Migranten in Zeiten von PISA

Bildungskarrieren von Migranten im Ost-West-Vergleich


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

26 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretischer Rahmen
2.1 Milieustruktur
2.2 Schulsystem
2.3 Institutionelle Diskriminierung
2.3.1 Begriffsklärung
2.3.2 Primärbereich
2.3.3 Sekundarbereich

3 Bildungskarrieren im Ost-West-Vergleich – eine Auswertung

4 Literatur

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Gegenüberstellung von Schüler mit Migrationshintergrund an Gymnasien und Haupt- bzw. Sonderschulen 2003/ 2004

Tabelle 2: Arbeitslosenquote in Deutschland – Vergleich 2001/ Juni 2002

Tabelle 3: Sprachverhalten von ausländischen Kindern unter Freunden und mit der Familie (in Prozent)

Tabelle 4: Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund nach Schulformen im Schuljahr 2003/ 2004

1 Einleitung

Seit dem durchschnittlichen Abschneiden der deutschen Schüler bei den letzten OECD PISA – Studie (Programme for International Student Assessment) ist man auf der Suche nach Gründen für diese Ergebnisse. In alle Himmelsrichtungen sind Bildungsforscher und Pädagogen ausgeströmt, um den Aufbau der Bildungseinrichtungen sowie die unterschiedlichen Lehrpläne der vermeintlichen PISA-Bestplatzierten zu studieren. Aber auch im Inland wird nach den Ursachen der „Bildungsmisere“ gesucht. Dabei wird oft der hohe Anteil von MigrantInnen an den Schulen und in den Klassenverbänden und deren Einstellung zur Schule als Grund genannt. Dieses ist nicht unbedingt ein falsches Argument, wenn man lediglich den hohen Anteil von MigrantInnen an Haupt- und Sonderschulen auf der einen Seite und den niedrigen an Gymnasien auf der anderen betrachtet. Gleichwohl fällt in den Schulstatistiken auf, dass der relative Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund an Gymnasium in den neuen Bundesländern höher ist als in den alten Bundesländern, respektive der niedrige Anteil von Migrantenkindern an Sonderschulen in den neuen Bundesländern[1]. Ebenfalls zeigen die unterschiedlichen Studien, dass der Bildungserfolg von Kindern besonders an den wirtschaftlichen Erfolg der Eltern gebunden ist und daher in Anbetracht der hohen Arbeitslosenzahlen unter den verschiedenen Einwanderungsgruppen (teilweise doppelt so hoch wie bei Einheimischen), deren Kinder – entgegen der propagierten Chancengleichheit – besonders stark betroffen sind. Zudem wird die Existenz von Schülern mit Migrationshintergrund nicht als Bereicherung für alle empfunden, sondern eher als eine Belastung für das Schulsystem. In der folgenden Arbeit soll die oben genannte Tatsache, dass der relative Anteil von Migrantenkindern an Gymnasien in Ländern wie Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt fast doppelt bis viermal so hoch ist als in den anderen Ländern, untersucht werden. Welche Gründe gibt es hierfür? Liegt es an der Beschaffenheit des föderalen Schulsystems, an der unterschiedlichen Zusammensetzung des Migrantenmilieus oder ist es auf die in den alten Ländern tradierte Anwendung der „institutionellen Diskriminierung“ zurückzuführen. Hierbei möchte der Autor nicht in den Chor der Kritiker der Heterogenität sowie der Befürworter der Homogenität einstimmen, sondern vielmehr versuchen, Argumente für einer gelenkte Heterogenität zu finden. Den Heterogenität ist nach dessen Auffassung ein Gewinn hinsichtlich der Entwicklung und Erfahrung aller und kann - wenn nicht sogar MUß - gefördert werden, um eine größtmöglichen Vorteil zu erlangen. Anhand von ausgewählten Bundesländern möchte der Autor darstellen, wie sich die Zusammensetzung der Bevölkerungsstruktur, die Schulgesetzgebung sowie diskriminierende Mechanismen auf die Bildungskarrieren von Kindern nicht-deutscher Herkunft auswirken. Wobei hier nicht die in der PISA- Studie dargelegten Kompetenzen bzw. die Lernleistung der Schüler im Mittelpunkt der Diskussion stehen, sondern eher die ermöglichten Chancen von Migrantenkindern, eine erfolgreiche Bildungskarriere zu durchlaufen. Also die Ursachen der signifikanten Statistik der einzelnen Bundesländer, wie z.B.: der relative Anteil von Schülern nicht-deutscher Herkunft an allen Migrantenschülern an Gymnasien ist in Brandenburg mit 16,59 Prozent fast doppelt so hoch wie in Nordrhein-Westfalen mit 8,59 Prozent, gegenüber 2,15 Prozent zu 28,09 Prozent an Haupt- und Sonderschulen.[2]

