Der Staatsmann Kleisthenes führte zwischen den Jahren 509 und 507 v. Chr. die Phylenreform in Athen ein, die das politische System in der Polis ausschlaggebend veränderte. Die Reformen verschoben die Machtverhältnisse zugunsten des Volkes. Die Macht des Adels wurde begrenzt und der Grundstein für ein demokratisches System in Attika wurde gelegt. Ob zu dieser Zeit bereits von einer Demokratie gesprochen werden kann und ob Kleisthenes folglich durch seine Reformen als Begründer der Demokratie gesehen werden kann, wird in der Literatur zahlreich diskutiert. Den Anstoß dazu gab Herodot in seinem Werk, den Historien, in denen er Kleisthenes als einen Mann beschreibt, „der die Phylen in Athen schuf und die Demokratie einrichtete.“ Nun stellt sich die Frage, ob Kleisthenes eine Demokratie durch seine sowohl organisatorischen, als auch politischen Veränderungen geschaffen hat, oder ob er ein Mann war, der den Geist der Zeit erkannt hatte und im Sinne des Volkswillen gehandelt hatte.
Inhaltsverzeichnis
1 Phylenreform als Verwirklichung einer Demokratie
2 Geschichtlicher Hintergrund
2.1 Motivation des Volkes
2.2 Motivation des Kleisthenes
3 Die Phylenreform
3.1 Die Phyle als Bindeglied in Attika
3.2 Die Demen als kleinste Einheit der Staatsorganisation
4 Der Rat der Fünfhundert und sein Einfluss in Attika
5 Die Mischung des Volkes
6 Fazit
Bibliographie
1 Phylenreform als Verwirklichung einer Demokratie
Der Staatsmann Kleisthenes führte zwischen den Jahren 509 und 507 v. Chr. die Phylenreform in Athen ein, die das politische System in der Polis ausschlaggebend veränderte. Die Reformen verschoben die Machtverhältnisse zugunsten des Volkes. Die Macht des Adels wurde begrenzt und der Grundstein für ein demokratisches System in Attika wurde gelegt. Ob zu dieser Zeit bereits von einer Demokratie gesprochen werden kann und ob Kleisthenes folglich durch seine Reformen als Begründer der Demokratie gesehen werden kann, wird in der Literatur zahlreich diskutiert. Den Anstoß dazu gab Herodot in seinem Werk, den Historien, in denen er Kleisthenes als einen Mann beschreibt, „der die Phylen in Athen schuf und die Demokratie einrichtete.“[1] Nun stellt sich die Frage, ob Kleisthenes eine Demokratie durch seine sowohl organisatorischen, als auch politischen Veränderungen geschaffen hat, oder ob er ein Mann war, der den Geist der Zeit erkannt hatte und im Sinne des Volkswillen gehandelt hatte.
2 Geschichtlicher Hintergrund
Um die Phylenreform richtig verstehen zu können, muss der historische Rahmen beschrieben werden. Die Quellen, aus denen wir unsere wesentlichen Informationen schöpfen, sind die Historien von Herodot und die Athenaion Politeia des Aristoteles[2]. Wo Herodot die geschichtlichen Ereignissen beschreibt, gibt Aristoteles in seiner Athenaion Politeia einen zusätzlichen verfassungsgeschichtlichen Hintergrund. Zahlreiche Sekundärliteratur, unterschiedliche Meinungen und die ungewisse Chronologie der Ereignisse machen eine exakte Darstellung schwierig. Jedoch sind gewisse Kernereignisse eindeutig belegbar, die zur Entstehung der Phylenreform beigetragen haben.
