Möglichkeiten zur Intensivierung des Kassenwettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland


Diplomarbeit, 2007

72 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Hinführung und Zielsetzung der Arbeit
1.1 Einführung in die Thematik
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

2 Regulierung des Wettbewerbs zwischen gesetzlichen Krankenkassen im gegenwärtigen
System
2.1 Erläuterung des Begriffes Wettbewerb und seine Bedeutung für den Krankenversicherungsmarkt
2.2 Wettbewerbsregulierung durch den Kontrahierungszwang
2.3 Wettbewerbsregulierung durch den einheitlichen Leistungskatalog
2.4 Wettbewerbsregulierung durch den Risikostrukturausgleich
2.4.1 Funktionsweise des Risikostrukturausgleichs
2.4.2 Risikoselektion in der Gesetzlichen Krankenversicherung

3 Gegenwärtige Situation und Möglichkeiten des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung
3.1 Preispolitik der Krankenkassen
3.1.1 Der Versicherungsbeitrag als Wettbewerbsinstrument
3.1.2 Instrumente der Preispolitik
3.1.3 Risikoselektion durch Preispolitik
3.2 Produktpolitik der gesetzlichen Krankenversicherungen
3.2.1 Instrumente der Produktpolitik
3.2.2 Risikoselektion durch Produktpolitik
3.3 Distributionspolitik
3.3.1 Instrumente der Distributionspolitik
3.3.2 Risikoselektion durch Distributionspolitik
3.4 Kommunikationspolitik
3.4.1 Instrumente der Kommunikationspolitik
3.4.2 Risikoselektion durch Kommunikationspolitik

4 Möglichkeiten zu verstärktem Wettbewerb im Rahmen des geplanten „Gesundheitsfonds“
4.1 Auswirkungen der Modifizierung des Beitragseinzugs, zusätzliche Beitragserhebung
und Beitragserstattung
4.2 Auswirkung einer Verringerung der Anzahl der gesetzlichen Krankenkassen auf den Wettbewerb
4.3 Auswirkungen des geplanten morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs
4.4 Risikoselektion im zukünftigen System des Gesundheitsfonds

5 Weitere Möglichkeiten zur Intensivierung des Kassenwettbewerbs und deren „soziale Verträglichkeit"
5.1 Auflockerung des einheitlichen Leistungskataloges
5.2 Auflockerung der einheitlichen Beitragsbemessung
5.3 Beseitigung des kollektiven Sicherstellungsauftrags und Ermöglichung individuellen Kontrahierens mit Leistungserbringern

6 Schlussbemerkung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Schematische Darstellung des Gesundheitsfonds

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Hinführung und Zielsetzung der Arbeit

1.1 Einführung in die Thematik

In Deutschland sind die Krankenkassen (KK) Träger der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Seit einigen Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten, sind diese einem enormen finanziellen Druck ausgesetzt. Dieser Druck basiert grundlegend auf der einkommens-abhängigen Beitragsfinanzierung, die den steigenden Ausgaben, verursacht durch den medizinisch-technischen Fortschritt und dem demographischen Wandel, d.h. einem stetigen Anstieg des Durchschnittsalters der deutschen Bevölkerung, bisher weitestgehend mit Beitragssatzsteigerungen begegnete. (vgl. Klusen 2006: 295; Friederich 2005: 19; Pauly 2002: 469) Diesem Ausgabendruck kommt verstärkend eine problematische Einnahmensituation der GKV hinzu. Die anhaltend schwache konjunkturelle Entwicklung der vergangenen Jahre verbunden mit fortwährend hoher Arbeitslosigkeit und moderaten Lohnsteigerungsraten führte zu einer Belastung der Entwicklung des Bruttolohns und -gehalts, welche die Einnahmenbasis der KKn schwächte und den Anstieg der Beitragssätze verstärkte. (vgl. Rürup et al. 2003: 144; o.V. 2002: 5) Lagen diese 1990 durchschnittlich noch bei 12,6% in den alten Bundesländern und bei 12,8% in den neuen Bundesländern, so lag er für Gesamtdeutschland im Jahr 2006 bereits bei 14,2%. (vgl. o.V. 2006a: 76) Für 2007 wird zudem ein Defizit der GKV in Höhe von 5 bis 8 Mrd. Euro erwartet, was eine weitere Beitragssatzerhöhung von ca. 0,6% nach sich ziehen könnte. (vgl. Beske 2006: 36; Klusen 2006: 295)

Dabei ist ein weiteres Ansteigen der Beitragssätze der GKV aus verschiedenen politischen und ökonomischen Gründen grundsätzlich unerwünscht. Führen sie doch zu einer zunehmenden Belastung nicht nur der Arbeitnehmerhaushalte, sondern auch zu einer Erhöhung der Lohnnebenkosten, da der Arbeitgeber (AG) auf Grund der paritätischen Finanzierung der GKV-Beiträge an diesen Erhöhungen beteiligt wird. (vgl. Binder 1999: 26) Das hat zur Folge, dass die Lohnnebenkosten weiter ansteigen werden und somit die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland vor dem Hintergrund steigender Kosten für den Produktionsfaktor Arbeit geschwächt werden kann. (vgl. Schwartz/ Krauth 1999: 87) Dies kann sich dergestalt negativ auf die Beschäftigung auswirken. (vgl. Klusen 2006: 295) Deshalb wurden bereits in der Vergangenheit einige Versuche unternommen, durch Reformen des Gesundheitswesens eine dauerhafte Entschärfung der Finanzproblematik in der GKV zu finden. Allerdings waren diese zumeist nur von kurzfristigem Erfolg. So haben nicht nur diverse Kostendämpfungsgesetze, sondern auch das Krankenhausfinanzierungsgesetz oder das Gesundheitsreformgesetz nur zu einer kurzfristigen Entlastung der GKV geführt. (vgl. Boetius 1999: 7)

