Macht als Triebfeder gesellschaftlicher Entwicklungen

Eine Übersicht über die Grundbegriffe von Michel Foucault


Seminararbeit, 2006

12 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Macht

2 Wahrheit und Diskurs

3 Die Techniken der Macht
3.1 Die Disziplinarmacht
3.2 Die Bio-Politik

4 Bio-Macht und Sexualitätsdispositiv

5 Zusammenfassung

Macht als Triebfeder gesellschaftlicher Entwicklungen - Eine Übersicht über die Grundbegriffe von Michel Foucault

Simon Eder

19. September 2006

Seit langem hält sich die Frage, ob man Michel Foucault zu den Klassikern der Soziologie zählen darf. Zum einen haben seine Arbeiten die Soziologie auf vielen Gebieten bereichert, zum anderen gilt Foucault selbst als einer der schärfsten Kritiker der Sozialwissenschaften, nicht selten schwamm er mit seinen Aussagen gegen den Strom und ließ sich nicht in disziplinäre Grenzen und wissenschaftliche Normen einordnen. Ziel dieser Arbeit soll es sein, die Grundbegriffe seines wissenschaftlichen Arbeitens zu benennen, zu erklären und im Zuge dessen, zu veranschaulichen, was an seinen Definitionsversu- chen so einzigartig ist und wo er soziologisch klassischen Grundannahmen widerspricht. Im Laufe dieser Arbeit sollen die Begrifflichkeiten der Macht, der Wahrheit, des Diskurses und des Dispositivs geklärt werden.

1 Macht

Eines der zentralen Themen Foucaults Forschung ist die Beschreibung des Übergangs zur Moderne. Doch was zeichnet dieser Übergang aus oder anders gefragt, was unterscheidet die Moderne von der Vormoderne? Beispielsweise Anthony Giddens, der sich in seiner Forschung besonders auf die Grundaspek- te der Moderne konzentrierte, konnte vier Dimensionen der Moderne ausma- chen. Ihm zufolge sind die Dimensionen, also die Grundaspekte der Moderne die Ausprägung des Kapitalismus und der Industrialisierung, das National- staatsprinzip und die Kontrolle über die Mittel zur Gewaltanwendung durch den Nationalstaat (Giddens, 1996, S.78). Foucault hingegen schreibt diesen Entwicklungen nicht die zentrale Rolle beim Übergang zu Moderne zu. Ihm zufolge geschah dieser Übergang zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert durch eine Transformation der Machtformen.

Bis ins 17. Jahrhundert hinein war eines der charakteristischen Privilegien der souveränen Macht das Recht über Leben und Tod (Foucault, 1976, S.161). Foucault meint damit, dass die vormoderne Macht von einem Souverän, dem Herrscher, ausging und repressiven Charakters war. Ziel der Macht war es demnach, allein das Überleben des Souveräns zu sichern. Das Funktionieren der Gesellschaft war also am Wohl des einen Herrschers orientiert und wur- de notfalls mit Gewalt durchgesetzt. Beispielsweise Max Webers Definition von Macht, die sich bis heute hält, stützt sich weiterhin auf den repressiven Charakter der Macht. Weber zufolge ist Macht jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzuset- zen, gleichviel worauf diese Chance beruht (Weber, 1980, S.28).

Im Zuge des Übergangs zur Moderne etablierte sich allerdings, nach Fou- cault, ein neuer Machtbegriff, eine neue Form der Macht. Auf dem Spiel stand nicht mehr die juridische Existenz des Souveräns sondern die biolo- gische Existenz einer gesamten Bevölkerung (Foucault,1976, S.164). Anders formuliert könnte man sagen, das alte Recht, sterben zu machen und leben zu lassen wurde abgelöst von einer Macht, leben zu machen oder in den Tod zu stoßen (Foucault, 1976, S.165). Foucault schreibt also von der Entstehung einer Macht, die nicht mehr Unterdrückung und Beherrschung im Sinn hatte, sondern das Wohl und Überleben der gesamten Bevölkerung. Sie war und ist produktiv, da sie auf das Funktionieren der Gesellschaft ausgelegt ist. Doch was genau ist nach Foucault Macht? Dies soll in den nächsten Absätzen ge- klärt werden.

Eine einheitliche Definition von Macht ist nur schwer bei Foucault zu fin- den, was, wie sich später zeigen wird, nicht zuletzt mit seiner Auffassung von wissenschaftlichem Arbeiten zusammenhängt. Dennoch lassen sich in seinen Werken Textstellen finden, die zu einer genaueren Klärung des Begriffs der Macht beitragen.

Foucault versteht unter Macht eine komplexe Situation innerhalb einer Gesellschaft (Foucault, 1976, S.114). Man darf also nicht den Fehler begehen, Macht als etwas anzusehen, was von einzelnen Individuen oder Institutionen zu bestimmten Zeitpunkten ausgeübt wird. Sie ist vielmehr die Vielfältigkeit von Kräfteverhältnissen, die ein Gebiet bevölkern oder organisieren (Foucault, 1976, S.113). Doch was bedeutet das?

