Eine linguistische Analyse des Parteiprogramms der NPD und ein Vergleich mit den Programmen der CDU, PDS und SPD hinsichtlich des Themas Migration


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

27 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Das Parteiprogramm
2.1 Struktur des Parteiprogramms
2.2 Sprachliche Mittel im Parteiprogramm und ihre Wirkung
2.2.1 Der politische Wortschatz
2.2.2 Fahnen-, Stigma- und Schlagwörter
2.2.3 Die deontische Bedeutung

3. Analyse des Parteiprogramms der NPD
3.1 Selbstcharakterisierung
3.2 Nachweis der Kompetenz
3.3 Nachweis der Kontinuität

4. Vergleich des NPD-Parteiprogramms mit denen der CDU, SPD und PDS hinsichtlich des Themas Migration

5. Fazit

6. Literaturangaben

1. Einleitung

Der Migrationsdiskurs in Deutschland wurde mit der Zeit zu einem Diskurs um die Frage, ob die Einwanderung in Deutschland gewollt ist oder nicht und wie der Staat auf dieses Phänomen der unkontrollierten bzw. ungewollten Einwanderung reagieren soll. Hieraus leitet sich die Forderung nach durchgreifenden politischen Konsequenzen hinsichtlich des Asylrechts ab, woraus sich wiederum verschiedene Ansichten entwickeln. So bekennen sich einige Parteien dazu, dass Deutschland den Status eines Einwanderungslandes hat und zu all den daraus resultierenden Konsequenzen und andere Parteien wiederum lehnen diesen Status ab.[1] Die Einstellungen der Parteien hinsichtlich der Migrationsthematik lassen sich in ihren jeweiligen Grundsatz- bzw. Parteiprogrammen herauslesen, denn eine Funktion des Programms besteht darin, die grundlegenden politischen Positionen zu einem umfassenden inhaltlichen Bereich programmatisch zusammenzufassen, basierend auf der Weltanschauung der jeweiligen Partei.[2] Damit stellt das Programm einer Partei die Legitimationsgrundlage für alle anderen Textsorten politischer Sprache dar: Alle sprachlichen Äußerungen der politisch Handelnden müssen auf das Parteiprogramm zurückzuführen sein oder dürfen zumindest nicht im Widerspruch mit diesem stehen.[3]

In meiner Hausarbeit werde ich – im Rahmen des Seminarthemas „Die Sprache des Migrationsdiskurses“ – hinsichtlich der Thematik Migration bzw. Asyl und Ausländer verschiedene Parteiprogramme linguistisch untersuchen, wobei das Programm der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) im Vordergrund stehen soll, da sich rechte und konservative Parteiprogramme besonders intensiv mit dem Migrationsthema auseinandersetzen. Nach einer linguistischen Analyse des NPD-Programms werde ich dieses mit den Programmen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), der Christlich-Demokratischen Union (CDU) und der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) vergleichen.

Bei der Auswahl der Programme habe ich mich daran orientiert, verschiedene Richtungen des politischen Spektrums zu wählen; so wird die CDU gemeinhin als eher christlich-konservativ, die NPD als rechts, die SPD als „Partei der Mitte“ und die PDS als links betrachtet. Meinen Schwerpunkt auf das Programm der NPD zu legen, begründet sich auch darin, dass das Thema NPD derzeit in den Medien einen hohen Stellenwert einnimmt, indem immer wieder debattiert wird, ob es ein NPD-Verbot geben sollte oder nicht und ob die NPD verfassungswidrig agiert.

Allem voran möchte ich Grundlagen zur Struktur und zu den sprachlichen Mitteln, die in Parteiprogrammen Anwendung finden, aufzeigen, um eine Basis für die darauf folgende Analyse es NPD-Programms zu liefern.

