basierend auf Realstundenlöhnen, werden zudem die aus einer Mindestlohneinführung resultierenden Mehrkosten der Arbeitgeberseite verdeutlicht. Der Vergleich von denkbaren Alternativen zu einem bindenden Mindestlohn soll deren Praktikabilität aufweisen, bevor abschließend ein auf Deutschland projiziertes Resümee gezogen wird.

2 Theoretische Modelle

Mit der Hilfe von theoretischen Modellen lässt sich der Einfluss einer Mindestlohneinführung hypothetisch untersuchen. Aufgrund der komplexen und vielschichtigen Materie wird nachstehend nur auf die wesentlichen Aspekte Bezug genommen.

2.1 Beschäftigungseffekt

Die verschiedenen Arbeitsmarkttheorien haben unterschiedliche Auffassungen bezüglich der ökomischen Auswirkungen eines Mindestlohns. Generell herrscht jedoch auf allen Seiten ein Konsens darüber, dass ein zu hoch angesetzter Mindestlohn den Arbeitsmarkt beeinträchtigen und zu Arbeitslosigkeit führen kann.

2.1.1 Modelle mit „lohnnehmenden“ Unternehmen

Bei den Modellen dieser ersten Variante agieren die Unternehmen als Preisnehmer auf dem Arbeitsmarkt (Patzschke, 2001).

Das neoklassische Standardmodell des Arbeitsmarktes

Im neoklassischen Standardmodell wird der Einfluss von Mindestlöhnen für einen Arbeitsmarkt mit ungelernten Arbeitnehmern analysiert. Das Modell basiert dabei auf folgenden Grundannahmen (Adnett, 1996 S. 44):7

- vollkommen kompetitive Arbeitsmärkte
- Homogenität von Arbeit, Arbeitnehmern und Unternehmen
- keine Mobilitätsbarrieren
- kostenlose Anpassungen
- vollkommene Information

Im Gleichgewicht eines solchen Arbeitsmarktes können alle gewillten Personen zum Marktlohn arbeiten. Der vom Unternehmen geleistete Lohn entspricht dabei dem Wertgrenzprodukt der Arbeit (MRPL). Ein für alle Arbeitgeber bindender Mindestlohn führt wegen des höheren Preises der Arbeit zu einem Rückgang der vom Unternehmen nachgefragten Menge an Arbeit und somit zu unfreiwilliger Arbeitslosigkeit8 (Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, 2004).

Die genauere Analyse der hinter dem Modell stehenden Annahmen offenbart jedoch, dass diese die Realität nur ungenügend wiedergeben. In der Wirklichkeit treffen im Arbeitsmarkt heterogene, unvollkommen informierte Arbeitnehmer und Arbeitgeber aufeinander. Eine Folge davon sind unterschiedlich hohe Löhne (Adnett, 1996).

Modell mit heterogener Arbeitnehmerschaft

Card und Krüger analysieren die Auswirkungen bei heterogenen Arbeitnehmern mittels eines Humankapitalmodells, bei welchem die Unternehmen nicht die Anzahl ihrer Mitarbeiter, sondern die Menge an Humankapital optimieren. Infolge der Mindestlohneinführung erhöhen sich die Löhne aller Angestellten. Um die Lücke im Humankapitalstock zu schließen, werden die Unternehmen mit der Entlassung von weniger Qualifizierten und mit der gleichzeitigen Anwerbung besser ausgebildeten Beschäftigten reagieren (Card, et al., 1995).

Heckman und Sedlacek (1981) kommen bei einer allgemeineren Analyse, welche von unterschiedlichen, branchenspezifischen Fertigkeiten ausgeht, ebenfalls zum Ergebnis, dass sich der Preis je Einheit Humankapital bei Einführung eines bindenden Mindestlohnes erhöht. Parallel steigen die Löhne über die gesamte Verteilung hinweg an und Arbeiter mit geringer Qualifikation werden entlassen (Heckman, et al., 1981).

