Es stellt sich die Frage, woher die Begeisterung der Wandervögel für den Krieg rührte? Wie hat eine Bewegung von solch reformfreudigen und einer besseren Zukunft verpflichteten Menschen das schreckliche Erlebnis des Ersten Weltkrieges überstanden, wie ihre Ideale und Ziele aufrechterhalten? Wie rechtfertigten sie vor sich und in ihren Gemeinschaften das Kriegsgeschehen? Die starke Bindung an ihre Ideale, an Religion, Philosophie und Kunst, besonders Literatur und Musik scheint ein großer Rückhalt in dieser Situation gewesen zu sein. Nach meiner These, haben die Wandervögel hauptsächlich mit Hilfe ihrer Zeitschriftenliteratur die Existenz ihrer Bünde unter den schwierigen Kriegsbedingungen gewährleisten können. In ihnen versicherten sie sich gegenseitig ihrer Ideale und schufen den notwendigen Rahmen, um auch weiter an ihnen festhalten zu können. Und in ihrer neuen Lebenssituation, in der sie unerwartete und niederschmetternde Erfahrungen machen mussten, entwickelten sie diese Ideale weiter, um der Realität gerecht werden zu können. Die gleiche Entwicklung zeigt sich auch in den Kriegserzählungen der Wandervögel, in denen die Autoren ihr Festhalten an den Idealen und deren Wandel darstellen. Und auch in den Feldtagebüchern liest man von einer permanenten Reflexion und fortwährendem Neudefinieren jugendbewegter Werte. Wie diese Menschen in den fürchterlichsten Lebenssituationen lesend, schreibend und im Diskurs beharrlich ihren Zielen weiter zustrebten, welche unterschiedlichen Argumentationen und Strategien sie dabei verfolgten und zu welchen Ergebnissen sie kamen, werde ich in den folgenden Kapiteln untersuchen. Als Grundlage soll zunächst die Position der Wandervögel zum Krieg beleuchtet werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- 1. Wandervogel und Freideutsche Jugend im Ersten Weltkrieg
- 1.1 Ein Forschungsüberblick
- 1.2 Zur Kriegsbegeisterung
- 2. Wandervogelzeitschriften
- 2.1 Bundeszeitschriften und Gaublätter
- 2.2 Feldzeitschriften
- 2.2.1 Selbstverständnis
- 2.2.2 Der Krieg
- 2.2.3 Diskussionen
- 2.2.4 Produktive Arbeit
- 2.2.5 Kulturbetrieb
- 3. Kriegserzählungen
- 3.1 Erzählungen im Wandervogel
- 3.2 Wir zogen in das Feld
- 3.3 Der Muskote
- 4. Feldtagebücher
- 4.1 Tagebücher und Biographien
- 4.1.1 Authentizität
- 4.1.2 Schreibmotivation
- 4.1.3 Stil
- 4.1.4 Kultureller Kontext
- 4.1.5 Sozialer Kontext
- 4.2 Geo Götsch
- 4.2.1 Einordnung
- 4.2.2 Kriegsschuld
- 4.2.3 Kriegsbegeisterung
- 4.2.4 Kriegsparteien
- 4.2.5 Stil
- 4.2.6 Kultur
- 4.2.7 Ideale
- 4.3 Otto Neumann
- 4.3.1 Einordnung
- 4.3.2 Kriegsschuld
- 4.3.3 Kriegsbegeisterung
- 4.3.4 Kriegsparteien
- 4.3.5 Stil
- 4.3.6 Kultur
- 4.3.7 Ideale
- 4.1 Tagebücher und Biographien
- 5. Stellungnahme
- 5.1 Zusammenfassung
- 5.2 Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs auf die Wandervogelbewegung, eine einflussreiche deutsche Jugendbewegung. Sie analysiert, wie die Bewegung, die sich für Reform und eine bessere Zukunft einsetzte, mit den traumatischen Erfahrungen des Krieges umging, ihre Ideale bewahrte und diese möglicherweise neu definierte.
- Der Wandel jugendbewegter Ideale im Kontext des Ersten Weltkriegs
- Die Rolle von Literatur und Zeitschriften in der Bewältigung der Kriegsrealität
- Die Kriegserzählungen und Feldtagebücher der Wandervögel als Spiegelbild ihrer Erfahrungen und Entwicklungen
- Die Kontinuität und Veränderung von Werten und Zielen der Wandervogelbewegung im Krieg
- Die Bedeutung von Gemeinschaft, Kultur und geistigen Idealen für die Wandervögel während des Krieges
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in den Wandervogel und seine frühen Jahre. Kapitel 1 befasst sich mit der Forschung zum Verhältnis zwischen der Deutschen Jugendbewegung und dem Ersten Weltkrieg und beleuchtet die anfängliche Kriegsbegeisterung innerhalb der Wandervogelbewegung. Kapitel 2 analysiert die Rolle von Wandervogelzeitschriften während des Krieges, insbesondere die Feldzeitschriften, die Einblicke in das Selbstverständnis, die Kriegsdiskussionen, die Produktivität und die Kultur der Wandervögel an der Front bieten. Kapitel 3 untersucht Kriegserzählungen, die von Wandervögeln verfasst wurden, und beleuchtet, wie diese Erzählungen die Erfahrungen des Krieges und die Wandlung der Ideale der Bewegung widerspiegeln.
Kapitel 4 widmet sich den Feldtagebüchern der Wandervögel und untersucht deren Authentizität, Schreibmotivation, Stil, kulturellen Kontext und sozialen Kontext. Es analysiert zwei Tagebücher im Detail: das von Geo Götsch und das von Otto Neumann. Beide Tagebücher bieten Einblicke in die Kriegsrealität, die Haltung der Wandervögel zum Krieg, ihre Ideale und die Veränderungen, die sie während des Krieges durchmachten.
Schlüsselwörter
Wandervogel, Freideutsche Jugend, Erster Weltkrieg, Jugendbewegung, Kriegserfahrung, Literatur, Zeitschriften, Kriegserzählungen, Feldtagebücher, Ideale, Gemeinschaft, Kultur, Kriegsbegeisterung, Kriegsschuld, Kriegsparteien, Authentizität, Schreibmotivation, Stil, Kultureller Kontext, Sozialer Kontext.
- Arbeit zitieren
- M.A. Sven Stemmer (Autor:in), 2005, Literatur im Krieg - Kontinuität und Wandel jugendbewegter Ideale in der Erfahrung des Ersten Weltkriegs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82414