Der Umgang mit Althergebrachtem - eine Geschichte von Stadtsanierung und -erneuerung in Westdeutschland


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

A) Der Umgang mit Althergebrachtem: Eine Geschichte von Stadtsanierung in Westdeutschland
1. Vorbemerkungen
2. Stadtsanierung im Wandel der Zeit
3. Gesetzliche Rahmenbedingungen
4. Ablauf einer Sanierung
5. Sanierung – für wen?
6. Fallstudie Sanierung Essen-Steele
7. Fazit

B) Der Umgang mit Althergebrachtem: eine Geschichte von Stadterneuerung in Westdeutschland
8. Einleitung
9. Aufgaben der Stadterneuerung
10. Geschichte der Stadterneuerung
11. Public-Private-Partnership und die „sanfte“ Stadterneuerung am Beispiel Wiens
12. Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten am Beispiel Straelens
13. Fazit
14. Quellenverzeichnis Stadtsanierung
15. Quellenverzeichnis Stadterneuerung

A) Der Umgang mit Althergebrachtem: Eine Geschichte von Stadtsanierung in Westdeutschland

1. Vorbemerkungen

Im Gegensatz zur Stadtplanung, deren Aufgabe die geordnete Erweiterung der Städte ist – und in jüngster Zeit auf Grund der demographischen Veränderungen auch deren Rückbau - ist das Ziel der Stadtsanierung die Um- und Neugestaltung bereits bestehender Stadträume. Sie ist Teilbereich der Stadtentwicklungsplanung und umfasst „nicht nur die Aufwertung einzelner Gebäude, sondern die Sanierung ganzer Stadtviertel“ (vgl. http://www.v-g-t.de/).

Ziel dieses ersten Teils der vorliegenden Arbeit ist es, das Konzept der Stadtsanierung darzustellen und kritisch zu hinterfragen. Städte sind immer Produkte der Gesellschaft. Wie im Titel angedeutet, liegt daher ein besonderer Schwerpunkt auf der Frage des Umganges der Gesellschaft mit ihren Stadträumen. Welche Bedeutung wird ihnen zugeschrieben und welche Ansprüche hat die Gesellschaft an ihre Städte?

2. Stadtsanierung im Wandel der Zeit

Schon in der Antike wurden Stadtsanierungsmaßnahmen vorgenommen. Das antike Rom beispielsweise wurde „ständig saniert, alte Bauwerke wurden abgerissen oder einfach überbaut“ (http://www.planet-wissen.de). Der römische Kaiser Augustus rühmte sich, „eine Stadt aus Lehmziegeln vorgefunden, aber eine aus Marmor hinterlassen zu haben“ (ebd.).

Besonders drastische Maßnahmen der Stadtsanierung wurden während der Zeit der Nationalsozialisten geplant[1], aber nur teilweise ausgeführt.

Die Anfänge der Stadtsanierung in der Neuzeit reichen bis ins ausgehende 19. Jh. Denn bereits zu dieser Zeit wurden ganze mittelalterliche Stadtviertel „umgebaut“ um dort die gründerzeitliche Wohn- und Gewerbebebauung zu errichten (vgl. http://www.v-g-t.de/). Diese Maßnahmen erschienen als „notwendiger Tribut an den Fortschritt“ (ebd.). Das Althergebrachte – in dem Fall die mittelalterliche Bausubstanz – musste den neuen Ansprüchen der Gesellschaft an diesen Raum weichen. Während der Phase des Wiederaufbaus in den 1950er Jahren lag das Hauptaugenmerk auf dem Neubau von Wohnungen, nicht auf der Erhaltung und Modernisierung der bereits bestehenden Gebäude. Damit verschlechterte sich der Zustand der alten Bausubstanz weiter.

Wörtlich genommen bedeutet Sanierung „Gesundmachen“, d.h. „der Begriff beruht auf der Vorstellung, es gebe „kranke“ Stadtquartiere, die mit Mitteln der Stadtplanung gesund gemacht werden könnten“ (Blotevogel 2002: 9). Diese Konzeption erhielt eine besondere „Sprengkraft“ (ebd.) als neue städtebauliche Leitbilder wie die Gartenstadt, die gegliederte und aufgelockerte Stadt sowie die autogerechte Stadt aufkamen. Bereits bestehende Stadtviertel, die diesen neuen Vorstellungen nicht entsprachen (d.h. insbesondere die gründerzeitliche Bebauung sowie einfache Werkssiedlungen) galten als minderwertig, weil sie die Anforderungen an die städtebaulichen Standards nicht mehr erfüllten (vgl. Blotevogel 2002).

