Arno Esch - Widerstand gegen die ideologische Gleichschaltung an den Universitäten der SBZ/DDR


Hausarbeit, 2006

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Nachkriegssituation in Deutschland

3. Die Lage der Universitäten
3.1 Probleme der unmittelbaren Nachkriegszeit
3.2 Wiedereröffnung der Hochschulen

4. Widerstand gegen die „antifaschistisch-demokratische Umwälzung“ an den Hochschulen

5. Arno Esch
5.1 Kurzbiographie
5.2 Politische Aktivitäten
5.3 In Konflikt mit den Herrschenden
5.4 Verhaftung und Prozess

6. Fazit

7. Literatur

1. Einleitung

Die Errichtung der zweiten Diktatur auf deutschem Boden begann schon kurz nach Ende des zweiten Weltkrieges. Wie sich die ideologische Gleichschaltung nach kommunistischem Muster in einem gesellschaftlichen Teilbereich, den Hochschulen, vollzog, soll folgende Arbeit darstellen. Das Aufbegehren gegen die erneute Entstehung eines Unterdrückungssystems brachte an den Universitäten der sowjetischen Besatzungszone vielen, teilweise erhebliche, bis zur Todesstrafe gehende Verurteilungen ein. Einer der hervorragenden Vertreter des studentischen Widerstandes war der Rostocker Jurastudent Arno Esch, dessen Todestag sich im Sommer 2006 zum fünfundfünfzigsten Mal jährte. Stellvertretend für alle Opfer des Stalinismus an der Universität Rostock ehrt Esch seit 1990 eine Gedenktafel im Hauptgebäude.

Eschs Vision war eine demokratische Gesellschaft, wie sie nach zwölf Jahren Diktatur erstmals wieder möglich schien. Ein stark sozial orientierter Liberalismus war für ihn einer der Grundpfeiler einer künftigen Gesellschaft, dafür setzte sich Esch, der trotz seiner jungen Jahre viel politisches Talent entwickelt hatte, unermüdlich ein. Der SED sollte es schließlich gelingen, eine Gesellschaftsordnung zu installieren, in der Meinungsfreiheit und Grundrechte nur auf Papier standen, dass sie nicht wert waren. Auch die Hochschulen nahmen bald den Platz ein, der ihnen zugewiesen worden war. Denken wurde hier nur nach Einheitsmuster erlaubt, sie wurden zu einem Instrument kommunistischer Bildungs- und Wissenschaftspolitik umgestaltet.

Ausgehend von der politischen Situation und der Lage der Hochschulen direkt nach Kriegsende, wird der Widerstand gegen die Gleichschaltung an den Universitäten der SBZ/DDR dargestellt. Nach einer kurzen Abhandlung über Arno Eschs Leben bis zu seinem Eintritt in die Universität Rostock folgt eine Darstellung seiner politischen und publizistischen Tätigkeit. Anschließend sollen die Gegenmaßnahmen der Obrigkeit die auf Eschs Aktivitäten folgten sowie ihre Ergebnisse beschrieben werden.

2. Nachkriegssituation in Deutschland

Am 8. Mai 1945 endete mit der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches der Zweite Weltkrieg in Europa.[1] Die oberste Gewalt in Deutschland, dass nunmehr „lediglich ein Objekt der internationalen Politik“ war, „ohne äußere und innere Souveränität“[2], übernahm am 5. Juni 1945 der Alliierte Kontrollrat als gemeinsame Regierungsbehörde der Siegerstaaten. Ihm gehörten anfänglich die USA, Großbritannien und die Sowjetunion an. Frankreich kam später hinzu. Das Territorium Deutschlands wurde unter diesen Staaten zum Zwecke der Besatzung nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 in vier Zonen aufgeteilt.[3] Der Kontrollrat sollte über Deutschland als Ganzes entscheiden, jede Besatzungsmacht erließ jedoch für ihre Zone selbstständig Befehle und Gesetze. Somit war ein Schritt zur getrennten Entwicklung getan, der es der Sowjetunion ermöglichte, in ihrer Zone die Grundlagen für ein kommunistisches Herrschafts- und Gesellschaftssystem zu legen.

Im von ihr besetzten Teil Deutschlands verfolgte die Sowjetunion nach Kriegsende eine zweigleisige Taktik. Einerseits gestattete sie „die Tätigkeit verschiedener politischer Richtungen, legte […] »antifaschistisch-demokratisch« im Sinne der pluralistischen Demokratie aus“[4], was Hoffnungen auf eine reale Demokratisierung weckte. Andererseits leitete sie in ihrer Besatzungszone Maßnahmen mit dem Ziel ein, diese nach sowjetischem Muster ideologisch und organisatorisch umzugestalten und somit langfristig in ihren Machtbereich einzubinden.

