„Der Stachel sitzt tief, den Hirnforscher in unsere Kopfhaut getrieben haben.“ Die Thesen dieser Hirnforscher, allen voran Gerhard Roth und Wolf Singer, wurden viel in den öffentlichen Medien diskutiert. Falls sie mit ihren Theorien Recht behalten, stellt ihre Denkweise eine Revolution des Menschenbildes dar. Es geht um folgendes: „Notwendige Voraussetzung für einen selbstinitiierenden Willen ist ein Bewusstsein, das nicht nur eine Folge körperlicher Vorgänge ist.“ Genau hier setzt der Angriff der Hirnforscher an. Wolf Singer, dessen Theorie ich in dieser Arbeit darstellen und diskutieren möchte, behauptet, dass das Bewusstsein vollkommen determiniert ist und somit der freie Wille eine bloße Illusion ist. Damit berührt das Thema die „Wurzel unserer Ansichten über die Natur des Menschen und darüber, welche Beziehungen wir zum Universum und den Naturgesetzen unterhalten.“
Einsprüche und Kritik gegen die Theorien der Hirnforscher kamen vor allem aus den Reihen der Philosophen, z.B., um nur zwei zu nennen, von Peter Bieri und John R. Searle. Doch auch andere Wissenschaften, wie die Geschichts- und Rechtswissenschaft, und auch die Psychologie, beteiligten sich an dem Diskurs. Die Kritik richtete sich z.B. an die theoriestützenden Experimente und Messverfahren der Hirnforscher, an die Sprachwahl, mit denen die Ergebnisse verfasst wurden, und an die Deutungen selbst. Dabei haben die Naturwissenschaften noch gar keine eindeutigen Beweise für das, was sie behaupten, sondern nur Indizien. Singer selbst beschreibt den Forschungsstand so: Es „lässt sich lückenlos nachvollziehen, wie Umweltreize in neuronale Aktivität umgesetzt werden, wie es zur Definition von Merkmalen und Kategorien kommt, wo welche Leistungen erbracht werden, wie sich Veränderungen in der Aufmerksamkeit neuronal manifestieren und welche Schritte bei der Programmierung von motorischen Aktionen durchlaufen werden. Noch ungelöst sind Fragen nach der Struktur der invarianten Repräsentationen von Wahrnehmungsobjekten, nach den Vorgängen bei Entscheidungsprozessen und nach den Mechanismen, die emotionale Bewertung vornehmen.“ Singer hält es aber für möglich, dass diese Fragen mit der gleichen Forschungsstrategie beantwortet werden können und dass man dann alle Hirnleistung – also auch das Bewusstsein – auf neuronale Wechselwirkungen reduzieren kann.
In dieser Arbeit möchte ich zuerst Singers Theorie beleuchten und danach auf die angesprochenen Kritikpunkte eingehen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Wolf Singers biologischer Determinismus
- Wolf Singers Theorie
- Die Evolution des Bewusstseins
- Vom Bewusstsein zum Selbstbewusstsein
- Das Bindungsproblem
- Diskussion
- Allgemeine Bedenken zu Singers Bewusstseinstheorie
- Bedenken an den theoriestützenden Verfahren der Neurowissenschaften
- Was sich überhaupt im Gehirn finden lässt – über Kategorienfehler
- Determinismus vs. Indeterminismus
- FAZIT
- Literaturliste
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Theorie des Hirnforschers Wolf Singer, der behauptet, dass das menschliche Bewusstsein vollständig determiniert ist und somit der freie Wille eine Illusion darstellt. Sie analysiert Singers biologischen Determinismus und untersucht die Kritikpunkte, die von verschiedenen Disziplinen, insbesondere der Philosophie, an seiner Theorie geäußert wurden.
- Die Evolution des Bewusstseins und die Rolle der Großhirnrinde
- Die Entstehung des Selbstbewusstseins durch den „Dialog zwischen Gehirnen“
- Die Kritik an Singers Theorie aus philosophischer Sicht
- Die Debatte um Determinismus und Indeterminismus
- Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Erforschung des Bewusstseins
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Determinismusdebatte ein und erläutert Singers zentrale These, dass das Bewusstsein determiniert ist und der freie Wille eine Illusion darstellt. Kapitel 2 befasst sich mit Singers biologischem Determinismus und analysiert seine Theorie in Bezug auf die Evolution des Bewusstseins und die Rolle der Großhirnrinde. In Kapitel 3 wird die Kritik an Singers Theorie aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet, insbesondere aus philosophischer Sicht, und die Debatte um Determinismus und Indeterminismus thematisiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit behandelt die folgenden Schlüsselwörter: Bewusstsein, Determinismus, freier Wille, Illusion, Hirnforschung, Wolf Singer, Evolution, Großhirnrinde, Selbstbewusstsein, Philosophie, Kritik, Kategorienfehler, Indeterminismus.
- Arbeit zitieren
- Kristian Kloth (Autor:in), 2006, Bewusstsein und Willensfreiheit. Wolf Singers Determinismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83192