Ein weiterer Ansatz zur Lösung der finanziellen Krise der KKn wurde 1993 mit dem Gesundheits-Strukturgesetz (GSG) vorgenommen. In dieser Gesundheitsreform wurden damals die Kernelemente für den seit 1996 bestehenden Wettbewerb zwischen den KKn beschlossen. Dazu zählen vor allem die Installation des so genannten Risikostrukturausgleichs (RSA), der gleiche Startchancen für alle Kassen bei Eintritt in den Mitgliederwettbewerb gewähren sollte, und die Schaffung der Kassenwahlfreiheit für den Großteil der Bevölkerung. (vgl. Höppner et al. 2005: 5) Dabei wurde der RSA 1994, d.h. zwei Jahre vor Einführung der allgemeinen Kassenwahlfreiheit, installiert, um den Kassen ausreichend Zeit zur Vorbereitung auf die kommende wettbewerbliche Ausrichtung der GKV zu geben. (vgl. Höppner et al. 2005: 5) Vor dem GSG galt ein generelles Zuweisungsprinzip, in dem ein Arbeitnehmer (AN) an die ihm zugewiesenen Kasse gebunden war. (vgl. Erbe 2006: 333) Durch die Etablierung der Kassenwahlfreiheit sollte sich der Wettbewerb zwischen den KKn der GKV erhöhen und dadurch positiven Einfluss auf den Beitragssatz als einen der wichtigsten Wettbewerbsparameter genommen werden (vgl. Erbe 2006: 333-335)

Auch das zum 01.01.2004 in Kraft getretene GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) hatte Einfluss auf die Wettbewerbssituation der KKn. Dabei spielten, wenn auch weniger grundsätzliche, Regelungen wie die des GSG für den Kassenwettbewerb eine wichtige Rolle, auf die im Einzelnen an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden soll (nähere Ausführungen zu den Regelungen des GMG finden sich in den Kapiteln „3.2.1 Instrumente der Produktpolitik“ und „5.2 Auflockerung der einheitlichen Beitragsbemessung“).

Festzuhalten bleibt, dass nach einer langen Abfolge von reinen Kostendämpfungsmaßnahmen mit Einführung des Kassenwettbewerbs ein neuer Weg zur Beitragssatzstabilisierung bzw. -senkung beschritten werden sollte. Durch mehr Wettbewerb soll den Kassen ein stärkerer Anreiz zu effizientem Umgang mit den Beiträgen auferlegt werden.

1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

Die zentrale Fragestellung dieser Arbeit ist, welche Wettbewerbsinstrumente und -strategien betriebswirtschaftlich und gesamtwirtschaftlich gegenwärtig von Bedeutung sind und wie sie sich unter möglichen zukünftigen Reformen und Änderungen des Gesundheitssystems in Deutschland verändern könnten. Um diese Frage zu beantworten, wird zunächst der Begriff des Wettbewerbs theoretisch erläutert und im Anschluss auf die GKV übertragen. Dabei sollen vor allem die Ziele und Zwecke des Wettbewerbs erläutert werden. Im nächsten Schritt werden die wettbewerbsbeschränkenden Regelungen der GKV analysiert und ihre Auswirkungen auf den Kassenwettbewerb erläutert.

Das dritte Kapitel widmet sich darauf aufbauend den gegenwärtig bedeutsamen und zum Einsatz gebrachten Wettbewerbsinstrumenten und -strategien der KKn unter Berücksichtigung der Wettbewerbsbeschränkungen.

Im vierten Kapitel wird zunächst auf das Konstrukt des Gesundheitsfonds als geplante Reform der GKV eingegangen. Die systematischen Veränderungen dieses Gesundheitsfonds werden Auswirkungen auf den Kassenwettbewerb haben. Daher sollen die wichtigsten potentiellen Änderungen und ihre Auswirkungen auf die Wettbewerbsstrategien theoretisch hergeleitet werden. Hierbei werden ebenfalls die gesamtwirtschaftlichen Aspekte des Gesundheitsfonds skizziert.

Daran anschließend sollen im fünften Kapitel weitere exemplarische Reformoptionen, die immer wieder in der politischen und wissenschaftlichen Diskussion auftauchen, auf ihre mög-lichen Auswirkungen auf den Kassenwettbewerb hin untersucht werden.

Im letzen Kapitel der Arbeit soll vor diesem Hintergrund ein Fazit aus den vorangegangenen Analysen und Diskussionen gezogen werden.

An dieser Stelle sei angemerkt, dass aus zeitlichen Gründen eine systematische Recherche der Literatur und Informationen v.a. bezüglich des Gesundheitsfonds nur bis zum 31.12.2006 möglich war. Änderungen und Informationen, die nach diesem Zeitpunkt vorliegen, werden daher nicht in der vorliegenden Arbeit berücksichtigt.

2 Regulierung des Wettbewerbs zwischen gesetzlichen Krankenkassen im gegenwärtigen System

Grundsätzlich ist der Kassenwettbewerb stark reguliert, was KKn nur geringen Handlungsspielraum im Wettbewerb lässt. (vgl. Straub/ Pütz 2004: 12) Diese Regulierungen und ihre Auswirkungen sollen in diesem Kapitel näher erläutert werden. Zuvor ist es jedoch notwendig, den Begriff des Wettbewerbs zunächst theoretisch zu erörtern und eine Übertragung auf die GKV vorzunehmen.

2.1 Erläuterung des Begriffes Wettbewerb und seine Bedeutung für den Krankenversicherungsmarkt

Im folgenden Abschnitt soll zunächst der Wettbewerbsbegriff im wirtschaftlichen Sinn kurz erläutert werden, bevor dieses Konstrukt dann auf die GKV übertragen wird. Dabei soll auch auf die politischen und wissenschaftlichen Motive für die Einführung des Kassenwettbewerbs eingegangen werden. Zum Abschluss sollen darüber hinaus die Auswirkungen des Wettbewerbs auf die KKn diskutiert werden.

