Ein Modell der Preisfairness und seine Implikationen für das Produktmarketing


Diplomarbeit, 2006

116 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretische Grundlagen
2.1 Fairnessdimensionen
2.1.1 Distributive Gerechtigkeit
2.1.2 Prozedurale Gerechtigkeit
2.1.3 Interaktionale Gerechtigkeit
2.2 Fairnesstheorien
2.2.1 Equity Theory
2.2.2 Dual Entitlement Theory
2.3 Zusammenfassung

3 Gewinnmaximierung unter Beachtung von Preisfairness
3.1 Fairness bei Preisverhandlungen
3.1.1 Modelle mit rein eigennutzorientierten Akteuren
3.1.2 Modelle mit gemeinwohlorientierten Akteuren
3.1.3 Hybridmodelle
3.1.4 Empirische Ergebnisse
3.2 Referenztransaktionen
3.3 Interpretation des Transaktionsergebnisses
3.3.1 Asymmetrien bei der Bewertung
3.3.2 Framing-Effekte
3.4 Potentielle Gründe für Preisveränderungen
3.4.1 Beibehaltung des Gewinnniveaus
3.4.2 Aufteilung zusätzlicher Gewinne
3.4.3 Ausnutzung von Marktmacht
3.5 Durchsetzung von Preisfairness
3.6 Ökonomische Konsequenzen
3.6.1 Marktungleichgewicht
3.6.2 Nachfrageüberhang bei Gütern mit dem höchsten Nutzen
3.6.3 Preiseffekte von Kosten- und Nachfrageveränderungen
3.6.4 Rabatte als präferierte Form der Preisreduktion
3.6.5 Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt

4 Wahrnehmung von Preisfairness
4.1 Einflußfaktoren und deren Auswirkungen
4.1.1 Angenommener relativer Gewinn
4.1.2 Angenommenes Motiv
4.1.3 Einfluß der Reputation
4.1.4 Kaufabsichten
4.1.5 Empirische Analysen
4.1.5.1 Interdependenz zwischen angenommenem relativen Gewinn/ angenommenem Motiv und wahrgenommener Preisunfairness
4.1.5.2 Reputation als intervenierende Variable
4.1.5.3 Einfluß der Quelle der Preisinformation und der Richtung der Preisveränderung
4.2 Referenzmaßstäbe der Preisbewertung
4.2.1 Intertemporaler Preisvergleich
4.2.2 Wettbewerbspreise
4.2.3 Kosten des Unternehmens

5 Preispolitische Aspekte
5.1 Kundenzufriedenheit und Preispolitik
5.1.1 Kundenzufriedenheit und Zahlungsbereitschaft
5.1.2 Kundenzufriedenheit und Verhaltenswirkung
5.1.3 Empirische Befunde
5.1.4 Preispolitische Implikationen
5.2 Preisschwellen
5.2.1 Konträre Ansichten
5.2.2 Verhaltenstheoretische Erklärungsansätze
5.2.3 Empirische Evidenz
5.2.4 Handlungsempfehlung

6 Verhaltensreaktionen der Käufer
6.1 Keine Aktion
6.2 Selbstschutz
6.3 Rache
6.3.1 Irrationalität des Verhaltens
6.3.2 Bestimmungsfaktoren für das Verlangen nach Rache

7 Resumee

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Reputation und Gewinn als Determinanten des Motives

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Isolierte Darstellung der Merkmale Motiv und Gewinn

Tabelle 2: Kombinierte Darstellung der Merkmale Motiv und Gewinn

Tabelle 3: Isolierte Darstellung der Merkmale Reputation und Gewinn

Tabelle 4: Kombinierte Darstellung der Merkmale Reputation und Gewinn

1 Einleitung

Fairness spielt seit jeher in der Geschichte der menschlichen Zivilisation eine große Bedeutung. Eine spezielle Form der Fairness ist die Preisfair­ness, die im Rahmen dieser Diplomarbeit eingehend analysiert werden soll. Daß sich Menschen intensiv mit der Fairness von Preisen beschäfti­gen, tritt bereits durch eine einfache Recherche bei Google zutage. ROTEMBERG ermittelte die Anzahl der Treffer für die Suche nach den Be­griffen fair price und equilibrium price. Für den ersten Suchbegriff fan­den sich 751.000, für den zweiten jedoch lediglich 57.000 Treffer, was auf die ausgeprägte menschliche Eigenschaft zur Auseinandersetzung mit fairen Preise im Vergleich zu Gleichgewichts-/Marktpreisen hindeu­tet.[1] Ziel dieser Diplomarbeit ist es zu zeigen, von welcher Relevanz preisfairnesstheoretische Aspekte im Rahmen von Transaktionsbe­ziehungen sind und auf welchen grundlegenden Regeln Wahrnehmun­gen von Preisfairness basieren. Durch Identifizierung bestimmter Re­gelmäßigkeiten können Unternehmen verhindern, daß die mit Wahr­nehmungen von Preisunfairness verbundenen negativen Effekte auftreten oder aber ihre Qualität und Intensität antizipieren, wenn sie denn bewußt in Kauf genommen werden sollen. Aufbauend auf eini­gen fairnesstheoretischen Grundlagen wird in den folgenden Kapiteln untersucht, wie die Berücksichtigung von Preisfairness die Gewinn­maximierung von Unternehmen beschränkt und wie Konsumenten eine Evaluierung des Preises vornehmen. Danach werden einige preispsycho­logische Aspekte beschrieben, die geeignet sind, das Verhalten von Konsumenten zu determinieren. Im letzten Kapitel werden die wichtig­sten Ergebnisse rekapituliert und bewertet.

2 Theoretische Grundlagen

Im September 2000 fanden die Kunden von Amazon.com heraus, daß der Online-Händler die gleichen DVD-Filme zu verschiedenen Preisen an verschiedene Kunden verkauft. In Abhängigkeit von vorherigen Käufen bei Amazon konnte beispielsweise die komplette zweite Staffel der US- Serie Akte X zwischen 80 und 100 USD kosten.[2] Die Konsumenten ent­deckten relativ schnell Amazons Preisdifferenzierungsstrategie und überfluteten das Internet und andere Medien mit Beschwerden gegen das Unternehmen. Amazon veröffentlichte Presseberichte, die die Ver­folgung einer Preisdifferenzierungsstrategie verneinten. Demnach wer­de den Kunden für das identische Produkt nicht unterschiedliche Preise abverlangt, je nachdem welche bisherigen Käufe getätigt wurden. Stattdessen behauptete Amazon, lediglich die Reaktion der Konsumen­ten auf unterschiedliche Preise testen zu wollen. Amazon beendete sei­ne Preisdifferenzierung und erstattete den Kunden, die höhere Preise bezahlt hatten, den Differenzbetrag.[3] Amazons Erfahrungen mit Preis­differenzierung oder auch dynamischen Preisen beweisen, daß Konsu­menten negativ darauf reagieren können, wenn sie für das gleiche Pro­dukt unterschiedliche Preise bezahlen müssen. Dabei besteht die Pro­blematik nicht unbedingt darin, einen höheren Preis zu zahlen. Die Konsumenten reagierten vielmehr mit Verärgerung darauf, daß ihr bis­heriges Kaufverhalten herangezogen wurde, um für sie einen anderen Kaufpreis zu bestimmen als für andere Kunden. Preisdifferenzierung ist kein neues Phänomen. So wird im Bereich der zivilen Luftfahrt die iden­tische Dienstleistung seit vielen Jahren zu ganz unterschiedlichen Prei­sen an die Konsumenten verkauft. Ein Sitzplatz in der Economy Class für einen Non-Stop-Flug von Frankfurt nach New York und zurück wird für Preise zwischen 350 und mehr als 1.000 Euro angeboten. Sogar Geschäfte, die physische Produkte anstatt Dienstleistungen verkaufen, verlangen von den Konsumenten unterschiedliche Preise für das gleiche Produkt, z.B. abhängig von der Lage des Geschäfts und der Jahreszeit. Wie kommt es also dazu, daß Konsumenten Preisdifferenzierung manchmal als gerecht und andere Male als ungerecht empfinden? Und woran lag die Wahrnehmung von Amazons Preisdifferenzierung als unfair? Um diese Fragen zu beantworten und zukünftige Empfindun­gen von Preisunfairness zu verhindern, müssen Produktmanager nicht nur ihre Kunden und das Konzept der Preisfairness verstehen, sondern auch für eine klare Kommunikation der Gründe für bestimmte Preise sorgen. Wie bestimmen Konsumenten den Begriff Preisfairness? Wieso wurde Amazons Preisdifferenzierung von den Konsumenten als unfair empfunden, obwohl die meisten Käufer Rabatte für Senioren oder Ju­gendliche für alle möglichen Produkte und Dienstleistungen akzeptie­ren? Ist es fair, wenn ein Einzelhändler das letzte Exemplar eines belieb­ten Kinderspielzeugs an den Höchstbietenden verkauft? Empfinden Konsumenten einen Anstieg bei den Lebensmittelpreisen nach einer Naturkatastrophe als fair? Diese Fragen deuten bereits die Komplexität des Konstrukts der Preisfairness an. Die Beantwortung dieser Fragen erfordert ein Verständnis der Konzepte und Theorien, die Fairness defi­nieren.

