Nationale und internationale Trends in der Corporate Governance Diskussion


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

33 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Begriff Corporate Governance

3. Corporate Governance-Strukturen im internationalen Vergleich
3.1 Das anglo-amerikanische Board-System
3.2 Verbreitung des Board-Systems auBerhalb der USA und GroBbritanniens
3.3 Das deutsche duale System der Unternehmensfuhrung und -kontrolle
3.4 Verbreitung des dualistischen Systems auBerhalb Deutschlands
3.5 Das japanische Modell der torishimariyaku-kai und kansayaku-kai
3.6 Vergleich der Systeme und Konvergenztendenz

4. Rivalisierende Managementkonzepte der Corporate Governance
4.1 Der Shareholder-Ansatz
4.2 Der Stakeholder-Ansatz

5. Aktuelle Entwicklungen in der Corporate Governance-Debatte
5.1 GroBbritannien
5.2 Vereinigte Staaten
5.3 Deutschland
5.4 Frankreich
5.5 OECD-Grundsatze der Corporate Governance

6. Schlussbetrachtung

Literatur

Abkurzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Seit den 80ern Jahre ist in Deutschland verstarkt das Aufkommen einer Diskussion uber Fragen der Unternehmensfuhrung und -uberwachung unter dem Gesichtspunkt einer „Corporate Governance“ in der betriebswirtschaftlichen Forschung festzustellen. Wie dieser aus dem Englischen stammende Begriff bereits vermuten lasst, ist die Debatte zu diesem Thema keine deutsche Erfindung. Vielmehr handelt es sich um eine auf interna- tionaler Ebene gefuhrte Diskussion in praktisch allen Industrienationen. Ihren ersten Hohepunkt erreichte sie in den spaten 80er Jahren in den USA aufgrund von offensicht- lich gewordenen Wettbewerbsschwachen amerikanischer Unternehmen im Vergleich mit ihren internationalen Wettbewerbern.[1]

Mit Beginn der 90er Jahre hat sich die Intensitat der Diskussion zum Thema Corporate Governance erheblich verstarkt. Den AnstoB fur die vermehrte Beschaftigung mit die­sem Thema gab vor allem der in GroBbritannien erschienene Cadbury Report. In seiner Folge erschienen in den Jahren danach eine Vielzahl von Codes und Guidelines in ver- schiedenen Landern. Im Zuge dieser Entwicklung fand das Thema Corporate Gover­nance auch in Deutschland zunehmende Beachtung. In den letzten Jahren war auf die­sem Gebiet eine bemerkenswerte Aktivitat festzustellen, die u. a. im Erlass des „Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG)“ sowie in der For- mulierung eines German Code of Corporate Governance mundeten.

Ziel dieser Arbeit soll es sein, vor dem Hintergrund der international unterschiedlichen Unternehmensstrukturen bezuglich der Unternehmensfuhrung bzw. -uberwachung auf bisherige Entwicklungen innerhalb der Corporate Governance Diskussion einzugehen um danach die aktuellen Trends der Reformbewegungen in verschiedenen Landern dar- zustellen.

2. Der Begriff Corporate Governance

Die aktuelle international Diskussion zum Thema Corporate Governance befasst sich hauptsachlich mit der Thematik der Unternehmensfuhrung, und -uberwachung.[2] Dabei wird der Ausdruck Corporate Governance aufgrund seiner schlechten Ubersetzbarkeit in andere Sprachen international verwendet.[3] Das Verstandnis dieses Begriffes ist jedoch nicht einheitlich. Es ist aber auffallend, dass allgemein die Betrachtung von borsenno- tierten Aktiengesellschaften im Vordergrund steht.[4]

Unter der Bezeichnung Corporate Governance wird im anglo-amerikanischen Raum hauptsachlich die Fuhrung eines Unternehmens, dessen Kontrolle sowie der wirtschaft- liche Erfolg aus Eigentumersicht, also der der Aktionare verstanden.[5] Es geht dabei vor- rangig um die Uberwachung und Verantwortlichkeit der Unternehmensleitung sowie um Regelungen zur Erreichung eines im Sinne der Aktionare liegenden Handelns des Managements.[6] Der Shareholder-value-Gedanke ist somit im anglo-amerikanischen Corporate Governance-Konzept impliziert.[7] Bezuglich der Berucksichtigung der Inte- ressen anderer Anspruchsgruppen gibt es nur sporadische Ansatze.[8]

