Soziale Sicherung in Deutschland

Sind die Voraussetzungen für das Soziale Sicherungssystem heute noch gegeben? Sind die rechtlichen Ansprüche der Versicherten noch finanzierbar?


Seminararbeit, 2006

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Geschichtliches

3. Die Grundlagen des sozialen Sicherungssystems
3.1 Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip
3.2 Die Prinzipien der Versorgung, der Fürsorge und der Versicherung

4. Die einzelnen Versicherungszweige
4.1 Sicherung bei Krankheit
4.2 Sicherung bei Unfall
4.3 Alterssicherung
4.4 Absicherung bei Arbeitslosigkeit
4.5 Sicherung im Pflegefall

5. Voraussetzungen für das Soziale Sicherungssystem
5.1 Gesetzliche Verankerungen
5.2 Der Generationsvertrag
5.3 Erwerbsarbeit als Basis für die Versicherung

6. Gewährleistung der Rechtsansprüche durch die Beitragszahlungen?

7. Ausblick

8. Literaturliste

1. Einleitung

Die vom Menschen am meisten gefürchteten Risiken in unserer industriellen Gesellschaft sind - neben dem Tod - Krankheit, Unfall, Armut und Arbeitslosigkeit. In nunmehr 100 Jahren wurde in Deutschland ein umfassendes Sozialsystem geschaffen, dass eine gewisse Sicherheit in Form von Sozialversicherungen bietet. Unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit hat der Sozialstaat für sozial gerechte und abgesicherte Lebensverhältnisse seiner Bürger zu sorgen.[1] Das Sozialstaatsprinzip ist in Art. 20 GG rechtlich festgelegt und verpflichtet den Staat “für soziale Gerechtigkeit auf der Grundlage der Achtung der Menschenwürde und des Rechtsstaatsprinzip zu sorgen.“[2]

Kaum ein anderes politisches System wurde in den letzten Jahren so stark kritisiert und auch reformiert wie das System der Sozialen Sicherung der Bundesrepublik Deutschland. Angesichts der demo­grafischen Entwicklung sowie der hohen Arbeitslosigkeit und der damit verbundenen sinkenden Staatseinnahmen droht das bewährte System jedoch zu kollabieren. Zaghafte Reformversuche der vergangenen Jahre, beispielsweise die 2003 gestartete Agenda 2010, änderten nichts daran. Die Regierung der vergangenen Legislaturperiode brachte eine Gesundheitsreform auf den Weg, “deren Kern eine Verteuerung und Verschlechterung der medizinischen Versorgung für die große Mehrheit der Bevölkerung ist“. Sie schuf eine Rentenreform, die “dazu führt, dass die Renten in diesem Jahr [2004] erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik sinken und die Altersarmut in absehbarer Zeit erheblich zunehmen wird“ sowie eine Arbeits­markt­reform, “die sich durch die Kombination drastischer Kürzungen bei den Unterstützungs­leistungen mit zunehmend autoritärem Druck der Grenze zur Zwangsarbeit nähert“.[3] Zur Zeit stehen die Anfang Juli beschlossenen Reformansätze im Gesundheitswesen im Fokus der Öffentlichkeit. Wider Erwarten kam es nicht zu den von den einzelnen Parteien noch vor der Bundestagswahl im Herbst letzten Jahres vorgeschlagenen Modellen wie Kopfpauschale, Bürgerversicherung oder Privatisierung des Krankenversicherungssystems. Nach langen Verhandlungen kam es lediglich zu einem “Gesundheitskompromiss der Großen Koalition“.[4]

Angesichts der aktuellen Diskussion soll diese Ausarbeitung zur Klärung der Fragen, ob die Voraussetzungen für das Soziale Sicherungssystem heute noch gegeben sind und ob die rechtlichen Ansprüche der Beitragszahler noch finanzierbar sind, beitragen. Dazu möchte ich zunächst den Aufbau und die Prinzipien des Sozialen Sicherungssystems erläutern, um danach die Voraussetzungen für das Funktionieren des Systems näher zu betrachten. Unter Berücksichtigung des derzeitigen “Gesundheitskompromisses“ werde ich im Ausblick auf die mögliche Zukunft unseres Sicherungssystems und die Bedeutung für die Soziale Arbeit eingehen.

