In mehreren Entwicklungsstufen fertigte Hölderlin zwischen 1800 und 1804 die Elegie Brod und Wein, um den Übergang, beziehungsweise die Erneuerung, des Christentums aus dem griechisch-antiken Polytheismus darzustellen.
Mit seinem Freund Heinze, dem diese Elegie auch gewidmet ist, unternimmt er eine Reise in Gedanken nach Griechenland. Er versinnbildlicht also eine Wanderungsbewegung, die dem Spannungsausgleich zwischen dem Bestehen einer dürftigen Zeit, die ihre Menschen dürsten lässt, und dem Streben und Verlangen nach einer Gemeinschaft mit den Göttern dient.
Sicherlich nicht unbezeichnend für die Betrachtung der Dionysosgestalt in Hölderlins Elegie Brod und Wein ist der ursprüngliche Titel Der Weingott. Ebenfalls nicht unerheblich ist jedoch auch der Bezug auf das Christentum, zu dessen Vorteil das Werk später in Brod und Wein umbenannt wurde. Es wird sich zeigen, dass beide Begriffe, wie auch andere, in für die Elegie stehender Weise ambivalent sowohl auf die griechische Antike als auch auf das Christentum betrachtet werden können, ja sogar müssen. Denn „Auch die antike Religiosität hatte im Dionysoskult, in den Mysterien und in der Tragödie Aspekte der Reinigung und Selbstüberschreitung, die man nicht bloß dem Christentum gutschreiben darf.“ Dichotomie also, die das Grundkonzept der Elegie ausmacht und in der Anfangs- und Endbild der schlafenden Stadt (V 1) und des schlafenden Cerberus (V 160) die gefahrvolle Spannung der Zeit verbergen, die sich mit Dionysos entladen soll.
Die nachfolgende Arbeit will nach einer kurzen Einführung über die Protagonisten Hölderlin und Dionysos den Weg der beiden zueinander nachzeichnen und auf eine Besonderheit des Dionysosmythologems, seine Dreiteilung, eingehen. Weiterhin soll untersucht werden, inwieweit die Götter in Brod und Wein auftreten und im weiteren Verlauf der Elegie mehr und mehr Dionysos selbst aus ihren Reihen heraustritt, um Hölderlins Intention zu realisieren.
Ein wichtiger Aspekt, der hauptsächlich in den letzten drei bis vier Strophen auftritt und die Besonderheit der Elegie ausmacht, kann natürlich nicht unerwähnt bleiben. Dionysos’ Verbindung und Einheit mit der Christusgestalt dient als Metapher für den in Brod und Wein vollzogenen Übergang von der antiken Götterwelt in das abendländische Christentum und ist somit der bezeichnende Punkt, den es zu untersuchen gilt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Wer war Hölderlin?
3. Wer ist Dionysos?
4. Hölderlins Weg zu Dionysos
5. Dionysos’ Dreiteilung nach Schelling
6. Dionysos in Brod und Wein
7. Schluss
Literatur- und Quellenverzeichnis
Bildnachweis
1. Einleitung
In mehreren Entwicklungsstufen fertigte Hölderlin zwischen 1800 und 1804 die Elegie Brod und Wein, um den Übergang, beziehungsweise die Erneuerung, des Christentums aus dem griechisch-antiken Polytheismus darzustellen.
Mit seinem Freund Heinze, dem diese Elegie auch gewidmet ist, unternimmt er eine Reise in Gedanken nach Griechenland. Er versinnbildlicht also eine Wanderungsbewegung, die dem Spannungsausgleich zwischen dem Bestehen einer dürftigen Zeit, die ihre Menschen dürsten lässt, und dem Streben und Verlangen nach einer Gemeinschaft mit den Göttern dient.