Heute - fast vier Jahrzehnte nach Inkrafttreten des Städtebauförderungsgesetzes (s. u.) – ist die Anzahl der in Deutschland durchgeführten Sanierungsmaßnahmen kaum zu quantifizieren. „Es gibt wohl kaum eine Stadt, in der nicht mindestens ein Sanierungsgebiet ausgewiesen wurde [...]“ (http://v-g-t.de/). Stand zu Beginn der Sanierungstätigkeiten noch die gründerzeitliche Bebauung im Fokus der Planer, so hat sich der Sanierungsbedarf mittlerweile auf die Siedlungen der Zwischen- und Nachkriegsjahre und häufig auch bereits auf die Großwohnsiedlungen der späten 1960er Jahre verschoben (ebd.).

3. Gesetzliche Rahmenbedingungen

Nachdem der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg abgeschlossen war, wurden vor allem zwei große Aufgaben der Stadtplanung gesehen:

a) die „Sanierung“ älterer Quartiere mit städtebaulichen „Missständen“ und
b) der Bau von Großwohnsiedlungen, insbes. als Satelliten- bzw. Trabantenstädte (vgl. Blotevogel 2002).

Zur Verwirklichung dieser beiden Ziele, wurden von Bund und Ländern in den 1960er und 1970er Jahren erhebliche finanzielle Mittel eingesetzt. Um sowohl die Planungen als auch die Durchführung der Maßnahmen zu erleichtern, wurde 1971 das Städtebauförderungsgesetz beschlossen, welches 1986 zusammen mit dem Bundesbaugesetz in das Baugesetzbuch eingearbeitet wurde (ebd.).

§ 136 Baugesetzbuch - Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen

„[...]

(2) Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen sind Maßnahmen, durch die ein Gebiet zur Behebung städtebaulicher Missstände wesentlich verbessert oder umgestaltet wird. Städtebauliche Missstände liegen vor, wenn

1. das Gebiet nach seiner vorhandenen Bebauung oder nach seiner sonstigen Beschaffenheit den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse oder an die Sicherheit der in ihm wohnenden oder arbeitenden Menschen nicht entspricht oder
2. das Gebiet in der Erfüllung der Aufgaben erheblich beeinträchtigt ist, die ihm nach seiner Lage und Funktion obliegen.

(3) Bei der Beurteilung, ob in einem städtischen oder ländlichen Gebiet städtebauliche Missstände vorliegen, sind insbesondere zu berücksichtigen

1. die Wohn- und Arbeitsverhältnisse oder die Sicherheit der in dem Gebiet wohnenden und arbeitenden Menschen in Bezug auf

a) die Belichtung, Besonnung und Belüftung der Wohnungen und Arbeitsstätten,
b) die bauliche Beschaffenheit von Gebäuden, Wohnungen und Arbeitsstätten,
c) die Zugänglichkeit der Grundstücke,
d) die Auswirkungen einer vorhandenen Mischung von Wohn- und Arbeitsstätten,
e) die Nutzung von bebauten und unbebauten Flächen nach Art, Maß und Zustand,
f) die Einwirkungen, die von Grundstücken, Betrieben, Einrichtungen oder Verkehrsanlagen ausgehen, insbesondere durch Lärm, Verunreinigungen und Erschütterungen,
g) die vorhandene Erschließung;

2. die Funktionsfähigkeit des Gebiets in Bezug auf

a) den fließenden und ruhenden Verkehr,
b) die wirtschaftliche Situation und Entwicklungsfähigkeit des Gebiets unter Berücksichtigung seiner Versorgungsfunktion im Verflechtungsbereich,
c) die infrastrukturelle Erschließung des Gebiets, seine Ausstattung mit Grünflächen, Spiel- und Sportplätzen und mit Anlagen des Gemeinbedarfs, insbesondere unter Berücksichtigung der sozialen und kulturellen Aufgaben dieses Gebiets im Verflechtungsbereich.