Grundsätzlich wird Wettbewerb[1] im wirtschaftlichen Sinn durch folgende Merkmale charakteri­siert. Es muss ein Markt mit mindestens zwei Anbietern oder Nachfragern, die sich antagonistisch verhalten, vorliegen, damit eine Komplementarität der Anreiz- und Ordnungsfunktion gegeben ist. (vgl. o.V. 2000: 3477-3478) Außerdem erfordert ein funkti­onsfähiger Wettbewerb einen funktionierenden Preiswettbewerb, die Möglichkeit eines leichten Wechsels des Anbieters als auch die Möglichkeit des Zusammenschlusses und der erneuten Trennung der beteiligten Marktparteien, solange dadurch keine marktbeherrschen­de Stellung entsteht. (vgl. Breyer et al. 2006a: 8)

Dabei hat der Wettbewerb eine Vielzahl von Funktionen, die sich grundsätzlich in die Kategorien der gesellschaftspolitischen Funktionen und ökonomischen Funktionen aufteilen lassen. Zu den ökonomischen Funktionen zählt dabei die Verteilungsfunktion, die eine Verteilung von Gewinnen und Einkommen der Marktteilnehmer nach ihrer Marktleistung sicherstellen soll. Ein Unternehmen, das eine relativ hohe Leistung erbringt, soll entsprechend hohe Gewinne erwirtschaften können. (vgl. o.V. 2000: 3478) Des Weiteren ist die Steuerungsfunktion (auch Konsumentensouveränität genannt) des Wettbewerbs zu nennen. Sie stellt sicher, dass sich das Angebot an den Konsumentenpräferenzen orientiert. (vgl. o.V. 2000: 3478) Die Anpassungsfunktion stellt darauf aufbauend sicher, dass Angebote schnellstmöglich an veränderte Markt- und Wettbewerbsbedingungen (z.B. Veränderung der Konsumentenpräferenzen) angepasst werden. (vgl. o.V. 2000: 3478-3479) Eine möglichst effiziente Ressourcenverwendung wird durch die Allokationsfunktion des Wettbewerbs sicherstellt. (vgl. o.V. 2000: 3478; Neumann 2000: 1) Auch birgt der Wettbewerb eine Innovationsfunktion, die technischen Fortschritt und Innovationen in Form neuer Produkte oder Produktionsmethoden forciert und rasch realisiert. (vgl. o.V. 2000: 3479) Als letzte ökonomische Wettbewerbsfunktion soll hier die Kontrollfunktion erwähnt sein, die im Wettbewerb Vormachts- und Monopolstellungen vermeidet. (vgl. Reiners 1987: 111)

Neben den ökonomischen Funktionen erfüllt der Wettbewerb auch eine so genannte gesell-schaftspolitische Wettbewerbsfunktion. Diese liegt vor allem in der Gewährleistung von wirtschaftlichen Handlungs- und Entschließungsfreiheiten. Für die Anbieter bedeutet das die eigenverantwortliche Disposition der zur Verfügung stehenden Ressourcen, während es für die Konsumenten eine Wahlmöglichkeit zwischen alternativen Angeboten sichert. (vgl. o.V. 2000: 3479) Dadurch werden den Marktteilnehmern Freiheitsspielräume gewährt. (vgl. Mühlhausen 2002: 27)

Bei Übertragung des Wettbewerbskonzepts auf die GKV ist zunächst festzustellen, dass die Voraussetzungen für einen funktionsfähigen Wettbewerb nur eingeschränkt erfüllt sind. Außer Frage steht die Pluralität der Anbieter und Nachfrager angesichts der Tatsache, dass es derzeit über 70 Mio. GKV-Versicherte (vgl. o.V. 2006b: 2) und über 250 KKn in der GKV gibt (vgl. o.V. 2006a: 77) sowie eine Komplementarität der Interessen vorliegt. Weiter ist unbestritten, dass es eine einheitliche Ordnungsfunktion gibt, die grundlegend vom Gesetzgeber in den Sozialgesetzbüchern für alle KKn einheitlich geregelt ist. Auch die Möglichkeit eines Kassenwechsels ist in Deutschland seit 1996 gegeben sowie die Möglichkeit des Zusammenschlusses von Anbietern, d.h. von KKn in Form von Fusionen oder Zusammenarbeit auf Verbandsebene. Allerdings ist die Möglichkeit einer erneuten Trennung nach einer Fusion nicht mehr gegeben. Auch der Preiswettbewerb ist nicht vollkommen frei funktionsfähig, wie in diesem und dem dritten Kapitel noch gezeigt wird. Auf anderen Ebenen, wie z.B. der Produkt- und Distributionsebene, ist der Wettbewerb durch staatliche Regulierungen stark eingeschränkt. Dies wird mit dem Solidarziel des Kassenwettbewerbs begründet, der den gleichberechtigten Zugang aller Versicherten zur Gesundheitsversorgung sicherstellen soll. (vgl. Greß 2002: 491-492) Daher spricht man beim Kassenwettbewerb in der GKV auch von einem solidarischen Wettbewerb.