Modell mit nicht-monetären Zusatzleistungen

McKenzie (1994) weißt daraufhin, dass Arbeitsverträge in der Realität häufig sehr komplex sind und Angestellte neben der Lohnzahlung noch weitere Zusatzleistungen erhalten. Beispiele hierfür können Weiterbildung, Klimatisierung am Arbeitsplatz, Subvention des Kantinenessens und vieles mehr sein. Der effektive Lohn eines Arbeitnehmers setzt sich folglich aus dem monetären Lohn und den Zusatzleistungen zusammen. Die Einführung eines Mindestlohnes regelt daher nur den monetären Teil des Lohnes. Sein Einfluss auf den effektiven Lohn ist somit begrenzt (McKenzie, 1994 S. 88-99).

Wie bereits zu Beginn des Abschnittes gezeigt wurde, veranlasst ein bindender Mindestlohn ein Unternehmen dazu, seine Anzahl der Beschäftigten aufgrund der höheren Lohnkosten zu reduzieren. Das Überangebot an Arbeitskräften ermöglicht zudem Einsparungen durch Kürzungen der Zusatzleistungen. Neben dem Beschäftigungsrückgang hat der Mindestlohn somit den zusätzlichen Effekt, dass die weiterhin Beschäftigten sogar schlechter als vor der Einführung gestellt werden (McKenzie, 1994).

2.1.2 Modelle mit „lohnsetzenden“ Unternehmen

In den bislang vorgestellten Modellen wurde unterstellt, dass es sich bei den Unternehmen um Preisnehmer auf dem Arbeitsmarkt handelt. Räumt man den Arbeitgebern nun die Möglichkeit ein, die Löhne selbst setzen zu können, so kann ein Mindestlohn zu einem Beschäftigungsanstieg führen.

Das Monopson-Modell

Das Lehrbuchbeispiel, bei dem die Mindestlohneinführung zu einer Beschäftigungserhöhung führt, ist das Monopson. Hierbei geht man von einem Unternehmen aus, welches auf einem Arbeitsmarkt als einziger Nachfrager einer großen Zahl von Anbietern gegenübersteht.9 Der Monopsonist kann durch die Festlegung des Lohns die Anzahl der bei ihm Beschäftigten bestimmen und im Gegensatz zu den Modellen mit geräumtem Arbeitsmarkt ist die Beschäftigungszahl angebotsdeterminiert. Somit lohnt sich für das Unternehmen die Erhöhung der Beschäftigtenzahl bei einer gesetzlichen Mindestlohneinführung (Varian, 1996 S. 452).

Der Mindestlohn kann allerdings nicht beliebig hoch angesetzt werden, wenn er weiterhin einen positiven Einfluss auf die Beschäftigungshöhe haben soll. Bereits Stigler (1946) weist auf diese theoretische Möglichkeit hin und spricht ihr zugleich die Relevanz für eine ganze Volkswirtschaft ab (Stigler, 1946 S. 330).

Das einfache Effizienzlohnmodell

Um Abweichungen vom neoklassischen Arbeitsmodell erklären zu können, haben Anhänger der neokeynesianischen Schule im Verlaufe der letzten zwei Jahrzehnte die Effizienzlohntheorie entwickelt.

Beim einfachen Effizienzlohnmodell kommt Manning (1995) zum Schluss, dass die Beschäftigung, ausgehend von Effizienzlöhnen, bei Lohnerhöhungen steigt (fällt), wenn die Elastizität des Lohngrenzertrages in Bezug auf die Beschäftigung größer (kleiner) als eins ist. Somit erklärt er, dass bindende Mindestlöhne kurzfristig sowohl positive als auch negative Einflüsse auf die Beschäftigung haben können (Manning, 1995).