Sicherlich nicht unbezeichnend für die Betrachtung der Dionysosgestalt in Hölderlins Elegie Brod und Wein ist der ursprüngliche Titel Der Weingott. Ebenfalls nicht unerheblich ist jedoch auch der Bezug auf das Christentum, zu dessen Vorteil das Werk später in Brod und Wein umbenannt wurde. Es wird sich zeigen, dass beide Begriffe, wie auch andere, in für die Elegie stehender Weise ambivalent sowohl auf die griechische Antike als auch auf das Christentum betrachtet werden können, ja sogar müssen. Denn „Auch die antike Religiosität hatte im Dionysoskult, in den Mysterien und in der Tragödie Aspekte der Reinigung und Selbstüberschreitung, die man nicht bloß dem Christentum gutschreiben darf.“[1] Dichotomie also, die das Grundkonzept der Elegie ausmacht und in der Anfangs- und Endbild der schlafenden Stadt (V 1) und des schlafenden Cerberus (V 160) die gefahrvolle Spannung der Zeit verbergen, die sich mit Dionysos entladen soll.[2]
Die nachfolgende Arbeit will nach einer kurzen Einführung über die Protagonisten Hölderlin und Dionysos den Weg der beiden zueinander nachzeichnen und auf eine Besonderheit des Dionysosmythologems, seine Dreiteilung, eingehen. Weiterhin soll untersucht werden, inwieweit die Götter in Brod und Wein auftreten und im weiteren Verlauf der Elegie mehr und mehr Dionysos selbst aus ihren Reihen heraustritt, um Hölderlins Intention zu realisieren.
Ein wichtiger Aspekt, der hauptsächlich in den letzten drei bis vier Strophen auftritt und die Besonderheit der Elegie ausmacht, kann natürlich nicht unerwähnt bleiben. Dionysos’ Verbindung und Einheit mit der Christusgestalt dient als Metapher für den in Brod und Wein vollzogenen Übergang von der antiken Götterwelt in das abendländische Christentum und ist somit der bezeichnende Punkt, den es zu untersuchen gilt.
2. Wer war Hölderlin?
[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]Johann Christian Friedrich Hölderlin wurde am 2. März 1770 in Lauffen als Sohn eines Klosterhof-meisters geboren. Nach seiner Theologenausbildung im Maulbronner Seminar und im Tübinger Stift, wo er seine ersten Hymnen schrieb und Freundschaft mit Schelling und Hegel schloss, nahm er eine Hofmeisterstelle in Thüringen an, wo er ein reichliches Jahr verweilte und erste Bruchstücke des „Hyperion“-Romans durch Schiller veröffentlicht wurden. Anschliessend sah er sich gezwungen in Frankfurt am Main als Hofmeister einen Posten anzutreten, wo er sich in die Dame des Hauses verliebte und ihr später in der Figur der Diotima ein Denkmal setzte. Nach einigen Wirrungen macht er sich nach Bordeaux auf und kehrte 1802 zu Fuss, körperlich und geistig völlig zerrüttet, in die Heimat zurück. Trotz schwerer Krankheit arbeitet er weiter an Dichtungen und Übersetzungen, wird aber 1806 schliesslich in eine Irrenanstalt in Tübingen überstellt. Danach pflegt ihn ein Zimmererehepaar, bei denen er bis zu seinem Tode in geistiger Umnachtung lebt. Hölderlin stirbt am 7. Juni 1843 im Alter von 73 Jahren in Tübingen.
Der Dichter galt als grosser Patriot und Humanist, der die Zustände in Deutschland als bedrückend empfand und stets auf der Suche nach der idealen Gesellschaftsordnung war. Diese glaubte er in der harmonischen Welt der griechischen Antike zu sehen. Mitunter auch revolutionär versuchte er sie in seine Zeit zu übertragen. Als Anhänger der Ideen der französischen Revolution wurde er in der modernen Literatur- und Geschichtsforschung (Bertaux) sogar als Jakobiner bezeichnet.
„Seine volle dichterische Reife, sein einzigartig vollendetes Ausdrucksvermögen, die harmonische Verschmelzung von edlen humanistischen Ideen mit tiefem Gefühl, untermalt von Trauer und Schmerz um sein Vaterland, offenbaren die meisterhaften Schöpfungen seiner mittleren Schaffensperiode.“[3] Dazu gehört zum Beispiel auch „Der Gesang der Deutschen“, der in Teilen heute als Text für die deutsche Nationalhymne dient.
„Hyperion oder der Eremit in Griechenland“ von 1797/99 spiegelt am eindeutigsten sein Verhältnis zu seiner Zeit, seine tief empfundene Klage um Deutschland, seine positive Einstellung zur revolutionären Umgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse mit dem Ziel einer friedlichen, freien und glücklichen Entwicklung seines Vaterlandes nach dem Vorbild antiker Ideale wider. Ebenso versuchte Hölderlin in seinem Empedokles -Fragment seine humanistischen Ideen darzustellen. Hierin legt er sein politisches Bekenntnis vom „neuen Leben (...) auf richt’gen Ordnungen“, wo „das freie Volk (...) gastfreundlich (...) zu seinen Festen“[4] einlädt, ab.