Macht entsteht überall. Ihr Kalkül und ihre Rationalität zieht sich nicht aus der Absicht von Einzelnen, viel mehr ist ihre Rationalität die Rationalität von Taktiken, also von Strömungen innerhalb der Gesellschaft (Foucault, 1976, S.116). Ein Definitionsversuch könnte demnach lauten, Macht ist die Auswirkung von gesellschaftlichen Taktiken, die sich am Überleben der Ge- sellschaft orientieren. Diese Taktiken entstehen überall und ständig neu und sind somit Basis und Grund für menschliches Handeln. Die Frage nach den Auswirkungen von Macht soll im nächsten Abschnitt genauer beschrieben werden.

2 Wahrheit und Diskurs

Die Begriffe Macht, Wahrheit und Diskurs sind eng miteinander verzahnt. Es lässt sich dennoch ein klarer Wirkungszusammenhang diagnostizieren. Die Wirkung der Macht äußert sich in der Erschaffung von Wahrheiten in Diskursen. Dadurch entsteht Wissen, Foucault nennt daher den Zusammen- hang zwischen Macht und Wissen, der der Geschichte der Moderne eigen ist, den Macht-Wissens-Komplex. Die aus diesem Komplex hervorgegange- nen Wahrheiten zeigen uns nicht nur auf, wie wir uns zu verhalten haben, sie erschaffen uns, sie erschaffen Individuen indem sie ihnen sagen, wer und warum sie sind. Dieses Gedankenkonstrukt ist deshalb so komplex, weil es sich auf alles und jede Kleinigkeit in der Gesellschaft bezieht.

Foucault, der als Schöpfer der Diskurstheorie gilt, interessiert sich dabei für die Verquickung von Sprache und Macht. Wie sich später noch zeigen wird, konzentriert er sich dabei besonders auf die Sprache jener Disziplinen, wel- che über die Definitionshoheit, dessen was ein Mensch ist, verfügen. Das sind die Sprachen der Bürokratie, der Wissenschaft, der Psychologie und der Me- dizin, sie sind die Sprachen der Macht (Schwanitz, 2002, S.455). Innerhalb dieser Bereiche werden Diskurse angeregt, welche Wahrheiten hervorbringen, testen oder wieder verwerfen. Der Diskurs ist somit die Arena, innerhalb de- rer Wahrheiten gegeneinander antreten. Die Folgen der Wahrheitsproduktion sollen nun anhand eines historischen Beispiels in den nächsten Abschnitten gezeigt werden.

3 Die Techniken der Macht

Ein zentraler Aspekt von Foucaults Forschung ist es also nachzuvollziehen, wie Wahrheiten im Laufe der Geschichte produziert werden. Foucault eta- bliert im Zuge dessen in den 70er Jahren die Genealogie als historisch-philo- sophische Analysemethode, um den Bedingungen des Entstehens von Wissen und Wahrheiten auf den Grund zu gehen. Seit dem Übergang zur Moderne erkennt Foucault zwei voneinander getrennte Machttechniken, die beide auf ihre Weise die Produktion von gesellschaftsdienlichen Wahrheiten förderten.

3.1 Die Disziplinarmacht

Historisch gesehen, war die Disziplinarmacht die erste Machttechnik, die sich seit dem Übergang zur Moderne gebildet hat, also die erste Machttechnik, die auf das Überleben und die Produktivität der Bevölkerung ausgelegt war. Das Ziel, oder besser gesagt, die Taktik dieser Machtechnik, die einer speziellen gesellschaftlichen und historischen Situation folgte, war die Disziplinierung der gesamten Gesellschaft. Denn wie bereits bei Giddens angedeutet, vollzog sich seit dem 17. Jahrhundert ein gesellschaftlicher Wandel, die Industriali- sierung und der Kapitalismus setzten ein und neue Anforderungen wurden an die Bevölkerung gestellt. Foucault sagt, die Disziplinarmacht habe sich um den Körper als Maschine zentriert, um seine Dressur, die Steigerung sei- ner Fähigkeiten, die Ausnützung seiner Kräfte, das parallele Anwachsen sei- ner Nützlichkeit und seiner Gelehrigkeit, seine Integration in wirksame und ökonomische Kontrollsysteme - geleistet haben all das die Machtprozeduren der Disziplinen (Foucault, 1976, S.166).

[...]

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Macht als Triebfeder gesellschaftlicher Entwicklungen
Untertitel
Eine Übersicht über die Grundbegriffe von Michel Foucault
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Soziologie)
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
12
Katalognummer
V82683
ISBN (eBook)
9783638885751
ISBN (Buch)
9783638914321
Dateigröße
397 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Macht, Triebfeder, Entwicklungen
Arbeit zitieren
Simon Eder (Autor:in), 2006, Macht als Triebfeder gesellschaftlicher Entwicklungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82683

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