Nach der Vertreibung der Peisistratiden, unter deren Führung die Athener in einer Tyrannis gelebt hatten, entstanden im ausgehenden 6. Jahrhundert Spannungen in Attika. „Die solonischen Reformen konnten die tiefen sozialen Spannungen nicht völlig beseitigen und die Machtkämpfe des Adels nicht beenden. In dieser kritischen Situation erreichte Peisistratos [...] eine Tyrannis.“[3] Kleisthenes konnte mit Hilfe des delphischen Apolls die Spartaner dazu bewegen, in das Geschehen in Attika einzuschreiten. Obwohl der erste Versuch scheiterte, ließ sich König Kleomenes nicht aufhalten und vertrieb 510 v. Chr. mit Hilfe der athenischen Tyrannengegner Hippias, den Sohn des Peisistratos. Dieser war auf die Akropolis geflüchtet und hatte von dort aus seinen freien Abzug aus Athen ausgehandelt. „Der Sturz der Tyrannis brachte in Athen ein Neuaufleben der Adelskämpfe um die Macht. Als Rivalen standen sich Kleisthenes und Isagoras gegenüber.“[4] Aus Herodot geht hervor, dass diese beiden Männer um die Herrschaft in Athen kämpften. Aus welcher adeligen Familie Isagoras stammt, kann Herodot nicht berichten, jedoch, dass er aus angesehenem Haus stammte. Der Stammbaum des Kleisthenes ist dagegen bekannt, da er aus der Familie der Alkmenoiden stammt, die im politischen Geschehen entscheidend mitgewirkt hatten. Beide Kontrahenten stützten sich auf adlige Freundschaftsgruppen, die sogenannten Hetairien, um ihren Einfluss zu vergrößern, wobei die „Auseinandersetzungen um das Archonat [508 zu einer Polarisierung des Adels führten.]“[5] Dietmar Kienast spricht in seinem Aufsatz Die Funktion der attischen Demen von Solon bis Kleisthenes von der Unterstützung der lokalen Aristokraten und grundbesitzenden Bürger der oberen Schatzungsklassen, den „Honoratioren“, für Kleisthenes, ohne deren Hilfe er an dem Machtkampf nicht hätte teilhaben können.[6]
Als Isagoras im Frühjahr 508 v. Chr. in der Ekklesia zum Archon für die Amtszeit 508/507 gewählt wurde, erreichte er einen entscheidenden Vorsprung im politischen Machtkampf dieser Zeit. Entscheidend hierbei ist, dass dieser von Mitgliedern des Adels unterstützt, versuchte „die alte Autorität der adeligen Familien wiederherzustellen.“[7] Jedoch verhinderte dies nicht, dass Kleisthenes seine politischen Absichten zum Ausdruck brachte. Gerade in dieser Zeit ist die genaue Chronologie der Ereignisse schwer zu fassen, da „die Phylenreform nicht während einer ruhigen Regierungsperiode, sondern aus einer politischen Kampfsituation heraus in einer Zeit innerer Unruhen und ständiger Bedrohung von außen [entstand].“[8]
Kleisthenes wandte sich daraufhin an das Volk, um es von seinen Absichten zu unterrichten, seinen Ideen zu überzeugen und schuf schließlich die Phylenreform. Uta Kron bezeichnet dies als eine „politische Gesinnungsänderung“[9]. Diese Ansicht teilt auch Herodot, der schreibt, dass Kleisthenes die Reform durchführte, nachdem er das niedere Volk auf seine Seite gezogen hatte.[10] Durch diese Reformvorschläge, die „die Herrschaft im Staat auf die Menge [übertrugen]“[11], konnte Kleisthenes seine politische Machtposition verbessern, wodurch sich Isagoras bedrängt fühlte und König Kleomenes erneut gerufen wurde. Dieser griff ein und das Geschlecht des Kleisthenes, die Alkmenoiden, mitsamt 700 weiterer athenischer Familien wurden aus Attika vertrieben. Hierbei schreibt Aristoteles jedoch, dass Kleisthenes noch fliehen konnte bevor das spartanische Herr unter Kleomenes in Athen eintrafen.[12] „Der zweite Schlag richtete sich gegen den Rat, der durch eine oligarchische Regierung des Isagoras und 300 seiner Anhänger ersetzt werden sollte.“[13] Der solonische Rat der 400 konnte dieses Vorhaben aber aufhalten und Kleomenes wurde zum Abzug gezwungen. Denn durch die Erfahrungen, die die athenischen Bürger in den letzten Jahren gemacht hatten, war ein völlig neues Bewusstsein in ihnen herangewachsen:
Die Athener waren fast 50 Jahre [während der Tyrannis] ohne den Adel ausgekommen, und sie hatten in dieser Zeit auch eine neue Vorstellung von Attika gewonnen, wonach, jedenfalls im politischen Bereich, alle Bürger mehr oder weniger gleich nebeneinander standen und nunmehr die Stadt Athen – und nicht der Sitz der einzelnen adeligen Familien – den Mittelpunkt des politischen und religiösen Lebens bildete.[14]
Der Auflehnung des Rates und der antityrannisch gesinnten Bürger Athens und vor allem das schnelle Kapitulieren des Kleomenes innerhalb von drei Tagen zeigt, mit welcher Überzeugung und Willenskraft die Bürger das Alte hinter sich lassen wollten und das Neue annahmen und befürworteten.[15] Kleisthenes wurde darauf hin aus der Verbannung zurückgerufen. Die athenische Bevölkerung hatte mit diesen Handlungen gezeigt, welche Rolle im Staat sie sich selbst zusprach. „Das Volk errang also die Kontrolle über das Staatswesen, und Kleisthenes stand als Führer des Volkes an seiner Spitze.“[16] Nach der Rückkehr des Kleisthenes konnten die Reformen institutionalisiert werden.