(4) Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen dienen dem Wohl der Allgemeinheit. Sie sollen dazu beitragen, dass

1. die bauliche Struktur in allen Teilen des Bundesgebiets nach den sozialen, hygienischen, wirtschaftlichen und kulturellen Erfordernissen entwickelt wird,
2. die Verbesserung der Wirtschafts- und Agrarstruktur unterstützt wird,
3. die Siedlungsstruktur den Erfordernissen des Umweltschutzes, den Anforderungen an gesunde Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bevölkerung und der Bevölkerungsentwicklung entspricht oder
4. die vorhandenen Ortsteile erhalten, erneuert und fortentwickelt werden, die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbilds verbessert und den Erfordernissen des Denkmalschutzes Rechnung getragen wird.

Die öffentlichen und privaten Belange sind gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen“ (http://bundesrecht.juris.de).

In den 1950er und 1960er Jahren hat die starke Expansion der Städte in ihr Umland dazu geführt, dass die Innenstädte „in den Planungsschatten gerückt“ (Reinborn 1996: 287) sind. Zudem ließ die steuerliche Begünstigung von Neubauten die Erneuerung der alten Bausubstanz unrentabel werden. Die inneren und älteren Stadtgebiete wurden so zu „rückständigen Vierteln“ (ebd.), die charakterisiert waren durch „schlechte bauliche Bedingungen und soziale Segregation“ (ebd.). Mit dem Städtebauförderungsgesetz kam dann 1971 eine „rechtliche, finanzielle und soziale Regelung“ (Reinborn 1996: 287) zustande.

Andritzky et al. sehen das Gesetz in erster Linie konzipiert, um die „wirtschaftliche Ertragssituation“ (Andritzky et al. 1986: 131) der Städte zu verbessern. Die bis dahin schon gängige Praxis der Flächen- bzw. Totalsanierung bekam somit eine rechtliche Grundlage, der Vorrang moderner gegenüber historischer Bebauung wurde dadurch auch rechtlich abgesichert.

4. Ablauf einer Sanierung

Der Ablauf eines Sanierungsverfahrens vollzieht sich üblicherweise in fünf Schritten (vgl. Albers 1996: 249ff).

(a) Vorbereitende Untersuchungen

Im Rahmen dieser Untersuchungen wird die Notwendigkeit der Sanierung beurteilt. Dazu werden die sozialen, strukturellen und städtebaulichen Zustände erfasst sowie die anzustrebenden Ziele der Sanierung formuliert. Die Mitwirkungsbereitschaft der Eigentümer, Mieter und anderer Nutzungsberechtigter wird durch die Einholung entsprechender Stellungnahmen ermittelt. Ein Rechtsanspruch, der die Sanierung verhindern könnte ist daraus jedoch nicht ableitbar. Selbst wenn sich ein Großteil der Betroffenen gegen die Sanierung zur Wehr setzt, wird diese durchgeführt. Um mögliche nachteilige Effekte auf die Betroffenen zu vermeiden, ist die Gemeinde lediglich verpflichtet, zusammen mit den Betroffenen zu erörtern, wie „nachteilige Auswirkungen möglichst vermieden oder gemildert werden können“ (Albers 1996: 249).

[...]


[1] Für eine detaillierte Darstellung der Stadtplanung und Stadtsanierung während der NS-Zeit am Beispiel Kölns siehe: Jansen, H., Ritter, G., & Wiktorin, D. (2003): Der historische Atlas Köln. 2000 Jahre Stadtgeschichte in Karten und Bildern. Köln.

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Details

Titel
Der Umgang mit Althergebrachtem - eine Geschichte von Stadtsanierung und -erneuerung in Westdeutschland
Hochschule
Universität zu Köln  (Geographisches Institut)
Veranstaltung
Hauptseminar
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
22
Katalognummer
V82381
ISBN (eBook)
9783638873239
ISBN (Buch)
9783640127573
Dateigröße
450 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Umgang, Althergebrachtem, Geschichte, Stadtsanierung, Westdeutschland, Hauptseminar
Arbeit zitieren
Thorsten Klaus (Autor:in), 2007, Der Umgang mit Althergebrachtem - eine Geschichte von Stadtsanierung und -erneuerung in Westdeutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82381

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