Nach zähen Vorverhandlungen konnte die Türkei im Oktober 2005 die Beitrittsgespräche mit der Europäischen Union beginnen. Es werden aber immer wieder Bedenken an einem Beitritt der Türkei geäußert. Derzeit verbreitet ein Artikel des türkischen Rechts unter europäischen Diplomaten Unmut. Artikel 301 des türkischen Strafrechts besagt, dass jede Kritik an einer türkischen Institution ein kriminelles Vergehen sei und mit Gefängnisstrafe sanktioniert werden kann. Es wurden bereits zahlreiche Akademiker und Schriftsteller unter dieser Anklage vor Gericht gebracht. Erst vor kurzen wurde dem Verfahren gegen den bekannten türkischen Schriftsteller Orhan Pamuk großes mediales Interesse geschenkt.
Abgesehen von den Diskussionen über die Lage der Menschenrechte in der Türkei, wird bei der Beitrittsdebatte oft der Islam ins Spiel gebracht. Es wird immer wieder gefragt, ob der Islam europakompatibel sei. Vor allem die Tatsache, dass es im Islam keine Trennung von Staat und Religion gibt, sehen viele als nur eines von vielen Hindernissen. In den Beitrittsgesprächen wird das Verhältnis von Staat und Religion eine Rolle spielen, da dieses Verhältnis Auskunft über den Zustand des politischen Systems der Türkei gibt.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem politischen Islam in der Türkei und mit der Frage, wie dieser im Laufe der Geschichte institutionalisiert wurde. Es wird neben einem geschichtlichen Abriss des Nationalstaates Türkei auch der Frage nachgegangen, was genau Laizismus und Säkularisierung in der Türkei bedeuten. Im dritten Kapitel wird aufgezeigt, wie die islamistischen Parteien Wähler mobilisieren.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Islam und Laizismus in der Türkei
- Historischer Hintergrund
- Der Kemalismus im jungen Nationalstaat Türkei
- Laizismus und Säkularisierung in der Türkei
- Der politische Islam in der Türkei (Islamismus)
- Ein Instrument der Wohlfahrtspartei (RP): islamistische Mobilisierung in der Nachbarschaft
- Abschließende Betrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem politischen Islam in der Türkei und untersucht, wie dieser im Laufe der Geschichte institutionalisiert wurde. Sie beleuchtet den historischen Hintergrund der Republik Türkei und beleuchtet die Bedeutung von Laizismus und Säkularisierung in der Türkei. Darüber hinaus wird aufgezeigt, wie islamistische Parteien Wähler mobilisieren.
- Der Einfluss des Islams auf die politische Landschaft der Türkei
- Die Rolle des Kemalismus und der kemalistischen Kulturrevolution
- Die Bedeutung von Laizismus und Säkularisierung im türkischen Kontext
- Die Mobilisierungsstrategien islamistischer Parteien in der Türkei
- Die politische Bedeutung der Beziehungen zwischen Staat und Religion in der Türkei
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt die Bedeutung des Themas „Politischer Islam in der Türkei“ im Kontext der aktuellen politischen Debatten dar, insbesondere im Hinblick auf den Beitritt der Türkei zur Europäischen Union. Sie beleuchtet die kontroversen Diskussionen über die Lage der Menschenrechte in der Türkei und die Frage der Kompatibilität des Islams mit europäischen Werten. Die Arbeit soll die Institutionalisierung des politischen Islams in der Türkei untersuchen und dabei den historischen Kontext sowie die Bedeutung von Laizismus und Säkularisierung berücksichtigen.
Islam und Laizismus in der Türkei
Historischer Hintergrund
Dieses Kapitel beschreibt die Gründung der Republik Türkei im Jahr 1923 und die weitreichenden Reformen, die unter der Führung Mustafa Kemals (Atatürk) durchgeführt wurden. Die kemalistische Kulturrevolution umfasste Sprachreformen, die Schaffung einer nationalen Geschichte und die Orientierung an westlichen Gesellschaften. Der Islam wurde als Hindernis für die Republik betrachtet und mit Verboten und Vorschriften konfrontiert. Ziel dieser Maßnahmen war die Stärkung der national-türkischen Identität und die Schwächung der religiösen Identität.
Der Kemalismus im jungen Nationalstaat Türkei
Das Kapitel beleuchtet den Kemalismus als Ideologie, die den Islam als Gefahr für den jungen Nationalstaat sah. Die sechs Pfeiler des Kemalismus, die 1937 in die Verfassung aufgenommen wurden, umfassen Nationalismus, Republikanismus, Populismus, Laizismus, Etatismus und Reformismus. Das Kapitel beschreibt die unterschiedliche Gewichtung dieser Pfeiler in der Geschichte des Nationalstaates Türkei und betont die Bedeutung des türkischen Nationalismus und des laizistischen Staatsgedankens.
Laizismus und Säkularisierung in der Türkei
Dieses Kapitel erklärt den Ursprung des Begriffs Laizismus in der Zeit der Französischen Revolution und unterscheidet ihn von Säkularisierung als soziologischem Prozess. Es wird der Zusammenhang zwischen Säkularisierung und der Politik des Laizismus erläutert. Der türkische Laizismus wird im Kontext des „kemalistischen Paradigmenwechsels“ ab 1946 betrachtet, der eine staatliche Kontrolle über die Religion einführte. Die Rolle des Staates bei der Gestaltung und Bürokratisierung des religiösen Lebens in der Türkei wird kritisch beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die zentralen Begriffe dieser Arbeit umfassen den politischen Islam, Laizismus, Säkularisierung, Kemalismus, Islamismus, islamistische Mobilisierung, türkische Politik und Staat-Religion-Beziehungen. Die Arbeit untersucht die Geschichte des Nationalstaates Türkei und die Entwicklung des politischen Islams in diesem Kontext.
- Arbeit zitieren
- Arzu Cevatli (Autor:in), 2005, Der politische Islam in der Türkei, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82052