Ergänzende "wenn-Sätze" - ein Problemaufriss


Hausarbeit, 2002

21 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Vorbemerkungen

II. Syntaktische Besonderheiten ergänzender-wenn Sätze
II.I Die Valenz des Matrixprädikats
II.II Nominalisierungstransformation
II.III Die Ersetzbarkeit eines ergänzenden wenn-Satzes durch einen dass-Satz
II.IV Das Korrelat im Matrixsatz eines ergänzenden wenn Satzes

III. Das Problem der Bezeichnung

IV. Ein Versuch der Einordnung ergänzender wenn-Sätze in den Prozess der Grammatikalisierung

V. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

I. Vorbemerkungen

1. Ich freue mich, wenn er lacht.
2. Ich freue mich, dass er lacht.
3. Es genügt, wenn ich die Blumen gieße.
4. Es genügt, dass ich die Blumen gieße.
5. Wenn ich die Blumen gieße, verwelken sie nicht.
6. *Dass ich die Blumen gieße, verwelken sie nicht.

Adverbialsätze wie in Beispiel 5 sind bis auf einige Ausnahmen freie Angaben und demnach unabhängig von den Valenzbeziehungen des Matrixprädikats. Der Adverbialsatz in 5 könnte demnach zu jedem beliebigen Matrixprädikat hinzutreten und dieses in konditionaler oder temporaler Weise determinieren.

Subjekt- bzw. Objektsätze hingegen stehen in einer engen Valenzbeziehung zum jeweiligen Matrixprädikat und können die von diesem geforderten obligatorischen oder fakultativen Leerstellen füllen.

Wie geht man aber mit Sätzen wie in Beispiel 1 oder 3 um, die einerseits adverbialen Charakter tragen, gleichzeitig aber die vom Matrixprädikat eröffneten Leerstellen füllen?

Betrachtet man Satz 3 so antwortet der Nebensatz auf die Frage. Wer oder was genügt? und füllt folglich die Subjektstelle des Matrixsatzes aus. Ebenso stellt der Nebensatz in Beispiel 1 eine Antwort auf die Frage: Worüber freue ich mich? dar und demnach als Objektsatz, der die Leerstelle eines präpositionalen Objekts füllt, klassifizierbar. Gleichzeitig jedoch antwortet er auch auf die Fragen: Unter welcher Bedingung freue ich mich bzw. wann freue ich mich?, wodurch dessen konditionaler bzw. temporaler Charakter in Erscheinung tritt. Dieser herkömmliche Fragetest verdeutlicht lediglich das Problem bzw. die Sonderstellung ergänzender wenn-Sätze hinsichtlich ihrer syntaktischen Funktion und bietet aber keine Lösung im Hinblick auf deren die Klassifizierung.

Ausgehend von v.a. syntaktischen Kriterien sollen in dieser Arbeit die Besonderheiten jener wenn-Sätze gegenüber Subjekt-/Objektsätzen bzw. Adverbialsätzen beleuchtet, die daraus resultierenden Probleme bei deren Klassifizierung aufgezeigt und der Versuch einer Einordnung dieses Phänomens unternommen werden.

II. Syntaktische Besonderheiten ergänzender wenn-Sätze

II.I Die Valenz des Matrixprädikats

Derartige wenn-Sätze stehen häufig nach verbalen oder nominalen Matrixprädikaten, die auf einen tatsächlichen/wirklichen Umstand verweisen. Auf diese Weise wird der sie einleitenden Konjunktion ihr konditionaler bzw. temporaler Charakter weitestgehend genommen, so dass jene wenn-Sätze die vom Verb ausgewiesene Stelle in der Funktion eines Subjekts bzw. Objekts füllen können.

Matrixprädikate wie stören, leid tun, angehen, auffallen, Bedeutung haben, einen Zweck haben, einer Erklärung bedürfen, bedrücken, schaden, genügen, verändern, ausreichen, beitragen referieren beispielsweise auf die Subjektfunktion des anschließenden Ergänzungssatzes. Bedauern, begreifen, ertragen, verzeihen, lieben, merken, sehen, ausstehen, sowie sich darüber aufregen, damit begnügen, sich darüber wundern, nichts dafür können, Notiz davon nehmen, Verständnis dafür haben beziehen sich wiederum auf dessen Objektfunktion.[1]

Je nach der Valenz des Verbs können diese wenn-Sätze die Leerstellen einer obligatorischen oder einer fakultativen Ergänzung besetzen, was dazu führt, derartige Sätze als valenzgebundene bzw. ergänzende wenn-Sätze zu bezeichnen.