Effizienzlohnmodell mit mehreren Hierarchiestufen

Die Autoren Calvo und Wellisz (1979) gelangen in einem etwas älteren Beitrag zu der Schlussfolgerung, dass die Einführung eines bindenden Mindestlohnes ein Unternehmen mit zwei Hierarchiestufen (Eigentümer, Arbeiter) und Effizienzlöhnen dazu bewegt, qualitativ schlechtere Arbeiter durch bessere zu ersetzen und zusätzlich Neueinstellungen vorzunehmen. Begründet wird dies mit der Tatsache, dass der Eigentümer bei höheren Löhnen mehr Arbeiter überwachen kann, da deren „Bummelneigung“ gesunken ist (Calvo, et al., 1979).10

2.1.3 Integriertes Modell

Dickens et al. (1994) stellen ein Modell des gesamten Arbeitsmarktes vor, welches explizit die Möglichkeit positiver als auch negativer Beschäftigungseffekte durch einen Mindestlohn offen lässt. Abhängig sei das Ergebnis im Besonderen vom Grad der monopsonistischen Prägung des Arbeitsmarktes.11 Bei der Einführung eines Mindestlohnes unterscheiden Dickens et al. (1994) drei verschiedene Arten von Unternehmen:

- Unternehmen, welche nicht direkt betroffen sind, da ihr Lohn bereits über dem Mindestlohn liegt
- Unternehmen, die betroffen sind und deren derzeitiges Wertgrenzprodukt höher als der Mindestlohn ist
- Unternehmen, die betroffen sind, deren derzeitiges Wertgrenzprodukt jedoch unterhalb des Mindestlohns liegt.

Im Falle von Konkurrenz existieren nur Unternehmen des ersten und dritten Typus. Letztere werden die Beschäftigung soweit reduzieren, bis ihr Wertgrenzprodukt wieder dem Lohn entspricht. Dies führt zu einem Beschäftigungsrückgang am Arbeitsmarkt (Dickens, et al., 1994).

Ist der Arbeitsmarkt monopsonistisch geprägt, so können alle drei Unternehmensarten auftreten. Das Wertgrenzprodukt der Unternehmen der Kategorie drei ist dabei so tief, dass ihre Beschäftigung nachfragedeterminiert ist. Somit werden sie durch einen Mindestlohn zu einem Stellenabbau veranlasst. Unternehmen des Typus zwei werden wegen des angebotsdeterminierten Charakters ihrer Beschäftigung aufgrund der Mindestlöhne erhöhen (Dickens, et al., 1994).

2.1.4 Zwischenergebnis

Nach Ansicht von Kritikern ist der Arbeitsmarkt nicht mit dem Gütermarkt vergleichbar. Das Angebot oder die Nachfrage nach Arbeit im unteren Lohnsegment sei nicht elastisch. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn der höhere Lohn zusätzliche Arbeitsuchende generiert oder wenn Unternehmen auf Erhöhungen des Mindestlohns mit einem Rückgang der Nachfrage nach Arbeit reagieren (Patzschke, 1999).

2.2 Modelle mit Wohlfahrtseffekten

Die bisherigen Modelle haben überwiegend die Auswirkungen von Mindestlöhnen auf die Beschäftigung analysiert. Neuere theoretische Untersuchungen versuchen auch den Wohlfahrtseffekt zu ermitteln.

Suchmodell mit homogener Arbeitnehmerschaft

Swinnertons (1996) „Suchmodell mit abnehmenden Grenzerträgen der Arbeit“ zeigt, dass die Wohlfahrt der Gesellschaft durch die Einführung eines Mindestlohnes immer gesteigert wird, wenn Unternehmen mit angebotsdeterminierter Mitarbeiterzahl existieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Beschäftigung steigt, sinkt oder konstant bleibt (Swinnerton, 1996).

Die eher überraschende Erkenntnis, dass selbst ein Beschäftigungsrückgang mit der Erhöhung der Wohlfahrt aller einher gehen kann, lässt sich wie folgt erklären: Der Gewinn der ausscheidenden Unternehmen war von vornherein null, und hatte somit keinen Einfluss auf den Wohlstand. Da der Marktlohn vor der Mindestlohneinführung genau dem Reservationslohn12 entsprach, bleibt bei den Entlassenen der Nutzen wie zuvor (Swinnerton, 1996).