In Deutschland wurden die Unternehmensfuhrung und -uberwachung betreffende Fra- gen vor dem Auftreten des Terminus Corporate Governance unter dem Begriff Unter- nehmensverfassung diskutiert.[9] Diese umfasst nach Chmielewicz „...die Gesamtheit der grundlegenden (konstitutiven) und langfristig gultigen Strukturregelungen der Unter- nehmung...“[10] und stellt somit die Basis fur Unternehmensfuhrung und -uberwachung dar. Im Gegensatz zum anglo-amerikanischen Corporate Governance-Verstandnis fin- den in Deutschland jedoch auch Stakeholder-Interessen Beachtung, insbesondere die der Arbeitnehmer uber Mitbestimmungsrechte im Aufsichtsrat.[11]

In der vorliegenden Arbeit wird unterstellt, dass Corporate Governance nicht eine aus- schlieBliche Ausrichtung auf Aktionarsinteressen beinhaltet. Daher schlieBt sie sich der allgemein gehaltenen Definition von Corporate Governance als ein System der Unter- nehmensfuhrung und -kontrolle an, entsprechend der Begriffsbestimmung von Cadbury'. „Corporate governance is the system by which companies are directed and con- trolled.“[12]

Es ist zu erwahnen, dass unter dem Begriff Corporate Governance in der Literatur nicht nur die durch die Gesetze bestimmten Strukturen der Unternehmensfuhrung und -kontrolle verstanden werden, sondern z. T. auch die Beteiligungsbeziehungen zwischen einzelnen Unternehmen, die Einflussmoglichkeiten institutioneller Investoren, Fragen des Stimmrechts u. a. diskutiert werden. In Anbetracht des Umfangs dieser Debatte muss sich die vorliegende Arbeit jedoch auf das sog. legal framework beschranken.

3. Corporate Governance-Strukturen im internationalen Vergleich

Als Varianten der Corporate Governance-Strukturen sind zwei Basistypen unterscheid- bar, die im internationalen Vergleich oftmals als Extreme einander gegenubergestellt werden:[13] Das monistische Board-Modell, das vorwiegend in anglo-amerikanischen Corporations anzutreffen ist, sowie das deutsche dualistische System. Wahrend das Board-System in modifizierter Form auch auBerhalb der USA und GroBbritanniens weit verbreitet ist, findet sich das dualistische System auBerhalb Deutschlands und Oster- reichs kaum. Im folgenden werden die wichtigsten internationalen Systeme beschrieben.

3.1 Das anglo-amerikanische Board-System

Das anglo-amerikanische System der Verwaltung einer Aktiengesellschaft kennt nur ein einziges Verwaltungsorgan, den board of directors,[14] im Deutschen teilweise als Ver- waltungsrat bezeichnet. Daher wird es als einstufiges (monistisches) Modell, in der eng- lischen Literatur als one-tier-system, bezeichnet.

Die directors des boards werden auf der Hauptversammlung von den Aktionaren ge- wahlt.[15] Auch ohne eine gesetzliche Forderung findet sich in den meisten boards ein chairman (Vorsitzender).[16] Trotz verschiedener gesetzlicher Regelungen der US-Bun- desstaaten ist durch den Revised Model Business Corporation Act aus dem Jahr 1984 festgelegt, dass der board of directors fur die Geschaftsfuhrung des Unternehmens zu- standig ist und diese entweder selbst wahrnimmt oder aber andere mit der Geschaftsfuh­rung beauftragt und dabei uberwacht.[17] Zur Geschaftsfuhrung kann vom board die Er- nennung von officers erfolgen.[18] In groBeren Unternehmen findet man i. d. R. einen chief executive officer (CEO) und ein executive committee,[19] sowie teilweise einen pre­sident als obersten ausfuhrenden officer.[20] In der Praxis ist haufig eine Machtkonzentra- tion in Form einer Personalunion von chairman und CEO bzw. president und CEO zu beobachten.

Nach der Zugehorigkeit der officers zum board of directors werden die Mitglieder des boards nach inside directors, diese sind gleichzeitig officers, und outside directors (bri- tisch: executive und non-executive) unterschieden.[21] Zur Unterstutzung der Uberwa- chungstatigkeit der outside directors finden sich in groBeren Unternehmungen commit­tees (Ausschusse). Insbesondere das audit committee (Prufungsausschuss) zur Uberwa- chung der finanziellen Lage hat hier eine groBe Bedeutung.[22]

Der wesentliche Kritikpunkt am angelsachsischen Board-Modell ist die durch die nicht organisatorisch erfolgende Trennung von Fuhrungs- und Uberwachungsaufgaben ent- stehende Selbstuberwachung des boards of directors, die Zweifel an der Neutralitat der Kontrolltatigkeit aufkommen lasst.[23] Das Board-Modell bedient sich daher des Marktes als einen externen Kontrollmechanismus. Diese externe, markbasierende Kontrolle[24] beruht auf der Ahndung mangelnder Kontrolle bei Managementdefiziten durch Unter- nehmensubernahmen, kommt jedoch nur bei extremen Missbrauch der Kontrollaufga- ben zur Anwendung.[25]