Zur Beantwortung der Fragestellung verschaffte ich mir zunächst einen Überblick über das System der Sozialen Sicherung in der im Verzeichnis angegebenen Literatur. Die aktuelle Diskussion verfolgte ich durch eine intensive Internetrecherche, was sich aufgrund der Fülle von Beiträgen als sehr umfangreich erwies. Vor Beginn der Auswertung der Quellen war ich mir der Vielfalt des Themas nicht bewusst, so dass ich Schwierigkeiten hatte, das Thema einzugrenzen und die zur Verfügung stehende Literatur zu filtern. Obwohl der Umfang dieser Ausarbeitung meine Erwartungen und meine Planungen bei weitem übertrifft, hätte ich noch weitaus mehr Aspekte einbringen können. Um den Rahmen nicht zu sprengen, halte ich mir eine noch intensivere Beschäftigung und Ausarbeitung dieses Themenbereichs vor, um gegebenenfalls eine Abschlussarbeit anzufertigen.

1. Geschichtliches

Durch die wachsende soziale Verelendung der Bevölkerung aufgrund der Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts legte Kaiser Wilhelm I den Grundstein der sozialen Sicherung. Das 1883 eingeführte Krankenversicherungsgesetz, das 1884 eingeführte Unfallversicherungs­gesetz sowie das Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetz von 1889 wurden 1911 in der Reichsversicherungsordnung (RVO), das bis heute das grundlegende Gesetz für die Sozial­versicherung geblieben ist, vereint.[5] Den Ausführungen Sachßes und Tennstedts ist zu entnehmen, dass die staatlich erzwungene Kombination von Erwerbsarbeit und Vorsorge in der sogenannten Bismarckschen “Arbeiterversichungsgesetzgebung“ den “Beginn der modernerer Wohlfahrtsstaatlichkeit in Deutschland markiert.“ Die arbeitenden, aber armen Menschen stellten die Zielgruppe der Versicherung dar, von der sich auch die “Gemeinden und Provinzen, die für die Kosten der Armenfürsorge aufkommen mussten“, Entlastung versprachen.[6]

Das bis zur Schaffung der neuen reichsgesetzliche Zwangsversicherung geltende Recht der öffentlichen Armenfürsorge, gewährleistete die Sicherung des Existenzminimums nur “subsidiär und als Reflex des Polizeirechts, nicht als Anspruch des Hilfebedürftigen.“ Die Bedürftigkeitskontrollen und der Verlust der Bürgerrechte, insbesondere des Wahlrechts, führten zur Ausgrenzung der Hilfebedürftigen. Die neue Sozialversicherung war den bisherigen genossenschaftlichen, gemeindlichen oder kirchlichen Fürsorgesystemen überlegen und konnte immer weiter ausgeweitet werden.[7]

2. Die Grundlagen des sozialen Sicherungssystems

Grundlage der sozialen Sicherung ist der bereits o. g. Sozialstaatsgrundsatz der Verfassung der Bundes­republik Deutschland. Artikel 20 Absatz 1 GG besagt, dass „die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“ ist. Das Sozialstaatsprinzip garantiert nicht nur soziale Mindeststandards, sondern verlangt auch nach der sozialen Gerechtigkeit und der Be­achtung der Normen der sozialen Sicherheit. Es ist Aufgabe der Regierung, das Sozialstaats­prinzip auszugestalten.[8]

2.1 Das Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip

Der Grundsatz des Sozialstaates richtet sich aber nicht nur an den Staat, sondern auch an die Subsidiarität und Solidarität der Bürger. Subsidiarität ist als „Vorrangigkeit der kleineren Einheit“ zu verstehen und bedeutet, dass der Staat erst dann eingreifen muss, wenn die ihm „untergeordneten Instanzen wie Familie, Verwandte, Freunde usw. keine Hilfe mehr leisten können.“[9] Im Einzelnen bedeutet dies, das alles, was der Einzelne tun/richten kann, soll von ihm gerichtet werden. Die übergeordnete Instanzen sollen nur dann (also nachrangig) helfend tätig werden, wenn der Einzelne zu einer Problemlösung nicht in der Lage ist. In diesem Fall soll die übergeordnete Instanz aber so wirken, dass sie die Potenziale zur Selbsthilfe stärkt und nicht etwa schwächt.

