"Hum Aapke Hain Kaun": Ein Bollywoodfilm mit hindunationalistischem Gedankengut


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

25 Seiten, Note: 1-


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Ein Längsschnitt des Hindu-Moslem-Konflikts und der indischen
Unabhängigkeitsbewegung

3 Inhaltsangabe zu „Hum Aapke Hain Kaun“

4 „Hum Aapke Hain Kaun“, ein Bollywoodfilm mit hindunationalistischem
Gedankengut
4.1 Das Frauenbild in HAHK
4.2 Das Auslandsbild in HAHK
4.3 HAHK als ein „clean“ Film
4.4 Das Bild der „joint family“ in HAHK
4.5 Das Thema „arrangierte Ehe“ in HAHK
4.6 Das Thema „Selbstaufopferung“ in HAHK
4.7 Die Darstellung hinduistischer Rituale und Zeremonien in HAHK
4.8 Das Rāma-Bild in HAHK
4.9 Das Moslem-Bild in HAHK

5 Schlussfolgerungen

6 Literatur

1 Einleitung

Auf den folgenden Seiten soll gezeigt werden, dass der Film „Hum Aapke Hain Kaun“, ein sehr erfolgreicher Blockbuster aus der Bollywood[1] Fabrik aus dem Jahre 1994, hindunationalistisches Gedankengut transportiert.

Während des Unabhängigkeitskampfes verschärften sich zusehends die Fronten zwischen Hindus und Moslems. Die Unabhängigkeitsbestrebungen vieler hinduistischer Politiker wie die des Hindunationalisten Vinayak Damodar Savarkar[2], dem geistigen Vater der Hindutva-Ideologie[3], richteten sich nicht mehr allein gegen die englische Krone. Vielmehr wurden auch die in Indien lebenden Moslems als ‘fremd’ und für den Hinduismus als bedrohlich empfunden. Nach der Emanzipation der Inder vom britischen Empire und der Errichtung des Moslemstaates Pakistan fanden die politischen Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Moslems trotz allem kein Ende. Ein Grund für die andauernden Differenzen zwischen Indien und Pakistan, zwischen der hinduistischen und moslemischen Bevölkerung ist der Kaschmirkonflikt, der die neu erworbene Freiheit des Subkontinents bis heute überschattet.

Hindunationalistische Parteien und Gruppen wie der RSS[4] oder die Shiv Sena[5] schürten im kolonialen wie auch im unabhängigen Indien den Hass zwischen Hindus und Moslems. Als in den 70er- und 80er-Jahren in immer mehr Haushalten Fernseher und Videorekorder Einzug fanden, dauerte es nicht lange, bis diese neuen Medien gezielt von den Politikern eingesetzt wurden. 1969 verabschiedete die indische Regierung ein Gesetz, in dem festgelegt wurde, dass Filme, die das indische Leben gemäß dem Gesetz „realistisch“[6] inszenierten, fortan staatlich subventioniert werden. Unter anderem hatte die Shiv Sena im Jahr 1990 Videokassetten mit populären Hinduliedern an die Bevölkerung verteilt, um hinduistische Traditionen und Vorstellungen in ihrem Sinne zu propagieren.[7] Diese Methode der Propaganda durch die Instrumentalisierung der Massenmedien wurde mit den Jahren ausgebaut und optimiert.[8] So beschreibt Fareed Kazmi mit den Worten „the cheapest, most accessible and effective medium of mass communication and image building“[9] sehr treffend das indische Kino als eine ideale Plattform, um politisches Gedankengut zu vermitteln.

Im Rahmen dieses hindunationalistischen Kontexts ist es nun interessant zu untersuchen, auf welche Art und Weise in „Hum Aapke Hain Kaun“ derartiges Gedankengut transportiert wird. Denn offiziell wird dieser Film nicht zur Kategorie ‘hindunationalistischer Propagandafilm’ gezählt. Dennoch weist „Hum Aapke Hain Kaun“ aufgrund von Aufbau und Thema hindunationalistisches Gedankengut auf, was im Folgenden durch entsprechende Filmszenen sowie Sekundärliteratur aufgezeigt werden soll.