Wenn-Sätze, die die Leerstelle einer obligatorischen Ergänzung füllen, lassen sich weitestgehend als Komplementsätze interpretieren. Aus der Besetzung der fakultativen Leerstellen durch wenn-Sätze resultieren jedoch Schwierigkeiten bei der Klassifizierung jener Sätze als Adverbial- oder Subjekt-/Objektsätze, auf die in den folgenden Kapiteln näher eingegangen werden wird.

II.II Nominalisierungstransformation

Da ergänzende wenn-Sätze wie aufgezeigt die syntaktische Funktion eines Subjekts bzw. Objekts erfüllen können, nehmen sie in diesem Sinne Leerstellen im Satz ein, die in der Regel von Substantiven besetzt sind. Darauf aufbauend liegt die Vermutung nahe, dass ergänzende wenn-Sätze durch jene Nomen substituierbar sein müssten, die ebenfalls diese Leerstelle besetzen können.

7. Er wäre glücklich, wenn sie heute lachen würde.
8. Er wäre über ihr Lachen glücklich.

Die Beispiele 7 und 8 stützen die These, dass der jeweilige wenn-Satz an dieser Stelle seinen adverbialen Charakter reduziert und die Funktion eines Objektes einnimmt.

Dieses Kriterium kann jedoch die Zuweisung der syntaktischen Funktion eines Subjekt- bzw. Objektsatzes an einen ergänzenden wenn-Satzes nicht generell begründen.

9. Wenn das Experiment misslingt, ist das deine Schuld.
10. Das Misslingen des Experiments ist deine Schuld.

Vergleicht man die Sätze 7 und 8 mit 9 und 10 fällt auf, dass der konditionale Charakter der Konjunktion wenn und somit des gesamten Nebensatzes durchaus noch erhalten geblieben ist. In diesen Sätzen kann wenn problemlos durch falls ersetzt werden und weist demnach eindeutig konditionalen Charakter auf. Die nominalisierten Sätze sind also semantisch nicht vollkommen identisch mit den entsprechenden wenn-Sätzen. Da der Konjunktiv II. des Matrixprädikats dieses bereits in so hohem Maße konditional/potentiell/irreal modifiziert, so dass der vom Matrixprädikat abhängige wenn-Satz von seiner adverbialen Funktion weitestgehend entbunden wird und die konditionale Semantik der Konjunktion wenn in den Hintergrund tritt[2], mag dieser semantische Unterschied in den Sätzen 7 und 8 nicht so deutlich in Erscheinung treten als in den Sätzen 9 und 10.

Der Indikativ in den Sätzen 9 und 10 modifiziert das Matrixprädikat nicht in konditionaler Weise. Diese Aufgabe wird dem wenn-Satz übertragen, der seine adverbiale Funktion wieder aufnimmt und folglich semantisch von dem nominalisierten Satz abweicht.

Während also der wenn-Satz „das Misslingen des Experiments“ lediglich als Möglichkeit in Betracht zieht, wird „das Misslingen des Experiments“ im nominalisierten Satz bereits als Tatsache vorausgesetzt. Insofern bleibt der adverbiale Charakter ergänzender wenn-Sätze erhalten. Durch die Nominalisierung zeigt sich zwar, dass der wenn-Satz die Leerstelle eines Objekts einnimmt, doch verweist die konditionale Semantik des Satzes auf anderer Ebene zugleich auf dessen adverbiale Funktion.