3.2 Verbreitung des Board-Systems auBerhalb der USA und GroBbritanniens

Das dargestellte Board-System anglo-amerikanischer Pragung stellt das weltweit domi- nante System der Unternehmensfuhrung dar. Es ist nicht nur in den USA und GroBbri- tannien verbreitet, sondern findet sich in fast allen Industriestaaten. Dazu gehoren ins­besondere die englischsprachigen Lander wie Australien, die ehemalige britische Kronkolonie Hongkong, Irland und Kanada.[26] Hier bestehen keine wesentlichen Unterschiede zu dem fur die USA und dem Vereinigtem Konigreich beschriebenen System, sodass auf eine gesonderte Betrachtung verzichtet wird. Des Weiteren existieren einstufige Corporate Governance-Strukturen u. a. auch in Belgien, Frank- reich, Griechenland, Italien, Portugal, der Schweiz sowie in Spanien[27] Die wesent- Italien, Portugal, der Schweiz sowie in Spanien.27 Die wesentlichen Unterschiede zum angelsachsischen Modell in diesen Landern werden im Folgenden dargestellt.

In Belgien werden die Mitglieder des dem board of directors entsprechendem Vorstands werden von der Aktionaren ebenfalls auf der Hauptversammlung gewahlt. Die Geschaftsfuhrung des Unternehmens liegt in der Praxis beim comite de direction, das einen Ausschuss des Vorstandes darstellt. Der Vorstand ubernimmt dafur die Funktion einer Uberwachungsinstanz. Arbeitnehmerentsandte sowie outside directors sind im Vorstand in Belgien nicht vertreten. [28]

In Frankreich gilt traditionell das einstufige Modell des conseil d’administration (Ver- waltungsrat).[29] Eine Besonderheit des franzosischen Modells ist die an der Spitze des conseil d’administration existierende Kombination von Verwaltungsratsprasidium und Vorsitz der Exekutive in Form des Amts des President-Directeur General, das eine star­ke Konzentration der Macht der Unternehmensfuhrung auf eine Person darstellt. Bockli spricht in diesem Zusammenhang von einer „Alleinherrschaft an der Spitze“[30] Die Vor- teilhaftigkeit dieses Amtes spielt jedoch in der aktuellen Corporate Governance Diskus- sion kaum eine Rolle.

Neben consiglio di amministrazione (Verwaltungsrat) existiert in Italien ein collegio sindacale (Prufungskollegium) zur Kontrolle des Verwaltungsrates. Da dieses in seinen Kompetenzen allerdings sehr beschrankt ist, muss es seine Uberwachung auf die forma- le finanzielle Kontrolle der Geschaftsfuhrung begrenzen. Das System der Corporate Governance in Italien kann deswegen nicht als dual organisiert bezeichnet werden.[31]

Die Unternehmensverwaltung in der Schweiz wird teilweise dem dualistischen System zugerechnet.[32] Diese Einreihung lasst sicht nur aufgrund der faktischen Ausgestaltung des in der Schweiz formal geltenden monistischen Systems erklaren. Es kennt als einzi- ges Organ der Spitzenverfassung nur den von den Aktionaren gewahlten Verwaltungs- rat, der fur die Geschaftsfuhrung und -uberwachung zustandig ist. Vor allem bei groBen Unternehmen wird von der Moglichkeit Gebrauch gemacht, Geschaftsfuhrungskompe- tenzen an Delegierte des Vorstandes oder externe Direktoren abzutreten. Es entsteht da- durch eine dem zweistufigen System ahnelnde Trennung von Geschaftsfuhrung durch die Delegierten bzw. Direktoren und Aufsicht durch den Verwaltungsrat.[33]

3.3 Das deutsche duale System der Unternehmensfuhrung und -kontrolle

Das in Deutschland existierende, aufgrund seiner strikten Trennung von Unterneh­mensfuhrung und -uberwachung als zweistufiges oder dualistisches System der Unter­nehmensverwaltung bezeichnete Modell stellt im internationalen Vergleich eine Beson- derheit dar.[34] AuBerhalb Deutschlands ist das auch als two-tier-system bezeichnete Modell nur noch in Osterreich, in den Niederlanden, teilweise in den skandinavischen Landern sowie auf freiwilliger Basis in Frankreich verbreitet.[35] Auch europaweit domi- niert somit das einstufige Board-System.