Bei der Diskussion um Funktion und Ziele des Kassenwettbewerbs stehen vor allem die Steuerungs-, Anpassungs-, Allokations- und Innovationsfunktion im Vordergrund. Dabei wird häufig argumentiert, dass eine stärkere Orientierung an den Präferenzen der Versicherten Ziel des Kassenwettbewerbs wäre. (vgl. Greß 2002: 491-492) Wie im Unterkapitel dieses Kapitels zum einheitlichen Leistungskatalog aber noch näher erläutert wird, besteht dazu nur stark eingeschränkt die Möglichkeit, da KKn lediglich ein minimaler Spielraum gegeben ist, um die individuellen Versichertenpräferenzen zu berücksichtigen. (vgl. Mühlhausen 2002: 34) Daher können Versicherte ihre Präferenzen allein durch Wahl bzw. Wechsel einer KK zum Ausdruck bringen. (vgl. Wüstrich 1994: 80) Ganz ähnlich verhält es sich bei der Anpassung an veränderte Präferenzen der Versicherten (Anpassungsfunktion). Auch hier liegt eine Veränderung des Leistungsspektrums, d.h. des Leistungskataloges, nicht in den Händen der einzelnen KKn. Allein in Randbereichen wie Satzungs- und Ermessensleistungen können einzelne KKn die Präferenzen ihrer Versicherten berücksichtigen. (vgl. Mühlhausen 2002: 34) Das wichtigste Ziel des Kassenwettbewerbs wird indes in der Allokationsfunktion gesehen. Die effiziente Verwendung der zur Verfügung stehenden Ressourcen steht dabei im Vordergrund und soll zu weit reichenden Einsparungen im Gesundheitswesen führen. (vgl. Erbe 2006: 339) Meist erhofft man sich durch Einsparungen auf Grund von Effizienzverbesserung im Gesundheitswesen bei gleich bleibendem Leistungsspektrum ein verbessertes Preis-Leistungsverhältnis. (vgl. Graf von der Schulenburg 1996: 27) Zusätzlich werden eine Verbesserung der Versorgung durch Suchprozesse nach Innovationen, d.h. im Gesundheitswesen neue Therapiemethoden, Einsatz von neuster Medizintechnik sowie neuer Versorgungsformen, sowie deren schnellstmögliche Einführung als Ziele des Kassenwettbewerbs genannt. (vgl. Wille 1999: 120) Aber auch hier ist kritisch anzumerken, dass Krankenkassen nur minimalen Spielraum zur Umsetzung dieses Ziels haben. Der einheitlich geregelte Leistungskatalog beschränkt die KKn ebenfalls auf Randgebiete wie z.B. innovativer Versorgungsformen. (vgl. Mühlhausen 2002: 38)

Neben diesen ökonomischen Zielen des Kassenwettbewerbs sollen außerdem die gesell-schaftspolitischen Auswirkungen kurz diskutiert werden. Dabei handelt es sich um die Gewährung einer Wahlfreiheit für den Versicherten zwischen den wählbaren KKn. (vgl. Mühlhausen 2002: 29-30) Diese Wahlfreiheit wird allerdings im Grunde wiederum von der mangelnden Produktdiversifizierungsmöglichkeit der KKn bedingt durch den Leistungskatalog eingeschränkt.

Es bleibt zu klären, welche Auswirkungen der solidarische Wettbewerb für die einzelnen KKn hat. Der Kassenwettbewerb äußert sich durch einen Mitgliederwettbewerb, der 1996 durch die Einführung der Kassenwahlfreiheit eingeläutet wurde. Entweder ist eine KK also durch ihr Angebot oder durch den Preis erfolgreich. Entscheidender scheint aber derzeit der Preis, d.h. der Versicherungsbeitrag zu sein. (vgl. Haenecke 2001: 24) Fest steht, dass im Wettbewerb nur leistungsfähige KKn bestehen können und dass Kassen, die diesem Wettbewerb nicht standhalten können und deren Leistungsfähigkeit auf Dauer nicht mehr sichergestellt ist, geschlossen werden (vgl. Pester 2005: 20)

2.2 Wettbewerbsregulierung durch den Kontrahierungszwang

Der Kontrahierungszwang der KKn ergibt sich aus § 175 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). (vgl. o.V. 2006c: 133) Darin ist festgelegt, dass eine KK, die von einer wahlberechtigten Person gewählt wird, die Mitgliedschaft nicht verweigern darf, sondern dem Versicherten die Mitgliedschaft anbieten muss. (vgl. Resch 2004: 39) Verbunden ist dieser Kontrahierungszwang mit einem Diskriminierungsverbot unerwünschter Versicherter, welches verhindern soll, dass i.d.R. schlechten Risiken, d.h. morbiden Menschen oder Personen mit geringem Einkommen, eine Mitgliedschaft auf Grund drohender hoher Ausgaben oder niedriger Einnahmen der KK verweigert wird. (vgl. Binder 1999: 84-85) Somit wird eine Selektion guter Risiken durch das systematische Ablehnen schlechter Risiken erschwert. (vgl. Cassel/ Janßen 1996: 16; Jacobs/ Wasem 1996: 141) Der Kontrahierungszwang in Verbindung mit einem Diskriminierungsverbot stellt eine zentrale Rolle für den solidarischen Wettbewerb dar. Er führt dazu, dass KKn sich ihre Kunden nicht aktiv aussu-chen können, sondern Interessenten als Versicherte aufnehmen müssen.

An dieser Stelle soll kurz auf die zur Verfügung stehenden wählbaren KKn eingegangen werden, für die seit dem GSG ein genereller Kontrahierungszwang gilt. Dabei stehen nach § 173 SGB V folgende KKn zur Wahl:

„ 1. die Ortskrankenkasse des Beschäftigungs- oder Wohnorts,
2. jede Ersatzkasse, deren Zuständigkeit sich nach der Satzung auf den Beschäftigungs- oder Wohnort erstreckt,
3. die Betriebs- oder Innungskrankenkasse, wenn sie in dem Betrieb beschäftigt sind, für den die Betriebs- oder die Innungskrankenkasse besteht,
4. die Betriebs- oder Innungskrankenkasse, wenn die Satzung der Betriebs- oder
Innungskrankenkasse dies vorsieht,
5. die Krankenkasse, bei der vor Beginn der Versicherungspflicht oder Versicherungsberechtigung zuletzt eine Mitgliedschaft oder eine Versicherung nach § 10 bestanden hat,
6. die Krankenkasse, bei der der Ehegatte versichert ist.“

(o.V. 2006c: 132).