2.1 Fairnessdimensionen

Die Konzepte der distributiven, der prozeduralen und der interaktiona- len Gerechtigkeit stellen eine Hilfe bei der Definition des Terms Fairness dar.

2.1.1 Distributive Gerechtigkeit

Homans definiert distributive Gerechtigkeit als die Allokation von Erträ­gen auf Basis der individuellen Beiträge zu einer Austauschbeziehung. „A man’s rewards in exchange with others should be proportional to his investments."[4] Nach dem Konzept der distributiven Gerechtigkeit tritt der Zustand der Fairness ein, wenn für alle Parteien, die von einer Austauschbeziehung betroffen sind, das Verhältnis von Gewinnen bzw. Erträgen und Investitionen identisch ist. Die von der Austauschbe­ziehung direkt Betroffenen sind der Käufer und der Verkäufer, die indi­rekt Betroffenen sind andere Käufer, die auch in einer Geschäftsbe­ziehung mit dem Verkäufer stehen. Das Konzept der distributiven Ge­rechtigkeit hat inzwischen einige Erweiterungen erfahren:

- Martins und Monroe behaupten, daß sowohl Käufer als auch Ver­käufer den Preis mit den von anderen Kunden für die gleichen dukte oder Dienstleistungen gezahlten Preisen vergleichen.[5]
- Maxwell, Nye und Maxwell gehen davon aus, daß sowohl Käufer als auch Verkäufer den Preis mit dem individuellen ökonomischen Ertrag und dem sozialen Nutzen vergleichen, der daraus resultiert, was jede Seite investiert und erhält.[6]

Eine Diskrepanz bezüglich einer der Vergleiche oder ungleiche Verhält­nisse von Erträgen zu Investitionen resultieren in einer Wahrnehmung von Ungerechtigkeit durch beide Parteien der Austauschbeziehung.

2.1.2 Prozedurale Gerechtigkeit

Das Konzept der prozeduralen Gerechtigkeit definiert Fairness als einen Prozeß, der durch soziale Normen und Verhaltensweisen determiniert wird.[7] Prozedurale Gerechtigkeit kann aus einer objektiven und subjek­tiven Perspektive analysiert werden. Objektive prozedurale Gerechtig­keit bezieht sich auf die Eignung des Prozesses „[to] conform to norma­tive standards of justice, to make either the decisions themselves or the decision-making process more fair by, for example, reducing some clearly unacceptable bias or prejudice".[8] Subjektive prozedurale Gerech­tigkeit bezieht sich auf die Auswirkungen der Prozedur bzw. des Pro­zesses auf die Fairnessurteile derjenigen, die in die Prozedur einbezogen sind. So zeigen Studien, daß Angeklagte vor dem Chicagoer Verkehrs­gericht trotz eines Freispruchs nicht in jedem Fall zufrieden waren.[9] Das Gericht vertritt traditionell die Annahme, daß der Verzicht auf das Ge­halt eines Arbeitstages wegen der obligatorischen Anwesenheit vor Gericht eine ausreichende Strafe bei Verkehrsdelikten darstellt, so daß viele Fälle ohne eine mündliche Verhandlung direkt verworfen werden. Überraschenderweise zeigte sich in Interviews die Unzufriedenheit vieler Angeklagter, obwohl der Ausgang ihres Falles an sich positiv für sie zu bewerten war. Anscheinend steht das Ergebnis nicht in Einklang mit allgemein anerkannten Standards prozeduraler Gerechtigkeit. Weitere Studien verdeutlichen den Zusammenhang zwischen dem Prozeß, mit dessen Hilfe ein Unternehmen seine Preisstruktur bestimmt, und der Wahrnehmung der Konsumenten bezüglich der Fairness der vom ent­sprechenden Unternehmen gewählten Preise.[10] Eine Preissteigerung, die aus einem Prozeß resultiert, der nicht mit den sozialen Normen und Erwartungen übereinstimmt, wird zu Beschwerden und möglichen Be­strafungen durch die Konsumenten führen, wie zum Beispiel der Wech­sel zu einem Konkurrenzprodukt. Amazons angeblicher Prozeß der Analyse des Kaufverhaltens und der Preissensibilität seiner loyalen Kun­den befähigte das Unternehmen zu einer Preisdifferenzierungsstrategie. Die Konsumenten brachten ihre Wut und Ablehnung gegen solche Praktiken in diversen Medien zur Geltung, als sie erfuhren, daß das Un­ternehmen ihre bisherigen Käufe detailliert speicherte und zur Analyse ihre Preissensibilität benutzte. Amazons Preisdifferenzierungsstrategie verletzte offensichtliche soziale Normen, unter anderem die der Privats­phäre, und führte zu Mißtrauen auf Seiten der Konsumenten und der Wahrnehmung von Preisunfairness.

2.1.P Interaktionale Gerechtigkeit

Mit der interaktionalen Gerechtigkeitsdimension werden die zwischen­menschlichen Aspekte einer Austauschbeziehung erfaßt. Ist die Bezie­hung zwischen Verkäufer und Käufer von gegenseitigen Respekt ge­prägt, so spricht man von einem hoch ausgeprägten Niveau an interaktionaler Gerechtigkeit.

2.2 Fairnesstheorien

Die beiden im folgenden dargestellten Fairnesstheorien bauen auf den oben erwähnten Fairnessdimensionen auf.

2.2.1 Equity Theory

Während das Konzept der distributiven Gerechtigkeit den Fokus auf die individuellen Beiträge und Erträge einer Austauschbeziehung legt, trifft die Equity Theory die Annahme, daß Individuen, die einander ähnlich sind, die Fairness bzw. Ausgewogenheit einer Austauschbeziehung durch den Vergleich der Verhältnisse ihrer Beiträge zu einer bestimmten Transaktion zu den sich ergebenden Erträgen bewerten. Fairness wird immer dann empfunden, wenn alle beteiligten Parteien den gleichen Ertrag bzw. das gleiche Verhältnis von Beitrag und Ertrag realisieren. Im Gegensatz dazu implizieren ungleiche Verhältnisse von Beitrag und Er­trag soziale Spannungen. Die benachteiligten Individuen sind wütend, die profitierenden Individuen fühlen sich manchmal sogar schuldig. Hat sich ein Zustand des Ungleichgewichts in einer Austauschbeziehung herausgebildet, unternehmen die beteiligten Parteien Aktivitäten, die zu einer Reduktion der Spannungen und die Beziehung zurück zu einem Gleichgewicht führen. Folgende Methoden können zu einer Reduktion des Ungleichgewichts führen:

1. Veränderung der Input- und/oder Outputmengen für eine oder beide Parteien:

So veranlaßte ein gestiegener Preis für Kakao einen Süßwarenprodu­zenten zu einer Preiserhöhung für seine Produkte, während der Wettbewerber den Preis konstant hielt und dafür die Zahl der Scho­koriegel pro Packung senkte.[11]

2. Veränderung der wahrgenommenen Bedeutung der In- und/oder Outputs der beiden Parteien:

Die wahrgenommene Unfairness einer Preisdifferenzierung in einer Branche, die Yield Management praktiziert (z.B.: Tourismusbranche), kann dadurch reduziert werden, indem der wahrgenommene Wert der Transaktion gesteigert wird. Die Konsumenten empfinden den höheren Preis als fairer, wenn sie zusätzliche Produkte oder Dienstlei­stungen erhalten, oder wenn das Produkt als Teil eines Pakets ver­kauft wird.[12]

3. Beendigung der Austauschbeziehung:

Ein wahrgenommenes Ungleichgewicht in einer Austauschbeziehung wird in vielen Fällen zu einem Wechsel der Konsumenten zu anderen Produkten oder Dienstleistungen führen. Bei jedem Wechsel müssen jedoch erneut Transaktionskosten im Sinne von Wechselkosten in Kauf genommen werden, so daß die Beendigung der Austauschbe­ziehung erst bei schwerwiegenden Ungleichgewichten infrage kommt.

4. Wechsel des Vergleichmaßstabs:

Die Equity Theory basiert auf der Annahme, daß Individuen ihre Fair­nessurteile von Vergleichen mit ähnlichen Individuen, sogenannten Referenzindividuen, abhängig machen. Ein Individuum kann sich mit anderen vergleichen, die hinsichtlich Alter, Einkommen, Beruf usw. ähnlich sind. Wenn ein Individuum nun ein Ungleichgewicht in einer Austauschbeziehung erfährt, ist ein möglicher Ausweg aus der als ungerecht empfundenen Situation der Wechsel des Vergleichsmaß­stabs. Durch den Vergleich mit einer anderen Gruppe von Individuen kann die Situation des Ungleichgewichts unter Umständen über­wunden werden.