Suchmodell mit heterogener Arbeitnehmerschaft

Im Arbeitsmarkt des Modells von Lang und Kahn (1998) finden sich zwei verschiedene Typen von Arbeitnehmern. Obwohl beide Gruppen mit der identischen Produktivität arbeiten13, werden die der ersten Gruppe von den Unternehmen vorgezogen. Es ist anzunehmen, dass offene Stellen mit tiefen Löhnen wenige (oder keine) Interessenten des Typus-1 anlocken werden und sich somit die Einstellungswahrscheinlichkeit für Bewerber des Typus-2 erhöht. Der Lohn dieser Niedriglohnstellen wird gerade so tief sein, dass sich dort niemand des Typus-1 bewirbt (Lang, et al., 1998).

Lang und Kahn (1998) stellen das Theorem auf, dass ein knapp über dem Niedriglohn festgelegter Mindestlohn zu einem Beschäftigungsanstieg führt.14 Bei der Betrachtung des Wohlfahrtseffektes kommen sie zum Schluss, dass dieser selbst bei einer höheren Gesamtbeschäftigung negativ ist (Lang, et al., 1998 S. 72).

Monopsonistische Konkurrenz

Die monopsonistische Konkurrenz beschreibt eine Wettbewerbsform auf dem Arbeitsmarkt, bei welcher viele Einzelunternehmen trotz ihrer Anzahl eine beschränkt monopsonistische Macht ausüben.15 Bhaskar und To (1999) untersuchen in diesem Zusammenhang die Auswirkungen einer Mindestlohneinführung mit einem speziell auf die Besonderheiten der Fast-Food-Industrie ausgerichteten Entwurf (Bhaskar, et al., 1999).

Die Einführung eines Mindestlohnes zwingt dem Modell nach, alle Unternehmen dazu, den Lohn zu erhöhen. Ein Beschäftigungsanstieg erfolgt alleine durch Neueinstellungen von Personen mit hohem Reservationslohn. Unmittelbar nach Inkrafttreten des Mindestlohnes befinden sich die Unternehmen somit in der Verlustzone, was einige zum Marktaustritt bewegt. Die Beschäftigten ausscheidender Unternehmen können ihre Dienste nun entweder einem anderen Arbeitgeber anbieten oder den Arbeitsmarkt verlassen. Dieser Prozess setzt sich so lange fort, bis der Bruttogewinn der einzelnen Unternehmen wieder die Kapitalkosten deckt (Bhaskar, et al., 1999).

Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass die Mindestlohneinführung bei einem Beschäftigungsanstieg für alle Gruppen einen nichtnegativen Wohlfahrtseffekt hat, während dieser bei einem Beschäftigungsrückgang nicht eindeutig ist. Es ist somit möglich, dass der die Gesamtwohlfahrt maximierende Mindestlohn einen Beschäftigungsrückgang mit sich bringt.

2.3 Verhalten in Modellsituationen

Durch eine recht neue Methode in der Arbeitsmarktforschung hat ein deutsch- schweizerisches Forscherteam zeigen können, dass durch die Abschaffung eines eingeführten Mindestlohns dieser weiter wirkt und damit die gesamte Lohnstruktur der Wirtschaft auf ein höheres Niveau einpendelt. Mit 240 Studenten bauten sie in Laborexperimenten künstliche Arbeitsmärkte auf, in denen Löhne und Gewinne mit sogenannten Geldeinheiten (GE) abgerechnet worden. Diese GE wurden im Anschluss in Schweizer Franken umgerechnet. Jede Firma konnte in jeder Spielrunde entscheiden, zu welchem Lohn sie wie vielen Arbeitern eine Stelle anbot, darauf hin konnte jeder Arbeiter entscheiden, ob er diesem Angebot folgte. Entschied er sich dagegen war er eine Runde arbeitslos, somit ohne Einkommen. Innerhalb eines Unternehmens erhöhte sich der Umsatz mit der Zahl der Beschäftigten, ebenso wie die Personalkosten. In dem Maße, in dem die Belegschaft wuchs, sank die Produktivität eines weiteren Arbeiters. Während der ersten 15 Spielrunden pendelte sich ein Lohndurchschnitt von 188 GE ein, wobei eine Firma mit zwei Beschäftigten einen Gewinn von 364 GE erwirtschaftete. Im weiteren Verlauf griff der „Staat“ (Arnim, Fehr und Zehnder) in das Geschehen ein und etablierte einen Mindestlohn in Höhe von 220 GE. Im Anschluss konnten sie beobachten, dass sich der Marktlohn mit 238 GE deutlich darüber einpendelte. Während zuvor nur 8 % aller Löhne oberhalb des Marktlohns lagen, waren es nun 93% aller Löhne (Arnim, et al., 2005).