2. Das Parteiprogramm

2.1 Struktur des Parteiprogramms

Mit einem Parteiprogramm legt sich eine Partei auf gewisse Überzeugungen und Ziele fest und macht sie auf diese Weise für sich, ihre Gremien, Funktionäre und Mitglieder verbindlich. In erster Linie wird danach entschieden, was in der Partei für richtig oder falsch gehalten wird und welche Interessen vertreten werden. In zweiter Linie wird sich ein Parteiprogramm aber auch nach dem richten, was politisch und gesellschaftlich gerade erfolgversprechend erscheint.[4] All diese Interessen, Forderungen und Überzeugungen spiegeln sich in der von der Partei verwendeten Sprache wieder, weshalb man an dieser Stelle vom Parteiprogramm als „Sprachnormierungsversuch“ – wie Fritz Hermanns treffend äußerte – sprechen kann.[5]

Die Partei muss die Begriffe, mit denen eine Gesellschaft ihre Ordnung, Rechte, Pflichten und Institutionen beschreibt, semantisch so besetzen, wie es ihren Zielen und Interessen entspricht, was bedeuten kann, dass die Begriffe zum Teil neu besetzt werden müssen oder so bleiben wie bisher.[6] Das Parteiprogramm ist ein Instrument dafür, denn darin werden Begriffe festgeschrieben – bereits existierende und auch neue.[7] Ebenso lässt sich ein Parteiprogramm als „Waffe im politischen Streit um Worte“ bezeichnen.[8] Beim Streit um Worte geht es nicht nur um die deskriptive Bedeutung, sondern genauso sehr um die präskriptive Bedeutung; nicht nur um die Seins-, sondern auch um die Sollens-Bedeutung, die deontische Bedeutung, worauf später noch eingegangen werden soll.[9] Ein Parteiprogramm ist nur sekundär und hilfsweise deskriptiv, primär ist es präskriptiv. Es beschreibt zwar, aber vor allem schreibt ein Parteiprogramm vor.[10]

Nach Alexander Tillmann lassen sich für die kommunikative Struktur von Parteiprogrammen funktionale konstitutive Textsequenzen unterscheiden: die Selbst-charakterisierung, der Nachweis der Kompetenz und der Nachweis der Kontinuität.[11]

I. Selbstcharakterisierung

Die Parteien sind in einem Parteiprogramm bemüht, eine möglichst breite Legitimationsbasis für ihren Anspruch auf Wählbarkeit zu schaffen. Zwar kann man grundsätzlich davon ausgehen, dass Parteien soviel Stimmen wie nur möglich auf sich vereinigen wollen, doch muss im Programm deutlich werden, welche Bevölkerungs-gruppen in die jeweilige Partei aufgrund deren Selbstverständnisses integrierbar sind.[12] Die Selbstdarstellung erfolgt mit dem Ziel, der Partei ein spezifisches Profil zu verleihen und dieses im Bewusstsein der Wähler[13] als positiv zu etablieren.[14]

Die Selbstdarstellungen der Parteien in ihren Programmen demonstrieren die Absicht, möglichst vielen potenziellen Wählern eine Identifikationsmöglichkeit zu geben. Hierfür wird das Profil der Partei als eigenständige politische Kraft herausgearbeitet, womit eine Polarisierung evoziert wird.[15] Durch diese Polarisierung bieten sich vielfältige Möglichkeiten der Abgrenzung von anderen Parteien, indem z.B. auf zugrunde liegende Wertvorstellungen verwiesen wird.

Sehr prägnant wird die Selbstcharakterisierung besonders dann, wenn die grundsätzlichen Positionen einer Partei programmatisch, quasi als kategorischer Imperativ, hervorgehoben werden, wie beispielsweise bei der FDP gezeigt werden kann: „Freiheit ist unser Auftrag“.[16]

II. Nachweis der Kompetenz

Das zweite für die sprachliche Gestaltung von Parteiprogrammen konstitutive semantische Handlungsmuster ist der Nachweis der Kompetenz. Die Realisierung dessen ist für das Programm deshalb obligatorisch, weil mit ihm zugleich neben der Legitimation der Nachweis der Regierungsfähigkeit und -bereitschaft erbracht werden kann.[17] Eine Partei wird vom Wähler nur dann gewählt, wenn sie ihre Regierungsfähigkeit glaubhaft nachweisen kann, wenn sie kompetent ist. Dieser Nachweis der Kompetenz geschieht zunächst auf zwei Ebenen: auf der Ebene des Wissens und auf der Ebene des Wollens.[18] Der Kompetenznachweis auf der Ebene des Wissens wird dadurch erbracht, dass in Form von allgemein formulierten Zustandsbeschreibungen dokumentiert wird, dass die entsprechende Partei über eine spezifische, für korrekt gehaltene Anschauung der Realität in den jeweiligen Inhaltsbereichen verfügt.[19] Auf dieser Ebene haben die sprachlichen Äußerungen häufig den Charakter von Allgemeinplätzen und inhaltsleeren Phrasen und ihre textuelle Funktion besteht zum einen in der Profilierung der Partei nach außen und zum anderen dient es der Förderung der innerparteilichen Disziplinierung.[20] Verknüpft wird die Ebene des Wissens mit der Ebene des Wollens, indem Lösungsvorschläge gemacht oder Reaktionsvorhaben geschildert werden auf Basis der Realität und der partei-spezifischen Ideologie, die Wissen und Wollen in Beziehung setzen und z.T. auch überlagern. Auch die Ebene des Wollens dient als Kompetenznachweis.[21] Die auf der Ebene des Wollens geäußerten Zielvorstellungen dürfen sich nicht in der Angabe kurzfristiger Ziele erschöpfen, sondern müssen den Blick auf die kommenden Jahrzehnte lenken ohne in zeitferne Utopien zu verfallen.[22]

