Resozialisierung im Gefängnis


Hausarbeit (Hauptseminar), 2000

19 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Resozialisierung im Gefängnis:

I. Einleitung:
Definition von Resozialisierung:

II. Strafvollzug in Deutschland:
(a) Gesetzliche Grundlagen
(b) Die Umsetzung im Strafvollzug
(c) Spezielle Methoden und sozialpädagogische Vorgehensweisen
(d) Theorie
(e) Empirie

III. Internationaler Vergleich:
(a) Gefangenenpolitik im europäischen Vergleich
(b) Das APAC- Gefängnis in Brasilien
(c) „Zero Tolerance“ und „Glen Mills“ in den USA

IV. Kritik:

Quellennachweis:

I. Einleitung:

Die Gefängnisstrafe bzw. der Freiheitsentzug ist in fast allen Ländern das wichtigste Sanktionsmittel des Rechtssystems. Obwohl eine allgemeine Tendenz zur Vermeidung von freiheitsentziehenden Maßnahmen zunimmt, sind diese oft die letzte Konsequenz für Rückfällige und besonders schwerwiegende Taten.8 Jedoch ist die Bestrafung nicht das einzige Ziel des Strafvollzuges. Das Sozialstaatsprinzip verlangt staatliche Vor- und Fürsorge für Gesellschaftsgruppen, die wegen Unfähigkeit oder gesellschaftlicher Benachteiligung in ihrer persönlichen und sozialen Entfaltung behindert sind.14 Das gilt auch für die Gefangenen, die wie empirisch belegt ist oft aufgrund ihrer Sozialisation und mangelnden sozialen Einbindung zu abweichenden Verhalten neigen. Der Resozialisierungsgedanke ist daher das Hauptziel im Umgang mit straffälligen Menschen.

Wie er in Deutschland umgesetzt wird, wie die Grundlagen sind und wie der internationale Vergleich aussieht, darauf möchte ich in meinem folgenden Referat eingehen.

Definition von Resozialisierung:

Die Definition von Resozialisierung ist nicht einfach. Im „Lexikon zur Soziologie“ steht: „R. meint die vom Strafvollzug und auch von anderen Kontrollorganisationen angestrebte Befähigung des Insassen zu einem Leben ohne Konflikt nach seiner Entlassung“.

Problematisch an diesem Begriff ist die Vorsilbe „Re“, denn bei vielen Gefangenen handelt es sich eher um eine Erst- bzw. Ersatzsozialisierung, da das abweichende Verhalten häufig aus einer mangelnden Sozialisation resultiert.24 In der Fachliteratur gibt es darüber hinaus Diskussionen über die Abgrenzung zu anderen Begriffen, wie Rehabilitation, Besserung, Integration oder Sozialisation, aber darauf möchte ich hier nicht weiter eingehen, da die vorangegangene Definition für unsere Zwecke ausreichend sein dürfte.

II. Strafvollzug in Deutschland:

Am 31.12.1997 saßen in den deutschen Vollzugsanstalten rund 68000 Personen. Darunter 44700 Strafgefangene, wobei die Hälfte eine Haftstrafe von mehr als einem Jahr verbüßt. Der Anteil der Frauen beträgt nur 3,8%.10

(a) Gesetzliche Grundlagen

Seit 1977 existiert für den Strafvollzug Erwachsener eine spezielle Rechtsgrundlage, das Strafvollzugsgesetz.20 Hier werden inhaltliche Ausgestaltung und die Durchführung des Strafvollzuges geregelt und die Rechte und Pflichten der Gefangenen festgelegt. Im folgendem möchte ich auf die für eine Resozialisierung wichtigen Paragraphen eingehen. Grundlegend dafür sind die Paragraphen 2 und 3.

In § 2 wird das Vollzugsziel definiert: „Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen“. Somit ist das primäre Vollzugsziel die Resozialisierung des Gefangenen. Erst im 2.Satz wird als weitere Aufgabe der Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten genannt.

§ 3 legt drei Grundprinzipien der Gestaltung des Vollzuges fest, die für die Resozialisierung von Bedeutung sind. In Abs. 1 der Gleichstellungsgrundsatz: „Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen werden.“ , im 2. Abs. der Gegensteurungsgrundsatz: „Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken.“ und in Abs. 3 der Integrationsgrundsatz: „Der Vollzug ist darauf auszurichten, daß er dem Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern.“

Außerdem ist der § 7 von großer Bedeutung. Hier wird die Erstellung eines Vollzugsplanes vorgeschrieben, der mindestens Eintragungen zu folgenden Punkten enthält:

- die Unterbringung im geschlossenen oder offenen Vollzug,
- die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt,
- die Zuweisung zu Wohngruppen und Behandlungsgruppen,
- den Arbeitseinsatz sowie Maßnahmen der beruflichen Ausbildung oder Weiterbildung,
- die Teilnahme an Veranstaltungen der Weiterbildung,
- besondere Hilfs- und Behandlungsmaßnahmen,
- Lockerungen des Vollzuges und
- notwendige Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung.