Demnach unterliegen nicht geöffnete Betriebskrankenkassen (BKK) und Innungskrankenkassen (IKK) sowie die Bundesknappschaft, Landwirtschaftlichen Krankenkassen und Seekrankenkasse (See-KK) nicht dem allgemeinen Kontrahierungszwang und sind vom Kassenwettbewerb ausgenommen. (vgl. Stegmüller 1996: 108) Für BKKn und IKKn gilt dies, da sie sich per Satzung dem Wettbewerb öffnen müssen, um von allen wahlberechtigten Versicherten überhaupt gewählt werden zu können. Solange sie dies nicht tun, unterliegen sie auch keinem Kontrahierungszwang. Für die Bundesknappschaft, Landwirtschaftlichen Krankenkassen und See-KK gilt auf Grund ihrer Sonderstellung im GKV-System ein Bestandsschutz zur Sicherung ihrer Leistungsfähigkeit, weswegen sie generell nicht von Wahlberechtigten gewählt werden können und nach wie vor den Status einer Zuweisungskasse haben. (vgl. Stegmüller 1996: 108; Marburger/ Marburger 1997: 20) Auch für sie entfällt der Kontrahierungszwang für Interessenten außerhalb der ihnen zugewiesenen Personengruppen.

2.3 Wettbewerbsregulierung durch den einheitlichen Leistungskatalog

Über die Art der Leistungen, auf die ein Versicherter der GKV Anspruch hat, gibt § 11 SGB V einen Hinweis. Danach besteht ein rechtlicher Anspruch auf folgende Leistungsarten:

1. Leistungen „zur Verhütung von Krankheiten und von deren Verschlimmerung sowie zur Empfängnisverhütung, bei Sterilisation und bei Schwangerschaftsabbruch“ (o.V. 2006c: 14)
2. Leistungen „zur Früherkennung von Krankheiten“ (o.V. 2006c: 14)
3. Leistungen „zur Behandlung einer Krankheit“ (o.V. 2006c: 14)
4. „Leistungen zur medizinischen Rehabilitation“ (o.V. 2006c: 14)

Weiterführende Vorschriften finden sich in den §§ 25 bis 52 SGB V. (vgl. o.V. 2006c: 20-40) Allerdings gibt der Gesetzgeber nur Rahmenbedingungen vor und trifft keinerlei Regelungen, welche Einzelleistungen von einer Kasse erstattet werden müssen oder können. (vgl. Steenbecker 2005: 1) Diese Aufgabe überträgt der Gesetzgeber nach § 92 Abs. 1 dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), (vgl. o.V. 2006c: 75) der seinerseits Teil der Gemeinsamen Selbstverwaltung der GKV ist. (vgl. Rosenbrock 2003: 88) Somit erfolgt die Konkretisierung des Leistungskataloges in zwei Schritten: im ersten Schritt gibt das SGB V den Anspruch auf bestimmte Leistungsblöcke vor, die im zweiten Schritt durch den G-BA zu konkretisieren sind. (vgl. Greß et al. 2004: 41) Dabei unterliegt der G-BA durch entsprechende Vorgaben aus dem SGB V der Auflage, Leistungen nach Maßgabe der „ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung“ (o.V. 2006c: 75) zu beurteilen und in den Leistungskatalog aufzunehmen.

Nach § 91 Abs. 2 setzt sich der G-BA aus Vertretern der Leistungserbringer, Kostenträger und Patientenvertreter zusammen. (vgl. o.V. 2006c: 74) Des Weiteren gibt es zwei unparteiische Mitglieder sowie einen unparteiischen Vorsitzenden des G-BA. Die Leistungserbringer werden durch Ärzte, Psychotherapeuten und Krankenhäuserrepräsentanten vertreten, während die Kostenträger durch Vertreter der KKn repräsentiert werden. Alle Mitglieder aus diesen beiden Gruppen sowie die unparteiischen Mitglieder des G-BA haben ein aktives Stimmrecht, während Patientenvertretern dieses nicht zukommt. (vgl. Steenbecker 2005: 8-9)

Der Leistungskatalog gilt für alle KKn der GKV in gleicher Weise. Er definiert verbindlich die Leistungen, auf die GKV-Versicherte einen Anspruch haben. Daher spricht man in diesem Zusammenhang auch von einem einheitlichen Leistungskatalog. Die einheitliche, durch den G-BA kartellierte Festlegung des Leistungskataloges ist insofern notwendig, da sonst ein unkontrollierbarer Leistungswettbewerb zwischen den KKn entstünde. Manche Kassen könnten dazu verleitet werden, ihr eigenes Angebot auf Kosten anderer Kassen stark auszuweiten, um dergestalt einen Wettbewerbsvorteil ggü. der Konkurrenz zu erreichen. Außerdem wird eine einheitliche Definition der Leistungen vor dem Hintergrund des später noch zu behandelnden RSA notwendig, damit der Risiko- und Ausgabenausgleich in einer sinnvollen Art und Weise vollzogen werden kann.

Der einheitliche Leistungskatalog hat starke Auswirkungen auf den Kassenwettbewerb. Er schreibt etwa 95% aller GKV-Leistungen vor. (vgl. Lauterbach/ Wille 2001: 29) Den KKn wird, wie später noch näher erläutert, kaum Spielraum für eine Leistungsdifferenzierung im Produktwettbewerb gelassen. Auch können Kassen nur in geringem Maße Einfluss auf ihre Ausgaben für medizinische Leistungen nehmen, da sie gesetzlich verpflichtet sind, für die Leistungen des Leistungskataloges aufzukommen. (vgl. Schöffski/ Galas/ Graf von der Schulenburg 1996: 298) Andererseits kann auch die dadurch vermiedene Ausweitung der Leistungen einzelner Kassen als Instrument der Ausgabenstabilisierung in der GKV gesehen werden. (vgl. Greß et al. 2004: 41)

2.4 Wettbewerbsregulierung durch den Risikostrukturausgleich

Vor Einführung des RSA musste jede Kasse im Prinzip die eigenen Ausgaben durch die bei ihren Mitgliedern erhobenen Beiträge finanzieren. Die Einnahmen mussten also kostendeckend sein. Somit war die Solidargemeinschaft der Versicherten beschränkt auf die Mitglieder der eigenen Versicherung. Eine Versicherung, die einen Versichertenstamm hatte, der eine relativ hohe Morbidität und infolge dessen hohe Ausgaben aufwies, musste hohe Beiträge erheben, um diese Ausgaben zu decken. Auch Versicherungen, deren Mitglieder nur geringe beitragspflichtige Einkommen aufwiesen, mussten relativ hohe prozentuale Beiträge erheben, um die gegebenen Ausgaben finanzieren zu können. Im Gegensatz dazu kamen Versicherungen, deren Versicherte eine geringe Morbidität oder hohe Einkommen aufwiesen, mit deutlich geringeren Beitragssätzen aus.

