Die erste Ministerriege unter Konrad Adenauer - gescheiterte Entnazifizierung?!


Seminararbeit, 2007

22 Seiten, Note: 1,4


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG

I. DIE ENTNAZIFIZIERUNG
1. Die Entnazifizierungsgedanken der Alliiertenkonferenzen in Casablanca, Teheran und Jalta
2. Entnazifizierungsphase
3. Demokratisierungsphase
4. Status Quo der Entnazifizierung im Wahljahr 1949

II. DAS ERSTE KABINETT
1. Bundestagswahl 1949
2. Bundesregierung
2.1 Bundeskanzler Konrad Adenauer
2.2 Bundesminister

III. UMSETZUNGSPROBLEME BEI DER ENTNAZIFIZIERUNG

IV. NEUANFANG MIT ALTLASTEN

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

EINLEITUNG

„Dieser Rausch [des Nationalsozialismus] hat bis etwa 1935/36 auch die meisten, anfänglich Widerstrebenden zumindest partiell ergriff[en]; die Schar der wirklich ‚Immunen’ […] ist zeitweise winzig klein gewesen.“[1]

Im Jahre 1949 konstituierte sich das erste deutsche Bundestagskabinett unter Bundeskanzler Konrad Adenauer. Sowohl der Bundeskanzler als auch seine Ministerriege waren geprägt vom Nationalsozialismus. Jahre des Krieges, des Hungers, der Verwüstung, aber auch des Aufbaus lagen hinter ihnen. Sie begannen den politischen Aufbau eines Staates, der nach wie vor besetzt und gelenkt war von Okkupationsmächten, welche diesen Männern das Vertrauen und die Verantwortung zu einem demokratischen Neubeginn gaben. In dieser Hausarbeit wird erörtert, inwiefern die erste Ministerriege unter Adenauer als demokratischer Neubeginn erachtet werden kann.

Häufig hört und liest man von der „Stunde Null“ und „Zäsur“ nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Hierbei ist nicht zu vergessen, dass all diejenigen, die den Neubeginn anpackten, auch diejenigen waren, die das alte System mit Leben erfüllt hatten. Der berühmte Literat und Nobelpreisträger Günther Grass erlebte seine Jugend ebenfalls im Nationalsozialismus. Er galt in den letzten Jahrzehnten als Moralist und aktiver Pazifist. Im August dieses Jahres geriet Grass in die Schlagzeilen, als er nach 60 Jahren seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS bekannt gab. Dieses Bekenntnis stieß in vielen Teilen der Bevölkerung und Medien auf Verwunderung bis hin zur Forderung, man möge ihm den Nobelpreis rückwirkend aberkennen. Die Waffen-SS galt als verbrecherische Eliteeinheit, die durch rücksichtslosen Kriegsrechtsbruch und eine aktive Rolle beim Holocaust bekannt war. Nach dem heutigen Rechtsverständnis hätte Grass als Mitglied dieser Einheit Rechenschaft ablegen müssen! Wie gingen die Alliierten damals mit Nationalsozialisten um? Welche Maßnahmen ergriffen sie, um die Täter von einst zur Rechenschaft zu ziehen? Wie schafften sie den Spagat zwischen demokratischen Neuaufbau und Integration der alten Eliten?

In Abschnitt I wird die Entnazifizierungspraxis der Alliierten – beginnend bei der Kriegskonferenz in Casablanca mit erstmaliger amerikanischer Beteiligung – bis zum Wahljahr 1949 dargestellt. Der zweite Abschnitt stellt in Form von Kurzlebensläufen die erste Ministerriege der Bundesrepublik Deutschland vor, wobei das Hauptaugenmerk auf den Jahren vor und während des Nationalsozialismus liegt. Abschnitt III befasst sich mit den gesellschaftlichen Verhältnissen im Nachkriegsdeutschland und den damit verbundenen Umsetzungsschwierigkeiten der im ersten Abschnitt herausgearbeiteten Entnazifizierungsideologie. In Anlehnung an Berglar wird im letzten Abschnitt anhand der verschiedenen Biographien die moralische Einstellung der einzelnen Bundesminister zum Nationalsozialismus und deren Bedeutung im Gesamtkontext des demokratischen Neuaufbaus dargestellt.[2]

Die Bundesminister waren vom Volk gewählt und die obersten Repräsentanten der jungen Bundesrepublik. Die ursprünglichen Planungen der Alliierten sahen vor, dass diese Männer der ersten Stunde kein Teil des nationalsozialistischen Regimes sein und somit die Demokratie vorantrieben sollten. Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern man anhand der ersten Bundesministerriege von einem Erfolg respektive Misserfolg der Entnazifizierung sprechen kann.

I. DIE ENTNAZIFIZIERUNG

1. Die Entnazifizierungsgedanken der Alliiertenkonferenzen in Casablanca, Teheran und Jalta

Mit dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten von Amerika Ende 1941 intensivierten sich die Konferenzen der Anti-Hitler-Koalition. Neben unzähligen Besprechungen, Tagungen und Korrespondenzen stellten die drei Konferenzen in Casablanca, Teheran und Jalta die entscheidenden Weichen.