II.III Die Ersetzbarkeit eines ergänzenden wenn-Satzes durch einen dass-Satz

Da ergänzende wenn-Sätze, wie aus den bisherigen Kapiteln hervorgeht, die Subjekt- bzw. Objektstellle eines Satzes einnehmen können, liegt der Schluss nahe, derartigen wenn-Sätzen den gleichen strukturellen Status wie ergänzenden dass-Sätzen in Subjekt bzw. Objektfunktion zu zusprechen. (Beispiel1-4)

Während die Ersetzbarkeit eines wenn-Satzes durch einen dass-Satz bei reinen temporalen bzw. konditionalen Adverbialsätzen unmöglich ist (Beispiel 5,6), weist eben dieses Kriterium auf die syntaktische Funktion eines ergänzenden wenn-Satzes als Subjekt- bzw. Objektsatz und damit verbunden dessen Ergänzungscharakter hin.

Jedoch wird das Kriterium der Ersetzbarkeit eines wenn-Satzes durch einen dass-Satz und die damit einhergehende Klassifizierung als Subjekt- bzw. Objektsatz durch die Veränderung des Modus des Matrixprädikats eingeschränkt.

11. Ich würde mich freuen, wenn er käme.
12.*Ich würde mich freuen, dass er käme.

Aus diesen Beispielen lässt sich ein Zusammenhang zwischen dem Modus des Matrixprädikats und der nebensatzeinleitenden Konjunktion bzw. der syntaktischen Funktion des Nebensatzes ableiten. Obwohl ergänzende wenn-Sätze ebenso wie dass-Sätze in der syntaktischen Funktion eines Subjekts bzw. Objekts auftreten und an den entsprechenden Stellen nahezu synonymisch gegeneinander ausgetauscht werden können, deutet die Unmöglichkeit der Ersetzung bei Matrixprädikaten im Konjunktiv auf semantische Unterschiede dieser Nebensätze und der sie einleitenden Konjunktionen hin.

Die Konjunktion wenn impliziert einen Ungewissheitsfaktor, der dem beschriebenen Sachverhalt, auch wenn dieser real ist, zu Grunde liegt und kohäriert demnach mit dem verwendeten Konjunktiv. Umgekehrt lässt sich jedoch auch sagen, dass gerade aufgrund der Verwendung des Konjunktivs der Satz bezüglich seiner Semantik eine Unbestimmtheit und Ungewissheit ausdrückt, wodurch der konditionale Charakter des davon abhängigen wenn-Satzes verstärkt wird.

Die Konjunktion dass hingegen (Beispiel 2,4,12) setzt den Sachverhalt als in der Wirklichkeit stattfindend voraus und kann demnach nicht gleichzeitig mit dem Konjunktiv auftreten. Daraus ergibt sich, dass der wenn-Satz in Beispiel 11 aber auch in Beispiel 1, obwohl er in der syntaktischen Position eines Objektsatzes steht, konditionale und damit verbunden adverbiale Eigenschaften aufweist, wohingegen in Beispielsatz 3 die konditionale Bedeutung des wenn-Satzes in den Hintergrund rückt.

Ein weiteres Beispiel für die bestehende unterschiedliche Semantik der Konjunktionen wenn und dass ist die Unmöglichkeit der Ersetzung eines mit dass eingeleiteten Objektsatzes durch einen wenn-Satz in Objektfunktion nach Matrixprädikaten wie glauben, hoffen, erwägen etc. In diesen Fällen kann ein wenn-Satz die vom Matrixprädikat geforderte Objektstelle nicht besetzen.

12. Ich hoffe, dass du kommst.
13. *Ich hoffe, wenn du kommst.

In diesem umgekehrten Fall, i.e. der Ersetzung eines dass-Satzes durch einen wenn-Satz, spielt die Wertigkeit dieser Verben im Vergleich zum Verbparadigma sich freuen eine entscheidende Rolle. Während Verben wie glauben, hoffen, erwägen zweiwertig sind, d.h. neben einer Subjektstelle eine weitere obligatorische Ergänzung in Form eines Objektes fordern, verlangt das reflexive Verb sich freuen nur die Besetzung der Subjektstelle. Demzufolge stellt der Objektsatz in Beispiel 1 und 2 eine fakultative Ergänzung dar, während er unter 13 und 14 eine obligatorische Ergänzung ist.