Mit Einführung der Kassenwahlfreiheit wäre es nun ohne den RSA zu einem ruinösen Wettbewerb gekommen, da KKn mit hohen Beitragssätzen ihre Versicherten sehr schnell an Kassen mit niedrigen Beitragssätzen verloren hätten. (vgl. Donges et al. 2002: 62) Es musste also im Sinne eines fairen Wettbewerbs ein Ausgleich zwischen den KKn geschaffen werden, um gleiche oder vergleichbare Startchancen für alle Kassen zu schaffen, bevor sie mit anderen Kassen in den Wettbewerb um Mitglieder treten. (vgl. Haenecke 2001: 76) Daher wurde der RSA in Folge der Umsetzung des GSG 1994, d.h. zwei Jahre vor Einführung der allgemeinen Kassenwahlfreiheit, auf Basis des § 266 SGB V installiert. (vgl. Stegmüller 1996: 110) Der RSA sollte die entstandenen Unterschiede der einzelnen KKn sowohl auf der Einnahmenseite als auch auf der Ausgabenseite ausgleichen. (vgl. Donges et al. 2002: 65) Dies sollte durch eine möglichst geringe Beitragssatzwirkung der unterschiedlichen Versichertenstrukturen mit dem Ziel erreicht werden, (vgl. Lauterbach/ Wille 2001: 27) die damals bestehenden Beitragssatzunterschiede der einzelnen Kassen zu dämpfen. (vgl. Breyer/ Kifmann 2001: 3) Ein weiteres Ziel des RSA war die Vermeidung der Selektion von guten Risiken durch die KKn. (vgl. Haenecke 2001: 76) Ohne den RSA wäre es nach Einführung der Wahlfreiheit für Krankenkassen wirtschaftlich äußerst lukrativ gewesen, so genannte „gute Risiken“[2] zu attrahieren. (vgl. Lauterbach/ Lüngen 2005: 20) Auf diesen Punkt wird in den folgenden Abschnitten noch näher eingegangen.

Insgesamt sollte der RSA also einen fairen, solidarischen und verzerrungsfreien Wettbewerb und eine gerechtere Beitragsbelastung der Versicherten sicherstellen. Wie der Risikostrukturausgleich das zu bewerkstelligen versucht, soll im Folgenden erläutert werden.

2.4.1 Funktionsweise des Risikostrukturausgleichs

Der RSA gleicht grundsätzlich die einkommensabhängigen Einnahmen als auch die unterschiedlichen, von der Risikostruktur abhängigen Ausgaben der unterschiedlichen KKn aus. (vgl. o.V. (o.J.a): 2) Auf der Ausgabenseite werden dabei die Merkmale Alter, Geschlecht, Erwerbsminderungsstatus, Krankengeldanspruch, Anzahl kostenfrei mitversicherter Familienmitglieder und die Einschreibung in Disease-Management-Programme (DMP) berücksichtigt. (vgl. Erbe 2006: 334; Wasem/ Lauterbach/ Schräder 2005: 9) Mit diesen Merkmalen wird versucht, eine Morbidität bzw. das Ausgabenrisiko der Versicherte, das je nach Alter und Geschlecht einen typischen Verlauf aufweist, indirekt abzubilden. (vgl. Oberender/ Ecker 1996: 58) Durchschnittlich betrachtet verursachen Frauen etwas höhere Gesundheitsausgaben als Männer. Genauso steigen die Gesundheitsausgaben mit zunehmendem Alter stark an. Des Weiteren liegt auf der Hand, dass Versicherte mit mehr Familienversicherten tendenziell höhere Ausgaben verursachen als Singles ohne Familie. Auch wird ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente und Krankengeld die Ausgaben tendenziell genauso erhöhen, wie eine chronische Krankheit, die im Rahmen eines DMP therapiert wird.

Um diesen Ausgleich technisch zu bewerkstelligen, unterteilt der RSA alle Versicherten der GKV in so genannte Cluster oder RSA-Zellen, jeweils nach Alter, Geschlecht, Erwerbsminderungsstatus und Krankengeldanspruch. (vgl. o.V. (o.J.a): 2) Derzeit existieren 670 solcher RSA-Zellen. (vgl. o.V. (o.J.a): 5) Für jedes eingeschriebene DMP verdoppelt sich die Anzahl der Zellen, da diese Versicherten im RSA gesondert berücksichtigt werden. (vgl. o.V. (o.J.a): 5-6) Für jede Zelle werden nun rechnerisch die standardisierten, d.h. durchschnittlichen Leistungsausgaben auf Basis der Angaben der KKn ermittelt. (vgl. o.V. (o.J.a): 6)

Der so genannte Beitragsbedarf einer Kasse ermittelt sich darauf aufbauend aus der Addition der standardisierten Leistungsausgaben aller Versicherten einer KK. (vgl. Jacobs et al. 2002: 62-63) Der Beitragsbedarf einer Kasse stellt also diejenige Geldmenge dar, die eine KK für ihre Versicherten hätte verbrauchen dürfen, wenn sie genau durchschnittliche Leistungsausgaben für den einzelnen Versicherten aufgewiesen hätte. (vgl. Reichelt 1996: 96)

Dieser Größe wird die so genannte Finanzkraft einer Kasse gegenübergestellt. Dazu wird im ersten Schritt der so genannte Ausgleichsbedarfssatz berechnet. Dazu wird die Summe der Beitragsbedarfe aller Kassen ermittelt und durch die Grundlohnsumme geteilt. Es ergibt sich der Ausgleichsbedarfssatz, ein theoretischer durchschnittlich benötigter Beitragssatz, wenn eine Kasse eine durchschnittliche Versichertenstruktur aufweisen würde. Dieser wird nun mit den Grundlöhnen der einzelnen Kasse multipliziert, woraus sich die Finanzkraft einer Kasse ergibt. (vgl. Jacobs et al. 2002: 63)