2 Theoretischer Rahmen

Um die Argumente der Befürworter der Homogenität, dass Klassen, in denen Schüler mit Migrationshintergrund überrepräsentiert sind, sich ungünstig auf die Lernerfolge von Einheimischen auswirken, zu entkräften, sollen die soziokulturellen Beschaffenheiten sowie die Schulgesetze der einzelnen Länder betrachtet werden. Ebenfalls werden die Zusammensetzung der Bevölkerung sowie die Erwerbsquote innerhalb dieser Gruppen mit herangezogen, da dies - nach Meinung des Autors - im Sinne der Humankapitaltheorie für die Investition in die Ressource Bildung unabdingbar ist. Denn oft wird darauf hingewiesen, dass die Bildungskarrieren von SchülerInnen in keinem andern Land so abhängig vom sozialen Status der Eltern sind wie in Deutschland. Sozialer Status und Bildungsstand der Eltern führen bereits bei einheimischen Kindern zu ungleichen Entwicklungsmöglichkeiten und wirken sich umso stärker bei zugewanderten Menschen aus, bei denen noch die Herkunft ein erschwerendes Kriterium sein könnte.[3]

2.1 Milieustruktur

In Deutschland leben derzeit fast 10 Millionen Menschen nicht-deutscher Herkunft, das ist ein Anteil von fast 12 Prozent an der Gesamtbevölkerung und „in absoluten Zahlen hat Deutschland damit mehr im Ausland geborene Einwohner als das klassische Einwanderungsland Kanada.“[4] Wenngleich sich die Zahlen deutlich innerhalb der Bundesrepublik unterscheiden, so hat Thüringen mit 1,3 Prozent den niedrigsten und Hamburg mit über 18 Prozent den höchsten Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund.[5] Dabei ist der Zuzug von Migranten in den neuen Bundesländern weniger durch ökonomische Motive zu begründen, sondern vielmehr auf die Zuteilung von Asylbewerbern und Kriegsflüchtlingen zurückzuführen. Als eine weitere Ursache wäre die Möglichkeit der Familienzusammenführung zu nennen, die es Migranten - nach dem Anwerbestopp der 70iger Jahre - ermöglichte, ihre Familien nach Deutschland zu holen. Dadurch hat sich nicht nur die Struktur der Migrantencommunity im Besonderen sondern auch die Bevölkerungsstruktur der Bundesrepublik im Allgemeinen verändert.

Von den hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund kommen über 1,8 Millionen aus der Türkei, fast 568.000 aus Jugoslawien, 601.300 aus Italien, Griechenland ist mit 354.600 an vierter und Bosnien-Herzegowina mit 167.100 an fünfter Stelle.[6] Besonders Schülern, die selbst bzw. deren Eltern in einen der genannten Länder geboren wurden, werden schlechte Bildungskarrieren bescheinigt. Sie verlassen die Schule mehrheitlich ohne Abschluss oder sind gegenüber anderen Migranten in den Haupt- und Sonderschulen überrepräsentiert. Im Schuljahr 2002/ 03 verließen 19,2 Prozent der Schüler mit Migrationshintergrund die Schule ohne und 41,5 Prozent mit Hauptschulabschluss, das sind fast zwei Drittel aller nicht-deutschen Schüler, die somit schlechtere Ausgangsbedingungen für den Einstieg in das Berufsleben haben.[7] Die Tabelle 1 beinhaltet das Verhältnis von Migranten, die eine Hauptschule besuchen zu denen, die zum Gymnasium fahren.

