Langzeitarchivierung digitaler Daten

Fortschritt und Überlieferung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

25 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Geschichte der Textüberlieferung

3. Digitale Medien
3.1. Vorteile digitaler Medien
3.2. Nachteile digitaler Medien
3.2.1. Kosten
3.2.2. Problem des Urheberrechts
3.3. Lösungsansätze für die digitale Langzeitarchivierung

4. Fortschritt und Überlieferung

5. Fazit

6. Literaturliste

7. Zitatnachweise

1. Einleitung

Was für ein Schock ist es, wenn kulturelles Wissen in großem Maße verloren geht. Erst vor kurzem wurden Teile der Anna-Amalia Bibliothek in Weimar Opfer der Flammen. Oder man denke an die Zerstörung der großen Bibliothek von Alexandria. Der unwiederbringliche Verlust von unschätzbar wertvollem Wissen über die Antike wird noch heute von der Geschichtswissenschaft betrauert. Die Frage einer sicheren Langzeitarchivierung ist nicht nur aktuell durch den Brand der Anna-Amalia Bibliothek, sondern auch durch das verstärkte Aufkommen digitaler Daten für die bisher keine zuverlässigen Konzepte zur langfristigen Sicherung existieren. Ohne solche Konzepte besteht die reale Gefahr, diese Daten unwiederbringlich zu verlieren. Die Digitalisierung stellt einen gesamtgesellschaftlichen Wandel dar und einige Informationen existieren bereits ausschließlich digital.

Diese Arbeit möchte diskutieren, welche Vorteile die Digitaltechnik mit sich bringt, aber auch welche Probleme mit ihr einhergehen. Zu Beginn steht eine allgemeine geschichtliche Einführung in die Textüberlieferung, danach folgt ein Überblick der Digitaltechnik, um daraufhin ihre Vor- und Nachteile zu skizzieren. Über einen Anriss aktueller Lösungsansätze findet die Arbeit mit einer Gegenüberstellung von wirtschaftlichem Einfluss und kultureller Überlieferung ihren Abschluss.

2. Geschichte der Textüberlieferung

In der Geschichte hat die Textüberlieferung verschiedenste Gestalt angenommen und viele Formen hervorgebracht. In allen Fällen handelt es sich jedoch um den Versuch, Ideen, Gedanken und Vorstellungen zu fixieren und durch bestimmte Verfahren der Nachwelt zu erhalten. Doch obwohl es im Kern immer um dieselbe Sache ging, können einige fundamentale Einschnitte in der Entwicklung der Textüberlieferung festhalten werden: Die erste große Umwälzung fand vor zirka 8000 Jahren durch den Übergang von der Mündlichkeit der Oralkulturen zur Schriftlichkeit statt. Erstmals war es möglich, flüchtige Gedanken zu fixieren. Obwohl man die Wirksamkeit der mündlichen Überlieferung nicht unterschätzen darf – zum Beispiel die Überlieferung germanischer oder andere Heldenlieder – war mit dem Instrument der schriftlichen Fixierung von Texten erstmals die Möglichkeit der Archivierung gegeben.

„Mit dem Aufzeichnungssystem der Schrift erweitert sich nicht nur die Reichweite der politischen Herrschaft, der wirtschaftlichen Organisation und der gesellschaftlichen Kommunikation, es sedimentiert auch Reste sprachlicher Zeugnisse“ die dann aufbewahrt oder aber auch weggeworfen werden konnten. Es war nun möglich etwas der Nachwelt zu hinterlassen und somit mit ihr, wenn auch nur einseitig, zu kommunizieren. Man führte ein zweites Leben im Gedächtnis der Nachwelt .

Die Herstellung des Pergaments im dritten Jahrtausend vor Christus führte dazu, dass anstelle der bis dahin gebräuchlichen epigraphischen – wie Stein oder Metall, die dauerhaft aber schwer zu beschreiben sind – oder pflanzlichen Informationsträgermedien – wie Papyrus welches leicht zu beschreiben, aber wenig haltbar ist – ein Medium genutzt werden konnte, welches die Vorteile der leichten Beschreibbarkeit und das der Haltbarkeit miteinander vereinte.