Im deutschen dualistischen System liegt die alleinige Kompetenz der Geschaftsfuhrung beim nicht weisungsgebundenen Vorstand.[36] Die Wahrnehmung der Uberwachung der Geschaftsfuhrung obliegt dem Aufsichtsrat.[37] Diese formale Trennung von Unterneh­mensfuhrung und Kontrolle ist fur alle Aktiengesellschaften in Deutschland gemaB Ak- tiengesetz aus dem Jahre 1965 gultiges Recht. Weiterhin ist sie vorgeschrieben fur Ge- nossenschaften, jede GmbH mit mehr als 2000 Mitarbeitern bzw. mehr als 500 eigenen Arbeitnehmern.[38]

Die Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft werden durch den Aufsichtsrat bestellt oder abberufen. AuBerdem bestimmt der Aufsichtsrat einen Vorstandsvorsitzen- den oder aber der Vorstand wahlt einen Vorstandssprecher.[39] Die Mitglieder des Auf- sichtsrats werden von der Hauptversammlung gewahlt[40] bzw. durch Arbeitnehmer auf der Grundlage des MitbestG oder BetrVG entsandt. Durch den Ausschluss einer Mit- gliedschaft in beiden Organen der Unternehmung ist eine Personalunion von Vorstands- vorsitzendem und Aufsichtsratvorsitzendem nicht moglich .[41] Die wirksame Trennung der Funktion der Geschaftsfuhrung von der Uberwachungsfunktion wird durch die zweistufige Organisation der Unternehmensspitze realisiert und damit die dominierende Rolle der Geschaftsfuhrung relativiert.[42]

Um seiner Uberwachungsaufgabe gerecht werden zu konnen, ist der Aufsichtsrat mit umfassenden Einsichts- und Prufungsrechten ausgestattet. Als wichtigste sind die hier- bei Prufung und die Mitwirkung bei der Erstellung des Jahresabschlusses[43], die Vertre- tung der Gesellschaft gegenuber Vorstandsmitgliedern[44], die Festlegung von zustim- mungspflichtigen Geschaftsarten[45] sowie die Entgegennahme und Anforderung von Berichten des Vorstandes[46] zu nennen. Aufgrund seiner Nichtteilhabe an der Geschafts­fuhrung stellt insbesondere diese in § 90 AktG verankerte Berichtspflicht des Vorstan­des uber die Geschaftsentwicklung und wichtige Vorfalle in der Gesellschaft[47] eine zwingend notwendige Voraussetzung zur effektiven Ausubung der Kontrollfunktion des Aufsichtsrates dar.

Im Gegensatz zum Board-Modell stellt das zweistufige System der Unter­nehmensfuhrung eine interne Kontrolle der Unternehmensfuhrung dar. Da uber infor- melle Kontakte innerhalb der Unternehmung Stakeholdern die Moglichkeit einer impli- ziten Vertragsbindung gewahrt wird, ist dieses Modell auch als beziehungsorientiertes Kontrollsystem bekannt.[48]

3.4 Verbreitung des dualistischen Systems auBerhalb Deutschlands

Das dualistische System der Unternehmensfuhrung mit seinen beiden Bestandteilen Vorstand und Aufsichtsrat gilt seit dem Jahr 1938 mit der Einfuhrung des deutschen Aktienrechts (AktG von 1937) auch in Osterreich. Wesentliche Unterschiede bestehen lediglich bezuglich der Realisierung der Mitbestimmung im Aufsichtsrat.[49]

In den Niederlanden besteht seit den 70er Jahren eine formale Trennung der Unterneh- mensverwaltung mit dem commis saris sen (Aufsichtsrat) und bestuur (Vorstand). Die Unabhangigkeit der Unternehmensfuhrung und -uberwachung ist auch dort wesentlicher Bestandteil der Unternehmensverfassung.[50]

Sowohl in Danemark als auch in Schweden gilt zwar formal eine Zweiteilung der Un- ternehmensleitung in eine dem deutschen Vorstand entsprechende direktion bzw. verkstallande direktor und einem dem Aufsichtsrat gleichem styrelse, jedoch wurde die Trennung von Geschaftsfuhrung und Kontrolle nicht konsequent umgesetzt. In Dane­mark wird die Gesellschaft von styrelse und direktion gemeinsam geleitet. Bei der Ge­schaftsfuhrung muss der Vorstand Weisungen des Aufsichtsrates befolgen. In Schweden werden die Geschafte bei Gesellschaften bis zu 1 Mio. Skr. vom styrelse gefuhrt, bei