Auf der Konferenz in Casablanca vom 14. bis zum 24. Januar 1943 legten der US-Präsident Franklin D. Roosevelt und der britische Premierminister Winston Churchill in Abwesenheit des russischen Staatsoberhaupts Josef Stalin die nächsten Offensivaktionen fest. Hierbei wurde erstmals das offizielle Kriegsziel einer bedingungslosen Kapitulation der Hitlerkoalition verkündet. Im Oktober des gleichen Jahres verschärften die drei Großmächte (USA, Großbritannien und Sowjetunion) ihren Ton und drohten damit „alle die ihre Hände in Blut getränkt haben bis ans Ende der Welt zu verfolgen“[3]. Die gemeinsamen Ziele des Sieges über die Achsenmächte und die Ausrottung des Nationalsozialismus und Militarismus waren das einzige bindende Element zwischen den westlichen Hauptalliierten und der stalinistischen UdSSR.

Auf der Konferenz in Teheran vom 28. November bis zum 1. Dezember 1943 war zu erkennen, dass die Kooperation bezüglich des weiteren Vorgehens auf dem europäischen Kriegsschauplatz harmonisch und zielorientiert verlief. Jedoch schon die Ansichten über das Nachkriegsdeutschland divergierten stark und legten die Labilität des Zweckbündnisses offen.

Als zu Beginn des Jahres 1945 das bevorstehende Ende des Zweiten Weltkrieges abzusehen war, bestimmten die ‚Drei Großen’ auf der Konferenz von Jalta vom 4. bis zum 11. Februar 1945 die Aufteilung des Deutschen Reiches in drei Besatzungszonen. Es wurde erneut bekräftigt, dass ein Kriegsende nur mit einem Gesellschaftsumbruch und der endgültigen Beseitigung der NSDAP, des Militärs und der Rüstungsindustrie einhergehen könne.

Die Bestimmungen über die Eingriffe in die Verwaltung und das ökonomische sowie kulturelle Leben der deutschen Bevölkerung waren letztendlich so vage und oberflächlich gehalten, dass genug Auslegungsspielraum offen blieb.[4]

2. Entnazifizierungsphase

Mit der bedingungslosen Kapitulation am 8. Mai 1945 begannen die Siegermächte ihre vorherigen Konferenzentscheidungen im Sinne einer unumkehrbaren politischen Säuberung umzusetzen. Die per Berliner Deklaration[5] selbst legitimierten Militärregierungen konstituierten einen Kontrollrat, der Entscheidungen für ganz Deutschland einvernehmlich treffen sollte. In der Realität fassten die Siegermächte „nur selten […] Beschlüsse von grundlegender Bedeutung“[6] in diesem Gremium, stattdessen regierten sie durch die uneingeschränkte Handlungsfreiheit in ihren Zonen.

Als erste Entnazifizierungsmaßnahme teilten sie die Deutschen anhand eines Fragebogens in Strafklassen ein, welche Massenentlassungen und Strafen zur Folge hatten.[7]

Auf der Potsdamer Konferenz vom 17. Juli bis zum 2. August 1945 bekräftigten die USA, Frankreich, Großbritannien und die Sowjetunion ihren Entschluss, die Verwaltung sowie das politische, kulturelle und wirtschaftliche Leben im Deutschen Reich zu entnazifizieren.[8]

Dieser Grundsatzbeschluss[9] wurde in allen Besatzungszonen unterschiedlich gehandhabt, jedoch prägten diese Monate willkürliche und unnachgiebige Internierungen, Verhaftungen und Entlassungen durch Militär- und Sondergerichte. Parallel hierzu trieben die Westalliierten die Einführung demokratischer Regierungs- und Verwaltungsformen[10] voran. Im September 1945 wurde die Entnazifizierung per Militärgesetz auf die Wirtschaft ausgedehnt. Den Höhepunkt dieser radikalen Entnazifizierungswelle stellten die Umgestaltungen und Entlassungen in der Justiz sowie die im November begonnenen Nürnberger Prozesse[11] zur Bestrafung der Reichsführung dar. Zu Beginn des Jahres 1946 wurde deutlich, dass die Massenentlassungen, welche die Folge eines nicht vorhandenen Entnazifizierungskonzeptes waren, die personelle Decke in der Bürokratie zur Arbeitsunfähigkeit ausdünnten. Selbst die neu eingesetzten Entnazifizierungsausschüsse und –gremien litten von Beginn an unter dieser Problematik.

[...]


[1] Berglar, P.: Konrad Adenauer, Konkursverwalter oder Erneuerer der Nation?, Zürich, Frankfurt 1975, S. 42.

[2] Vgl. Berglar, P.: Konrad Adenauer, Konkursverwalter oder Erneuerer der Nation?, Zürich, Frankfurt 1975, S. 42f.