Auch das spätere Papier besaß diese Eigenschaften, obwohl ein „benediktinischer Schreiber des 15. Jahrhunderts […]bereits vor dem Gedächtnisverfall des Buchzeitalters [warnte]. Dabei spielte er die zweitausend Jahre lange Haltbarkeit des Pergaments gegen die 200 Jahre des bedruckten Papiers aus.“ Es war für die Archive im Lauf der Jahrhunderte hinweg also nichts Neues, sich mit dem technologischen Wandel und somit mit der Haltbarkeit der zu verwahrenden Informationsträgern auseinanderzusetzen.

Die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Gutenberg im 15. Jahrhundert führte dann zu einem weiteren fundamentalen Wandel, denn sie machte die mühsame Niederschrift per Hand unnötig und führte dazu, dass eine schnelle und weite Verbreitung von Texten möglich wurde. Diese technisch erzeugte, systematische Schrift hatte auch weitreichende Folgen für den Umgang mit Texten. Sie führte zu einer strukturellen Änderung der Wissensgenerierung und durch „die ‚Standardisierung der Darstellungsformen’ des Wissens ergaben sich neue Möglichkeiten der Rationalisierung, der Kodifizierung, der Klassifizierung, der Katalogisierung und der Indexierung“ . Außerdem führte der Buchdruck, als eine neue Entwicklungsstufe der Aufzeichnungssysteme, zu einem sprunghaften Anschwellen der Archive, Bibliotheken und ähnlicher Institutionen, die der Erhaltung von gesellschaftlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen und somit meist auch wirtschaftlichen Dokumenten dienten. Es kam dadurch, wie bei jedem Wandel der Informationsträgermedien, zu einer Steigerung der kulturellen Speicherfähigkeit, obwohl die Überlieferungsleistung, mit der Einführung des Buchdruckes, immer noch auf die schriftliche und in sehr geringem Maße bildlichen Tradierung des Wissens beschränkt war. Es konnte somit nur ein sehr geringer Teil des Kulturguts festgehalten und weitergegeben werden.

Dies änderte sich erst in jüngster Zeit mit der Erfindung und Nutzung völlig neuer Aufzeichnungssysteme, die es erstmals ermöglichten Fassetten der Kultur zu überliefern, die über die Möglichkeit der schriftlichen Fixierung hinaus gingen: „Erheblich weniger reduktiv verfahren demgegenüber die analogen audiovisuellen Medien, die auch Tanz und Musik festhalten und damit etwas von der sinnlichen Vielfalt oralkultureller Performanz bewahren.“ Diesen neuen Trägern ethnographischer Information, gelang es – besser als jedes Medium vor ihnen – vor allem Teile der Alltagskultur abzubilden. Jedoch sind diese neuen Trägermedien weit radikaler von Verfalls- und Alterungsprozessen betroffen, als die Printmedien und so wird schon bei ihnen das konservatorische Problem der Archivierung deutlich.

Die Analogmedien wie Photographie, Tonband, Schallplatte und Film erforderten und erfordern noch heute, aufgrund ihrer „strukturellen Beschaffenheit – geringere Redundanz und hohe Datendichte – als auch in ihrer materiellen Beschaffenheit – chemische Veränderungen affizieren mechanische Eigenschaften – […] ganz andere Erhaltungsmaßnahmen.“

Hier wird deutlich wie anfällig und kurzlebig Analogmedien sind. Dennoch ist das Verfahren für die Langzeitarchivierung von Printmedien wie Bücher und Zeitschriften, Noten oder Karten, heute alltägliche Praxis. Mit der Nutzung dieser Vervielfältigungs-, Abbildungstechnik, war es erstmals möglich von seltenen Originalen Kopien anzufertigen, die dann weiter verbreitet werden konnten und somit nicht nur dem Schutz der Originale diente, sondern auch ihre Zugänglichkeit verbesserte. Die Entwicklung der Photographie führte somit nicht nur zu einer Steigerung der Authentizität, sondern durch „rationelle reprographische Verfahren wie dem Einsatz der Mikrofilmtechnik im Archiv und die Nutzung kostengünstiger und einfach zu handhabender elektrographischer Verfahren der Kopiertechnik“ auch zu einer zunehmend kostengünstigeren Vervielfältigung von seltenen Werken auf Film oder Kopien. Nun waren einige Dokumente für einen größeren Kreis Interessierter leicht zugänglich. Außerdem ist es durch diese Vervielfältigungstechnik möglich, gefährdete Bestände, zum Beispiel, die große Anzahl an Büchern, die zwischen 1840 und 1960 auf sich langsam zersetzenden, säurehaltigen „Holzschilfpapier“ hergestellt wurden, mit Hilfe von Kopien zu retten. Die Entwicklung der Photographie markierte so einen wichtigen Einschnitt für die Überlieferungstradition, sie löst Probleme, bringt in Bezug auf ihre eigene Konservation jedoch auch Probleme mit sich.