III. Nachweis der Kontinuität

Das dritte sprachliche Untermuster zum Nachweis der Legitimation der Partei ist der Nachweis der Kontinuität. Hierdurch wird dem Bürger sprachlich verdeutlicht, dass die spezifischen inhaltlichen Positionen, die traditionell mit dem Profil der Partei in Verbindung gebracht werden, stetig in der Parteiprogrammatik wiederzufinden sind.[23] Der Nachweis der Kontinuität kann auch unter Verweis auf die ideologisch-historische Bedeutung der Partei geführt werden.[24]

2.2 Sprachliche Mittel im Parteiprogramm und ihre Wirkung

2.2.1 Der politische Wortschatz

Zu Beginn gilt es festzuhalten, dass sich die Politik und damit auch Parteiprogramme einem bestimmten Wortschatz bedienen. So ist der Wortschatz, der in der Politik Verwendung findet, eine Mischung aus vier verschiedenen Wortschatzteilen: dem Institutionsvokabular, dem Ressortvokabular, dem allgemeinen Interaktionsvokabular und dem Ideologievokabular. Josef Klein erweitert mit dieser Einteilung Dieckmanns Einteilung um das Interaktionsvokabular.[25]

In einem Parteiprogramm finden sich nie alle diese Wortschatzbereiche. Das Institutionsvokabular, wozu Bezeichnungen staatlicher Organisationen, politischer Institutionen und spezifische Bezeichnungen für politische Handlungen, Prozesse und Zustände zählen, wird in einem Parteiprogramm kaum Anwendung finden.

Je stärker Politiker ressortorientiert sind, je mehr ihre politische Arbeit auf bestimmte Fachkreise ausgerichtet ist, umso mehr werden sie in ihrem jeweiligen Wirkungs-bereich vom Ressortvokabular Gebrauch machen.[26] Linguistisch interessant ist ein Worttyp zur Vermittlung von Ressort- und Allgemeinsprache: semi-fachsprachliche Bezeichnungen wie Giftmüll, Fristenlösung oder Maschinensteuer. Derartig plakative Ausdrücke finden sich in keinem Paragraphen eines Umwelt-, Straf- oder Finanzgesetz(entwurfs), gleichwohl wir sie in vielen ressortspezifischen Debatten zu hören bekommen. Sie dienen dazu, politisch brisante Tatbestände eines Ressorts auf eine griffige Formulierung zu bringen, die leicht als Schlagwort benutzt werden kann.[27] Nach dieser Definition Josef Kleins lässt sich feststellen, dass semi-fachsprachliche Bezeichnungen kein Bestandteil von Parteiprogrammen sind.

Die politische Sprache ist von allgemeinsprachlichen Bezeichnungen für menschliche Interaktionen durchsetzt. So lassen sich zum Beispiel in den Schlagzeilen von Tages-zeitungen unterschiedliche Ausdrücke zur Bezeichnung politischer Handlungen und Handlungsaspekte, die weder fachsprachlich noch ideologiesprachlich sind, finden: gefährden, Zitterpartie, Opfer, Schaden etc.[28]