2.2.2 DualEntitlement Theory

Das Konzept des Dual Entitlement baut auf der Equity Theory auf. Nach diesem Konzept hängt die Wahrnehmung von Preisfairness oder Preis­unfairness von einer Referenztransaktion, den Erträgen der am Aus­tausch beteiligten Parteien und dem Kontext, in dem eine Transaktion stattfindet, ab. Käufer und Verkäufer glauben, sie hätten Anrecht auf einen Referenzpreis und einen damit einhergehenden Referenzge- winn.[13] Wenn eine der beiden Parteien nicht den Referenzpreis bzw. den Referenzgewinn erhält, zu dem berechtigt sie zu sein glaubt, wird die Austauschbeziehung als unfair wahrgenommen. Zum Beispiel glaubten Amazons Stammkunden, sie hätten Anrecht auf einen fairen Preis wegen ihrer Loyalität. Desweiteren empfanden sie es als gerecht­fertigt, daß ihnen ein niedrigerer Preis eingeräumt wird als Neukunden oder Kunden, die öfter zwischen konkurrierenden Unternehmen wech­seln. Durch die bereits beschriebene Preisdifferenzierungsstrategie mißbrauchte Amazon das ihm entgegengebrachte Vertrauen.

2.3 Zusammenfassung

Nach dem Konzept der prozeduralen Gerechtigkeit basieren Fairnessur­teile auf der Bewertung von Prozessen, die wiederum von sozialen Normen beeinflußt sind. Das Konzept der distributiven Gerechtigkeit sowie die Konzepte der Equity Theory und des Dual Entitlement definie­ren Fairness auf der Basis von In- und Outputs einer Austauschbe­ziehung. Desweiteren existieren zwei Ebenen bei jeder Austauschbe­ziehung: Einerseits gibt es auf der einen Ebene eine direkte Beziehung zwischen Käufer und Verkäufer, andererseits existiert auch eine indirek­te Beziehung zwischen verschiedenen Käufern, die von demselben Ver­käufer Produkte erwerben. Die Käufer vergleichen sich selbst mit Ihnen ähnlichen anderen Käufern. Zum Beispiel wird sich ein Student wohl eher mit anderen Studenten vergleichen, wenn er Lernmaterialien er­wirbt. Jede der beiden Parteien der Austauschbeziehung glaubt, sie hätte Anrecht auf ein bestimmtes Ergebnis, das von ihrem individuellen

Beitrag zu der Beziehung abhängt. Kommt es jedoch zu einem Ergeb­nis, das die Erwartungen nicht erfüllt, entstehen Spannungen und das Gefühl von Unfairness und einem Ungleichgewicht. Die Seite, die von dem Ungleichgewicht profitiert, fühlt sich möglicherweise schuldig, während die Seite, die darunter leidet, wütend sein wird. Ein Ungleich­gewicht innerhalb einer Austauschbeziehung führt dazu, daß beide Parteien Möglichkeiten zur Reduktion der Spannungen und zur Wie­derherstellung eines Gleichgewichts suchen. Eine Gleichgewichtssitua­tion kann durch eine Reihe von Maßnahmen erreicht werden, nämlich durch eine Veränderung der Menge und Bedeutung von In- und Out­puts für eine oder beide Seiten, durch eine Beendigung der Geschäfts­beziehung oder durch einen Wechsel des Vergleichsmaßstabs.

3 Gewinnmaximierung unter Beachtung von Preistairness

Die meisten ökonomischen Theorien abstrahieren von der Realität inso­fern, als daß sie die vereinfachende Annahme treffen, Unternehmen maximierten ihren Gewinn lediglich unter Beachtung der eigenen fi­nanziellen Restriktionen sowie der Nachfragesituation. Auf diversen Märkten auftretende unvollständige Anpassungen des Preises an variie­rende Angebots- und Nachfragesituationen mit den daraus resultieren­den Ungleichgewichten legen die Existenz zusätzlicher Restriktionen, die Unternehmen bei der Gewinnmaximierung zu beachten haben, na­he. So scheuen zum Beispiel viele Unternehmen selbst in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit in der Regel davor zurück, die Nominallöhne herabzu­setzen, obwohl dies gemäß der Standardtheorien zu erwarten wäre und auch gerechtfertigt erscheint, um eine Markträumung zu erzielen.[14] Okun liefert weitere Beispiele für Märkte, auf denen ein Marktgleichgewicht oft nicht zustande kommt, indem er schreibt: „...firms in the sports and entertainment industries offer their custo­mers tickets at standard prices for events that clearly generate excess demand. Popular new models of automobiles may have waiting lists that extend for months. Similarly, manufacturers in a number of indus­tries operate with backlogs in booms and allocate shipments when they obviously could raise prices and reduce the queue."[15] Das Verhalten der Unternehmen erklärt er damit, daß eine nicht durch gestiegene Kosten rechtfertigte Preiserhöhung von den Kunden als unfair angesehen wird.[16] Die Abweichung von den Ergebnissen eines vereinfachten Ge­winnmaximierungs-modells beruhen auf der Annahme, daß die Maxi­mierung der langfristigen Gewinne nur dann gelingen kann, wenn das Unternehmen auf dem Markt als fair angesehen wird. Gewinnen Kun­den den Eindruck, unfair behandelt zu werden, besteht die Gefahr der Beendigung der Kundenbeziehung und der Suche nach alternativen Anbietern des entsprechenden Produkts.[17] Auch Akerlof betont die Be­deutung von Fairnessaspekten innerhalb einer Kundenbeziehung und schlägt vor, daß Firmen durch Investitionen in ihre Reputation einen Goodwill gegen-über ihren Kunden aufbauen und außerdem die intrin­sische Motivation ihrer Angestellten erhöhen können, wobei sich beide Effekte positiv auf den Unternehmenserfolg auswirken dürften.[18] Da ein Aspekt der Fairness die Glaubwürdigkeit ist, bietet sich für ein Unter­nehmen mit einer guten Reputation die Möglichkeit, auf Märkten zu agieren, die durch einen hohen Grad an Informationsasymmetrie cha­rakterisiert sind. Ohne die Existenz glaubwürdiger Anbieter käme es ansonsten auf diesen Märkten unweigerlich zu einem Marktversagen.[19] Alle diese Ansätze gehen entweder explizit oder zumindest implizit da­von aus, daß die Einhaltung von Fairnessprinzipien nicht auf freiwilliger Basis geschieht, sondern aufgrund der möglichen Sanktionierung durch die Kunden bei Nichtbeachtung. Gemäß Kahneman, Knetsch und Thaler hingegen orientieren sich manche Unternehmen selbst dann an Fair­nessprinzipien, wenn deren Nichteinhaltung nicht sanktioniert werden kann.[20] Fairnesstheoretische Erwägungen können folglich den Hand­lungsspielraum bei der Gewinnmaximierung signifikant einschränken. Aufgrund der Bedeutung dieses oftmals vernachlässigten Faktors ist zu klären, welche sozialen Grundregeln existieren, die zur Beurteilung ei- ner Situation als fair oder unfair herangezogen werden. Der gesell­schaftliche Druck zur Einhaltung gewisser Normen, die zu einer Wahr­nehmung von Fairness führen, kann einen großen makroökonomischen Effekt haben, selbst wenn einige Firmen unter Mißachtung gerechtig­keitstheoretischer Überlegungen immer noch alle Möglichkeiten zur kurzfristigen Gewinnmaximierung ergreifen.[21] Im folgenden sollen in­sbesondere drei Determinanten von Fairnessurteilen behandelt werden, nämlich die Referenztransaktion, die Interpretation des jeweiligen Er­gebnisses durch das Unternehmen und den Kunden sowie der Anlaß für die Veränderung des Preises durch das Unternehmen. Zuerst jedoch soll erklärt werden, welche Vorteile es hat, bei Preisverhandlungen die Fairness des Preises im Hinterkopf zu haben.

3.1 Fairness bei Preisverhandlungen

Maxwell, Nye und Maxwell untersuchen die Effekte, die durch die Be­rücksichtigung des Aspekts der Fairness bei einer einfachen Verhand­lungssituation auftreten. Es geht dabei um eine reine Preisverhandlung distributiver Natur, d.h. der Konsument kann sein Ergebnis nur verbes­sern (einen niedrigeren Preis erzielen), indem sich das des Verkäufers in gleichem Maße verschlechtert, vice versa.[22] Der von ihnen verfolgte An­satz ist dabei eher sozialpsychologischer Natur als ökonomischer, da nicht nur das monetäre Ergebnis, sondern auch der Verhandlungspro­zeß und die Zufriedenheit des Käufers nach dem Kauf beleuchtet wer­den. Ihre Studie will eine Antwort darauf geben, wie die Zufriedenheit der Käufer gesteigert werden kann, ohne daß dies durch eine Gewinn­reduktion des Verkäufers erkauft werden müsse. Diese Möglichkeit wurde zuvor schon durch Lind und Tyler beschrieben: „The use of a fair procedure can increase the satisfaction of all concerned without any increase in the real outcribution/'[23] In den fol­genden Abschnitten werden drei theoretische Modellarten zur Abbil­dung von Verhandlungssituationen erklärt und danach die empirischen Resultate dargestellt.