Man könnte demnach also annehmen, dass wenn-Sätze, die die Position einer fakultativen Ergänzung einnehmen eher Eigenschaften von Subjekt- bzw. Objektsätzen aufweisen und durch einen dass-Satz ersetzbar sind als in der Rolle einer obligatorischen Ergänzung. Hier lässt sich das obligatorisch geforderte Objekt in Form eines dass-Satzes nicht durch einen wenn-Satz ersetzen. In diesem Zusammenhang spielt das Vorkommen des Korrelats es, auf das ich im folgenden Kapitel ausführlicher eingehen werde, im jeweiligen Matrixsatz eine entscheidende Rolle.

14. Ich merke, dass er lügt.
15. * Ich merke, wenn er lügt.
17. Ich merke es, wenn er lügt.
18. *Ich sehe, wenn er lügt.
19. Ich sehe, dass er lügt
20. Ich sehe es, wenn er lügt.
21. Es genügt, wenn er lügt

Diese Beispiele zeigen, dass ein dass-Satz in Funktion eines Objektsatzes bei fehlenden Korrelat im jeweiligen Matrixsatz nicht durch einen wenn-Satz ersetzbar ist. Demgegenüber ist eine Ersetzung eines dass-Satzes durch einen wenn-Satz sowohl bei durch wenn eingeleiteten Subjektsätzen, mit obligatorischen Korrelat es im Matrixsatz (Beispiel 3,4,21), als auch bei derartigen Objektsätzen (Beispiel 17,20,23), i.e. mit Korrelat in Form von es oder eines Pronominaladverbs im Matrixsatz möglich.

22. Es stört, wenn/dass ich rauche.
23 . Ich habe Verständnis dafür, wenn/dass du rauchst.

Für die Ersetzung eines dass-Satzes durch einen wenn-Satz ist also zum einen die Frage, ob dieser eine obligatorische oder eine fakultative Ergänzung ist und zum anderen das Auftreten eines Korrelats im Matrixsatz ausschlaggebend.

Es scheint als würde bei der Konjunktion wenn, in Form einer einleitenden Konjunktion einer obligatorischen Ergänzung in Objektfunktion bei fehlendem Korrelat im Matrixsatz, die konditionale Bedeutung stärker hervortreten als in der Position einer fakultativen Ergänzung. Hier spielt der adverbiale Charakter des wenn-Satzes als fakultative Ergänzung in Bezug auf die Grammatikalität des gesamten Satzes eine weniger große Rolle als in Form einer obligatorischen Ergänzung.

Mit anderen Worten könnte man sagen, dass mit einem wachsenden Grad der Obligation einer Ergänzung zugleich deren Toleranz gegenüber der einleitenden Konjunktion und in diesem Zusammenhang der möglichen Semantik des Nebensatzes, sowie der Grammatikaltität des gesamten Satzes abnimmt.

Aufgrund der aufgezeigten eigenständigen Semantik der beiden Konjunktionen ist eine Ersetzung von wenn-Sätzen durch dass-Sätze nur beschränkt möglich, wofür u.a. auch die bereits erwähnte faktische Interpretierbarkeit des jeweiligen wenn-Satzes maßgeblich ist.

Trotz der gegebenen Faktizität schließt der wenn-Satz bei Matrixprädikaten wie freuen oder wundern zusätzlich eine Bewertung des möglicherweise eintretenden Ereignisses ein, während es sich bei dass um die Bewertung eines wirklich stattfindenden Ereignisses handelt.

Wie die bisherigen Ausführungen zeigen, kann ein wenn-Satz nur dann durch einen dass-Satz ersetzt werden, wenn man bei dem durch den wenn-Satz umschriebenen Sachverhalt auf eine Tatsache bzw. einen tatsächlichen Umstand schließen kann.

Bezogen auf das Beispiel 1 hieße es dann:

24. Ich freue mich, wenn er lacht, dass er lacht.

In diesem Fall wird „das Lachen“ als Tatsache vorausgesetzt, wodurch sich die konditionale Bedeutung der Konjunktion reduziert. So modifiziert die Konjunktion wenn als Einleitung eines Andverbialsatzes das Matrixprädikat nicht, sondern fungiert objektsatzeinleitend.