Damit die Kausalitäten in Zusammenhang mit der Argumentation und Verifikation der hindunationalistischen Aspekte in „Hum Aapke Hain Kaun“ verständlicher werden, wird dem Hauptteil der Arbeit ein Längsschnitt[10] des Hindu-Moslem-Konflikts vorangestellt. Unter dem Gliederungspunkt drei findet sich eine Inhaltsangabe von „Hum Aapke Hain Kaun“, die die inhaltlichen Zusammenhänge und Protagonisten des Films behandeln wird.

2 Ein Längsschnitt des Hindu-Moslem-Konflikts und der indischen Unabhängigkeitsbewegung

Die Geschichte des Islam in Südasien hat ihren Anfang im 8. Jahrhundert, als zunächst arabische Händler und wenig später muslimische Invasoren kamen, um sich auf dem Subkontinent zu etablieren.[11] Im 15. Jahrhundert begründete der aus Usbekistan stammende Babur, ein Nachkomme Timur-i Längs und Dschingis Khans, die Mogul-Dynastie, deren bedeutendster Herrscher Baburs Enkel Akbar war.[12] Viele der Moslemherrscher gingen brutal gegen den Hinduismus vor, indem sie Tempel der Hindugötter niederreißen ließen. „Akbar der Große“ hingegen ist ein Beispiel für einen gemäßigten Mogulführer, dem es ein Anliegen war, alle Menschen unabhängig von ihrer Religion gleich zu behandeln, indem er unter anderem die Versklavung von Hindus verbot.[13]

Ab dem 15. Jahrhundert entdeckten die Europäer den Subkontinent. Erste portugiesische und niederländische Händler begaben sich nach Indien, später kamen die Franzosen und Briten hinzu. Im 19. Jahrhundert wurden die Engländer zusehends mächtiger, wobei sie die Fürstentümer der indischen Herrscher annektierten und entmachteten.[14]

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Stimmen immer lauter, die eine Lossagung vom britischen Empire forderten. Gandhi mobilisierte die Massen Indiens und strebte eine Unabhängigkeitsbewegung an, deren oberste Maxime die ahimsā sein sollte, das Gebot der Gewaltlosigkeit gegenüber Lebewesen.

Erste Unabhängigkeitsbestrebungen wurden schon verfolgt, bevor Gandhi seinen gewaltlosen Kampf gegen die englische Krone initiierte. Um 1900 kam es im Rahmen der Unabhängigkeitsbewegung zu einer nationalistischen Mobilisierung der Massen. Indische Politiker interessierten sich verstärkt für die Unabhängigkeitsbewegungen anderer britischer Kolonien. Bal Gangadhar Tilak, ein Vertreter der militanten Richtung im Kongress, und seine Anhänger postulierten ein unabhängiges Parlament, wodurch Indiens Unabhängigkeitsbestrebungen ihren Anfang fanden.

Im Laufe des Unabhängigkeitskampfes versuchten die Engländer, die Moslems gegen die Hindus auszuspielen, indem sie den moslemischen Führern mehr Mitbestimmungsrechte versprachen als den Führern der Hindus. Als 1906 die Engländer die Gründung der Moslem-Liga in der Hoffnung unterstützen, sie gegen die Hindurevolutionäre auszuspielen, entfaltete sich die moslemische Unabhängigkeitsbewegung.[15] In der Konsequenz richteten sich die nationalistischen Bewegungen der Hinduführer nicht mehr allein gegen die Engländer, sondern auch gegen die indischen Moslems. Diese neue Front zwischen den Hindus und Moslems führte zu kommunalistischen Formierungen. Dieser ‘indische Kommunalismus’ darf jedoch keineswegs mit der Bedeutung des ursprünglichen englischen Wortes „communalism“[16] gleichgesetzt werden. Die letztlich komplexe Bedeutung dieses englischen Wortes verhindert eine adäquate deutsche Übersetzung. Auf Indien bezogen impliziert der Begriff Kommunalismus „in praktischer Hinsicht zumeist das Misstrauen, die Angst und die Feindseligkeit zwischen den Anhängern unterschiedlicher Religionen, von denen die Beziehung Hindu-Moslem nur eine mögliche ist“[17]. Ein entscheidender Anhänger des Kommunalismus war der bereits in der Einleitung erwähnte Vinayak Damodar Savarkar. Nach der von ihm gegründeten Geheimgesellschaft Mitra Mela und seiner 1923 formulierten Hindutva-Ideologie folgten viele weitere hindunationalistische Gruppierungen wie die Hindu Mahasabha, der er in den Jahren von 1937 bis 1942 vorstand,[18] die Shiv Sena und der RSS. Diesen Gruppen stand die Moslem-Liga gegenüber, die mit ihrem wichtigsten Führer Mohammed Ali Jinnah[19], einem Opponenten Gandhis, ihren eigenen Unabhängigkeitskampf führte. Im Laufe der Unabhängigkeitsbewegung und während der Verhandlungen zwischen den Engländern, Gandhi und Nehru konnte Jinnah sein Ziel, einen eigenen Staat zu gründen, erreichen. Infolge der Unabhängigkeit und Teilung Indiens im Jahre 1947 wurde der ‘Moslemstaat’ Pakistan ins Leben gerufen, dessen erster Generalgouverneur Jinnah selbst wurde.