2.1 Motivation des Volkes
Das athenische Volk hatte einleuchtende Beweggründe, sich den Reformideen des Kleisthenes anzuschließen und sich den Übernahmeversuchen des Isagoras zu widersetzen. Durch die solonischen Gesetzgebungen vor der Tyrannis der Peisistratiden wurde das Volk bereits an eine eigenständige Teilnahme am öffentlichen Leben herangeführt. Die Absicht des Solons bestand darin, die Lücke zwischen Adel und Volk zu überwinden, Standesprivilegien und Beamtenwillkür abzuschaffen und eine Beteiligung aller Staatsbürger an der Staatsregierung einzuführen. Durch die Tyrannenherrschaft hatte sich diese Kluft neu aufgetan und in Kleisthenes sah das athenische Volk den Staatsmann, der gewillt war, diese zu schließen. Sein Kontrahent Isagoras hingegen stand für die Wiedereinführung der Adelsherrschaft, bei der eine politische Mitbestimmung des Volkes ausgeschlossen wäre. Das neue Bewusstsein, das sich in dem Widerstand des Rates gegen Isagoras und gegen Bestrebungen des Kleomenes zeigt, ist von einem neuen Selbstvertrauen des Volkes[17] geprägt. Nur mit Hilfe eines solchen Glaubens an die eigenen Kräfte, an die eigene militärische Schlagkraft, konnte das attische Heer die Böoter und Chalkidier abwehren und so die Perser zum Rückzug zwingen.[18] Der athenische Polisstaat galt anscheinend als eine politische Gesamtheit, für die es sich zu kämpfen lohnte. Die Auffassung, dass nun jeder einzelne Bürger, nicht nur an den politischen Entscheidungen teilhaben, sondern auch Verantwortung für das attische Staatswesen tragen sollte, durchdrang alle Bewohner Athens.
[...]
[1] Herodot, Historien. Deutsche Gesamtausgabe, Übersetzt von A Horneffer, neu herausgegeben und erläutert von H. W. Haussig, Mit einer Einleitung von W. F. Otto, Stuttgart, 1955, S. 429: (6, 131)
[2] In dieser Arbeit werden folgende Ausgaben verwendet: Herodot, Historien. Deutsche Gesamtausgabe, Übersetzt von A Horneffer, neu herausgegeben und erläutert von H. W. Haussig, Mit einer Einleitung von W. F. Otto, Stuttgart, 1955.& Aristoteles, Der Staat der Athener. Übersetzt und herausgegeben von Martin Dreher, Stuttgart, 1993.
[3] Kron, Uta (1976), Die zehn attischen Phylenheroen. Geschichte, Mythos, Kult und Darstellung, Berlin, S. 14.
[4] Kron, Uta (1976), S. 16.
[5] Welwei, Karl-Wilhelm (1998²), Die griechische Polis. Verfassung und Gesellschaft in archaischer und klassischer Zeit, Stuttgart, S. 157.
[6] Vgl. Kienast, Dietmar, Die Funktion der attischen Demen von Solon bis Kleisthenes. In: Chiron 35 (2005), S.71-72.
[7] Bleicken, Jochen (1995), Die athenische Demokratie, 4. Auflage, S. 41.
[8] Kron, Uta (1976), S. 16f.
[9] Kron, Uta (1976), S. 16.
[10] Herodot, 5, 66.
[11] Aristoteles, Der Staat der Athener. Übersetzt und herausgegeben von Martin Dreher, Stuttgart, 1993, 20,1.
[12] Arstoteles, 20,3.
[13] Kron, Uta (1976), S.17.
[14] Bleicken, Jochen, S. 41.
[15] Vgl. Welwei, Karl-Wilhelm (1999), Das klassische Athen. Demokratie und Machtpolitik im 5. und 4. Jahrhundert, Darmstadt, S.10.
[16] Aristoteles, 20, 4.
[17] Vgl. Aristoteles, 22, 3.
[18] Herodot, Buch 5, 74-77.
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