Das Solidaritätsprinzip der Sozialversicherung wird durch die an die finanzielle Leistungsfähigkeit, also dem beitragspflichtigen Einkommen, geknüpfte Höhe der Beitragsleistungen deutlich.[10] Der weitaus größte Teil der Bevölkerung ist in der gesetzlichen Sozialversicherung versichert und durch das Prinzip der Solidarität verbunden (Beispiel: Junge für Alte, Erwerbstätige für Erwerbslose und Gesunde für Kranke). Deutlich wird das Solidaritätsprinzip durch die Anrechnung von Ausbildungs- und Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung und die beitragslose “Mitversicherung von Familienmitgliedern in der gesetzlichen Krankenversicherung“.[11]

2.2 Die Prinzipien der Versorgung, der Fürsorge und der Versicherung

Kennzeichnend für die soziale Sicherung ist die Verknüpfung von Versorgung, Fürsorge und Versicherung. Hier sollen sich Eigenverantwortung und sozialer Ausgleich, Leistungsorientierung und Lebensstandardsicherung ergänzen. Die Gesetzgebung hat dazu im Sozialgesetzbuch “zahlreiche soziale Rechte auf staatliche Leistungen begründet, die der Existenzsicherung dienen ... oder z. B. auf Hilfe für Kranke und Behinderte ausgerichtet sind.“[12] Pilz schreibt dazu: „Die drei sozialen Gestaltungsprinzipien unter­scheiden sich ... im Wesentlichen durch die Art der Finanzierung und durch den Umfang der Leistungsgewährung.“[13]

Der Zweig der Versorgung umfasst zum einen den sozialen Ausgleich für Schäden, für die das Gemeinwesen eine gesteigerte Verantwortung trägt (z. B. Opferentschädigung) und zum anderen die Absicherung von beispielsweise Beamten und Soldaten. Versorgungsleistungen setzen keine vorherige Beitragszahlung voraus.[14]

[...]


[1] Frank Pilz: Der Sozialstaat, Bonn 2004, 17.

[2] Papenheim/Baltes/Tiemann: Verwaltungsrecht für die soziale Praxis, 18. Auflage, Frechen, 2005, 7.

[3] Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik: Beschäftigung, Solidarität und Gerechtigkeit –

Reform statt Gegenreform, MEMORANDUM 2004, URL: http://www.memo.uni-bremen.de/docs/memo04ku.pdf, 11.07.2006.

[4] Süddeutsche Zeitung, URL:sueddeutsche.de /deutschland/artikel/903/79824/article.html, 11.07.2006.

[5] Jürgen Spinnarke: Soziale Sicherheit, Die Sozialversicherung – System · Rechte · Leistungen. 5. überarbeitete Auflage, Heidelberg, 1990, 10 ff.

[6] Sachße und Tennstedt: Die Bundesrepublik – Staat und Gesellschaft. Weinheim und München, 2005, 18.

[7] ebenda, 102.

[8] Frank Pilz: Der Sozialstaat, Bonn 2004, 47.

[9] ebenda, 89 ff.

[10] Sachße und Tennstedt: Die Bundesrepublik – Staat und Gesellschaft. Weinheim und München, 2005, 106.

[11] Frank Pilz: Der Sozialstaat, Bonn 2004, 92.

[12] Papenheim/Baltes/Tiemann: Verwaltungsrecht für die soziale Praxis, 18. Auflage, Frechen, 2005, 7.

[13] Frank Pilz: Der Sozialstaat, Bonn 2004, 91.

[14] Manfred Wienand: Sozialsystem und Soziale Arbeit. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (Hrsg.), 2. aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main, 1999, 12 ff.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Soziale Sicherung in Deutschland
Untertitel
Sind die Voraussetzungen für das Soziale Sicherungssystem heute noch gegeben? Sind die rechtlichen Ansprüche der Versicherten noch finanzierbar?
Hochschule
Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelmshaven; Standort Oldenburg
Veranstaltung
Sozialsystem und Soziale Arbeit in der BRD
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
19
Katalognummer
V83089
ISBN (eBook)
9783638019484
ISBN (Buch)
9783638920339
Dateigröße
760 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Soziale, Sicherung, Deutschland, Sozialsystem, Soziale, Arbeit
Arbeit zitieren
Dipl. Sozialpädagogin Karin Frieling (Autor:in), 2006, Soziale Sicherung in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83089

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Soziale Sicherung in Deutschland



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden