Der Begriff „Vergangenheitsbewältigung“ ist seit 1955 durch Theodor W. Adorno, durch die „Frankfurter Schule“1, eng in der Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus verhaftet. Die Nachkriegsliteratur dokumentiert bis heute die Schrecken der damaligen Jahre; die todbringende Diktatur der NSDAP unter der Führung Adolf Hitlers, den 2. Weltkrieg und seine zerstörende Kraft für die Bevölkerung sowie die Verfolgung und Vernichtung der Juden und der Staatsfeinde in Konzentrationslagern, um nur einige wenige Inhalte zu nennen. Erlebnisse und Erinnerungen von Augenzeugen dieser Schreckensherrschaft sind dabei häufig in der Literatur anzutreffen, seien es Kindheitserlebnisse wie z.B. dargestellt durch die Figur des Oscars in G. Grass: „Die Blechtrommel“2 oder gar Episoden der vom Krieg direkt Betroffenen, z.B. in „Das Tagebuch der Anne Frank“3 oder „ Ich war Hitlerjunge Salomon“4 von S. Perel. Diese Romane, Geschichten und Berichte des Krieges sind dabei nur ein populärer Teil der Bewältigung mit den Schrecken der NS-Zeit in der Nachkriegsliteratur.
Neben den Konsequenzen, die sich in der Nachkriegszeit ergeben haben, wie z.B. die Teilung Deutschlands in BRD und DDR, ist die Nachkriegsliteratur immer wieder auch damit beschäftigt, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie ein „Übergang von Gestern ins Heute zustande gekommen ist“5, mit der Frage nach der sozial-psychologischen Bewältigung dieser Zeit. Motive der Nachkriegsautoren drehen sich immer wieder um Fragen des persönlichen Gewissens, um Fragen nach der Kollektivschuld und Mitverantwortung der Deutschen6 bis zu Reorganisation einer deutschen Identität. Neben z.B. Karl Jaspers7 oder der Gruppe 478 beschäftigt sich Martin Walser mit dieser Thematik.
Diese Hausarbeit versucht Martin Walsers Vorstellungen der Vergangenheitsbewältigung durch die Inhaltsanalyse einer Auswahl seiner Reden und Aufsätze nachzuvollziehen. Welche Verantwortung trägt Deutschland für die Verbrechen an der Menschlichkeit während der NS-Zeit? Gibt es eine Kollektivschuld? Welche Vorstellung von Deutschland hat Martin Walser in diesem Zusammenhang? Dabei sollen Martin Walsers Vorstellungen vom geteilten Deutschland nicht unbedeutend bleiben….
Inhaltsverzeichnis
- Der Begriff der Vergangenheitsbewältigung: Eine Einführung
- Aufsätze und Reden im Werk Martin Walsers
- Unser Auschwitz (1965)
- Ausschwitz und kein Ende (1979)
- Über Deutschland reden (1988)
- Erfahrungen beim Verfassen einer Sonntagsrede (1998)
- Fazit
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit befasst sich mit den Vorstellungen von Martin Walser zur Vergangenheitsbewältigung, die er in einer Auswahl seiner Reden und Aufsätze zum Ausdruck bringt. Die Arbeit analysiert die Inhalte dieser Texte, um Walsers Sichtweise auf die deutsche Verantwortung für die Verbrechen an der Menschlichkeit während der NS-Zeit zu verstehen.
- Die Rolle der Kollektivschuld und Mitverantwortung in der Vergangenheitsbewältigung
- Die Bedeutung von Sprache und Diskurs in der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit
- Die Entwicklung von Walsers Positionen zur Vergangenheitsbewältigung im Laufe der Zeit
- Die Frage nach einer deutschen Identität im Kontext der NS-Vergangenheit
- Das Verhältnis von Literatur und Politik in Walsers Werk
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel dieser Arbeit widmet sich dem Begriff der Vergangenheitsbewältigung, der seit den 1950er Jahren eng mit der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus verbunden ist. Es wird ein Überblick über die literarische Auseinandersetzung mit den Schrecken der NS-Zeit gegeben, wobei Werke wie „Die Blechtrommel“ von Günter Grass und „Das Tagebuch der Anne Frank“ exemplarisch genannt werden. Das Kapitel beleuchtet zudem die Folgen des Zweiten Weltkriegs und die Frage nach der sozial-psychologischen Bewältigung dieser Zeit, die sich in der Nachkriegsliteratur immer wieder findet.
Das zweite Kapitel analysiert eine Auswahl von Aufsätzen und Reden Martin Walsers, die sich mit gesellschaftspolitischen Fragen Deutschlands auseinandersetzen. Es werden unter anderem Walsers Positionen zur Kollektivschuld, zur Teilung Deutschlands und zum Einfluss der Medien auf die Meinungsbildung beleuchtet.
Der Abschnitt 2.1. analysiert den Aufsatz „Unser Auschwitz“ (1965) und setzt Walsers Argumentation in Bezug zu Karl Jaspers „Schuldfrage“. Walser kritisiert in seinem Aufsatz die öffentlichen Debatten über die NS-Verbrechen und die fehlende Auseinandersetzung mit den Ursachen der Verbrechen.
Im Abschnitt 2.2. wird die Rede „Ausschwitz und kein Ende“ (1979) betrachtet, die sich mit dem anhaltenden Einfluss der NS-Vergangenheit auf die Gegenwart auseinandersetzt. Walsers Rede thematisiert die Schwierigkeit, mit der Vergangenheit Frieden zu schließen und die Gefahr, dass die Verbrechen des Nationalsozialismus vergessen werden.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Schlüsselbegriffen Vergangenheitsbewältigung, Kollektivschuld, NS-Zeit, deutsche Identität, Sprache, Medien, Literatur und Politik. Sie untersucht die Ideen und Positionen von Martin Walser in Bezug auf diese Themen und analysiert, wie er sich in seinen Reden und Aufsätzen mit der Vergangenheit Deutschlands auseinandersetzt.
- Arbeit zitieren
- Udo Lihs (Autor:in), 2007, Walsers Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83274