Die Reduzierung der konditionalen Bedeutung des Nebensatzes, zeigt sich auch in dessen Nominalisierung:

25. Ich freue mich über sein Lachen.
26. Ich freue mich, weil er lacht.

Die Beispiele 24-26 verdeutlichen zum einen das Verschwinden der konditionalen Bedeutung, wodurch das Auftreten eines wenn-Satzes in Subjekt/Objektposition erst ermöglicht wird und zum anderen die mögliche kausale Interpretation des Satzes 25 und 26, die einerseits auf die Faktizität des im wenn-Satzes beschriebenen Sachverhaltes hindeutet und andererseits die Reduktion der konditionalen Bedeutung des wenn-Satzes beweist.

Neben der faktischen Interpretationsweise des wenn-Satzes, die gegeben sein muss, um ihn durch einen dass-Satz ersetzen zu können, führt Zdravka Meckova-Atanasova weiterhin die Iterativität des in einem konditional bzw. temporal interpretierbaren wenn-Satz beschriebenen Sachverhaltes auf, die eine Ersetzung des wenn-Satzes durch einen dass-Satz ermöglicht.[3]

Hans Ulrich Schmid verweist in diesem Zusammenhang auf bestimmte Indikatoren, die Einfluss auf die Interpretation und somit auf die Klassifizierung ergänzender wenn-Sätze haben. Indikatoren können demnach Adverbien wie jedes Mal, schon wieder, wieder einmal, damals etc. aber auch präzise Angaben, die festlegend wirken, sein und somit dem wenn-Satz Faktizität bzw. Iterativität verleihen.[4] Insofern lässt sich die Verwendung des Konjunktivs, auf die bereits eingegangen wurde, als Indikator für Ungewissheit und Unbestimmtheit, welcher den konditionalen Charakter des wenn-Satzes stützt, identifizieren.

Sowohl die Konjunktion wenn als auch dass fungieren, wie sich gezeigt hat, subordinierend.

Während jedoch dass eine rein subordinierende Konjunktion ist, tritt bei wenn neben der subordinierenden Funktion noch eine semantische konditional oder temporale Bedeutung hinzu, die der Grund für die beschränkte Ersetzbarkeit eines ergänzenden wenn-Satzes durch einen dass-Satz ist. Demzufolge ist die Ersetzbarkeit eines ergänzenden wenn-Satzes durch einen dass-Satz aufgrund ihres unterschiedlichen syntaktischen Status nur beschränkt möglich und somit auch kein hinreichendes Kriterium für die Klassifizierung eines adverbialen Ergänzungssatzes bzw. valenzgebundenen wenn-Satzes als Subjekt- bzw. Objektsatz.

II.IV Das Korrelat im Matrixsatz eines ergänzenden wenn-Satzes

Wie die bisherigen Kapitel gezeigt haben, kann ein ergänzender wenn-Satz unter Reduzierung seines adverbialen Charakters eine durch das Verb zugewiesene Leerstelle in Funktion eines Subjekts oder Objekts füllen.

27. Wenn das Experiment misslingt, ist das deine Schuld.

Trotz seines konditionalen Charakters weist der Matrixsatz (27) in seiner syntaktischen Struktur dem abhängigen Nebensatz die Funktion eines Subjektsatzes zu. Bezeichnend hierfür ist das Auftreten des Korrelats das im Matrixsatz, welches sich auf den vorangestellten wenn-Satz in Funktion eines Subjektsatzes bezieht.

Es lassen sich jedoch strukturelle Unterschiede zwischen ergänzenden wenn-Sätzen in Subjekt/Objektfunktion und „echten“ Subjekt-/Objektsätzen feststellen.

28. Wenn er pünktlich kommt, überrascht es mich.
29. * Wenn er pünktlich kommt, überrascht mich.
30. Dass er pünktlich kommt, überrascht mich.
31. *Dass er pünktlich kommt, überrascht es mich.
32. Es überrascht mich, dass er pünktlich kommt.

Während das Korrelat es getilgt wird, sobald ein dass-Satz in Subjektfunktion ins Vorfeld rückt (Beispiel30), muss das Korrelat bei ergänzenden wenn-Sätzen im Vorfeld erhalten bleiben, um die Grammatikalität des Satzes zu gewährleisten ( Beispiel28).