3. Wer ist Dionysos?
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dionysos ist in der griechischen Mythologie der Gott des Festes und des Weines. Geboren aus der Asche der Semele, einer Tochter des Thebengründer Kadmos und Geliebten des Zeus, die diesen in seiner himmlischen Gestalt zu sehen ersuchte, woraufhin er ihr im Gewitter erschien, sie den Anblick nicht ertragen konnte und verglühte. Aus dieser Asche erhob sich, wie schon angeführt, Dionysos, der deshalb der Feuergeborene heisst. Dargestellt meist im Kreise seiner Gefolgschaft, erkennt man ihn am obligatorisch weinumrankten Haupt.
Zu seinen Ehren wurden im antiken Griechenland mehrtägige Feste abgehalten, die sogenannten Dionysien. Im Rahmen dieser Dionysien kam es auch zu Chorwettstreiten. Hierbei trugen zwei Chöre immer wechselweise Dithyramben (Chorgesänge) vor und nach einem Turnier entsprechender Art wurde ein Sieger gekürt. Später gingen mit der Zeit mehr und mehr Einzelsänger und Solisten aus den Chören hervor, was dazu führte, dass auch Streitgespräche (Stichomythie) möglich waren. Dieser Schritt führte zur Entstehung der uns heute bekannten Tragödie. Es lässt sich also sagen, dass dramatische Formen ihren Ursprung in Preisungsfesten auf den Gott Dionysos haben. Die so entstandene Tragödie findet auch in Brod und Wein als „heilges Theater“ (V 103) ihre Erwähnung.
4. Hölderlins Weg zu Dionysos
Dionysos als griechischer Gott des Festes, oder in seiner römischen Entsprechung des Bacchus, ist ebenso bekanntermaßen Gott des Weines. Zwei Aspekte, die sich damals wie heute selten ausschliessen und nicht zuletzt aufgrund dessen in Bezeichnung einer Gestalt dargestellt werden.
Nun ist es so, dass Dionysos nicht nur in der Elegie Brod und Wein auftaucht, sondern sich auch in der Hymne Friedensfeier findet und darüber hinaus noch in anderen Werken Hölderlins, wie „Wenn nemlich der Rebe Saft...“ oder „Wie wenn am Feiertage...“, auf ihn Bezug genommen wird. Er ist somit keine unerhebliche Erscheinung beim Autor und es stellt sich die Frage wie Hölderlins eigener Bezug hierauf zustande kam.
Dies ist hier vor allen Dingen auch biographisch begründet, denn „seine Vertrautheit mit dem Wein und dessen Bedeutsamkeit in alltäglicher und poetischer Hinsicht bildet die Grundlage“[5] dessen.
„Alle Phasen seines Lebens und Werks verbinden Hölderlin landschaftlich und sozial mit dem Weinbau. Seine Heimat Württemberg und das ferne Bordeaux, für kurze Zeit Wahlheimat Hölderlins, gelten als Weinanbaugebiete und Weinhandelszonen. Materieller wie gesellschaftlicher Wohlstand werden durch Wein grundgelegt, so auch bei Hölderlins Mutter, die Weinhandel betrieben und Geld an Weinbauern verliehen hat.“[6]
[...]
[1] Elegie: ‚Brod und Wein’ im Kontext – Götter, in: Gaiser, Ulrich; Hölderlin, A.Francke Verlag, Tübingen & Basel, 1993, S. 401
[2] Behre, Maria, Wege und Ziele: „Brod und Wein“ in: „Des dunklen Lichts voll“ Hölderlins Mythokonzept Dionysos, Wilhelm Fink Verlag München, 1987, S. 217
[3] Albrecht, Günther; Böttcher, Kurt; Greiner-Mai, Herbert; Krohn, Paul Günther; Deutsches Schriftstellerlexikon von den Anfängen bis zur Gegenwart, Weimar, S. 258
[4] ebd.
[5] Behre, Maria, Hölderlins Weg mit Dionysos, in: „Des dunklen Lichts voll“ Hölderlins Mythokonzept Dionysos, Wilhelm Fink Verlag München, 1987, S. 96
[6] ebd., S.97
- Arbeit zitieren
- MA Björn Fischer (Autor:in), 2004, Die Gestalt des Dionysos in Hölderlins Elegie "Brod und Wein", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82860
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