3.1.1. Modelle mit rein eigennutzorientierten Akteuren

Der standardökonomische Ansatz zur Analyse von Verhandlungssitua­tionen basiert auf der Annahmen eigennutzmaximierender Verhand­lungspartner. Dabei wird unterstellt, daß das alleinige Ziel der Akteure in der Maximierung des Gewinns bzw. der Minimierung der Kosten (des Preises) besteht. Bei dieser rein distributiv geprägten Situation handelt es sich um ein Win-Lose-Spiel, was zur Inflexibilität der an der Transak­tion Beteiligten führt. Es besteht die Gefahr, daß aufgrund dieser durch einen extremen Interessenkonflikt gekennzeichneten Lage unter Um­ständen keine Transaktion zustande kommt.[24] Raiffa entwickelte ein Modell, bei dem Käufer und Verkäufer einen internen Reservationspreis haben, der zu ihren Gunsten verzerrt ist. Wenn beide Reservationsprei­se sich überlappen, kann es in diesem Bereich[25] zu einem Vertragsab­schluß kommen.[26]

3.1.2.Modelle mit gemeinwohlorientierten Akteuren

Der dem standardökonomischen Ansatz diametral gegenüberstehende hat seine Wurzeln in der Sozialpsychologie. Die Sozialpsychologie inter­pretiert eine Verhandlung nicht nur als eine ökonomische, sondern auch als eine soziale Interaktion. Es wird angenommen, daß Menschen sich neben ihrem eigenen Nutzen auch in gewissem Ausmaß an dem Nutzen der Gruppe orientieren. Loewenstein, Thompson und Bazerman drücken es wie folgt aus: „[People] are concerned not only with the outcomes they receive but also with the outcomes of their oppo- nents."[27] Im Gegensatz zu den Standardmodellen wird bei dieser Grup­pe von Modellen insbesondere auf den Verhandlungsprozeß und nicht auf das Verhandlungsergebnis abgestellt. Der Prozeß und/oder das Er­gebnis werden meist als fair bewertet, wenn soziale Aspekte Berück­sichtigung finden. Aus empirischer Sicht existieren einige Hinweise für die Tatsache, daß das menschliche Verhalten auch am Gemeinwohl orientiert ist.[28] Messick und Sentis bestätigen durch ihre Arbeit, daß die theoretischen Konstrukte der Präferenz (das, was man will) und der Fairness (das, was man für gerecht hält) nicht kongruent sind.[29]

3.1.3.Hybridmodelle

Die Realität wird nach den Ergebnissen von Messick und Sentis am be­sten durch ein Modell beschrieben, das beide zuvor dargestellten Ex­treme miteinander kombiniert. Zwar werden sowohl der gewünschte Preis (Konstrukt der Präferenz) als auch der faire Preis (Konstrukt der Fairness) zugunsten der eigenen Person verzerrt, allerdings ist der Grad der Verzerrung beim fairen Preis wesentlich geringer. Dies bedeutet, daß sich Menschen bei der Bestimmung des fairen Preise sowohl vom Eigennutz als auch vom Gemeinwohl (Beachtung der gerechtfertigten Ansprüche des Anderen) leiten lassen.[30] Van Avermaet liefert weitere empirische Befunde, die diese Schlußfolgerung unterstützen.[31] Macneil bringt es auf den Punkt: „Humans are - cannot otherwise be - incon­sistently selfish and socially committed at the same time."[32]

3.1.4.EmpirischeErgebnisse

Die Studie von Maxwell, Nye und Maxwell belegt, daß durch die Be­rücksichtigung von Fairnessaspekten die Zufriedenheit des Käufers steigert werden kann, ohne daß der Verkäufer bei dem Gewinn Ab­che machen müßte. In simulierten Preisverhandlungen legten dieje- diejenigen Probanden, die für den Aspekt der Fairness sensibilisiert wurden, im Vergleich zur Kontrollgruppe ein kooperativeres Verhalten an den Tag und machten bei den Verhandlungen größere Zugeständ­nisse an den Verhandlungspartner, was den Prozeß der Preisfindung erheblich beschleunigte. Für Fairness sensibilisierte Käufer hatten folg­lich gegen-über dem Verkäufer eine positivere Einstellung und empfan­den eine größere positive subjektive Nichtbestätigung[33] ihrer Erwartun­gen. Unter einer positiven subjektiven Nichtbestätigung wird verstanden, daß das tatsächliche Ergebnis die Erwartungen aus subjek­tiver Sicht übertrifft (d.h. das Ergebnis wird subjektiv als unerwartet gut bewertet). Die Ergebnisse der Studie zeigen, wie Eigennutz- und Ge­meinwohlorientierung simultan existieren können, wenn die Akteure vorher auf Fairness-aspekte hingewiesen wurden.

3.2 Referenztransaktionen

Um die Fairness einer bestimmten Transaktion bewerten zu können, muß ein geeigneter Vergleichsmaßstab gefunden werden, anhand des­sen Abweichungen von diesem Standard als positiv oder negativ inter­pretiert werden können. Dieser Vergleichsmaßstab ist die sogenannte Referenztransaktion, die per definitionem in zeitlicher Hinsicht der zu bewertenden Transaktion vorhergeht. Die Referenztransaktion läßt sich in zwei relevante Komponenten aufspalten: Einerseits ist sie durch den Referenzpreis definiert, der dem Kunden in einer vorherigen Transak­tion abverlangt wurde, andererseits durch den Referenzgewinn, also den Gewinn, den das Unternehmen durch die Durchführung der Refe­renztransaktion realisieren konnte. Voraussetzung zur Beurteilung der Fairness eines bestimmten Geschäfts durch Vergleich mit einer wie auch immer definierten Referenztransaktion ist, daß die Fairness der Refe­renztransaktion selbst nicht infrage gestellt wird. Die Kernaussagen fairnesstheoretischer Studien lassen sich durch das Dual Entitlement- Prinzip zusammenfassen. Dieses Prinzip besagt schlichtweg, daß beide Transaktionspartner, also sowohl Anbieter als auch Nachfrager, ein im­plizites Anrecht auf die Bedingungen der entsprechenden Referenz­transaktion haben. Der Käufer bzw. Konsument hat ein Anrecht auf einen bestimmten Preis, aus dem sich dann wiederum indirekt ein An­spruch auf eine bestimmte Konsumentenrente ableiten läßt, wohinge­gen der Verkäufer einen gewissen Gewinnanspruch besitzt, nämlich die Berechtigung zur Realisierung des Referenzgewinns. Eine Steigerung des Gewinns durch Erhöhung der Preise wird nur dann als fair akzep­tiert, wenn gestiegene Kosten eine Preissteigerung notwendig machen, um das Referenzgewinnniveau zu erreichen.[34] Die Beibehaltung des Referenzgewinns führt unter diesen Umständen zu einer Verringerung der Konsumentenrente. Erstaunlicherweise widerspricht dies nicht den Fairnessempfindungen der Konsumenten. Die relevante Referenztrans­aktion ist nicht in jedem Fall eindeutig zu bestimmen. Unterschiedliche Wahrnehmungen der Fairness einer Transaktion resultieren häufig aus divergenten Ansichten über die zugrundeliegende Referenztransaktion, was in der Folge dazu führt, daß die Transaktionspartner das Ergebnis der Transaktion unterschiedlich interpretieren. Somit schließt die Akzep­tanz allgemeingültiger Fairnessprinzipien nicht den Streit über die Fair­nessbewertung im Einzelfall aus.[35] Für Kahneman erwächst die Bedeu­tung der Referenztransaktion als Basis zur Bewertung anderer Trans­aktionen aus der Tatsache, daß jene als der Normalfall gilt, und nicht notwendigerweise daraus, daß sie selbst gerecht ist.[36] Psychologische Studien zu sogenannten Adaptionseffekten offenbaren die grundle­gende menschliche Tendenz zur Anpassung der eigenen Fairnessvor­stellungen an dauerhaft veränderte Bedingungen. Geschäftsbeding­ungen, die zuerst als unfair empfunden werden, werden vermutlich nach einer gewissen Zeit zum Normalfall, so daß aufgrund fehlender Alternativen diese neuen Konditionen Referenztransaktionscharakter gewinnen.[37] Dies impliziert einen tendenziell geringen Unterschied zwi­schen dem erwarteten Verhalten eines Unternehmens und dem als fair empfundenen Verhalten. Die annähernde Kongruenz der beiden As­pekte spiegelt die Erwartung der Konsumenten wider, daß Unterneh­men sich weitgehend an gesellschaftlich definierte Fairnessnormen hal­ten werden. Außerdem konnte, wie zuvor erwähnt, die Anpassung der eigenen Fairnessvorstellungen an die Verhältnisse der Realität aufge­zeigt werden.