In § 9 wird die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt geregelt. In Abs. 1 heißt es: „Ein Gefangener ist in eine sozialtherapeutische Anstalt zu verlegen, wenn er wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches zu zeitiger Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden ist und die Behandlung in einer sozialtherapeutischen Anstalt nach § 6 Abs.2 Satz 2 oder § 7 Abs.4 angezeigt ist. Der Gefangene ist zurückzuverlegen, wenn der Zweck der Behandlung aus Gründen, die in der Person des Gefangenen liegen, nicht erreicht werden kann.“. Abs 2 regelt die Verlegung von Gefangenen, die freiwillig in eine solche Anstalt verlegt werden wollen: „Andere Gefangene können mit ihrer Zustimmung in eine sozialtherapeutische Anstalt verlegt werden, wenn die besonderen therapeutischen Mittel und sozialen Hilfen der Anstalt zu ihrer Resozialisierung angezeigt sind. In diesen Fällen bedarf die Verlegung der Zustimmung des Leiters der sozialtherapeutischen Anstalt“.

Das sind meiner Meinung nach die wichtigsten Paragraphen zur Regelung der Resozialisierung im Strafvollzug. Es gibt natürlich noch viele Gesetze die auf Details und Besonderheiten eingehen. Ich möchte allerdings in Hinblick auf den Umfang dieser Arbeit darauf verzichten. Wer dennoch mehr über die Gestze wissen möchte, kann unter www.jurathek.de/tom/gesetze in das Strafvollzugsgesetz und auch alle andere Gesetzte einsehen.21

(b) Die Umsetzung im Strafvollzug

Der Erwachsenenvollzug:

Um den Gefangenen eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft nach dem Strafvollzug zu ermöglichen, soll dieser so nah wie möglich an dem „normalen“ Alltag orientiert sein. Ich gehe im folgenden auf den Ablauf ein, wie er idealtypisch sein sollte. Daß dies leider nicht der Fall ist, werde ich im Schlußteil unter Kritik darstellen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zunächst wird die Frage des offenen oder geschlossenen Vollzuges geklärt. Daß heißt, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind, z. B. keine Flucht- und Rückfallgefahr besteht, kann der Gefangene tagsüber einer selbst gewählten Arbeit nachgehen oder persönliche Besorgungen machen und muß nur abends ins Gefängnis zurück. Außerdem spielt die Schwere der Tat eine große Rolle, denn die Resozialisierung ist zwar das Hauptziel des Vollzuges auch für lebenslänglich Verurteilte, aber es darf dennoch nicht der Gedanke der Sühne und Strafe übergangen werden. Je schwerer die Tat, desto später wird mit Vollzugslockerungen und anderen weitergehenden resozialisierenden Maßnahmen angefangen. Ich werde in meinen weiteren Ausführungen hauptsächlich auf den geschlossenen Vollzug eingehen.

Besonders schwere Straftäter, beispielsweise Sexualverbrecher oder Wiederholungstäter, solche mit Psychosen oder auch Freiwillige, können ihre Strafe in einer sozialtherapeutischen Anstalt verbüßen. Diese beschreibe ich später noch genauer.

Die Gefangenen sollen in kleinen Wohngruppen bis zu 8 Personen mit persönlichen Rückzugsmöglichkeiten untergebracht werden, so daß Kontakt zu anderen möglich ist, aber im Gegensatz zur Unterbringung in Massen, die Subkulturbildung unterbunden wird. Außerdem lassen sich kleinere Gruppen besser überschauen und Drogenhandel oder Gewalt besser kontrollieren. Leider sind die baulichen Voraussetzungen dafür noch nicht in allen deutschen Gefängnissen vorhanden.

Wenn möglich soll dem Gefangenen wirtschaftlich ergiebige Arbeit im Vollzug angeboten werden, so daß der Einstieg in das Berufsleben nach der Entlassung erleichtert wird. Besitzt er keine ausreichende Schul- oder Ausbildung, kann er diese, wenn er dazu bereit ist, während seiner Strafzeit nachholen. Außerdem besteht die Möglichkeit eines Fernstudiums an der Uni Hagen. Allerdings können in Anstalten mit höherem Sicherheitsniveau nicht immer alle notwendigen Materialien, beispielsweise Bücher in ausreichendem Umfang, Computer oder Internetzugang, aus Angst vor Mißbrauch zugesichert werden. Kann ein Gefangener keine wirtschaftlich ergiebige Tätigkeit aufgrund seiner Fähigkeiten ausüben, werden arbeitstherapeutische Maßnahmen durchgeführt. Diese sollen ihn an einen geregelten Arbeitsablauf gewöhnen, seine Fähigkeiten trainieren und ihm Erfolgserlebnisse und Selbstvertrauen geben. Dabei sollen stets die Neigungen und Fertigkeiten des Gefangenen mit einbezogen werden. Allerdings hat er dabei, mit Ausnahme der Bildungsmaßnahmen, kaum Mitspracherecht.

Sozial lern- aber nicht therapiebedürftige Gefangene können auch an Maßnahmen des sozialen Trainings teilnehmen. In Gruppenseminaren werden frustrierende Situationen und Alltagsprobleme in Rollenspielen nachgestellt und Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt.