Die Differenz zwischen Finanzkraft und Beitragsbedarf der einzelnen Kasse stellt die RSA-Transfersumme dar. (vgl. Jacobs et al. 2002: 63) Ist also der Beitragsbedarf größer als die Finanzkraft, besteht bei der Kasse ein Ausgleichsanspruch. Übersteigt dagegen die Finanzkraft den Beitragsbedarf, unterliegt die Kasse einer Ausgleichsverpflichtung. (vgl. o.V. (o.J.a): 3)

Zusätzlich zum Ausgleich der genannten Merkmale gibt es seit dem 01.01.2005 einen Risikopool. In diesem werden die Ausgaben für diejenigen Patienten zu 40% kompensiert, deren Jahresausgaben über einem festgelegten Schwellenwert liegen. Für 2005 lag dieser Wert bei 20.750,74 Euro. (vgl. o.V. 2006d: 1) Die restlichen 60% dieser Ausgaben müssen nach wie vor allein von der Kasse getragen werden. (vgl. Höppner et al. 2005: 24)

Insgesamt soll der RSA auf Grund seiner Funktionsweise dazu führen, dass KKn Anreize zur wirtschaftlichen Verwendung ihrer Mittel gesetzt werden. Kassen, die für ihre Versicherten im Hinblick auf die berücksichtigten Merkmale überdurchschnittlich hohe Ausgaben aufweisen, sollen langfristig auch überdurchschnittlich hohe Beiträge erheben müssen. Dagegen sollen Kassen, die über verhältnismäßig schlechte Versichertenstrukturen verfügen, besser gestellt werden, da sie entsprechend ihrer Versichertenmerkmale hohe Zuweisungen über den RSA erhalten. Demzufolge sollte der von einer Kasse erhobene Beitragssatz nicht Ausdruck der guten oder schlechten Versichertenstruktur einer Kasse sein, sondern einen Hinweis auf die Effizienz bei der Mittelverwendung geben. So konnte der RSA die Beitragssatzspanne von theoretisch 7,5% bis 20,7% ohne RSA-Ausgleich (vgl. Cassel 2006: 79) auf 11,9% bis 15,7% Ende 2003 senken (vgl. o.V. (o.J.b): 36).

Warum der Ausgleich der Versichertenstrukturen durch den RSA trotzdem unvollkommen ist, soll im folgenden Abschnitt erläutert werden. Hier soll auch erklärt werden, warum der RSA eine Selektion guter Risiken nicht vollständig zu unterbinden vermag, wie es eigentlich eine der Hauptintentionen bei der Errichtung dieses Instruments war.

Für die folgenden Kapitel gilt es auch zu beachten, dass der RSA nur die Ausgaben für Leistungen des Leistungskataloges ausgleicht. Aufwendungen für die Verwaltung und Ausgaben für Satzungs- und Ermessensleistungen fließen nicht in die Berechnung des RSA ein. (vgl. Höppner et al. 2005: 18)

2.4.2 Risikoselektion in der Gesetzlichen Krankenversicherung

Zunächst soll an dieser Stelle der Begriff der Risikoselektion erklärt werden. Grundsätzlich beschreibt Risikoselektion die gezielte Strategie einer Versicherung, in diesem Fall einer KK, zur Verbesserung der eigenen Risikostruktur. (vgl. Höppner et al. 2006: 120) Dies kann geschehen, indem Versicherungen versuchen, Versicherte mit guten Risiken anzulocken bzw. zu halten oder Versicherte mit ungünstigen Merkmalen abzuschrecken bzw. zu einer Kündigung zu bewegen. (vgl. Höppner et al. 2006: 121; Holzmann/ Bertele 2005: 96) Dabei tritt eine Risikoselektion durch Versicherungen grundsätzlich nur in Versicherungsmärkten auf, in denen keine risikoadjustierten Prämien bzw. Beiträge erhoben werden. (vgl. Van de Ven et al. 1992: 23) Dies ist in der deutschen GKV der Fall, da die Beiträge nicht am individuellen Morbiditätsrisiko des Versicherten, sondern an seinem beitragspflichtigen Einkommen bemessen werden.

Theoretisch lassen sich vier Arten der Risikoselektion differenzieren, wobei nicht alle in der GKV zur Anwendung kommen. Man kann dabei die offene Risikoselektion von der subtilen bzw. verdeckten Risikoselektion sowie die ex ante von der ex post Risikoselektion unterscheiden. Die offene Risikoselektion wird offenkundig, d.h. unter Mitwissen der Betei-ligten, durchgeführt. Auf Grund des Kontrahierungszwangs in der GKV ist diese Form allerdings gesetzlich verboten. Die verdeckte Risikoselektion hingegen wird ohne Wissen der externen Beteiligten, d.h. Interessenten oder Versicherten und des Gesetzgebers, durchgeführt. Auf Grund des Verbots der offenen Risikoselektion muss in der GKV Risikoselektion stets subtil bzw. verdeckt erfolgen. Die ex ante Risikoselektion beschreibt eine Strategie, die sich vor Abschluss eines Vertrages, d.h. vor Eintritt eines Versicherten in eine KK, vollzieht. Diese ist in Deutschland nur schwer durchführbar, da der Interessent vor Eintritt keine Auskunft über seinen Gesundheitszustand geben muss und die KK dem Kontrahierungszwang unterliegt. Die ex post Risikoselektion soll hingegen bereits versicherte Mitglieder zum Austritt bzw. zur Kündigung bewegen. Der Einsatz dieser Strategie ist in der GKV eher möglich, da der Kasse nach Eintritt bereits Daten über den Versicherten vorliegen, die eine individuelle Risikoeinschätzung besser ermöglichen. (vgl. Höppner et al. 2005: 34-35) Welche Risikoselektionsinstrumente im Einzelnen in der GKV zum Einsatz kommen, soll im dritten Kapitel näher erläutert werden.