Mit der Ausrufung der unabhängigen Staaten Indien und Pakistan waren die politischen Differenzen zwischen den Moslems und Hindus keineswegs behoben, sondern vielmehr spitzte sich der Konflikt in den folgenden Jahren vehement und aggressiv zu. Für diesen bis heute andauernden Streit gibt es im Wesentlichen zwei Gründe: Zum einen verläuft die Grenze zwischen Indien und Pakistan mitten durch die Region Kaschmir und im Zuge der Teilung überließ man es den jeweiligen Führern der angrenzenden indischen Gebiete, ob sie nach der Separation in Indien oder Pakistan eingegliedert werden möchten. Im Fall Kaschmir entschied sich der herrschende Hindukönig für Indien, obgleich die Mehrheit seines Volkes moslemischen Glaubens war. Nach der Unabhängigkeit versprach die indische Regierung, dass die Bevölkerung Kaschmirs nachträglich durch eine Volksabstimmung entscheiden könne, ob ihre Region indisch bleibe oder Pakistan eingegliedert werden solle. Dieses Versprechen seitens des indischen Staates gegenüber den Kaschmiris wurde bis heute nicht eingelöst. Die Folge ist der bis heute andauernde Kaschmirkonflikt. Zum anderen wollten viele Moslems trotz der Errichtung eines speziell für sie gedachten Moslemstaates auf indischem Territorium weiterleben, da sie nicht bereit waren, ihre Heimat aufzugeben.

Die Kongresspartei, der 17 Jahre lang Jawaharlal Nehru als erster Premierminister des freien Indiens vorstand, gehörte dem politisch links orientierten Flügel an. Unter Nehru und später unter dessen Tochter Indira Gandhi versuchte die Kongresspartei, der rechten Politik, dem Hindu- und Moslemkommunalismus Einhalt zu gebieten. Trotz aller Anstrengungen der Regierung kam es kontinuierlich zu einem Erstarken der hindunationalistischen Formationen. Der RSS, der heute ungefähr fünf Millionen Mitglieder zählt, baute seinen politischen Einfluss Schritt für Schritt aus, indem er eine Gewerkschaft, einen Studentenverband und Frauengruppen gründete und sich darüber hinaus karitativ und religiös engagierte. In den 70er-Jahren schlossen sich Politiker, die aufgrund von politischen Unstimmigkeiten aus der Kongresspartei ausgetreten waren, und Anhänger der neohinduistischen Organisationen RSS und Jan Sangh[20] zusammen. Nach den Neuwahlen im Jahr 1977, nachdem der von Indira Gandhi ausgerufene Notstand beendet war, kam es zur Neugründung der rechtsgerichteten Bharatiya Janata Party (BJP) mit Atal Behari Vajpayee[21] als Vorsitzendem. Vajpayee verfolgte einen moderateren Kurs, wodurch es zu Konfrontationen mit den Konservativen innerhalb der BJP kam. 1984 wurde Vajpayee nach einer Wahlniederlage von dem Hindutva-Ideologen L.K. Advani abgelöst. Advanis rechtsextremistische Politik kam unter anderem dadurch zum Ausdruck, dass unter dessen Parteivorsitz die BJP massiv die Ayodhya-Kampagne unterstützte.[22] Nach dem Epos Rªmªyana ist Ayodhya der historische Geburtsort des Gottkönigs Rªma. Während der Mogulherrschaft unter Babur wurde in Ayodhya eine Moschee errichtet. Doch das Wissen darüber, dass Ayodhya die Geburtsstätte Rāmas sei, wurde unter Hindus von Generation zu Generation überliefert. Auch Dichter wie Vālmīki oder Kālidāsa wiesen immer wieder auf Ayodhya als Rāmas Geburtsort hin.[23] Folglich büsste Ayodhya über die Jahrhunderte nichts an seiner religiösen Bedeutung ein. Diese „retrospective ideologization“[24] führte letztlich dazu, dass die Neohinduisten im 20. Jahrhundert nichts unversucht ließen, um die unter Babur erbaute Moschee mit der Intention abzureißen, an dieser Stelle einen Tempel zu Ehren der Gottheit Rªma zu errichten. Die Ayodhya-Kampagne wurde gezielt von den Politikern der BJP instrumentalisiert. Am 6. Dezember 1992 fand die Ayodhya-Kampagne ihren Höhepunkt, als zehntausende hindunationalistischer Fanatiker die Babri-Moschee stürmten und niederrissen.