3.3 Interpretation des Transaktionsergebnisses

Die Fairness einer Transaktion hängt im wesentlichen von dem Ergebnis derselben für die Marktpartner ab. Ein Marktpartner soll seinen Gewinn nicht erhöhen, in dem er dem anderen einen betragsmäßig identischen Verlust aufbürdet, so die grundlegende Regel. Diese Regel ähnelt sehr dem volkswirtschaftlichem Pareto-Kriterium. Gemäß dieses Kriteriums erhöht sich die soziale Wohlfahrt dann, wenn durch eine Maßnahme der Nutzen mindestens eines Individuums steigt, ohne daß der Nutzen der anderen Wirtschaftssubjekte sinkt.[38] Das Ergebnis des Nachfragers ist die Differenz zwischen altem und neuem Preis, das des Anbieters (Unternehmen) der Saldo zwischen neuem und altem Gewinn. Studien belegen die Existenz sogenannter Naive Accounting-Regeln, die der bei wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchungen oftmals verwendeten Standardannahme des Homo Oeconomicus zuwiderlaufen. Menschen weisen eine starke Neigung auf, das Ergebnis einer Transaktion als Ge­winn oder Verlust im Vergleich zum Status Quo zu interpretieren, an­statt es isoliert zu bewerten, so eine der grundlegenden Aussagen der von Kahneman und Tversky entwickelten Prospect Theory[39] Desweite­ren reagieren sie sensibler auf pagatorische Kosten als auf Opportuni­tätskosten sowie sensibler auf Verluste als auf entgangene Gewinne.[40] Diese Defizite der menschlichen Informationsverarbeitung machen eine rationale Preisbewertung unmöglich. Das Ergebnis des menschlichen Fairnessevaluierungsprozesses hängt offensichtlich in großem Maße von der Interpretation veränderter Transaktionskonditionen als Gewinn oder Verlust ab, welche wiederum von der Form der Präsentation des Preis­stimulus abhängig ist. In diesem Zusammenhang wird von der Impor- tanz des Framing-Effekts gesprochen.[41]

3.3.1 Asymmetrien bei der Bewertung

Der Bewertung des Transaktionsergebnisses durch die beiden Marktsei­ten liegen irrationale Asymmetrien zugrunde, die an dieser Stelle kurz skizziert werden sollen. Eine Maßnahme eines Unternehmens wird mit einer höheren Wahrscheinlichkeit als unfair wahrgenommen, wenn dem Nachfrager bzw. dem Konsumenten daraus ein Verlust entsteht, als wenn ein möglicher Gewinn reduziert oder beseitigt wird. Analog dazu wird eine Handlung, die zu einem Gewinn für das Unternehmen führt, mit einer größeren Wahrscheinlichkeit als ungerecht empfunden, als wenn das Unternehmen durch diese Handlung lediglich einen dro­henden Verlust abwenden will. Diese irrationale Differenzierung zwi­schen einem Verlust und einem reduzierten Gewinn einerseits, sowie zwischen einem gesteigerten Gewinn und der Abwendung eines Verlu­stes andererseits, ist psychologisch motiviert. Außerdem scheinen Indi­viduen einen höheren Mißnutzen zu empfinden, wenn ein Ergebnis als Verlust aufgefaßt wird, als wenn es als Eliminierung eines Gewinns ver­standen wird. Deshalb wird ein Unternehmen weniger Widerstand bei der Abschaffung von Rabatten oder Boni zu erwarten haben als bei einer äquivalenten Preiserhöhung.[42]

3.3.2 Framing-Effekte

Framing-Effekte sind die zweite relevante Komponente irrationaler In­formationsverarbeitung im Preisbewertungsprozeß. Der Framing-Effekt ist eine Art der individuellen Entscheidungsheuristiken, welche eine kognitiv vereinfachende Wirkung auf die Urteilsfindung besitzen. Ent­scheidungsheuristiken umfassen Such- und Abwägungsprozesse, und kommen zum Einsatz, wenn der Entscheider nur über eine unzureich­ende Informationslage verfügt. Damit kommt ihnen gewissermaßen die Bedeutung von Faustregeln zu.[43] Trotz dieser individuell unterschiedli­chen Prozesse existieren einige typische Elemente, die zu einer selekti­ven Wahrnehmung von Informationen führen. Hierbei lassen sich all­gemeine Filter, zum Beispiel Charaktereigenschaften, und spezifische Filter, sogenannte Frames voneinander unterscheiden. Ein Frame wird durch Situationsmerkmale, wie sprachliche Formulierungen oder die Darstellung der Situation, aktiviert. Damit wird ein bestimmter Rahmen für die Wahl der Entscheidungsstrategie festgesetzt. Durch dieses Fra­ming der Situation wird die Komplexität derselben für den Entscheider reduziert, was in einer beschleunigten Entscheidungsfindung resul­tiert.[44] Framing besteht also prinzipiell aus zwei Faktoren: Zum einen resultiert daraus eine zunehmende Selektion der Wahrnehmung als Rahmen für die Entscheidung, und zum anderen die Festlegung des Entscheiders auf eben diesen Rahmen. Der Akteur sieht den von ihm empfundenen Rahmen subjektiv als völlig selbstverständlich an. Die Informationen werden zwar im Gesamtkontext gewürdigt, jedoch er­halten sie, je nachdem, ob sie in einem Gewinn- oder einem Verlust­kontext auftreten, für den Entscheider eine andere Bedeutung.[45] Es ist aber nicht nur ausschlaggebend, ob die Situation gefiltert wahrge­nommen wurde, sondern auch der Framing-Typ ist wichtig für die Ent- Scheidung. Von diesem situationsspezifischen Rahmen ist abhängig, welcher Ausschnitt der Realität wahrgenommen und wie dieser gewich­tet wird. Der Framing-Effekt ist in vielerlei wissenschaftliche Bereiche einzuordnen, weshalb eine genaue Zuordnung zu einem wissenschaftli­chen Fach sehr schwierig ist. Jedoch wird diese Verhaltensanomalie eher in der Wirtschaftspsychologie diskutiert, da die getroffenen Fehl­entscheidungen meist ökonomischer Art sind.[46] Der Begriff des Framing wird von verschiedenen Autoren unterschiedlich verwendet, doch ge­meinsam ist ihnen, daß der Framing-Effekt zu einer Vereinfachung der Situationsinterpretation führt.[47] Durch diese Strategie der Vereinfach­ung kann eine Situation in verschiedenen Modellen wahrgenommen werden. Die beiden Extremfälle für diese Situationsmodelle der Akteure sind die sogenannte Auferlegtheit und die Reflexion. Im ersten Fall ak­zeptiert der Entscheider ohne Zweifel die von ihm wahrgenommene Situation, wohingegen im zweiten Fall, meist durch Störung gewohnter Umstände, Zweifel an der eigenen Entscheidung auftreten. Das Ent­scheidungsproblem ist also ein innerliches und die Alternativen sind vorerst gedankliche Modelle der Situation.[48] Außerdem tritt bei allen Typen des Framing-Effekts eine Umkehrung der Präferenzordnung bei den Befragten auf, welche eine elementare Verletzung der Erwartungs­nutzen-Theorie darstellt. Zu dieser Umkehrung darf es laut Erwartungs­nutzen-Theorie aber nicht kommen, da die Präferenzen von der Pro­blembeschreibung unabhängig sein sollen.[49]

3.4 Potentielle Gründe für Preisveränderungen

3.4.1.Beibehaltung des Gewinnniveaus

Obschon eine Stichprobe von Befragten im allgemeinen aus mehr Kon­sumenten als aus Produzenten bestehen wird, gesteht die Mehrheit der Individuen den Unternehmen ihren Referenzgewinn zu. Bei einem dro­henden Gewinnrückgang akzeptieren die Konsumenten schlechtere Konditionen, damit der Unternehmensgewinn das Referenzgewinnni­veau erreicht, wobei sie zum Beispiel bei einer Gefährdung der Erreich­ung des Referenzgewinns aufgrund gestiegener Kosten, die vom ent­sprechenden Unternehmen nicht beeinflußt werden können, bereit sind, die zusätzlichen Kosten nicht nur partiell zu tragen, sondern voll­ständig. Es hätte durchaus vermutet werden dürfen, daß in einem sol­chen Fall die Konsumenten und die Unternehmen die negativen Aus­wirkungen der Kostensteigerung gemeinsam tragen.[50] Damit eine Preissteigerung keine Verärgerung auf Seiten der Konsumenten verur­sacht, muß eine wichtige Bedingung verwirklicht sein: Die gestiegenen Kosten, die das Argument für eine Erhöhung des Preises liefern, müssen nämlich in direktem Zusammenhang zu der betrachteten Transaktion stehen. In der Konsequenz bedeutet dies, daß beispielsweise gestiegene Kosten bei der Produktion eines Gutes nicht als Begründung für eine Preiserhöhung bei einem anderen Produkt dienen können. Quersubven­tionierungen sind somit unter Fairnessaspekten aus Sicht der weiten Mehrheit zu unterlassen.