Unternehmen mit daruber hinausgehendem Grundkapital werden diese von einem wei- sungsgebundenem verkstallande direktor (geschaftsfuhrendem Direktor) wahrgenom- men. In groBen, borsennotierten Gesellschaften ist allerdings eine gewisse Unab- hangigkeit des geschaftsfuhrenden Direktors festzustellen, sodass die Praxis eher dem deutschen Modell entspricht.[51]

In Finnland ist in den meisten Aktiengsellschaften das dualistische System der Unternehmensfuhrung und -kontrolle zu finden. Die Schaffung des Aufsichtsorganes ist jedoch nur fur Unternehmen mit einem Grundkapital von mehr als 1 Mio. Finnmark moglich. Der Auschluss einer Mitgliedschaft sowohl im Ausichtsrat als auch im Vorstand ist auch im finnischen Recht verankert.[52]

Neben dem einstufigen Modell des conseil d’administration haben die franzosischen Aktiengesellschaften seit 1966 die Moglichkeit, sich fur ein zweistufiges System mit conseil de surveillance (Aufsichtsrat) und einem unabhangigem, nicht weisungsgebun- denem directoire (Vorstand) zu entscheiden.[53] In der Praxis wird von dieser zusatzli- chen Option jedoch recht selten Gebrauch gemacht, nur 5 % der neugegrundeten Akti­engesellschaften entschlieBen sich fur das dualistische Modell.[54]

3.5 Das japanische Modell der torishimariyaku-kai und kansayaku-kai

Das japanische Modell der Unternehmensverwaltung lasst sich weder dem anglo- amerikanischen Board-Modell noch dem dualistischen System der Unternehmensfuh­rung zuordnen. Teilweise wird es als Kompromissmodell zwischen dem einstufigen und zweistufigen Modell bezeichnet.[55]

Formal existiert in Japan eine Trennung der Unternehmensverwaltung zwischen dem torishimariyaku-kai (board of directors) und dem kansayaku-kai (Aufsichtsrat).[56] So- wohl die Mitglieder des torishimariyaku-kai als auch des kansayaku-kai werden von der kabunushi sokai (Hauptversammlung) gewahlt.

Die Fuhrung der Geschafte des Unternehmens ist Aufgabe des torishimariyaku-kai.[57] Es besteht bei groBen Kapitalgesellschaften oftmals aus 20 bis 25 directors.[58] Dem Board obliegt auBerdem die Uberwachung der Aufgabenerfullung der Board-Mitglieder, ins- besondere der daihyo torishimariyaku (vertretungsberechtigten Direktoren) und der gy- omu tanto torishimariyaku (Direktoren fur einzelne Geschaftsressorts)[59] sowohl hin- sichtlich der GesetzmaBigkeit und OrdnungsmaBigkeit der Geschaftsfuhrung als auch bezuglich der okonomischen ZweckmaBigkeit.[60] Zur Gewahrlei stung dieser Kontrolle mussen die Direktoren fur einzelne Geschaftsbereiche und die vertretungsberechtigten Direktoren dem torishimariyaku-kai ausreichende Informationen in Form von dreimo- natlichen Lageberichten zur Verfugung stellen.[61]

Der kansayaku-kai hat als Uberwachung sorgan die Funktion der Geschaftsfuhrungs- und Rechnungslegungskontrolle, dies beinhaltet insbesondere die Prufung des vom to­rishimariyaku-kai aufzustellenden Jahresabschlusses und Geschaftsberichtes.[62] Somit uben sowohl torishimariyaku-kai als auch kansayaku-kai in dualer Funktion eine Kon- trolltatigkeit aus.[63] Allerdings ist die Uberwachungsmoglichkeit des kansayaku-kai auf die Sicherstellung der GesetzmaBigkeit und OrdnungsmaBigkeit beschrankt.[64] Er ist da- her in seinen Befugnissen nicht mit dem deutschen Aufsichtsrat vergleichbar.[65]

3.6 Vergleich der Systeme und Konvergenztendenz

Die weltweit existierenden Modelle der Unternehmensfuhrung und -kontrolle lassen sich, wie aus der Darstellung der obigen Kapitel hervorgeht, trotz der geschilderten na- tionalen Besonderheiten fast ausnahmslos entweder dem einstufigen Board-System oder dem dualistischen System der Unternehmensverwaltung zuordnen. Lediglich das japa- nische Modell bereitet hierbei Schwierigkeiten, da es Elemente beider Systeme auf- weist. Aufgrund der limitierten Befugnisse des Aufsichtsorgans besteht jedoch eine auf- fallende Ahnlichkeit zum anglo-amerikanischen Board-System.[66]