Die letzte Gruppe des Ideologievokabulars bildet einen wichtigen Teil des Partei-programms, denn das Ideologievokabular umfasst die Wörter, in denen politische Gruppierungen ihre Deutungen und Bewertungen der politisch-sozialen Welt, ihre Prinzipien und Prioritäten formulieren.[29] Dabei lassen sich verschiedene Arten unterscheiden: Zum einen Lexeme, in denen artikuliert wird, was jeweils als Grundlage für soziale Beziehungen und Formationen gilt (Beispiele: Gemeinschaft, Familie, Kampf bei marxistischer Orientierung etc.), oder Lexeme, in denen die favorisierten Prinzipien der Organisation des politischen Lebens formuliert sind (parlamentarische Demokratie, Gewaltenteilung), oder aber auch Lexeme, in denen die grundlegenden Werte und Handlungsorientierungen zum Ausdruck kommen (Solidarität, Frieden, Revolution).[30] Die Unterschiedlichkeit der Ideologien zeigt sich in einer unterschiedlichen Auswahl an Vokabular in diesen Bereichen, wie im Verlauf der Arbeit noch anhand der Parteiprogramme im Vergleich gezeigt werden wird.

Heiko Girnth hält fest, dass die „integrative Sprachfunktion“ eine wichtige Rolle in Parteiprogrammen spielt, womit er Sprache und Funktion in einen Zusammenhang stellt: Die integrative Sprachfunktion dient dazu, „Gruppen zu definieren, nach außen abzugrenzen und nach innen zu stabilisieren, so dass sich das einzelne Gruppenmitglied mit der Gruppe identifizieren kann“[31].

2.2.2 Fahnen-, Stigma- und Schlagwörter

Zum Bereich des eben besprochenen Ideologievokabulars gehören in jedem Fall die Fahnen-, Stigma- und Schlagwörter. Besonders die beiden erstgenannten Wortgruppen sind Gegenstand des semantischen Kampfes. Fahnenwörter sind Wörter, deren Funktion es ist, als parteisprachliche Wörter aufzufallen. Das negative Pendant der Fahnenwörter bilden die Stigmawörter, die gleichfalls einen Parteistandpunkt in plakativer Weise kenntlich machen, nur mit dem Unterschied, dass hier die
gegnerische Partei, ihre Mitglieder, Ziele usw. negativ – statt die der eigenen Partei positiv – dargestellt werden.[32]

[...]


[1] Vgl. Hamburger Bildungsserver

[2] Tillmann 1989, 136

[3] Tillmann 1989, 136

[4] Hermanns 1989, 73

[5] Hermanns 1989, 73

[6] Hermanns 1989, 73

[7] Hermanns 1989, 73

[8] Hermanns 1989, 73

[9] Hermanns 1989, 73 f.

[10] Hermanns 1989, 74

[11] Tillmann 1989, 140

[12] Tillmann 1989, 140

[13] Ich verwende der besseren Lesbarkeit und Übersichtlichkeit halber immer nur die männliche Form, allerdings sei an dieser Stelle angemerkt, dass die weibliche Form, wie hier die WählerIN, mit inbegriffen ist, ohne, dass sie explizit Erwähnung findet.

[14] Tillmann 1989, 144

[15] Tillmann 1989, 143

[16] Tillmann 1989, 143

[17] Tillmann 1989, 144

[18] Tillmann 1989, 144 f.

[19] Tillmann 1989, 145

[20] Tillmann 1989, 145 f.

[21] Tillmann 1989, 145 f.

[22] Flohr 1968, 61

[23] Tillmann 1989, 146

[24] Tillmann 1989, 147

[25] Klein 1989a, 4

[26] Klein 1989a, 6

[27] Klein 1989a, 6 f.

[28] Klein 1989a, 7

[29] Klein 1989a, 7

[30] Klein 1989a, 8

[31] Zitiert nach Girnth 2002, 40

[32] Klein 1989a, 23 f.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Eine linguistische Analyse des Parteiprogramms der NPD und ein Vergleich mit den Programmen der CDU, PDS und SPD hinsichtlich des Themas Migration
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Institut für deutsche Sprache)
Veranstaltung
Sprache und Politik
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
27
Katalognummer
V83193
ISBN (eBook)
9783638898904
Dateigröße
495 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Eine, Analyse, Vergleich, Programmen, Themas, Migration, Sprache, Politik, SPD, CDU, NPD, PDS, Parteiprogramm, Hauptseminar, Linguistik
Arbeit zitieren
Doreen Fräßdorf (Autor:in), 2007, Eine linguistische Analyse des Parteiprogramms der NPD und ein Vergleich mit den Programmen der CDU, PDS und SPD hinsichtlich des Themas Migration, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83193

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