Seit Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre hatte sich die deutsche Frage, bei deren Lösung bis zu diesem Zeitpunkt nur ein geeintes Deutschland in Betracht gezogen wurde, insofern geändert, als dass nun im Zuge einer Annäherung der BRD an die DDR, von einer Zweistaatlichkeit Deutschlands und damit verbunden einer Anerkennung der DDR ausgegangen wurde.
Die beiden deutschen Staaten entwickelten sich zunehmend auseinander, so dass bei der jeweiligen Bevölkerung das Bewusstsein einer allgemein deutschen Identität vor dem des jeweiligen Staates zurücktrat.
Erst als 1989 immer mehr DDR-Bürger aufgrund der schlechten Lebensverhältnisse ihr Land verließen und in die BRD flohen, Teile der Bevölkerung ihren Unmut und ihre Unzufriedenheit auf Demonstrationen öffentlich äußerten und in Folge dessen am 9. November 1989 die Mauer fiel, wandelte sich mit dem Ruf „Wie sind ein Volk.“ auch die deutsche Frage. Der Prozess der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten war eingeleitet.
Die Bezeichnungen für diese grundlegende Veränderung der gesamten politischen, wirtschaftlichen und sozialen Ordnung der DDR bis hin zur Wiedervereinigung sind bis heute umstritten. Begriffe wie „Wende“, „Zusammenbruch“, „Implosion“ oder „Revolution“ charakterisieren und bewerten diesen historischen Sachverhalt jeweils anders.
In dieser Arbeit wird, ausgehend von einer Definition des Revolutionsbegriffs der revolutionäre Charakter dieses Umbruchs untersucht, wobei verschiedene Variationen der Benennung hinsichtlich ihrer historischen Deutung und Wertung der Ereignisse einbezogen werden.
Besonders im Schulgeschichtsbuch spielt die gewählte Begrifflichkeit und die damit verbundene Bewertung historischer Sachverhalte eine wichtige Rolle. Sie wird erstens nur all zu oft ohne die nötige Skepsis von den SchülerInnen übernommen, so dass sich zweitens darauf aufbauend nur ein einseitiges Geschichtsbild und Geschichtsbewusstsein entwickeln kann. Demzufolge ist es wichtig, verschiedene historische Deutungen und Bewertungen als solche, sowie deren Hintergründe, den SchülerInnen deutlich und nachvollziehbar zu machen. Aus diesem Grund wird im zweiten Teil dieser Arbeit in drei ausgewählten Schulgeschichtsbüchern die Verwendung des Revolutionsbegriffes im Rahmen des Prozesses der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten, basierend auf Jörn Rüsens Modell des Idealen Schulbuchs, untersucht.
Inhaltsverzeichnis
- I. Vorbemerkungen
- II. Versuch einer Definition des Revolutionsbegriffs
- III. Die Deutung der Ereignisse 1989/90 in Ostdeutschland
- III.I Die Herbstrevolution
- III.II Die nationale Revolution
- III.III Die Revolution von oben
- IV. Revolution vs. Wende
- V. Die Darstellung der Revolution von 1989/90 in ausgewählten Schulgeschichtsbüchern bzw. Unterrichtsmaterialien
- V.I Brauchbarkeit zur historischen Wahrnehmung
- V.II Brauchbarkeit zur historischen Deutung
- V.III Brauchbarkeit zur historischen Orientierung
- VI. Fazit
- VII. Schlussbemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Behandlung und Bewertung der Revolution von 1989/1990 in der DDR in ausgewählten Schulgeschichtsbüchern. Sie untersucht, wie der Begriff "Revolution" in den Büchern verwendet wird und welche Deutungen und Bewertungen der Ereignisse sich daraus ergeben.
- Definition des Revolutionsbegriffs im Kontext der Ereignisse von 1989/1990 in der DDR
- Analyse der verschiedenen Bezeichnungen und Bewertungen der Revolution von 1989/1990
- Untersuchung der Verwendung des Revolutionsbegriffs in ausgewählten Schulgeschichtsbüchern
- Bewertung der Brauchbarkeit der Schulgeschichtsbücher im Hinblick auf die historische Wahrnehmung, Deutung und Orientierung
- Diskussion der Herausforderungen und Chancen der Vermittlung von Geschichte im Schulkontext
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel führt in die Thematik ein und beleuchtet die historische Entwicklung der deutschen Frage im Kontext der beiden deutschen Staaten. Kapitel zwei beschäftigt sich mit der Definition des Revolutionsbegriffs und den verschiedenen Kontroversen um seine Verwendung im Zusammenhang mit der Revolution von 1989/1990. In Kapitel drei werden die verschiedenen Bezeichnungen und Bewertungen der Ereignisse von 1989/1990 in Ostdeutschland analysiert, wobei die Herbstrevolution, die nationale Revolution und die Revolution von oben als verschiedene Phasen betrachtet werden. Kapitel vier diskutiert den Unterschied zwischen "Revolution" und "Wende" und die impliziten Bewertungen, die mit diesen Begriffen verbunden sind.
Kapitel fünf untersucht die Darstellung der Revolution von 1989/1990 in ausgewählten Schulgeschichtsbüchern, wobei die Brauchbarkeit der Bücher im Hinblick auf die historische Wahrnehmung, Deutung und Orientierung betrachtet wird. Das Kapitel beleuchtet die Rolle der gewählten Begrifflichkeit für das Geschichtsbild und Geschichtsbewusstsein der SchülerInnen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Revolution von 1989/1990 in der DDR, die deutsche Frage, den Revolutionsbegriff, Schulgeschichtsbücher, historische Wahrnehmung, Deutung und Orientierung, Geschichtsbild, Geschichtsbewusstsein, und die Rolle der Begrifflichkeit in der Geschichtsvermittlung. Weitere wichtige Begriffe sind "Wende", "Zusammenbruch", "Implosion" und "nationale Revolution".
- Arbeit zitieren
- Studienrätin Sandra Müller (Autor:in), 2002, Die Revolution 1989/1990 , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83967