Die Photographie konnte zu diesem Zeitpunkt jedoch das Buch als Langzeitdatenspeicher nicht ersetzen. Ihr bis heute hartnäckigster Konkurrent ist die digitale Texterfassung. Der große Umschwung, den die Digitaltechnik mit sich brachte, „besteht darin, dass die seit Beginn der Schriftlichkeit unveränderte Kontinuität der Verbindung von Information und Informationsträger aufgelöst ist.“ Es kommt zu einer Entmaterialisierung, einer Verflüssigung der Information. Die Informationen sind nun nicht mehr zwangsläufig materialisiert, so dass die Verbreitung unikaler Information nicht mehr an fassbare Informationsträger wie Papier und Film gebunden ist: „Die üblichen Speichermetaphern, die sich auf paradigmatische Orte und Depots bezogen wie Magazin, Dachkammer oder Kiste, greifen nicht mehr für die Digitalspeicher.“

So stellt sich den mit der Überlieferung betrauten Institutionen, wie den Archiven, die Frage, wie nicht direkt wahrnehmbare Dokumente bewahrt werden können. Es ist bekannt bei welcher Temperatur, welcher Luftfeuchtigkeit und bei welcher Menge und Art des Lichts das Medium Buch optimal geschützt ist . Bei den digitalen Medien hingegen stellen sich ganz andere Herausforderungen. So könnte man beinahe meinen, der Kreis schließe sich „von der unsichtbaren und flüchtigen mündlichen Überlieferung hin zu der ebenfalls unsichtbaren und auf Dauer unsicheren, weil physisch nicht greifbaren Form der digitalen Überlieferung.“

Im Gegensatz zur mündlichen Überlieferung, bietet die elektronische Schrift jedoch große Vorteile für die Überlieferung, da sie die Speicherkapazität der Kultur noch einmal drastisch erweitert hat. Durch sie ist es möglich, auf immer weniger Speicherplatz, nicht nur Sprache, sondern auch Bilder, Filme und Töne in allen Variationen zu schreiben . Außerdem vereinfacht sie die Aufnahme von Informationen. Doch muss man festhalten, dass in Entwicklung der Informationsträger, „die Bequemlichkeit der Aufzeichnung und Kapazitätssteigerung in einem inversen Verhältnis zur Stabilität der Datenträger“ steht. Auf die Bedeutung der digitalen Medien, mit ihren Vor- und Nachteilen und deren Lösungsansätze für ihre Langzeitarchivierung werde ich im Folgenden genauer eingehen.

3. Digitale Medien

Die Lage heute ist um einiges komplexer, als noch vor wenigen Jahren. In unserer Gesellschaft wird Wissen und Information zu einem immer wichtigeren Faktor für die Wertschöpfung: „Informations- und Wissensvorsprung sind Wirtschafts- und Wettbewerbsfaktoren.“ Parallel zu dieser Entwicklung von einer Informationsgesellschaft hin zu einer Wissensgesellschaft, zeichnet sich eine Tendenz ab, dass immer mehr Informationen von nachhaltig, kulturellem Wert in digitaler Form vorliegen. Seien es nun wissenschaftliche, wirtschaftliche, rechtliche oder anderweitig für die Kultur relevante Daten. Hinzu kommt, dass durch die Wandlungsbeschleunigung der sozialen und technischen Lebenswelt die Masse digitaler Daten stetig zunimmt und es bei vielen dieser Daten eine gesetzliche oder andere Verpflichtung zur Langzeitarchivierung gibt: „So hat die Deutsche Bibliothek den gesetzlichen Auftrag, alle deutschen und deutschsprachigen, gedruckten oder elektronischen Publikationen zu sammeln und zu archivieren.“ Die Archivierung dient in diesem Fall dem Erhalt des kulturellen Erbes und so des kollektiven Gedächtnisses.