Dieser strukturelle Unterschied verweist zum einen auf den unterschiedlichen Charakter des Korrelats und zum anderen auf eine unterschiedliche syntaktische Beschaffenheit ergänzender wenn-Sätze in Subjekt-/Objektfunktion im Vergleich zu „echten“ Subjekt-/Objektsätzen. Da Subjekt- bzw. Objektsätze im Vorfeld an die Stelle des Korrelats rücken und somit dieses tilgen, kann aufgrund des obligatorischen Auftretens des Korrelats in Satz 28 dieses kein reiner Platzhalter sein. Hinsichtlich dieser Tatsache gewinnt der adverbiale Charakter des ergänzenden wenn-Satzes, der die Tilgung des Korrelats unmöglich zu machen scheint, erneut an Bedeutung.

Demnach haben offenbar die Subjektsätze 28 und 30 auf semantischer Ebene wiederum unterschiedliche Bedeutungsinhalte, die u.a. durch die Einsetzung temporaler Adverbien in die jeweiligen Sätze nachweisbar sind.

33. Wenn er pünktlich kommt, dann überrascht es mich.
34. * Dass er pünktlich kommt, dann überrascht mich.
35. * Dass er pünktlich kommt, dann überrascht es mich.

Diese Beobachtung führt wiederum dazu, einen derartigen wenn-Satz als Adverbialsatz zu klassifizieren.

36. Wenn er pünktlich käme, würde es mich überraschen.
37.*Dass er pünktlich käme, würde mich überraschen.
38. Wenn er pünktlich käme, würde es mich überraschen, dass er

pünktlich kommt.

Auch unterstreichen die Beispiele 33-38 die bereits erwähnte unterschiedliche Semantik der Konjunktionen und zeigen in diesem Zusammenhang den unterschiedlichen Bedeutungsinhalt des Korrelats es.

Hinsichtlich ihrer syntaktischen Funktion nehmen die genannten Sätze, indem sie auf die Frage antworten „Worüber freue ich mich?“ oberflächlich betrachtet die Position eines Objekts ein. Fügt man jedoch ein Pronominaladverb als Korrelat in den Matrixsatz ein, tritt der adverbiale Charakter des wenn-Satzes stärker hervor als bei es.

39 . Ich freue mich darüber, wenn/*falls/dass er lacht.
40. Ich liebe es, wenn/*falls/dass er lacht.

Hier zeigt sich ebenfalls, dass der wenn-Satz nicht völlig mit dem jeweiligen Korrelat identisch ist und dieser somit nur beschränkt Ergänzungscharakter hat.

Der Unterschied bezüglich der Einsetzungsmöglichkeit von falls im Satz 39 gegenüber Satz 40 ist unter Umständen auf den unterschiedlichen Charakter von es in Funktion eines Objektkorrelats (Beispiel40) im Gegensatz zum Pronominaladverb darüber (Beispiel39) zurückführbar. Es lässt sich zum einen vermuten, dass die Stelle des Objektes im Matrixsatz vom Pronominaladverb in einem höheren Maße gefüllt wird, als durch es in Satz 40 und infolgedessen eine höhere Akzeptanz bei dem Auftreten eines Pronominaladverbs in Bezug auf den ergänzenden Nebensatzes vorliegt als bei dem Korrelat es. Hierfür spricht zum anderen auch, dass die Füllung der vom Matrixprädikat vorgegebenen Objektstelle in Form eines Pronominaladverbs bereits ausreichend ist, so dass der wenn-Satz in Beispiel 39 entbehrlich zu werden scheint.

Wie aus dem bisher genannten hervorgeht, ist der Bedeutungsgehalt des Korrelats in dass-Sätzen nicht immer deckungsgleich mit dem eines wenn-Satzes. Bei wenn-Sätzen kommt dem Korrelat des Matrixsatzes eher die Funktion eines Proelements als die eines syntaktischen Korrelats zu. Auf diesen Aspekt lässt sich auch die Unmöglichkeit der Ersetzung von dass durch wenn bei nicht Auftreten eines derartigen Elements im Matrixsatzes zurückführen (Beispiel 16,18,29). Demzufolge füllt es bzw. ein Pronominaladverb ähnlich einem Proelement die Leerstelle des Subjekts bzw. Objektes im Matrixsatz aus, so dass der folgende wenn-Satz nicht eindeutig Ergänzungsfunktion aufweist.

Als weiteren Beleg dafür fügt Catherine Fabricius Hansen hinzu, dass ein ergänzender wenn-Satz Elemente enthalten kann, die nicht eindeutig zur Ergänzung gehören und somit eine semantische Divergenz zwischen dem es bzw. Korrelat des Matrixsatzes und dem folgenden wenn-Satz sichtbar machen.

41. Ich würde mich nicht darüber wundern, wenn ich (das eines Tages in der Zeitung) läse.
42. Wenn ich das (eines Tages in der Zeitung) läse, würde ich mich nicht darüber wundern, es (in der Zeitung?) zu lesen.[5]

Aufgrund dessen scheint es bedenklich jenen wenn-Sätzen uneingeschränkt die Funktion eines Subjekt- bzw. Objektsatzes und somit Ergänzungscharakter zuzuschreiben. Zdravka Meckova-Atanasova spricht deshalb von Quasisubjekt/-objektsätzen, die sich nur unter Vorbehalt zu den Komplementsätzen rechnen lassen.[6]

Wie aus dem bisher ausgeführten hervorgeht, handelt es sich bei der Klassifizierung ergänzender wenn-Sätzen um eine Vielschichtigkeit syntaktischer Funktionen auf verschiedenen Ebenen. Zum einen tritt ein derartiger wenn-Satz an die Stelle eines Subjekt- bzw. Objektsatzes, nimmt somit in gewisser Hinsicht auch deren Funktion an und weist demnach einen gewissen Ergänzungscharakter auf. Zum anderen hat er jedoch auch aufgrund seiner adverbialen Semantik sowie seinen adverbialen Merkmalen auf syntaktischer Ebene Adverbialsatzcharakter.

[...]


[1] Fabricius-Hansen, Cathrine: Sogenannte ergänzende wenn-Sätze. Ein Beispiel semantisch-syntaktischer Argumentation. In: Dyhr, Mogens; Hyldegaard-Jensen, Karl (Hg.): Kopenhagener Beiträge zur Germanistischen Linguistik. Festschrift für Gunnar Bech zum 60. Geburtstag. Sonderband 1. Kopenhagen 1980. S.164.

[2] Vgl. Meckova-Atanasova, Zdravka: Temporale und konditionale “wenn”-Sätze. Untersuchungen zu ihrer Abgrenzung und Typologie. Düsseldorf 1983. S.127-128.

[3] Vgl. Meckova-Atanasova, Zdravka: Temporale und konditionale “wenn”-Sätze.

Untersuchungen zu ihrer Abgrenzung und Typologie. S.145-150.

[4] Schmid, Hans Hans Ulrich: Überlegungen zu Syntax und Semantik ergänzender wenn- Sätze. S. 265-285. In: Schützeichel, Rudolf (Hg.): Sprachwissenschaft Band 12 Heft3/4. Heidelberg 1987. S.270-280.

[5] Fabricius-Hansen, Cathrine: Sogenannte ergänzende wenn-Sätze. Ein Beispiel semantisch-syntaktischer Argumentation. a.a.O. S. 183.

[6] Vgl. Meckova-Atanasova, Zdravka: Temporale und konditionale “wenn”-Sätze. Untersuchungen zu ihrer Abgrenzung und Typologie. S.138.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Ergänzende "wenn-Sätze" - ein Problemaufriss
Hochschule
Universität Leipzig
Note
1,7
Autor
Jahr
2002
Seiten
21
Katalognummer
V83968
ISBN (eBook)
9783638004404
ISBN (Buch)
9783638912259
Dateigröße
436 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ergänzende, Problemaufriss
Arbeit zitieren
Studienrätin Sandra Müller (Autor:in), 2002, Ergänzende "wenn-Sätze" - ein Problemaufriss, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83968

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