Erklärt wird dieser Effekt damit, dass sich durch die Einführung des Mindestlohns die Maßstäbe bei den Beschäftigten verschoben. 220 GE wurden von den Arbeitern solange als fair angesehen, wie die Unternehmen die Möglichkeit hatten auch weniger zu zahlen. Nach der staatlichen Verordnung wurde das gleiche Angebot als unfair empfunden. Die Arbeiter lehnten im Zweifel daraufhin lieber Angebote ab, als sich ausgebeutet zu fühlen. Es konnte im Modell belegt werden, dass der Reservationslohn durch den Mindestlohn stieg. Dieser Effekt blieb auch dann bestehen, wenn im Experiment der Mindestlohn wieder rückgängig gemacht wurde. Die Arbeiter hatten sich über die Zeit daran gewöhnt und waren nicht mehr bereit für eine geringere Bezahlung die gleiche Arbeit zu erbringen.

Weil teilweise die Grenzkosten16 für die Einstellung eines weiteren Arbeiters sanken, konnte von Arnim, et al. (2005) gezeigt werden, dass es einen signifikanten Beschäftigungseffekt von 14% pro Unternehmen gab. Eine Vergrößerung der Belegschaft wäre nur möglich gewesen, wenn das Unternehmen zu höheren Löhnen bereit gewesen wäre, wodurch aber die Personalkosten der gesamten Belegschaft gestiegen wären. Die Grenzkosten einer Neubeschäftigung setzten sich daher aus den Grenzkosten für Neueinstellung und der Lohnerhöhung für den neuen Arbeiter zusammen. Ein Mindestlohn führte dazu, dass bei einer Neueinstellung nur noch die Grenzkosten für die Neueinstellung anfielen, aber nicht mehr die der Lohnerhöhung (Arnim, et al., 2005).

2.4 Zusammenfassung

Wie in diesem Kapitel gezeigt wurde ist, können gemäßigte Mindestlöhne, je nach Modellannahmen, zu negativen oder positiven Beschäftigungseffekten führen. Die auf dem neoklassischen Standardmodell aufbauenden Modelle, welche allesamt einen Beschäftigungsrückgang prognostizieren, finden ihre Ursprünge meist in den 70er oder 80er Jahren. Demgegenüber stammen viele Modelle, mit welchen eine positive Beschäftigungsentwicklung vorausgesagt werden kann, aus den 90er Jahren. Sie versuchen, die empirischen Ergebnisse der „neuen Mindestlohnforschung“ theoretisch zu erklären.

[...]


1 In dieser Arbeit wird ausschließlich von Arbeitnehmern, Mitarbeitern usw. gesprochen. Selbstverständlich sind Arbeitnehmerinnen, Mitarbeiterinnen usw. in diese Begriffe eingeschlossen.

2 Der Begriff der Armut bezieht sich auf Haushalte, deren Einkommen unterhalb der Armutsgrenze liegt. Diese Grenze kann unterschiedlich festgesetzt werden (Caritas, 1998 S. 16). In der Europäischen Union liegt sie beispielsweise bei 50% des verfügbaren Durchschnitts- oder Medianeinkommens (relative Armutsgrenze). In den Vereinigten Staaten wird sie hingegen nach dem Ressourcenansatz bestimmt, d.h. sie wird für jede Haushaltsgröße durch einen Absolutbetrag festgelegt (Burkhauser, et al., 1996).