Der wesentliche Unterschied zwischen dem Board-System und der dualistischen Unter­nehmensverwaltung ist die beschriebene formale Ein- bzw. Zweistufigkeit, wonach die Kontrolle der Unternehmensfuhrung im Board-System vom board of directors selbst, im dualen System vom getrennten Organ Aufsichtsrat ausgeubt wird. Das Board-Modell wird oft als ein auf dem Markt beruhendes System charakterisiert,[67] da die Kontrolle des Managements der Unternehmen hauptsachlich extern in Form der Moglichkeit der Aktionare „mit ihren FuBen abzustimmen“, d. h. ihre Anteile zu verkaufen, und der dar- aus resultierenden Gefahr einer Unternehmensubernahme besteht.[68] Das duale System der Unternehmensfuhrung in Deutschland und auch das japanische Modell der torishi- mariyaku-kai werden hingegen als beziehungsorientiert bezeichnet, weil durch eine Konzentration des Eigentums an Unternehmen auf Banken und GroBaktionare das Ma­nagement uber zwischenbetriebliche Beziehungen kontrolliert werden soll.[69] Ein weite- rer Unterschied ergibt sich bezuglich der Ausrichtung des Managements an den ver- schiedenen Anspruchsgruppen des Unternehmens. Wahrend die Unternehmensfuhrung im Board-System ausschlieBlich auf die Interessen der Aktionare gerichtet ist, findet im dualen deutschen Modell auch eine Berucksichtigung anderer Stakeholder des Unter- nehmens statt.[70]

Gemeinsamkeiten der beiden Systeme bestehen zum einen hinsichtlich der Wahl der Mitglieder des boards of directors bzw. des Aufsichtsrates, die in beiden Organe auf der Hauptversammlung durch die Aktionaren erfolgt. Zum anderen besteht eine Ahnlichkeit zwischen der Bestellung des Vorstandes durch den Aufsichtsrat und der normalerweise erfolgenden Beauftragung von officers mit der Geschaftsfuhrung durch das board of di­rectors. Die nicht mit der Wahrnehmung der laufenden Geschafte befassten outside di­rectors des Board-Systems uberwachen oftmals die Geschaftsfuhrung der eingesetzten officers, sodass sich eine Parallele zur dualistischen Form der Unternehmensfuhrung und -kontrolle, wie sie in Deutschland praktiziert wird, ergibt. Die wesentliche Ein- schrankung besteht jedoch darin, dass diese Trennung der Funktionen nicht gesetzlich vorgeschrieben ist und die Geschaftsfuhrungsverantwortung beim board of directors verbleibt.[71]

Das Board-System bietet gegenuber dem dualistischen System den Vorteil der Mog- lichkeit der flexiblen Aufteilung der Geschaftsfuhrungs- und Uberwachungsaufgaben. Eine nicht immer fur alle AuBenstehende durchschaubare Verteilung der Kompetenzen ist jedoch die Konsequenz,[72] dagegen erfolgt im dualistischen System eine deutliche Trennung zwischen Kontroll- und Geschaftsfuhrungstatigkeit.[73] Wahrend einer der we- sentlicher Vorteile des Board-Systems in der Entscheidungsnahe der uberwachenden outside directors aufgrund ihrer Einbindung in die allgemeine Geschaftspolitik besteht, ist die Neutralitat der Kontrolle in Form einer Selbstuberwachung fraglich. Im Gegen- satz zum Board-System ermoglicht das dualistische System fur den Fall eines mangeln- den Informationsaustauschs zwischen Vorstand und Aufsichtsrat eher das Entstehen ei- ner Entscheidungsferne.[74] Diese Situation kann sich begunstigend auf das Auftreten ei- ner Uberwachungsroutine auswirken.[75] Die folgende Abbildung stellt die genannten Vor- und Nachteile der beiden Systeme gegenuber.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung: Wesentliche Vor- und Nachteile von Board-System und dualistischem System im Vergleich

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Orth (2000), S.88.

In der Praxis war in den letzten Jahren trotz der rechtlichen Unterschiede eine Annahe- rung des anglo-amerikanischen Board-Systems und der dualistischen Unternehmens- verwaltung zu beobachten.[76] Dies beruht zum einen auf der o. g. zunehmend praktizier- ten Aufgabenteilung zwischen officers und outside directors, sodass der board of directors eine mit dem Aufsichtsrat vergleichbare Aufgabe erfullt[77] und faktisch dualis- tisch strukturiert ist.[78] Zum anderen ist die Unabhangigkeit des deutschen Aufsichtsrates in der Realitat weit weniger gegeben als gesetzlich verankert,[79] sodass die Realmodelle praktisch den Unterschied zwischen Monismus und Dualismus verwischen.[80] Obwohl Lutter trotz dieser Annaherung der Systeme nicht von einer Konvergenz sprechen mag,[81] ist doch angesichts der oben geschilderten Situation in der Praxis das Vorhan- densein einer solchen Tendenz nicht von der Hand zu weisen.