Tabelle 1: Gegenüberstellung von Schüler mit Migrationshintergrund an Gymnasien und Haupt- bzw. Sonderschulen 2003/ 2004

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 1: Allgemeinbildende Schulen, Schuljahr 2003/ 2004, Wiesbaden 2005, eigene Berechnungen

Die auf politischer Ebene lang geleugnete Tatsache, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, hat auch die Einführung entsprechender Maßnahmen wie Integrationskurse sowie die Öffnung zu mehr Teilhabe am politischen Leben der Bundesrepublik erschwert bzw. gar verhindert. Erst spät, mit dem „PISA- Schock“, konnte sich die Erkenntnis durchsetzen, dass in Deutschland mittlerweile Migranten in der 3. Generation leben und deren Kinder an deutschen Schulen unterrichtet werden. Und für eine erfolgreiche Integration bzw. Partizipation am politischen, gesellschaftlichen sowie ökonomischen System sind die Bildungschancen dieser Menschen und deren Kinder von großer Bedeutung, insbesondere in Deutschland, wo der Zugang zum Arbeitsmarkt „über das duale Ausbildungssystem“[8] geregelt wird. Erschwerend wirkt sich zum Beispiel aus, dass fast ein Fünftel der aus dem Mittelraum kommenden Migranten keinen Schulabschluss haben bzw. dieser in Deutschland nicht anerkannt wird. Auch bei Spätaussiedlern werden die aus den Herkunftsländern erworbenen Bildungszertifikate nicht oder nur teilweise anerkannt. Gleichwohl erwerben „ausländische Jugendliche, die eine deutsche Schule besuchen [...] höhere Bildungsabschlüsse als ihre Eltern.“[9] Dennoch täuscht dies nicht über die staatlichen Statistiken hinweg, welche den hohen Anteil von Migrantenkindern an Haupt- und Sonderschulen ausdrücken. Münz, Seifert und Ulrich führen dies auf die soziale Stellung der Eltern in den Herkunftsländern zurück, die oft zu den „unteren Sozialschichten, etliche zur besitzlosen agrarischen Unterschicht“[10] gehörten. Ebenfalls weißt von Below darauf hin, dass „die ursprüngliche Anwerbung gering Qualifizierter als „Gastarbeiter“ [...]eine an sich geringe Ausstattung mit Humankapital (also geringe Qualifikation, relativ kurze Dauer schulischer Bildung, keine oder wenige Bildungszertifikate)“[11] bedeutet. Unterschiedliche Bildungs- sowie soziale Anforderung in den jeweiligen Herkunfts- und Aufnahmegesellschaften machen eine Verwertbarkeit von erworbenen sozialen, beruflichen oder bildungsrelevanten Kompetenzen schwierig und nicht selten sind für die erste Generation Entscheidung von nachhaltiger Bedeutung, die bereits vor dem Entschluss der Migration gefällt wurden und Auswirkung auf die nachfolgenden Generationen haben. Zudem spielen natürlich auch die Einstellungen der Migranten zu ihren Absichten eine Rolle, d.h. ist ihr Aufenthalt in Deutschland eher Rückkehr oder Bleibe orientiert. Da bei einer Rückkehrorientierung die Investition in Humankapital eine geringere Rolle spielen wird, als bei einer dauerhaften Bleibeabsicht. Zu Beginn der Arbeitsmigration stand überwiegend die Rückkehr im Mittelpunkt, was dazu führte das Familienangehörige erst später nachgeholt worden sind und man daher von Seiten der Arbeitnehmer, als auch seitens der Arbeitgeber wenig in das Humankapital von Migranten investiert wurde.[12] „Diese Punkte gelten insofern auch für nachfolgende Generationen, da ökonomisches, soziales und kulturelles Kapital in nicht unerheblichem Maße von den Eltern an die Kinder weitergegeben wird.“[13] Zur Verdeutlichung der Verwendung von finanziellen Mitteln von bestimmten Migrantengruppen muss man sich nur vor Augen halten, dass Deutschland im Bereich der Rücküberweisungen in die Herkunftsländer von Migranten nach den USA und Saudi-Arabien an dritter Stelle ist.[14] Zum Beispiel beliefen sich die privaten Rücküberweisungen für Serbien- Montenegro laut Mundt, im Jahr 2003 auf 2,7 Milliarden Dollar (nur 7 Prozent weniger als die Exporterlöse des Landes).[15]