[...]


[1] „Der Terminus Bollywood verweist zwar auf den Standort Bombay (heute Mumbai), meint aber gleichzeitig die für indische Mainstream-Filme als typisch empfundenen Charakteristika glamourös, melodramatisch, laut und frivol. So genannte Bollywoodfilme müssen somit nicht zwingend hindisprachig bzw. in Mumbai produziert sein, wobei der Gebrauch des Begriffs Bollywood nicht immer einheitlich ist. Gleichzeitig beinhaltet der Terminus Bollywood eine Anspielung auf die US-amerikanische Filmproduktionsstätte Hollywood - eine Allegorie, die vor allem bei Produzenten, Künstlern und Technikern lange als tabu galt (..)“., Koch (2004).

[2] vgl. Dallmayr & Devy (1998), S. 113.

[3] vgl. Dalmia (1997), S. 438.

[4] „Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS) 1925 von den reaktionärsten Elementen der Hindu Mahasabha ins Leben gerufen. Von Nehru als die indische Version des Faschismus gebrandmarkt. Der RSS war ebenso aufgebaut wie die frühe SA der Nazis, mit einer hierarchischen Befehlsstruktur und einem unfehlbaren Führer. Nachdem zwei seiner Mitglieder Mahatma Gandhi ermordet hatten, war er einige Jahre lang verboten.“, Ali (2005), S. 461.

[5] Die Shiv Sena ist eine fanatische Hindu-Partei, die in der Gegend um Bombay aktiv ist., van der Veer ( 1994), S. 7.

[6] Vitali (2000): “It also promised financial support, (…), to films that were realist in their depiction of Indian life.”

[7] vgl. Kazmi (1999), S. 14.

[8] „ (…) the media have emerged as a powerful weapon in the arsenal of political actors to draw the agenda (…)“, ebd., S. 15.

[9] ebd.

[10] In Anlehnung an Joachim Wach impliziert der Begriff „Längsschnitt“ in dieser Arbeit die Betrachtung der historischen Entstehung und Entwicklung eines sozialethischen Phänomens, Wach (1924), S. 12 ff.

[11] vgl. Haig (1928), S. 1-10.

[12] vgl. Ross (1937), S. 10-20.

[13] vgl. Hottinger (1998), S. 153.

[14] vgl. Moon (21990), 3-7.

[15] vgl. Six (2001), S. 76.

[16] „Der Begriff leitet sich vom Wort community ab und bezeichnet eine wie auch immer definierte Gemeinschaft.“, ebd., S. 72.

[17] ebd.

[18] vgl. Masselos (1988), S. 393.

[19] vgl. Ali (2005), S. 455.

[20] vgl. Ali (2005), S. 460.

[21] vgl. ebd., S. 457.

[22] vgl. Rothermund (1995), S. 406.

[23] vgl. Dalmia (1997), S. 325.

[24] ebd., S. 326.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
"Hum Aapke Hain Kaun": Ein Bollywoodfilm mit hindunationalistischem Gedankengut
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Indologie und Iranistik)
Veranstaltung
Bollywood – Eine Einführung in das populäre indische Kino
Note
1-
Autor
Jahr
2007
Seiten
25
Katalognummer
V83794
ISBN (eBook)
9783638888325
ISBN (Buch)
9783638888462
Dateigröße
560 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Aapke, Hain, Kaun, Bollywoodfilm, Gedankengut, Bollywood, Eine, Einführung, Kino
Arbeit zitieren
Ishan Hegele (Autor:in), 2007, "Hum Aapke Hain Kaun": Ein Bollywoodfilm mit hindunationalistischem Gedankengut, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83794

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