4. Rivalisierende Managementkonzepte der Corporate Governance

Nach dem zweiten Weltkrieg entwickelten sich in den USA aufgrund der bisherigen Si­tuation, dass sich das Management der Unternehmen aufgrund einer bereits 1932 von Adolf Berle und Gardiner Means in ihrem Buch „ The Modern Corporation and Private Property “ dargestellten starken Streuung des Aktienbesitzes[82] niemandem wirklich ver- antwortlich fuhlte,[83] mit dem Shareholder-Ansatz und dem Stakeholder-Ansatz zwei Theorien der Corporate Governance, die heute sehr kontrovers diskutiert werden.

4.1 Der Shareholder-Ansatz

Der Shareholder-value-Ansatz verlangt von der Fuhrung eines Unternehmens eine aus- schlieBliche Konzentration auf die Interessen der Eigenkapitalgeber des Unternehmens, die in einer hoheren Verzinsung ihres eingebrachten Kapitals als bei einer vergleichba- ren Geldanlagemoglichkeit am Kapitalmarkt bestehen, mit dem Ziel der „Schaffung ei­nes Mehrwertes fur die Aktionare“.[84] Als MaBgroBe fur die Erreichung dieses Zieles dient der Shareholder-value, zu dessen Bestimmung unterschiedliche Verfahren existie- ren. Nach der allgemein anerkannten Berechnungsmethode von Rappaport entspricht er der Summe der Cash Flows einer Periode zzgl. des Residualwertes des Unternehmens zum Periodenende, beide abdiskontiert mit den Gesamtkapitalkosten des Unternehmens, abzuglich des Marktwertes des Fremdkapitals.[85]

Die breite Akzeptanz, die der Shareholder-value-Ansatz in den USA und weltweit, ins- besondere in den Landern mit der Unternehmensverwaltungsstruktur des Board-Sys­tems, findet, erklart sich zum einen durch einen tief verwurzelten Glauben an den Markt als den effizientesten und fairsten Regulationsmechanismus,[86] zum anderen durch die alleinig auf die Anteilseigner ausgerichteten Interessenvertretung im board of directors.

Trotz der weitverbreiteten Akzeptanz dieses Ansatzes finden sich auch vielerorts Stim- men, die das alleinige Abstellen auf die Interessen der Aktionare kritisieren, Malik be- zeichnet das Konzept sogar als „Primitiv-Kapitalismus“.[87] Da die Nichtbedienung ande- rer Interessen als die der Aktionare langfristig negative Konsequenzen haben kann,[88] wird gefordert, auch andere, in einer langfristigen Beziehung zum Unternehmen stehen- de Gruppen zu berucksichtigen.

[...]


Vgl. Blies (2000), S. 6.

[2] Vgl. Orth (2000), S. 87.

[3] Vgl. Bockli (1999), S. 2.

[4] Vgl. Feddersen/Hommelhoff/Schneider (1996), S. 1.

[5] Vgl. Blies (2000), S. 6; Lorsch (1996), S. 200.

[6] Vgl. Hess (1996), S. 10.

[7] Vgl. Bockli (1999), S. 2.

[8] Vgl. Blies (2000), S. 6.

[9] Vgl. ebd., S. 7.

[10] Vgl. Chmielewicz (1993), Sp. 4400.

[11] Vgl. Dufey/Hommel/Riemer-Hommel (1998), S. 54.

[12] Vgl. Committee on the financial Aspects of Corporate Governance (1992), Ziff. 2.5.

[13] Vgl. Peemoller (2000), S. 653.

[14] Vgl. Schneider-Lenne (1995), S. 28.

[15] Vgl. Kojima (1997), S. 41.

[16] Vgl. Schneider-Lenne (1995), S. 30 Fn. 9.

[17] Vgl. Schmidt (2001), S. 49 Fn. 67.

[18] Vgl. Hess (1996), S. 10.

[19] Vgl. Schneider-Lenne (1995), S. 35.

[20] Vgl. Schmidt (2001), S. 55.

[21] Vgl. Potthoff (1996), S. 254.

[22] Vgl. Schneider-Lenne (1995), S. 30.

[23] Vgl. Potthoff (1996), S. 259.

[24] Vgl. Dufey/Hommel/Riemer-Hommel (1998), S. 56.

[25] Vgl. Hommel/Riemer-Hommel (1999), S. 156.