3 Bis zum 31. März 2000 gab es noch eine fünfte Form von Mindestlöhnen: den für die ausgewählte Niedriglohnbranchen festgesetzten Mindestlohn in Irland, welcher bis 1993 auch in Großbritannien existierte.

4 Einen nationalen Mindestlohn gibt es in Großbritannien seit dem 01. April 1999 (Metcalf, 1999) (siehe Kapitel 3.3.1.)

5 Irland hat zum 01. April 2000 einen nationalen Mindestlohn nach britischem Vorbild eingeführt.

6 Die anhaltende politische und öffentliche Debatte kann in der vorliegenden Arbeit nur begrenzt widergespiegelt werden und endet Mitte August 2007. Alle möglichen anschließend getroffenen Entscheidungen sind nicht Bestandteil der Bachelorarbeit.

7 In der gesamten Ausarbeitung wird angenommen, dass die Unternehmen in einem kompetitiven Gütermarkt operieren und damit Preisnehmer auf dem Gütermarkt sind.

8 Die Höhe der Arbeitslosigkeit hängt von ihrer jeweils gültigen Definition ab, welche sich temporal ändert (Brown, et al., 1982).

9 Gründe hierfür können sein: lokaler Arbeitsmarkt, wobei das Reisen zu anderen Arbeitgebern teuer oder beschwerlich ist; Nachfrage nach hochspezialisierten Fachkräften, die sonst kein Unternehmen nachfragt, oder monopsonistische Nachfragekartelle, wie sie bei staatlichen Einrichtung existieren (Nicholson, 1994 S. 543-544). Staatsangestellte sind oft von der Mindestlohngesetzgebung ausgeschlossen (OECD, 1998 S. 33-35).

10 Die Idee, dass die Überwachungskapazität fix ist und die Überwachungsprobleme mit zunehmender Angestelltenzahl steigen, wurde später von Rebitzer, et al. (1995) wieder aufgegriffen.

11 Dickens et al. (1999) präsentieren eine vereinfachte Form dieses Modells, ohne auf spezifische Funktionen einzugehen. Damit geht aber der integrierende Charakter des ursprünglichen Modells von Dickens et al. (1994), welcher eine Analyse sowohl für die Konkurrenzsituation als auch für einen monopsonistisch geprägten Arbeitsmarkt erlaubt, verloren. Aus diesem Grund befasst sich dieser Punkt mit dem ursprünglichen Modell von Dickens et al. (1994).

12 Reservationslohn bezeichnet den Lohn, zu dem ein Arbeitnehmer gerade noch bereit ist, seine Arbeitskraft anzubieten (Christensen, 2005 S. 23).

13 Lang und Kahn (1998) geben zwar keine expliziten Gründe für diese Präferenz bezüglich des Typus-1 Arbeitnehmers, schlagen aber zur besseren Intuition vor, sich die Typus-1 Angestellten mit einer infinitesimal höheren Produktivität vorzustellen.

14 Der Beweis für dieses Theorem lässt sich bei Lang und Kahn (1998, 79) im Anhang A finden.

15 Das Konzept ist vergleichbar mit der monopsonistischen Konkurrenz im Gütermarkt.

16 Grenzkosten bezeichnen die Kosten die durch die Produktion einer zusätzlichen Einheit eines Gutes entstehen (Varian, 2007).

Ende der Leseprobe aus 64 Seiten

Details

Titel
Mindestlohn. Die Möglichkeiten und Folgen einer gesetzlichen Einführung in Deutschland
Hochschule
Universität Bremen
Note
2,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
64
Katalognummer
V81727
ISBN (eBook)
9783638839822
ISBN (Buch)
9783638904339
Dateigröße
663 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mindestlohn, Möglichkeiten, Folgen, Einführung, Deutschland, Thema Mindestlohn
Arbeit zitieren
Ronny König (Autor:in), 2007, Mindestlohn. Die Möglichkeiten und Folgen einer gesetzlichen Einführung in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81727

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