Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Psychoanalytische Theorien
1.1 Psychische Instanzen
1.2 Abwehrmechanismen
2. Lerntheorien
2.1 Konditionierung
2.2 Modell-Lernen
2.3 Die Wirkung von Strafmaßnahmen nach lerntheoretischer Sicht
3. Systemische Theorien
4. Molekularbiologische Theorien
4.1 Körpereigene Suchtstoffe
4.2 Genetisch bedingtes Suchtverhalten
5. Politisch-ökonomische Theorien
Schlussbetrachtung
Literatur
Einleitung
Drogenprobleme bzw. Drogenabhängigkeit gehören zu den in der Öffentlichkeit am heftigsten diskutierten Themen.
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) handelt es sich bei dem Begriff Drogenabhängigkeit „um eine Gruppe körperlicher, Verhaltens- und kognitiver Phänomene, bei denen der Konsum einer Substanz oder einer Substanzklasse für die betroffene Person Vorrang hat gegenüber anderen Verhaltensweisen, die von ihr früher höher bewertet wurden“. Ein entscheidendes Merkmal der Abhängigkeit ist der häufig stärke, manchmal übermächtige Wunsch, psychotrope Substanzen oder Medikamente, Alkohol oder Tabak zu konsumieren. Die Abhängigkeit kann sich auf einen einzelnen Stoff, eine Gruppe von Substanzen oder ein weiteres Spektrum unterschiedlicher Substanzen beziehen.
(vgl. Remschmidt/Schmidt/Poustka 2001, S. 115)
Doch was sind die Gründe und Ursachen dafür? Warum werden einige Menschen süchtig und abhängig, andere aber nicht?
Mit dieser Frage möchte ich mich im Rahmen der vorliegenden Hausarbeit beschäftigen. In der Literatur findet man hierzu die unterschiedlichsten Theorien und Ansätze. Um den Rahmen dieser Hausarbeit nicht zu sprengen, soll im Folgenden lediglich ein Überblick der Theorien aus psychoanalytischer, lerntheoretischer, systemischer, molekularbiologischer sowie politisch-ökonomischer Sicht gegeben werden.
Am Ende der Arbeit soll nochmals auf die Eingangsfrage eingegangen und zusammengefasst werden, welche Faktoren eine besondere Rolle bei der Entstehung einer Drogenabhängigkeit spielen.
1. Psychoanalytische Theorien
Psychoanalytische Theorien stellen einen psychodynamischen Ansatz dar. Zentrale Punkte hierbei sind die Genese der Persönlichkeitsstruktur, die Trieblehre sowie die Lehre der psychischen Instanzen. Die Ursache der Sucht wird nach diesen Theorien in einer Störung der Persönlichkeitsentwicklung des Süchtigen gesehen.
Psychoanalytische Theorien messen den frühkindlichen Beziehungsstrukturen zwischen Eltern (insbesondere der Mutter) und Kind eine große Bedeutung zu und sehen somit die Persönlichkeitsentwicklung eines Menschen eng an den familiären Sozialisationsprozess gebunden, in den sowohl elterliche als auch kindliche Bedürfnisse, Erwartungen, Affekte, Phantasien und Handlungsimpulse einfließen.
Die Persönlichkeitsentwicklung vollzieht sich in Auseinandersetzung zwischen dem triebgesteuerten Kind und der reglementierenden, disziplinierenden und somit triebeinschränkenden Umwelt. Werden Bedürfnisse nach Liebe und Wärme nicht genügend befriedigt oder kommen zu kurz, entwickelt das Kind lebenslang Frustration mit Fixierungen auf Bedürfnisse der oralen Phase.
Für einen süchtigen Menschen stellen Drogen somit eine Form der Befriedigung oraler Bedürfnisse dar. Drogenkonsum kann als Rückfall auf eine frühkindliche Entwicklungsstufe angesehen werden, in der das Kind normalerweise die Erfahrung macht, von einer verwöhnenden Mutter umsorgt zu werden. Das Kind erlebt lebenslang diesen Mangel und versucht, ihn durch eine passiv-orale Haltung des Verschlingen-Wollens auszugleichen. Als Grundmuster von Suchtverhalten werden laut psychoanalytischen Theorien Tendenzen von Selbstbestrafung bis hin zu Selbstzerstörung sowie die ständige Suche nach emotionaler Befriedigung angesehen.
Bei süchtigen Menschen spielen Lust-Unlust-Erlebnisse eine entscheidende Rolle. Neben dem ausgeprägten Bedürfnis nach Lust-Erleben und dem Bestreben, jegliche Art von Unlust zu vermeiden, können sie nur schwer Frustration ertragen. Darum wird Unlust durch Bedürfnisbefriedigung in Form von Substanzzufuhr vermindert.
(vgl. Hurrelmann/Bründel 1997; Eser/Hummel 2003)
1.1 Psychische Instanzen
Laut psychoanalytischen Theorien besteht die menschliche Psyche aus drei Instanzen: dem „Es“, dem „Ich“ und dem „Über-Ich“.
Das „Es“ ist die primäre Instanz, die für menschliche Triebe steht und gemäß dem Lustprinzip nach Befriedigung strebt.
Das „Über-Ich“ ist die Instanz, die für gesellschaftliche Traditionen, Normen, Werte und Regeln nach elterlichem Vorbild steht.
Die Instanz des „Ichs“ stellt eine Art Vermittler zwischen „Es“ und „Über-Ich“ dar und koordiniert sozusagen zwischen dem Innenleben und der Außenwelt des Menschen.
Bezogen auf einen drogenabhängigen Menschen bedeutet dies nun Folgendes:
Die Gesellschaft, verkörpert durch das „Über-Ich“, verlangt dem Süchtigen Einschränkungen seiner Triebbedürfnisse ab. Dieser bemitleidet sich und sorgt für seine eigene Triebbefriedigung durch Substanzzufuhr, was die Entstehung von Schuldgefühlen fördern kann. „Der Lustgewinn, den er durch die Substanzeinnahme erfährt, überwiegt die Schuldgefühle, stärkt das Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein und stellt gleichzeitig eine Art Selbstbestrafung dar“ (Hurrelmann/Bründel 1997, S.25). Sucht wird also als eine chronische Form der Selbstzerstörung angesehen.
Im Vergleich zu einem Nicht-Süchtigen hat sich das „Ich“ bei einem Süchtigen nur schwach entwickelt, ist hilflos und kann die Impulse des „Es“ nicht mehr steuern.
Drogenkonsum kann als ein Versuch verstanden werden, ein gestörtes Gleichgewicht zwischen den eigenen Bedürfnissen und den Anforderungen der Umwelt wiederherzustellen, indem der Drogenkonsum die Funktion übernimmt, eine unentwickelte, labile Persönlichkeit zu stützen.
(vgl. Ramström 1984)
1.2 Abwehrmechanismen
„Zu den Abwehrmechanismen zählen Vorgänge der Verdrängung, Reaktionsbildung, Verleugnung, des Ungeschehenmachens, der Projektion und der Regression“ (Hurrelmann/Bründel 1997, S. 25).
Der Abhängige leugnet die Sucht, versucht zu täuschen, sucht Erklärungen, Ausreden, Entschuldigungen und gibt Versprechen ab, die er nicht halten kann.
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