[26] Vgl. Hopt (1998), S. 228; Van den Berghe/De Ridder (1999), S. 111ff.

[27] Vgl. Hopt (1998), S. 228; Van den Berghe/De Ridder (1999), S. 111ff.

[28] Vgl. Wymeersch (1995), S. 315.

[29] Seit 1966 besteht die Moglichkeit der Wahl eines zweistufigen Systems, vgl. dazu Kapitel 3.4, S. 10.

[30] Vgl. Bockli (1999), S. 5.

[31] Vgl. Schneider-Lenne (1995), S. 28 Fn. 2.

[32] Vgl. Hopt (1998), S. 228.

[33] Vgl. Grunbichler/Oertmann (1996), S. 32f.

[34] Vgl. Lutter (1995), S. 11; Orth (2000), S. 87; Schneider-Lenne (1995), S. 28.

[35] Vgl. Hopt (1998), S. 228.

[36] Vgl. § 76 Abs. 1 AktG; Peemoller (2000), S. 654.

[37] Vgl. § 111 Abs. 1 AktG.

[38] Vgl. Lutter (1995), S. 15.

[39] Vgl. Schmidt (2001), S. 65.

[40] Vgl. § 101 Abs. 1 AktG.

[41] Vgl. § 105 AktG.

[42] Vgl. Bleicher/Paul (1986), S. 265.

[43] Vgl. §§ 171, 172 AktG.

[44] Vgl. § 112 AktG.

[45] Vgl. § 111 Abs. 4 AktG.

[46] Vgl. § 90 AktG.

[47] Vgl. Peemoller (2000), S. 654.

[48] Vgl. Hommel/Riemer-Hommel (1999), S. 155.

[49] Vgl. Lutter (1995), S. 11.

[50] Vgl. ebd.; Wymeersch (1995), S. 312.

[51] Vgl. Lutter (1995), S. 12f.; Schmidt (2001), S. 48f.

[52] Vgl. Tainio/Virtanen (1996), S. 56.

[53] Vgl. Dufey/Hommel/Riemer-Hommell (1998), S. 55; Wymeersch (1995), S. 314.

[54] Vgl. Lutter (1995), S. 12.

[55] Vgl. Hirata (1996), S. 3.

[56] Vgl. Blies (2000), S. 199.

[57] Vgl. Hirata (1996), S. 6.

[58] Vgl. Kojima (1997), S. 55.

[59] Vgl. Blies (2000), S. 200; Hirata (1996), S. 7.

[60] Vgl. ebd.

[61] Vgl. Hirata (1996), S. 7.

[62] Vgl. Blies (2000), S. 215.

[63] Vgl. Hirata (1996), S. 3.

[64] Vgl. ebd., S. 7.

[65] Vgl. Schneider-Lenne (1995), S. 28.

[66] Vgl. Prowse (1994), S. 42.

[67] Vgl. Kaplan (1996), S. 301.

[68] Vgl. Dufey/Hommel/Riemer-Hommel (1998), S. 56.

[69] Vgl. Kaplan (1996), S. 301f.

[70] Vgl. dazu ausfuhrlich Kapitel 4, S. 15ff.

[71] Vgl. Potthoff (1996), S. 254f.

[72] Vgl. ebd., S. 259.

[73] Vgl. Lutter (1995), S. 17.

[74] Vgl. Lutter (1995), S. 18.

[75] Vgl. Potthof (1996), S. 260.

[76] Vgl. Bleicher/Paul (1986), S. 274.

[77] Vgl. Schmidt (2001), S. 133.

[78] Vgl. Bleicher/Paul (1986), S. 279.

[79] Vgl. Schmidt (2001), S. 392.

[80] Vgl. Bleicher/Paul (1986), S. 279.

[81] Vgl. Lutter (1995), S. 13.

[82] Vgl. Rock (1995), S. 291.

[83] Vgl. Malik (1997), S. 108.

[84] Vgl. Peemoller (2000), S. 654.

[85] Vgl. Rappaport (1986).

[86] Vgl. Dufey/Hommel (1997), S. 184.

[87] Vgl. Malik (1997), S. 111.

[88] Vgl. Peemoller (2000), S. 655.

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Nationale und internationale Trends in der Corporate Governance Diskussion
Hochschule
Universität Potsdam  (Wirtschafts-u. Sozialwissenschaften)
Note
2,3
Autor
Jahr
2001
Seiten
33
Katalognummer
V8287
ISBN (eBook)
9783638152976
Dateigröße
526 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nationale, Trends, Corporate, Governance, Diskussion
Arbeit zitieren
Sebastian Krah (Autor:in), 2001, Nationale und internationale Trends in der Corporate Governance Diskussion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8287

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