[...]


[1] Siehe Tabelle 1, S.

[2] ebd.

[3] Vgl. Gogolin, Ingrid:2001, Sprachlich-kulturelle Differenz und Chancengleichheit – (un)versöhnlich im staatlichen Bildungssystem, in: Lohmann, Ingrid/ Rilling, Rainer (Hrsg.), Privatisierung des Bildungsbereichs, Dietz Verlag, Berlin sowie Bade, Klaus J./ Bommes, Michael: 2004, Migration – Integration – Bildung – Grundfragen und Problembereiche, IMIS- Beiträge, Heft 23/ 2004, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS), Osnabrück, http://www.imis.uni-osnabrueck.de/pdffiles/imis23.pdf, 10.05.2005

[4] Bade, Klaus J./ Münz, Rainer: 2002, Migrationsreport 2002 – Fakten – Analysen – Perspektiven, Campus Verlag, Frankfurt/ M., New York, S. 11

[5] Vgl. Münz, Rainer/ Seifert, Wolfgang/ Ulrich, Ralf: 1999, Zuwanderung nach Deutschland – Strukturen, Wirkungen, Perspektiven, Campus Verlag, Frankfurt/ M., New York, S. 72

[6] Statistisches Bundesamt Deutschland: 2004, Bevölkerung nach Geschlecht und Staatsangehörigkeit, http://www.destatis.de/basis/d/bevoe/bevoetab4.php

[7] Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 1: Allgemeinbildende Schulen, Schuljahr 2003/ 2004, Wiesbaden 2005, Tabelle 6.4

[8] Münz/ Seifert/ Ulrich: 1999, S. 80

[9] ebd., S. 81

[10] ebd., S. 82

[11] Below, Susanne von:2003, Schulische Bildung, berufliche Ausbildung und Erwerbstätigkeit junger Migranten - Ergebnisse des Integrationssurveys des BiB, Heft 105b Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung beim Statistischen Bundesamt, Wiesbaden S.19

[12] Vgl. ebd., S. 19

[13] ebd., S. 19

[14] Die Bedeutung von Rücküberweisungen hat stark zugenommen, http://www2.gtz.de/migration-and-development/konferenz-2/deutsch/ueberweisungen.htm, 20.05.2005

[15] Mundt, Hans Werner: 2004, Entwicklungspolitik mit der Diaspora, in E+Z – Zeitschrift für Entwicklung und Zusammenarbeit, Frankfurt/ M., http://www.inwent.org/E+Z/content/archiv-ger/10-2004/schwer_art2.html, 20.05.2005

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Migranten in Zeiten von PISA
Untertitel
Bildungskarrieren von Migranten im Ost-West-Vergleich
Hochschule
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg  (Institut für Erziehungswissenschaften)
Veranstaltung
Die Bildungssituationen ethnischer Minderheiten im internationalen Vergleich
Note
1,5
Autor
Jahr
2005
Seiten
26
Katalognummer
V82927
ISBN (eBook)
9783638909525
Dateigröße
611 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Migranten, Zeiten, PISA, Bildungssituationen, Minderheiten, Vergleich
Arbeit zitieren
Daniel Bosse (Autor:in), 2005, Migranten in Zeiten von PISA, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82927

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