3. Die Lage der Universitäten

3.1 Probleme der unmittelbaren Nachkriegszeit

Nach dem Kriegsende im Frühjahr 1945 erwies sich die Situation auch an den sieben Hochschulen der Sowjetischen Besatzungszone als außerordentlich schwierig. Bald nach Einmarsch der sowjetischen Armeen waren die Universitäten, wie auch die anderen öffentlichen Einrichtungen, geschlossen worden. Zum Teil wurden Gebäude, wie etwa das Hauptgebäude der Universität Rostock, von den Truppen besetzt. Hinzu kamen die Zerstörung von Hochschulgebäuden und ihres Inventars infolge des Krieges, teilweise waren diese auch geplündert, oder mit Flüchtlingen belegt worden. Zudem waren viele Bücher verbrannt und wissenschaftliche Geräte zum Teil beschlagnahmt worden.[5]

3.2 Wiedereröffnung der Hochschulen

Mit einer Studentenzahl von knapp über 10000 konnten die Universitäten der SBZ in der Zeit zwischen Oktober 1945 und Februar 1946 offiziell wiedereröffnet werden.[6]

Ein großes Problem war in den ersten Nachkriegsjahren, der enorme Aderlass an Professoren und Dozenten, der durch die allgemeine Entnazifizierung bedingt war. Meist über die Hälfte, an bestimmten Universitäten mehr als zwei Drittel, der Lehrenden musste aufgrund ihrer NSDAP-Mitgliedschaft oder sonstiger Teilhabe am System die Hochschulen verlassen. Allerdings mussten neben den tatsächlichen auch „vermeintliche Anhänger des Nationalsozialismus“[7] gehen: „Von diesen Säuberungen waren auch ausgewiesene Gegner des NS-Regimes betroffen.“[8] Der Hochschulbetrieb konnte so anfangs nur eingeschränkt wieder aufgenommen werden. Anzunehmen, dass die Verbliebenen den neuen Machtverhältnissen sonderlich aufgeschlossen gegenüberstanden, wäre allerdings falsch. Der „stark verkleinerte Lehrkörper bestand anfangs nur zu einem geringen Teil aus Kommunisten, während die überwiegende Mehrheit […] keineswegs mit der kommunistischen Ideologie sympathisierte.“[9]

Auch in der Studentenschaft hatten die neuen Machthaber anfänglich keine ihr ideologisch ergebene Mehrheit. Dies änderte sich einerseits erst allmählich durch die Bevorzugung von Arbeiter- und Bauernkindern bei der Zulassung zum Studium, was bei diesen zumindest teilweise Loyalität gegenüber der herrschenden Partei hervorrief. Andererseits wurde der Spielraum für politisch Andersdenkende zunehmend enger gemacht. Die Träger des Widerspruchs gegen die Willkür und Ideologie der Herrschenden wurden systematisch eingeschüchtert, bespitzelt und/ oder verhaftet und zu oft langjährigen Strafen verurteilt, sofern sie sich nicht durch die Flucht in den Westen diesem Schicksal zu entziehen vermochten.

Um den Anteil der Studenten, die die ideologische Umgestaltung der Hochschulen bereit waren mit zu tragen, zu erhöhen, benutzte die SED die bereits seit dem Frühjahr 1946 bestehenden Vorstudienanstalten. Dort konnten Bewerber, die über die „richtige“ politische Einstellung verfügten, aber noch keine Hochschulreife besaßen, ihr Abitur in dreijährigen Kursen nachholen. Mit ihrem Einzug in die Universitäten wurde der Anteil widerständiger Studenten naturgemäß immer geringer.

4. Widerstand gegen die „antifaschistisch-demokratische Umwälzung“ an den Hochschulen

Dass eine antifaschistische Ausrichtung zum Leitspruch der Zeit nach der faschistischen Diktatur Hitlers gewählt wurde, deckte sich mit der Grundeinstellung auch der meisten Studenten. Diese hatten das Regime miterlebt, waren zum Teil verfolgt worden und hatten vielfach auch Kriegserfahrungen machen müssen. Auch das Versprechen, dass in dem Wort demokratisch steckt, weckte sicher Hoffnungen auf eine andere, freiere Zukunft.

Die Studenten der ersten Nachkriegsjahre waren, besonders angesichts der Tatsache, dass sie einen der wenigen Studienplätze erlangt hatten, sehr darauf ausgerichtet, diese Chance so gut wie möglich zu nutzen. Nach einem Regime, welches, „bedingungslosen Gehorsam gefordert hatte […] um sich schließlich als verbrecherisch […] herauszustellen“[10] wollten die meisten sie sich keineswegs „von irgendeiner Partei wieder in eine politische Massenbewegung einspannen und die Selbstständigkeit des Denkens rauben lassen.“[11] Das diese Art der Freiheit auch unter den neuen Machthabern nicht lange zugestanden wurde, offenbarte sich schon bald.