3.4.2. Aufteilung zusätzlicher Gewinne

Die bisherigen Ausführungen könnten so interpretiert werden, daß eine faire Preispolitik darin besteht, auf die aggregierten Stückkosten eines Produktes eine bestimmte Gewinnmarge aufzuschlagen. In der engli­schen Fachliteratur wird diese einfach nachzuvollziehende Vorgehens­weise bei der Bestimmung des adäquaten Preises als Cost-Plus Rule be­zeichnet.[51] Ob eine faire Preispolitik nur durch die Befolgung der Cost- Plus Rule zu realisieren ist, läßt sich relativ einfach untersuchen. Bei strenger Beachtung dieser Regel müßte bei einer Kostensenkung we­gen der als konstant unterstellten Gewinnmarge der Preis entsprechend sinken. Im Gegensatz dazu postuliert die Theorie des Dual Entitlement nur, daß Unternehmen ihren Gewinn nicht einfach zu Lasten der Kon­sumenten erhöhen dürfen. Konsumenten erleiden jedoch bei einer auf einer Kostensenkung begründeten Gewinnsteigerung keinen finanziel­len Schaden, sondern haben immer noch Zugang zu den gleichen Kon­ditionen wie zuvor. Die Realisierung eines höheren Gewinns in einer Situation sinkender Kosten ist aus diesem Grunde mit der Dual Entitle- ment-Theorie vollkommen zu vereinbaren. Daß eine solche Gewinnstei- gerung mit den Fairnessprinzipien nicht konfligiert, konnte durch eine empirische Arbeit von Kahneman, Knetsch und Thaler belegt werden. Demnach ruft eine Gewinnsteigerung keine Empfindungen von Unfair­ness hervor, wenn sie aus gesenkten Kosten resultiert. Eine strenge Cost-Plus-Preissetzung ist deshalb zwar bei steigenden Kosten erlaubt, bei fallenden jedoch nicht nötig, um weiterhin als fair zu gelten.[52]

3.4.3 Ausnutzung von Marktmacht

Der ökonomischen Theorie zufolge streben Unternehmen durch Verfol­gung geeigneter Strategien das Ziel der Marktmacht an, um dadurch den Konkurrenzdruck partiell oder vollkommen zu eliminieren, was letztlich einen vergrößerten preispolitischen Spielraum eröffnet. Kahne­man, Knetsch und Thaler liefern eine äußerst prägnante Definition der Marktmacht: „The market power of a firm reflects the advantage to the transactor of the exchange which the firm offers, compared to the transactor’s second-best alternative."[53] Allgemein besteht eine starke Tendenz, unternehmerisches Verhalten, das durch Ausnutzung von Marktmacht geprägt ist, als unfair zu verurteilen. Dies kann damit er­klärt werden, daß eine Ausnutzung von Marktmacht durch das Setzen höherer Preise das Anrecht des Konsumenten auf Gewährung des Refe­renzpreises verletzt. Gleichermaßen wird es als unfair angesehen, Not­lagen, Naturkatastrophen und Knappheiten im allgemeinen durch Preiserhöhungen in einen gesteigerten Gewinn zu transformieren. Kon­ventionelle ökonomische Modelle prognostizieren steigende Preise bei Nachfrageüberhängen bzw. Angebotsknappheiten, die im Laufe der Zeit zu einem Marktgleichgewicht führen. Dabei wird die Preissteige­rung als natürliche Implikation der Marktsituation empfunden und des­halb aus moralischer Sicht als neutral interpretiert. Dies widerspricht in eklatanter Weise den Fairnessvorstellungen der Allgemeinheit, die von den Unternehmen ein anderes Verhalten fordert. Von fairen Unterneh­men wird erwartet, daß sie nicht den markträumenden Preis verlangen, sondern eher zu einer Rationierung des Angebots übergehen, und so­mit Opportunitätskosten in Höhe der Differenz zwischen markträumen­dem Preis und tatsächlich gefordertem Preis zu tragen haben. Insbe- sondere müssen sich Unternehmen über die Risiken des Einsatzes von Auktionen als Allokationsmechanismus bewußt sein, werden sie doch in den meisten Fällen als unfair wahrgenommen. Auktionen können nur dann eingesetzt werden, ohne die Konsumenten durch ein angeb­lich unfaires Verhalten zu verärgern, wenn es sich bei dem versteigerten Produkt um ein Gut mit Wertaufbewahrungsfunktion handelt. Dies ist zum Beispiel der Fall bei der Versteigerung eines wertvollen Gemäldes, eines Hauses oder aber auch von Wertpapieren (z.B. über eine Wertpa­pierbörse).[54]

3.5 Durchsetzung von Preisfairness

Es existieren einige gewichtige Gründe, warum sich Unternehmen im eigenen Interesse dem Gedanken der Fairness verpflichtet fühlen soll­ten: Zuallererst wird eine lange Vorgeschichte fairen wirtschaftlichen Handelns dem Aufbau der Unternehmensreputation sehr dienlich sein, was Geschäfte, die in großem Maße auf Vertrauen basieren, erleichtern sollte. Nur durch Vertrauen kommen auf einigen Märkten aufgrund großer Informationsasymmetrien überhaupt erst Transaktionen zustan­de. Wie später noch gezeigt werden wird, spielt Fairness auch dann eine Rolle, wenn Vertrauen nicht relevant ist, da Menschen eine Ten­denz aufweisen, unfaires Verhalten selbst dann zu sanktionieren, wenn ihnen dadurch Kosten entstehen. Außerdem kann angenommen wer­den, daß Personen, die über das Verhalten großer Organisationen zu entscheiden haben, oftmals ein faires Verhalten präferieren. Guth, Schmittberger und Schwarze konnten in einer spieltheoretisch angeleg­ten Studie bestätigen, daß Individuen unfaire Transaktionen auch im Falle damit verbundener Kosten ablehnen.[55] Die Bereitschaft zur Sank­tionierung unfairer Marktakteure konnte in einem weiteren Experiment nachgewiesen werden. Ungefähr drei Viertel der befragten Studenten entschieden sich dafür, einen Betrag von 10 USD mit einem Unbekann­ten, über den nur bekannt war, daß er selbst zuvor einen Betrag fair mit einer anderen Person geteilt hatte, im Verhältnis 50/50 zu teilen, obwohl die alternative Option bestand, einen Betrag von 12 USD im gleichen Verhältnis mit einer anonymen Person zu teilen, die zuvor durch unfaires Handeln aufgefallen war.[56] Die Kosten der Sanktionie­rung unfairen Verhaltens sind in diesem Beispiel natürlich äußerst ring, es geht schließlich nur um 1 USD. Eine effektive Durchsetzung der Fairnessprinzipien ist auch auf realen Märkten oftmals mit geringen Kosten möglich. Handelsunternehmen haben einen signifikanten An­reiz, sich fair zu verhalten, wenn sie davon ausgehen müssen, daß viele Konsumenten im Falle unfairen Verhaltens beispielsweise bereit sind, zu einem 5 Minuten weiter entfernten Konkurrenten zu fahren. In der tra­ditionellen ökonomischen Theorie ist die notwendige Bedingung zur Einhaltung von Verträgen deren (rechtliche) Durchsetzbarkeit. Insofern stellt die Beobachtung fairen Verhaltens auch ohne die Existenz wirk­samer Sanktionierungsmöglichkeiten die ökonomischen Standardmo­delle recht deutlich infrage.[57] Diese Beobachtung spiegelt das Fairness­empfinden der großen Mehrheit der Befragten in verschiedenen Studien wider. Insgesamt läßt sich schlußfolgern, daß das Postulat nach fairem Verhalten weitgehend freiwillig von den Menschen unserer Ge­sellschaft erfüllt wird.

3.6 Ökonomische Konsequenzen

Eine ganze Reihe von Handlungen, die der kurzfristigen Gewinnmaxi­mierung dienen, werden aufgrund gesellschaftlicher Fairnessvorstellun­gen als unfaire Ausbeutung von Marktmacht gewertet. Solche Wahr­nehmungen von Unfairness können sich langfristig schon alleine dadurch auf Unternehmen auswirken, daß sich Gesetzgebung oder auch Regulierungsbehörden an diesen sozio-kulturell determinierten Maßstäben ausrichten.[58] Es können vier grundsätzliche Effekte der Be­rücksichtigung von Fairnessaspekten auf das Verhalten von Unterneh­men herausgestellt werden.