Außerdem finden sich zu archivierende digitale Daten beispielsweise im Bereich wissenschaftlicher Primärdaten, wie Sprachaufzeichnungen, Photographien und Messdaten, die kein zweites Mal erhoben werden können. Zudem erweitert sich das Spektrum wissenschaftlicher Informationsträger: Die traditionellen, wie Bücher, Zeitschriften, werden in der elektronischen Welt unter anderem durch Forschungssoftware, Datensammlungen in elektronischer Form, Animationen, elektronische Newsletter und Diskussionsforen, globale Hypertexte oder verteilte Informationssysteme ergänzt.

Eine weitere Quelle digitaler Daten, die vor allem in wissenschaftlichen Disziplinen eine Anwendung findet, ist die von analogen Originalen durch eine Retrodigitalisierung gewonnene. In wirtschaftlichen Branchen ist die Flugzeugindustrie zum Beispiel aus rechtlichen und herstellungsspezifischen Gründen verpflichtet, Konstruktionsunterlagen – die fast ausschließlich digital vorliegen – über unterschiedlich lange Zeiträume zu archivieren. Mit dem wachsendem Volumen digitaler Publikationen und anderen medialen Ausprägungen von Informationen, auf CD-ROM, DVD und im Internet, „wird die Frage immer drängender, wie solche Formen kultureller Überlieferung langfristig gesichert und für spätere Generationen zugänglich gemacht werden können.“

Eine Langzeitarchivierung und eine damit einhergehende Aufbereitung und Bereitstellung digitaler Daten hätte viele Vorteile, die den Zielvorstellungen der heutigen Informationsgesellschaft entsprechen würden. Diese Ziele, die auch mit der Andersartigkeit der digitalen Medien und mit der gleichzeitig veränderten Welt der Informationstechnik erst entstanden und möglich wurden, sind: Grenzenlose Mobilität, allgegenwärtige Virtualität und freizügige Verfügbarkeit der Informationen, die jedem zugänglich ist. „Diese Zielvorstellungen fließen letztlich in der Vision einer Informations- und Kommunikationstechniken intensiv nutzenden, wissensausschöpfenden Lerngesellschaft interaktiver Problemlöser zusammen.“

3.1. Vorteile digitaler Medien

Computer speichern Daten als Binärcode, so genannte Bitströme. Man spricht eher von digitalen Zeichenströmen, da theoretisch auch andere Basiszeichen verwendet werden könnten. Digitale Dokumente haben alle als Grundlage diesen universellen Code. „Dadurch wird nicht nur die universelle Verarbeitung (durch Computer) möglich, sondern auch die universelle Übertragung (in digitalen Netzen).“

Grundlage der Archivierung elektronischer Dokumente ist die Konservierung dieser Zeichenströme. Digitale Medien haben im Gegensatz zu analogen Vorteile. Bitfolgen lassen sich über längere Zeiträume ohne Informationsverlust aufbewahren und durch die rasant steigende Speicherkapazität und die fortwährende Miniaturisierung ist es möglich, eine große Anzahl von Daten Platz sparend zu speichern. Dabei ist es egal, ob es sich um Musik, Bilder, Texte, Animationen oder Filme handelt. Jede Information, die sich in den Binärcode übersetzen lässt, kann gespeichert werden und somit ergibt sich daraus eine attraktive, universell einsetzbare Basis für die Archivierung.

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Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Langzeitarchivierung digitaler Daten
Untertitel
Fortschritt und Überlieferung
Hochschule
Universität Hamburg  (Seminar für Philosophie und Geschichtswissenschaft)
Veranstaltung
Kommunikations- und Informationssysteme im 20. Jahrhundert
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
25
Katalognummer
V83195
ISBN (eBook)
9783638898911
ISBN (Buch)
9783638903646
Dateigröße
505 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Langzeitarchivierung, Daten, Kommunikations-, Informationssysteme, Jahrhundert
Arbeit zitieren
Kristian Kloth (Autor:in), 2006, Langzeitarchivierung digitaler Daten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83195

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