Den Gefangenen wird ein breites Maß an Freizeitmöglichkeiten angeboten. So sollen Interessen geweckt werden, die auch nach dem Strafvollzug die Freizeitgestaltung beeinflussen können und Möglichkeiten des Aggressionsabbau bieten, z. B. Boxtraining, Motorradfahren, Videoarbeit oder künstlerische Aktivitäten. Eine besondere Rolle wird hierbei dem Sport zugewiesen, zur Herstellung von körperlichem und seelischem Wohlbefinden und als Mannschaftssportart als zwanglose Form des sozialen Trainings.22

Der Jugendstrafvollzug:

Für den Jugendstrafvollzug gibt es leider noch keine gesetzliche Regelung, was in den nächsten Jahren jedoch geändert werden soll. Es gibt hier die allgemeine Rahmenvorschrift des § 91 JGG und die bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften zum Jugendstrafvollzug (VVJug). Bei rechtlichen Fragen kann übergangsweise das Strafvollzugsgesetz angewendet werden.

Für die Festlegung von Strafen und Erziehungsmaßnahmen gibt es ein spezielles Jugendstrafrecht. Da die Jugendlichen die Entstehung von Willenskraft und ihren sozialen Lernprozeß noch nicht abgeschlossen haben und kriminelle Handlungen häufig auch das Resultat von pubertären Stimmungsschwankungen und Situationsänderungen nach Beenden der Schule sind, wird dort mehr Wert auf erzieherische als auf bestrafende Methoden gelegt. Deshalb ist auch der Jugendstrafvollzug in erster Linie eine Erziehungsauflage und nicht Strafe.

[...]


1. Punishing criminals; Davies, Malcolm; 1993

2. Sozialtherapie im Strafvollzug; Driebold; 1981

3. Sozialtherapie und Strafvollzug; Egg; 1979

4. Umgang mit straffälligen Menschen; Moro, Daniela; 1992

5. Sozialtherapie - Die Möglichkeiten nach dem Strafvollzugsgesetz; Sörgel, Rudolf; 1989

6. Die Veränderung von Selbstkomponenten im Inhaftierungsverlauf jugendlicher Strafgefangener; Tauss, Raimund; 1992

7. Sozialtherapie als kriminalpolitische Aufgabe; Schmitt, Günter u.a.; 1981

8. Empirische Beiträge und Materialien zum Strafvollzug; Frieder Dünkel; 1992

9. Prison Culture: An Inside View; Finkelstein Ellis; 1993

10. Datenreport 1999; Bundeszentrale für politische Bildung; 2000

11. Ein soziologisches Konzept für ein Anti-Agressivitäts-Training im Jugendstrafvollzug; Karsten König; 1999 (Internetadresse leider nicht mehr bekannt!)

12. Reparaturen am beschädigten Leben; JEAN-MARTIN BÜTTNER; 1998 (Internetadresse leider nicht mehr bekannt!)

13. Gerüstet für die Haftentlassung Reflexionen aus dem beschädigten Leben von Erwin Trenz; 1998 (Internetadresse leider nicht mehr bekannt!)

14. Situation von Gefangenen im deutschen Strafvollzug; Fabian Jarmolowitz; 2000 (Internetadresse leider nicht mehr bekannt!)

15. Angriff auf die bösen Jungs; SPIEGEL ONLINE - 21. April 1999; http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,18564,00.html

16. Gefängnis und die Folgen; Krim-Info Nr. 19 März 1998; http://www.rrz.uni-hamburg.de/kriminol/kriminfo/ki-19.html

17. ZEIT-Serie zur Kriminalitätsdebatte: Gewalt unter Jugendlichen; DIE ZEIT 1997 Nr. 13; http://www.ZEIT.de/tag/suche/zeitiminternet.html

18. Zur aktuellen Situation im Hamburger Strafvollzug; Krim-Info Nr. 16 März 1997; http://www.rrz.uni-hamburg.de/kriminol/kriminfo/ki-16.htm

19. Studium hinter Gittern, "Zeit" Nr. 25/1999; http://www.archiv.ZEIT.de/daten/pages/199925.c-jva-studium_.html

20. Strafvollzugsgesetz ; 1977; www.jurathek.de/tom/gesetze

21. Kriminologie, Jugendstrafrecht, Strafvollzug; Dr. jur. B.Schmitt; 1998

22. Die Resozialisierungsidee im Strafvollzug; Mênil, Béatrice du; 1995

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Resozialisierung im Gefängnis
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Pädagogoisches Institut)
Veranstaltung
Hauptseminar: Analysen und Studien zum abweichenden Verhalten und zu Strategien der Resozialisierung
Note
1,7
Autor
Jahr
2000
Seiten
19
Katalognummer
V8359
ISBN (eBook)
9783638153478
ISBN (Buch)
9783638746335
Dateigröße
2350 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Resozialisierung, Gefängnis, Jugendliche, Glen Mills, APAC
Arbeit zitieren
Nadine Lange (Autor:in), 2000, Resozialisierung im Gefängnis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8359

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