Gewisse Veränderungen an den Hochschulen, wie etwa die verstärkte Förderung von bisher benachteiligten Bevölkerungsgruppen, fanden noch die Zustimmung bei vielen.

War jedoch anfangs die Zulassung zum Studium noch „relativ demokratisch“[12], entschied das Leistungsprinzip, begannen die Besatzungsmacht und ihre deutschen Beauftragten schon bald auch an den Universitäten eine gezielte Personalpolitik zu betreiben. Um ihren Einfluss zu stärken, wurde bei der Zulassung zum Studium und in der Besetzung des Lehrkörpers zunehmend auf Linientreue geachtet. Ebenso wurden die an der Hochschule Verbliebenen auf ihre politische Verlässlichkeit überprüft und gegebenenfalls entfernt. Dieses Schicksal traf unter vielen Anderen den Greifswalder Prof. Dr. theol. Ernst Lohmeyer, der 15.02.1946 „dem Tage der Wiedereröffnung der Universität, deren bestätigter Rektor Magnificus er war“[13] von Angehörigen des MWD (Ministerium für innere Angelegenheiten) verhaftet wurde, und der wenig später in der Haft starb. Zahlreiche bedrängte Hochschullehrer folgten einem Ruf an eine Universität im Westen. Andere flohen ohne klare Zukunftsaussichten über die noch weitgehend offene Grenze aus der Sowjetzone.[14] Später war ein „beruflicher Aufstieg als Hochschullehrer […] oft ohne Eintritt in die SED nicht möglich.“[15]

[...]


[1] Vgl. Lehmann, Hans Georg: Deutschland-Chronik 1945 bis 2000. Bonn. 2000. S. 19.

[2] Grosser, Alfred: Das Bündnis die westeuropäischen Länder und die USA seit dem Krieg. Paris 1978. S. 80.

[3] Vgl. Winkler, Heinrich August: Der lange Weg nach Westen II Deutsche Geschichte 1933-1990. Bonn. 2004. S. 117.

[4] Weber, Herman: DDR Grundriß der Geschichte 1945-1981. Hannover. 1982. S. 21.

[5] Vgl. Seils, Markus: „ Aufgabe: Die planmäßige ideologische Umgestaltung der Universitäten“ Staatliche Hochschulpolitik im Land Mecklenburg-Vorpommern 1945 bis 1950. Schwerin. 1996. S. 15.

[6] Vgl. Ammer, Thomas: Universität zwischen Demokratie und Diktatur Ein Beitrag zur Nachkriegsgeschichte der Universität Rostock. Köln. 1969. S. 9.

[7] Neubert, Erhart: Geschichte der Opposition in der DDR 1949-1989. Bonn. 2000. S. 51.

[8] Ebd. S. 51.

[9] Ammer, Thomas: Universität zwischen Demokratie und Diktatur Ein Beitrag zur Nachkriegsgeschichte der Universität Rostock. Köln. 1969. S. 10.

[10] Ammer, Thomas: Universität zwischen Demokratie und Diktatur Ein Beitrag zur Nachkriegsgeschichte der Universität Rostock. Köln. 1969. S. 26.

[11] Ebd. S. 26.

[12] Müller, Egon Erwin; Müller, Marianne: „… stürmt die Festung Wissenschaft!“ Die Sowjetisierung der mitteldeutschen Universitäten seit 1945. Berlin. 1994. S. 75.

[13] Müller, Egon Erwin; Müller, Marianne: „… stürmt die Festung Wissenschaft!“ Die Sowjetisierung der mitteldeutschen Universitäten seit 1945. Berlin. 1994. S. 65.

[14] Vgl. Ebd. S. 70.

[15] Ammer, Thomas: Die Gedanken sind frei. Widerstand an den Universitäten 1945 bis 1961. in: Poppe, Ulrich; Eckert, Rainer; Kowalczuk, Ilko-Sascha (Hrsg.): Zwischen Selbstbehauptung und Anpassung Formen des Widerstandes und der Opposition in der DDR. Berlin. 1995. S. 143.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Arno Esch - Widerstand gegen die ideologische Gleichschaltung an den Universitäten der SBZ/DDR
Hochschule
Universität Rostock  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Dissidenten und Renegaten im deutschen Kommunismus
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
19
Katalognummer
V82463
ISBN (eBook)
9783638878395
Dateigröße
459 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Arno, Esch, Widerstand, Gleichschaltung, Universitäten, SBZ/DDR, Dissidenten, Renegaten, Kommunismus
Arbeit zitieren
B.A. Christian Pauer (Autor:in), 2006, Arno Esch - Widerstand gegen die ideologische Gleichschaltung an den Universitäten der SBZ/DDR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82463

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