[3] Brochhagen, U.: Nach Nürnberg. Vergangenheitsbewältigung und Westintegration in der Ära Adenauer, Hamburg 1994, S. 21.

[4] Vgl. Bungenstab, Karl-Ernst: Umerziehung zur Demokratie?, Re-education-Politik im Bildungswesen der US-Zone 1945-1949, Düsseldorf 1970, S. 33f. Und Noethen, Stefan: Alte Kameraden und neue Kollegen, Polizei in Nordrhein-Westfalen 1945-1953, Essen 2003, S. 59f.

[5] Die Berliner Deklaration war die schriftliche Ausformulierung der bedingungslosen Kapitulation durch die Alliierten. In der Deklaration wurde das Besatzungsstatut sowie das Ende der Kriegshandlungen festgelegt. Vgl. Benz, W.: Deutschland seit 1945. Entwicklungen in der Bundesrepublik und in der DDR. Chronik, Dokumente, Bilder, Bonn 1990, S. 185-188.

[6] Morsey, R.: Die Bundesrepublik Deutschland, Entstehung und Entwicklung bis 1969, 3. überarb. und erw. Aufl., München 1995, S. 5.

[7] Die ersten Fragebögen dienten zur personellen Erfassung aller Deutschen. Hierbei entschied einzig und allein die Mitgliedschaft in NS-Organisationen oder in der Rüstungsindustrie über eine Sanktionierung der jeweiligen Person.

[8] In Potsdam wurden die sogenannten ‚vier D’ beschlossen: Demilitarisrierung, Demontage, Dezentralisierung und Demokratisierung. Demokratisierung beinhaltete die Entnazifizierung. (Vgl. Morsey, R.: Die Bundesrepublik Deutschland, Entstehung und Entwicklung bis 1969, 3. überarb. und erw. Aufl., München 1995, S. 3)

[9] Am rigorosten führte die Sowjetunion diesen Beschluss durch, indem sie angelernte Volksrichter und Neulehrer einsetzte. Hierbei gingen Entnazifizierung und kommunistische Kaderbildung Hand in Hand. Die bestehenden Lager wurden zur Entfernung politischer Gegner genutzt. Von den drei Westmächten agierte Frankreich am mildesten und versuchte die deutsche Vergangenheit hauptsächlich als Druckmittel zu benutzen. (Vgl. Winkler, H. A.: Der lange Weg nach Westen II, Deutsche Geschichte 1933-1990, Band 463 (Schriftenreihe der bpb), Bonn 2005, S. 118) Auch im Laufe der folgenden Jahre sollte sich das nicht ändern. Ehrich bezeichnet die FBZ sogar als „Eldorado für Schwerbelastete“. (Ehrich, E.: Heinrich Hellwege, Ein konservativer Demokrat, Hannover 1977, Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung, S. 27)

[10] Bungenstab beschreibt die Durchführung zweier demokratischer Prozesse. Auf der einen Seite der institutionelle Prozess mit der Einführung von Wahlen und Parteienbildung, auf der anderen Seite der geistige Prozess mit der Hinführung zur Demokratie als Gesellschaftsbasis. (Vgl. Bungenstab, K.-E.: Umerziehung zur Demokratie?, Re-education-Politik im Bildungswesen der US-Zone 1945-1949, Düsseldorf 1970, S. 18) Der institutionelle Prozess als Liquidation des Nationalsozialismus funktionierte mühelos per Direktiven, der geistige Prozess jedoch stellte ein großes Problem dar. (Vgl. Ehrich, E.: Heinrich Hellwege, Ein konservativer Demokrat, Hannover 1977, Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung, S. 7)

[11] Die Nürnberger Prozesse stellten ein Novum in der Geschichte dar. Erstmals wurden die führenden Persönlichkeiten und Militärs eines besiegten Landes vor Gericht für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen. Die Führung des Deutschen Reiches musste sich vor einem internationalen Militärtribunal wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Verbrechen gegen den Frieden verantworten. (Vgl. Winkler, H. A.: Der lange Weg nach Westen II, Deutsche Geschichte 1933-1990, Band 463 (Schriftenreihe der bpb), Bonn 2005, S. 117)

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die erste Ministerriege unter Konrad Adenauer - gescheiterte Entnazifizierung?!
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Geschichte)
Veranstaltung
Die Arbeitsgemeinschaft demokratischen Kreise in der Ära Adenauer
Note
1,4
Autor
Jahr
2007
Seiten
22
Katalognummer
V83379
ISBN (eBook)
9783638899420
ISBN (Buch)
9783638905275
Dateigröße
531 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ministerriege, Konrad, Adenauer, Entnazifizierung, Arbeitsgemeinschaft, Kreise, Adenauer
Arbeit zitieren
Norman Rönz (Autor:in), 2007, Die erste Ministerriege unter Konrad Adenauer - gescheiterte Entnazifizierung?!, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83379

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