3.6.1 Marktungleichgewicht

Wenn ein Nachfrageüberhang auf einem Produktmarkt nicht mit ge­stiegenen Kosten des Unternehmens einhergeht, wird sich auf dem Markt in der kurzen Frist kein Gleichgewicht einstellen. Es existieren eine Reihe empirischer Belege dafür, daß kurzfristige Nachfrageverän­derungen nur geringe und insignifikante Auswirkungen auf den Preis haben.[59] Im Englischen spricht man in diesem Kontext von Sticky Prices. Ein weiteres Indiz für die Richtigkeit dieser Annahme stammt aus Stu­dien zu Naturkatastrophen. Nach Eintritt einer solchen Katastrophe werden Preise für wichtige Produkte trotz Knappheit meistens konstant gehalten. Anstatt die Allokation knapper Ressourcen über das Preissys­tem abzuwickeln, wird in diesen Fällen dann meist zu einer Politik der Rationierung bestimmter Güter übergegangen.[60] Ein besonders gut do­kumentierter Fall des Verzichts auf Preiserhöhungen in einer Situation der Knappheit wird von Olmstead und Rhode angeführt. Im Sommer des Jahres 1920 kam es an der US-amerikanischen Westküste zu einer erheblichen Benzinknappheit. Das dort marktbeherrschende Ölunter­nehmen Standard Oil of California (SOCal) verzichtete trotz fehlender Preiskontrollen durch die Regierung auf die Anhebung der Preise. Statt- dessen konnten Konsumenten nur noch eine bestimmte Menge Benzin in einem vorgegebenen Zeitraum erwerben. So kam es zu der kuriosen Entwicklung, daß die Preise an der Ostküste höher waren, obwohl dort keine Unterversorgung mit Benzin bestand. Der Grund für die höheren Preise im Osten bestand darin, daß die Ölunternehmen an der Ostküste Öl zu einem relativ hohen Preis beziehen mußten und den gestiegenen Einkaufspreis ohne große Widerstände an die Konsumenten weiterge­ben konnten. SOCal als vertikal integriertes Unternehmen konnte diese Entschuldigung der gestiegenen Einkaufspreise nicht für sich in An­spruch nehmen. Preiserhöhungen wären deshalb vermutlich von den Konsumenten als Provokation interpretiert worden. SOCal wollte sein Image in der Öffentlichkeit nicht beschädigen und entschied sich des­halb für die Beibehaltung der Preise, um als fairer Partner angesehen zu werden.[61]

3.6.2Nachfrageüberhang bei Gütern mit dem höchsten Nutzen

Wenn ein einzelner Anbieter eine Reihe ähnlicher Produkte anbietet, die sich in ihren Produktionskosten kaum voneinander unterscheiden, werden Nachfrageüberhänge bei den Gütern auftreten, die den Kun­den den höchsten Nutzen stiften bzw. in den Augen der Kunden den höchsten Wert besitzen. Bei der Preissetzung für Sport- und Unterhal­tungsveranstaltungen ist dieses Phänomen beispielsweise zu beobach­ten. Auf diesem Markt variiert die Nachfrage trotz relativ identischer Produktionskosten doch erheblich, jedoch werden im Fall von Konzer­ten verschiedener Künstler oftmals ähnliche Preise gesetzt. Da der markträumende Preis für die am stärksten nachgefragten Veranstaltun­gen von den meisten Konsumenten als unfair eingeschätzt würde, be­läßt man den Preis unterhalb des Gleichgewichtspreises, so daß ein Nachfrageüberhang bei diesen Gütern (Veranstaltungen) auftritt.[62] In der Tourismusbranche ist dasselbe festzustellen. Zwar findet eine Preis­differenzierung zwischen Haupt- und Nebensaison statt, jedoch ist der Preisunterschied oftmals nicht groß genug, um in der Hauptsaison An­gebot und Nachfrage in Einklang zu bringen. Wiederum aus Fairness­überlegungen haben viele Unternehmen offenbar Bedenken, einen hö­heren Preis in der Hauptsaison zu setzten, so daß in vielen Fällen in dieser Periode ein Nachfrageüberhang besteht.

3.6.3 Preiseffekte von Kosten- und Nachfrageveränderungen

Kostenveränderungen wirken sich auf den Preis in der Regel stärker aus als Verschiebungen der Nachfrage.[63] Im Fall von Kostenveränderungen ist zwischen Kostensteigerungen und Kostenreduktionen zu differenzie­ren, wobei Kostensteigerungen einen stärkeren Effekt auf die Preise haben als Kostenreduktionen. Die hohe Preiselastizität einer kurzfristi­gen Kostenveränderung ist gut belegt.[64] Die Idee einer asymmetrischen Preisrigidität hat schon seit langem für Kontroversen gesorgt und ist immer noch nicht eindeutig geklärt.[65]

3.6.4 Rabatte als präferierte Form der Preisreduktion

Die Beobachtung des Marktgeschehens ergibt den Eindruck, daß zeit­lich begrenzte Rabatte wesentlich häufiger vorkommen als temporäre Preiszuschläge. Rabatte haben den Vorteil, daß sie bei ihrer Abschaf­fung zu weniger Irritationen bei den Konsumenten führen, wohingegen ein zeitweiser Preiszuschlag nicht zu dem neuen Referenzpreis werden wird. Deshalb können Preiszuschläge nur als Verlust gegenüber der Re­ferenzsituation interpretiert werden.

3.6.5 Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt

Die zuvor beschrieben Effekte gelten in analoger Weise auch für den Arbeitsmarkt. Beispielsweise steht es außer Frage, daß Löhne relativ unelastisch in Bezug auf eine veränderte Kosten- und Nachfragesitua­tion reagieren. So wird der Lohn für einfache Tätigkeiten selbst in Zei­ten einer Rezession nur selten gekürzt, selbst wenn er deutlich über einem eventuell gegebenen Mindestlohn liegt.[66] Deshalb spricht Okun davon, daß die Arbeitsbeziehung eher durch einen unsichtbaren Hand­schlag als durch eine unsichtbare Hand geregelt werde.[67]

4 Wahrnehmung von Preisfairness

4.1 N Einflußfaktoren und deren Auswirkungen

In diesem Kapitel sollen Faktoren identifiziert werden, die die Wahr­nehmung von Preisfairness auf Seiten der Konsumenten beeinflussen. Außerdem soll kurz erläutert werden, welche Auswirkungen diese Fak­toren haben können.[68] Es kann eine Differenzierung zwischen direkt und indirekt auf die Preiswahrnehmung einwirkenden Faktoren vorgenom­men werden. Als Faktoren, die sich direkt auf die empfundene Preis­fairness auswirken, schlägt CAMPBELL den angenommenen relativen Gewinn und das angenommene Motiv für die Preisveränderung vor.[69] Der angenommene relative Gewinn ist eine von den Konsumenten ge­schätzte quantifizierbare Größe, die besagt, wie stark sich der Gewinn durch die Preisveränderung verändert hat. Das angenommene Motiv hingegen ist eine durch die Konsumenten geschätzte nicht-quantifizier- bare Größe, also eine qualitative. Es wird lediglich abgeschätzt, welches Motiv hinter einer Preisveränderung steckt. Als indirekt auf die Wahr­nehmung von Preisfairness einwirkenden Faktor wird die Reputation des Unternehmens genannt.[70] Es wird die Annahme getroffen, die Re­putation eines Unternehmens, die sich in der Vergangenheit herausge­bildet hat, wirke zunächst auf das angenommene Motiv ein. Das ange­nommene Motiv wiederum beeinflusse wesentlich die empfundene Preisgerechtigkeit. Im Anschluß an die Diskussion der Faktoren werden die Zusammenhänge durch die Analyse zweier relevanter Studien be­leuchtet. Außerdem wird eine weitere Studie angeführt, die die zwei weiteren Faktoren Quelle der Preisinformation und Richtung der Preis­veränderung als Determinanten für die Wahrnehmung von Preisfairness identifiziert.

4.1.1. Angenommener relativer Gewinn

Die Theorie des Dual Entitlement nach Kahneman, Knetsch und Thaler unterstellt, daß in einer Austauschbeziehung beide Transaktionspartner für sich einen bestimmten Referenzpreis bzw. Referenzgewinn in An­spruch nehmen (können). Der Käufer verspürt Unfairness immer dann, wenn ihm nicht der Referenzpreis gewährt wird, der sich durch Erfah­rungen in der Vergangenheit und durch Vergleiche mit anderen Wirt­schaftssubjekten kontinuierlich herausgebildet hat. Der Verkäufer wie­derum beansprucht für sich einen gewissen Referenzgewinn. Falls er diesen nicht durch eine Transaktion realisieren kann, empfindet er Un­fairness. Sowohl durch Experimente als auch durch Umfragen fanden Kahneman, Knetsch und Thaler heraus, daß in der Gesellschaft offen­sichtlich allgemeingültige Standards hinsichtlich fairer Preissetzung exi­stieren. Außerdem orientiert sich ihrer Meinung nach das Marktverhal­ten nicht nur an dem eigenen Nutzen, sondern ist zusätzlich dazu noch an anderen Zielen ausgerichtet.[71] Zwei Szenarien, die die Befragten in Bezug auf die Fairness der Preissetzung beurteilen sollten, sind im An­hang dargestellt.[72] Die dort in Frage 7 beschriebene Steigerung des Ein­zelhandelspreises wird von dem überwiegenden Teil der 101 Befragten als akzeptabel eingestuft, da der Einzelhändler mit einem ebenfalls ge­stiegenen Einkaufspreis konfrontiert wird, der von ihm nicht kontrolliert bzw. beeinflußt werden kann.