Es stellt sich die Frage, was gute und schlechte Risiken aus Sicht der GKV sind. Generell lässt sich sagen, dass Versicherte immer dann ein gutes Risiko für eine Kasse darstellen, wenn es durch sie langfristig möglich ist, den Beitrag zu senken. (vgl. Wille/ Resch 2005: 14) Dies ist i.d.R. bei Versicherten der Fall, die einen positiven Deckungsbeitrag aufweisen, d.h. deren Beitragszahlungen die Leistungsausgaben übersteigen. (vgl. Resch 2004: 27) Vor dem Hintergrund des RSA bedeutet dies, dass die tatsächlichen Leistungsausgaben der Versicherten unter den standardisierten Leistungsausgaben des RSA liegen müssen. (vgl. Binder 1999: 85-86)

In Deutschland betreiben etwa 50% aller KKn Risikoselektion als Strategie der Bestandspflege. (vgl. Haenecke 2001: 354) Risikoselektion ist somit ein weit verbreitetes Instrument im Kassenwettbewerb, weshalb sie in dieser Arbeit mit in die Betrachtung einzuschließen ist. Im nächsten Abschnitt wird nun detailliert auf die Motive und Gründe für KKn eingegangen, die Risikoselektion als strategisches Instrument zum Einsatz zu bringen.

Gründe für Risikoselektion

Ein Anreiz zur Risikoselektion besteht im Wesentlichen auf Grund der wirtschaftlichen Interessen der Krankenkassen. Obwohl es ihnen per Gesetz untersagt ist, Gewinne zu erwirtschaften, haben sie im Kassenwettbewerb dennoch ein Interesse an positiven Deckungsbeiträgen, da sich durch sie langfristig die Beiträge senken lassen. (vgl. Schwarze/ Andersen 2001: 13) Dies ist in einem Kassenwettbewerb, bei dem der Beitragssatz als Substitut für den Preis eines Produkts fungiert, existenziell für ein wirtschaftliches Überleben (vgl. dazu auch „3.1.1 Der Versicherungsbeitrag als Wettbewerbsinstrument“).

Eine Risikoselektion ist für KKn aus zwei zentralen Gründen profitabel. Zum einen werden auf der Ausgabenseite lediglich standardisierte und nicht die tatsächlichen Leistungsausgaben für Versicherte ausgeglichen. (vgl. Cassel/ Janßen 1996: 39) Diese können in der Realität aber stark voneinander abweichen. (vgl. Oberender/ Ecker 1996: 55) So wird ein Versicherter mit relativ geringerer Morbidität deutlich niedrigere Ausgaben verursachen als es die standardisierten Ausgaben des RSA vorsehen. Auf der anderen Seite wird ein chronisch Kranker deutlich höhere Ausgaben verursachen als der Durchschnitt in seiner RSA-Zelle. Der Ausgleich der Merkmale Alter, Geschlecht und Invalidität über den RSA ist also zur Abbildung der tatsächlichen Verteilung der Morbidität und damit zur Erklärung der Varianz in den individuellen Leistungsausgaben ungenügend. (vgl. Cassel 2006: 78) Es findet vor diesem Hintergrund eine Selektion von überdurchschnittlich Gesunden und ein Wettbewerb um diese statt, da diese weniger Leistungsausgaben aufweisen als sie Beiträge einzahlen und als der Kasse im RSA für diesen Versicherten zugestanden wird. (vgl. Wasem/ Buchner 2006: 282)

Der zweite wesentliche Grund für eine Risikoselektion trotz RSA liegt darin, dass im RSA die Ausgaben für Satzungs- und Ermessensleistungen sowie Verwaltungsausgaben nicht berücksichtigt werden. (vgl. Höppner et al. 2005: 18) Somit werden nur etwa 92% der Gesamtbeitragseinnahmen einer Krankenkasse im RSA ausgeglichen. (vgl. Jacobs et al. 2002: 133) Auf Grund des unvollkommenen Ausgleichs der Beitragseinnahmen besteht auf Seiten der KKn der Anreiz zur Selektion besonders einkommensstarker Versicherter. (vgl. Reschke et al. 2005: 25; Rosenbrock 2003: 88-89) Bei Versicherten mit hohem Einkommen reicht bereits ein relativ geringer Teilbeitragssatz, um die im RSA nicht berücksichtigen Ausgabenblöcke zu finanzieren. (vgl. Jacobs et al. 2002: 134)

Insgesamt lässt sich sagen, dass vor allem relativ gesunde und einkommensstarke Versicherte für KKn attraktiv sind und entsprechend selektiert werden. Es ist ersichtlich, dass der RSA eine Risikoselektion durch die Kassen und den Wettbewerb um gute Risiken lediglich dämpfen, aber nicht unterbinden kann. (vgl. Pester 2005: 62; Schwartz/ Krauth 1999: 88) Kassen können durch Risikoselektion eine Verbesserung ihrer Versichertenstruktur herbeiführen, die positive Auswirkung auf ihre wirtschaftliche und wettbewerbliche Situation hat und ihren Unternehmenserfolg sichert. (vgl. Gerresheim 1996: 19)

[...]


[1] Wettbewerb wird im Folgenden stets als wirtschaftlich-ökonomischer Wettbewerb betrachtet.

[2] Eine Definition des Begriffs „guter Risiken“ erfolgt im späteren Verlauf dieser Arbeit im Kapitel „Risikoselektion in der Gesetzlichen Krankenversicherung“.

Ende der Leseprobe aus 72 Seiten

Details

Titel
Möglichkeiten zur Intensivierung des Kassenwettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
72
Katalognummer
V83743
ISBN (eBook)
9783638874076
ISBN (Buch)
9783638874175
Dateigröße
766 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Möglichkeiten, Intensivierung, Kassenwettbewerbs, Krankenversicherung, Deutschland
Arbeit zitieren
Thomas-Naoki Nakashima (Autor:in), 2007, Möglichkeiten zur Intensivierung des Kassenwettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83743

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