Leseprobe
INHALT
1.0 Vorbemerkungen
2.0 Leonardo Salviati
2.1 Biographie
2.2 Leben und Werk im historischen Kontext
2.3 Salviatis These und Position in der Kontroverse
3.0 DIE ACCADEMIA DELLA CRUSCA
3.1 Geschicht der Akademie
3.2 Wörterbuch der Akademie
3.2.1 Norm des Wörterbuchs
3.3 Verdienste der Crusca
4.0 SCHLUSSWORT
LITERATURVERZEICHNIS
1.0 Vorbemerkungen
Das ganze 16. Jahrhundert in Italien ist geprägt von literarischen Polemiken: die Auseinandersetzungen über Petrarca und den Petrarkismus, über Boccaccio, über Dante, die Streitschrift zwischen Caro und Castelvetro, die von Tasso aufgebrachten Diskussionen. Doch die bedeutendste Polemik ist die, der man den Namen Questione della Lingua gab: mitunter durch den Buchdruck (ab 1460) kam die Frage nach Normierung auf. Soll Latein abgelöst werden? Mit dem im 16. Jahrhundert einsetzenden Demokratisierungsprozeß, war einer breiteren Öffentlichkeit Kulturgut zugänglich gemacht worden, auch mittelständische Kultur wurde absorbiert, alte Werte wurden überdacht, und so gelangte das Latein zunehmend in eine Krise. Doch wenn nicht Latein, welches Idiom soll Volkssprache werden? Unter den Literaturzentren Sizilien und Toskana schien das Toskanische, weil von den tre corone, Dante, Petrarca, Boccaccio vertreten, das Primat zu haben. Entscheidenden Einfluß auf die Sprachendebatte übte Leonardo Salviati, ein Florentiner, aus.
Bedingt durch die Sprachenfrage kennzeichnete ein weiteres das 16. Jahrhundert in Italien: das Aufblühen der Akademien. Sie waren private Debattierklubs und reflektierten die intellektuellen Strömung der Zeit, zumal in der Questione della Lingua. Eine Akademie trat besonders hervor: die Accademia della Crusca, die bald ähnlich der Accadémie Francaise bald entscheidende sprachpflegerische Funktion haben sollte. Deren Gründer war eben jener Salviati. Unser Vorhaben soll es sein, beide, Salviati und die Accademia della Crusca, im Rahmen einer Hausarbeit näher zu beleuchten. Dabei soll zunächst auf Salviati, sein Leben, seine Position in der Questione eingegangen werden und dann im zweiten Teil auf die Akademie.
2.0 Leonardo Salviati
2.1 Biographie
Salviati wurde am 27 Juni 1539 geboren. Seine Eltern sollen ihn auf den Namen Lionardo et Romolo getauft haben.[1]
Er war für damalige Verhältnisse sehr aktiv, was sich auch im häufigen Ortswechsel zeigt. So war er außer in Florenz und Pisa auch in Rom und Ferrara. Er wird beschrieben als: "Redner, Philologe, Rhethoriker nach Art des Aristoteles , Dichter nach Art von Bembo und Berni, Komödienschreiber, Leser von Petrarca und großer Liebhaber von Dante"[2]. Salviati war, wie wir sehen, sehr gebildet und auch aufgrund der Vielfalt seiner Beschäftigungen hatte er mit den entscheidenden Leuten der damaligen Zeit gesellschaftlichen Umgang und Zugang zu den intellektuellen Kreisen- Kreise, Zirkel, Debattierklubs, aus denen später die Akademien entstehen sollten.
Von all seinen Werken war sein größtes Ziel auch gleich sein letztes: die Erstellung eines italienischen Wortschatzes. Dieses Vorhaben verwirklichte er jedoch nicht, er starb 1589, gab es aber der Akademie "della Crusca" weiter. Von seiner Person ist die Akademie nicht wegzudenken.
2.2 Leben und Werk in historischem Kontext
Die erste Hälfte des 16. Jahrhundeerts ist von einer wachsenden Tendenz zum Konformismus geprägt. Diese Vereinheitlichung, Normierung macht sich in allen Bereichen bemerkbar: auf kultureller, religiöser und politischer Ebene. So propagiert Cosimo I., der damalige Herrscher, 1540 eine Fixierung der Grammatik. Nur zehn Jahre später, 1550, gibt die Accademia Fiorentina Gelli, Giambullari, Lenzoni und Varchi den Auftrag, eine Grammatik zu verfassen- der Wunsch nach Normierung im Sinne des Konformismus tritt immer deutlicher zutage. Diese vertreten die tesi fiorentina... In seiner Schrift Ercolano (Quesito IX, p. 228) schreibt Varchi folgendes: "No, io vo dire che la Greca; e la Latina, ma voi m'interrompeste, sono belle a un modo di quella bellezza di cui ora si ragiona; ma la volgare (io non so se egli è benne innanzi che io il dica, fare una nuova protestazione, pure il dirò) la volgare è più bella della Greca e della Latina"[3].
Diese Abwertung des Latein und Griechischen zugunsten des volgare letterario prägt Salviati nachhaltig und er verarbeitet dessen Gedanken in seiner Orazione, wie wir weiter unten sehen werden.
Wie schon erwähnt läßt sich auch in der Politik das Moment des Konformismus wahrnehmen. 1555 wird Siena annektiert, was zur Folge hat, daß der vorher florentinische Staat toskanisch wird. 1569 wird Cosimo I. Granduca (Großherzog) di Toscana. Dies war auch ein sprachenpolitischer Schachzug, denn mit der Verbreitung des Begriffs toscano sollten auch die Nichtflorentinischen Toskaner eingeschlossen und versöhnt werden. Die Florentiner formulierten dementsprechend das Primat des fiorentino folgendermaßen:"il linguaggio parlato in tutto lo stato[4] [v.V. hervorgehoben] di cui il fiorentino è la varietà migliore"[5] .
1564 veröffentlichte Salviati seine Orazione in lode della fiorentina lingua. In seiner Lobrede auf Boccaccio demonstriert Salviati seine Position des volgare arcaizzante. In einem Satz steckt er seine These ab: "Questa favella... che noi tutto giorno parliamo, ad apportare alle scritture maggior perfezione di tutte l'altre lingue principalmente è più atta"[6]. Mit tutto giorno verweist er auf das volgare als das eine Kriterium, mit scritture auf letterarietà ( > volgare letteraria) als das andere.
Noch deutlicher bringt Salviati seine Haltung 1584 in seiner Schrift Degli Avvertimenti della Lingua sopra'l Decamerone zum Ausdruck. Hier spricht er sich für das fiorentino trecentesco, des buon secolo, aus:
[...]
[1] Brown, P.: Lionardo Salviati A Critical Biography, Oxford 1974, S. 1
[2] M. Vitale: La Questione della Lingua, Milano 1981, S. 101.
[3] ibid., S. 148
[4] hier wird wieder der Gedanke der Vereinheitlichung, des Konformismus deutlich
[5] B. Migliorini/I: Baldelli: Breve storia della lingua italiana, Florenz 1881, S. 155
[6] M. Vitale: La Questione della Lingua, Milano 1981, S. 101