[...]


[1] vgl. Rotemberg, J. J. (Fair Pricing 2005), S. 1 ; n.b.: Aktuellere Trefferzahlen lauten 3.060.000 bzw. 488.000 (Stand: 5. November 2006).

[2] vgl. Adamy, J. (E-tailer price tailoring 2000), S. 4

[3] vgl. Adamy, J. (E-tailer price tailoring 2000), S. 4

[4] Homans, G. C. (Social Behavior 1961), S. 235

[5] vgl. Martins, M./Monroe. K. B. (Perceived price fairness 1994), S. 75

[6] vgl. Maxwell, S./Nye, P./Maxwell, N. (Less pain, same gain 1999), S. 546 ff.

[7] vgl. Thibaut, J. W./Walker, L. (Procedural justice 1975)

[8] Lind, E. A./Tyler, T. R. (The Social Psychology 1988), S. 3

[9] vgl. Lind, E. A./Tyler, T. R. (The Social Psychology 1988)

[10] vgl. Dickson, P. R./Kalapurakal, R. (The use and perceived fairness 1994), S. 432 ff.

[11] vgl. Monroe, K. B. (Pricing 1990)

[12] vgl. Kimes, S. E. (Yield management 1994), S. 24

[13] vgl. Kahnemann, D. K./Knetsch, J. L./Thaler, R. (Fairness 1986), S. 729 f.

[14] vgl. Akerlof, G. A. (The Case against Conservative Macroeconomics 1979), S. 230 ff.; Solow, R. M. (On Theories of Unemployment 1980), S. 2 ff.

[15] Okun, A. (Prices and Quantities 1981), S. 170

[16] vgl. Okun, A. (Prices and Quantities 1981), S. 170

[17] vgl. Okun, A. (Prices and Quantities 1981), S. 170 f.

[18] vgl. Akerlof, G. A. (A Theory of Social Custom 1980), S. 753 ff.; Akerlof, G. A. (Labor Contracts 1982), S. 548 ff.

[19] vgl. Akerlof, G. A. (The Market for 'Lemons' 1970), S. 489 ff.; Arrow, K. (Social Responsibility and Economic Efficiency 1973), S. 303 ff.

[20] vgl. Kahneman, D. K./Knetsch, J. L./Thaler, R. (Fairness and the Assumptions 1986), S. 291 f.

[21] vgl. Akerlof, G. A./Yellen, J. L. (Small Deviations from Rationality 1985), S. 709

[22] vgl. Thompson, L. (Negotiation behavior and outcomes 1990), S. 515 ff.

[23] Lind, E. A./Tyler, T. R. (The Social Psychology 1988), S. 29

[24] vgl. Rhinehart, L. M./Page, T. J., Jr. (A model of transaction negotiation 1992), S. 18 ff.

[25] Raiffa bezeichnet diesen Bereich als Zone of Agreement.

[26] vgl. Raiffa, H. (The art and science of negotiation 1982)

[27] Loewenstein, G. F./Thompson, L./Bazerman, M. H. (Social Utility 1989), S. 426

[28] vgl. Loewenstein, G. F./Thompson, L./Bazerman, M. H. (Social Utility 1989), S. 438; Thaler, R. (The winner's curse 1992)

[29] vgl. Messick, D. М./Sentis, K. (Fairness, preference and fairness biases 1983), S. 64

[30] vgl. Messick, D. М./Sentis, K. (Fairness, preference and fairness biases 1983), S. 64 f.

[31] vgl. Van Avermaet, E. (Equity 1974)

[32] Macneil, I. R. (Exchange revisited 1986), S. 568

[33] Im Originaltext wird von Positive Subjective Disconfirmation gesprochen.

[34] vgl. Bazerman, M. H. (Norms of Distributive Justice 1985), S. 561 ff.

[35] vgl. Zajac, E. E. (Perceived Economic Justice 1985), S. 139 ff.

[36] vgl. Kahneman, D. K./Knetsch, J. L./Thaler, R. (Fairness 1986), S. 730

[37] vgl. Franciosi, R./Kujal, P./Michelitsch, R./Smith, V./Deng, G. (Fairness 1995), S. 947

[38] vgl. Donges, J. B./Freytag, A. (Allgemeine Wirtschaftspolitik 2001), S. 74

[39] vgl. Kahneman, D./Tversky, A. (Prospect Theory 1979), S. 274

[40] vgl. Kahneman, D./Tversky, A. (Choices, Values, and Frames 1984), S. 341 ff.; Thaler, R. (Positive Theory of Consumer Choice 1980), S. 40 ff.

[41] vgl. Tversky, A./Kahneman, D. (Rational Choice 1986), S. 453 ff.

[42] vgl. Kahneman, D. K./Knetsch, J. L./Thaler, R. (Fairness 1986), S. 732

[43] vgl. Fischer, L./Wiswede, G. (Sozialpsychologie 2002), S. 213

[44] vgl. Ernste, D. H. (Entscheidungsheuristiken 1998), S. 446

[45] vgl. Esser, H. (Die Definition der Situation 1996), S. 17

[46] vgl. Fischer, L./Wiswede, G. (Sozialpsychologie 2002), S. 115

[47] vgl. Ernste, D. H. (Entscheidungsheuristiken 1998), S. 445

[48] vgl. Esser, H. (Die Definition der Situation 1996), S. 17 f.

[49] vgl. Tversky, A./Kahneman, D. (The framing of decisions 1981), S. 456; Haug, S. (Anomalien in der Entscheidungstheorie 1998), S. 134

[50] vgl. Kahneman, D. K./Knetsch, J. L./Thaler, R. (Fairness 1986), S. 732

[51] vgl. Okun, A. (Prices and Quantities 1981), S. 151 ff.

[52] vgl. Kahneman, D. K./Knetsch, J. L./Thaler, R. (Fairness and the Assumptions 1986), S. 292 ff.

[53] vgl. Kahneman, D. K./Knetsch, J. L./Thaler, R. (Fairness 1986), S. 734

[54] vgl. Kahneman, D. K./Knetsch, J. L./Thaler, R. (Fairness 1986), S. 736

[55] vgl. Güth, W./Schmittberger, R./Schwarze, B. (Ultimatum Bargaining 1982), S. 383 f.

[56] vgl. Kahneman, D. K./Knetsch, J. L./Thaler, R. (Fairness and the Assumptions 1986), S. 291

[57] vgl. Hoffman, E./Spitzer, M. L. (The Coase Theorem 1982); Hoffman, E./ Spitzer, M. L. (Entitlements, Rights, and Fairness 1985); Kahneman, D. K./ Knetsch, J. L./Thaler, R. (Fairness and the Assumptions 1986); Roth, A./Malouf, M./ Murnighan, J. K. (Factors in Bargaining 1981); Selten, R. (The Equity Principle 1978)

[58] vgl. Zajac, E. E. (Fairness or Efficiency 1978)

[59] vgl. Cagan, P. (Persistent Inflation 1979), S. 18

[60] vgl. Dacy, D. C./Kunreuther, H. (Natural Disasters 1969), S. 64

[61] vgl. Olmstead, A. L./Rhode, P. (Rationing Without Government 1985), S. 1053

[62] vgl. Thaler, R. (Mental Accounting 1985), S. 210 ff.

[63] vgl. Bils, M./Chang, Y. (Response of Prices 2000), S. 33 f.

[64] vgl. Cagan, P. (Persistent Inflation 1979)

[65] vgl. Kuran, T. (Asymmetric Price Rigidity 1983), S. 381 f.; Solow, R. M. (On Theories of Unemployment 1980), S. 5 ff.; Stigler, G. J./Kindahl, J. K. (Industrial Prices 1970)

[66] vgl. Okun, A. (Prices and Quantities 1981), S. 82

[67] vgl. Okun, A. (Prices and Quantities 1981), S. 89

[68] Zum Zusammenhang der Einflußfaktoren siehe Anhang: 3., S. XL, Abb. 3

[69] vgl. Campbell, M. C. (Perceptions of Price Unfairness 1999), S. 188

[70] vgl. Campbell, M. C. (Perceptions of Price Unfairness 1999), S. 188

[71] vgl. Campbell, M. C. (Perceptions of Price Unfairness 1999), S. 188

[72] siehe Anhang: 2., S. XXXI, Frage 7 und S. XXXIII, Frage 10

Ende der Leseprobe aus 116 Seiten

Details

Titel
Ein Modell der Preisfairness und seine Implikationen für das Produktmarketing
Hochschule
Universität zu Köln  (Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Beschaffung und Produktpolitik)
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
116
Katalognummer
V83074
ISBN (eBook)
9783638865661
ISBN (Buch)
9783638865777
Dateigröße
1084 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Modell, Preisfairness, Implikationen, Produktmarketing
Arbeit zitieren
Diplom-Kaufmann Thorsten Schmitz (Autor:in), 2006, Ein Modell der Preisfairness und seine Implikationen für das Produktmarketing, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83074

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