Das VW-Gesetz- ist es europarechtswidrig?


Hausarbeit, 2006

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Ist das VW-Gesetz europarechtswidrig?
1.2 Sonderregelungen des VW-Gesetzes
1.3 Zweck der Sonderregelungen

2 Analyse und Bewertung
2.1 Kapitalverkehrsfreiheit, § 56 ff EGV
2.2 Vergleichbarkeit mit den golden share Fällen
2.3 Höchststimmrecht, Sperrminderheit und Vertretungsbeschränkung
2.4 Übertragung der Dassonville-Formel
2.5 Zwischenergebnis
2.6 Keck-Formel
2.7 Rechtfertigung der Regelung

3 Ergebnis

4 Literaturliste

1 Einleitung

1.1 Ist das VW-Gesetz europarechtswidrig?

Nachdem die Eigentümer der 1938 gegründeten Volkswagen GmbH nach den Kriegswirren nicht mehr zu ermitteln waren, wurden die Vermögenswerte von den Alliierten beschlagnahmt. 1949 wurde das Land Niedersachsen mit der treuhänderischen Verwaltung beauftragt, nachdem die Verfügungsgewalt auf die Bundesrepublik Deutschland übertragen wurde. 1959 einigte man sich im Vergleichswege zur Umwandlung in eine AG mit besonderen gesellschaftlichen Sonderregelungen, wobei 20 % des Grundkapitals in der Hand von Bund und Land verbleiben sollten. Die Umsetzung vollzog sich in mehreren Schritten, wobei durch den dritten und letzten Schritt mit Gesetz vom 21.7.1960[1] ein Höchststimmrecht, die Erleichterung der Sperrminderheit, das Entsenderecht in den Aufsichtsrat sowie eine Vertretungsbeschränkung verankert wurde. In den 60er Jahren wurden dann die Volkswagen-Aktien unter Gewährung von Sozialrabatten ausgegeben, um eine möglichst breite Streuung zu erreichen.

1.2 Sonderregelungen des VW-Gesetzes

Mit dem Höchststimmrecht des Art. 2 Abs. 1 VW-Gesetz wird das Stimmrecht unabhängig von der Höhe der kapitalmäßigen Beteiligung ab einem bestimmten Gesamtnennbetrag gedeckelt, so dass für den überschießenden Kapitalanteil kein Stimmrecht geltend gemacht werden kann. Für Bund, Land und Privataktionäre gilt seit 1970 durch die Neufassung der Stimmrechtsregelung[2] eine einheitliche Stimmrechtsbeschränkung auf 20%.

Die gesetzlich vorgesehene passive Sperrminderheit wurde durch § 4 Abs.3 verschärft. Während das Aktiengesetz eine Dreiviertelmehrheit zur Beschlussfassung auf Hauptversammlungen versieht, wurde durch das VW-Gesetz das Quorum für Beschlüsse auf vier Fünftel angehoben. § 4 Abs.1 räumt dem Land und dem Bund das Recht zur Entsendung von jeweils zwei Mitgliedern in den Aufsichtsrat ein, solange sie Anteile an Volkswagen besitzen. Ebenfalls beschränkt wird durch § 3 das Recht der Aktionäre, sich geschäftsmäßig vertreten zu lassen.

1.3 Zweck der Sonderregelungen

Zweck des Gesetzes war die Verhinderung der Bildung von Machtblöcken und der Einflussnahme von Großaktionären[3]. Im Gegensatz zu den Höchststimmrechten, die mittlerweile auch vom Gesetzgeber bei Börsenorientierten Unternehmen abgeschafft wurden, sind Sperrminderheiten im deutschen Aktienrecht grundsätzlich anerkannt.

Auch wenn der Schwellenwert beim VW-Gesetz um 5% herabgesetzt wurde und somit weniger bedeutend ist als das Höchststimmrecht, lässt sich auch hier eine Abschreckung möglicher Investoren nicht ausschließen.

2 Analyse und Bewertung

2.1 Kapitalverkehrsfreiheit, § 56 ff EGV

Der Begriff des Kapitalverkehrs ist im EGV nicht definiert und auch der EuGH hat sich bislang einer genaueren Definition entzogen[4].

Der Anhang I der RL88/361/EWG[5] enthält eine Nomenklatur für den Kapitalverkehr, der gemäß Art. 1 der RL grundsätzlich beschränkungsfrei sein soll. Die Nomenklatur enthält eine - ausdrücklich nicht erschöpfende - Aufzählung von Kapitalverkehrsgeschäften, die in 13 Hauptklassen zusammengefasst wurden.

Abgegrenzt hat der EuGH jedoch den Kapitalverkehr von der Dienstleistung[6].

Gleichwohl lässt sich aus einer Zusammenschau kapitalverkehrsrelevanter primär- und sekundärrechtlicher Regelungen, der Rechtsprechung des EuGH und aus dem ökonomischen Verständnis des Begriffs die Formel gewinnen, dass unter Kapitalverkehr jede über die Grenzen eines Mitgliedstaates der Gemeinschaft hinweg stattfindende Übertragung von Geld- oder Sachkapital zu verstehen ist, die primär zu Anlagezwecken erfolgt[7].

Der Definition zufolge fällt die Beteiligung an bestehenden Unternehmen und Geschäften mit am Kapitalmarkt gehandelten Wertpapieren unter Kapitalverkehr. Die Beteiligung an einer AG ist eine Direktinvestition, wenn dem Inhaber eine Beteiligung an der Verwaltung der Gesellschaft und deren Kontrolle ermöglicht ist.

Alle Regelungen, die Anleger aus anderen Mitgliedstaaten von Investitionen abhalten können, tangieren folglich den Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit[8].

Da Art. 56 EGV Beschränkungen ganz allgemein verbietet, ist es unerheblich, ob diese für jedermann gelten und geht somit über ein Diskriminierungsverbot von ausländischen Investoren hinaus[9]. Demnach könnten auch die Regelungen des VW-Gesetzes eine indirekte Erwerbsbeschränkung darstellen und die Kapitalverkehrsfreiheit einschränken[10].

Eine nähere Ausgestaltung hat das Verbot der Beschränkungen des Kapitalverkehrs des Art.56 Abs.1 EG durch die Rechtssprechung des EuGH erfahren.

In den Entscheidungen zu den golden shares, den Verzugsaktien, die dem jeweiligen Staat entsprechende Eingriffsbefugnisse einräumen, hat der EuGH ausgeführt, dass die Kapitalverkehrsfreiheit nicht nur ein Diskriminierungs- sondern auch ein Beschränkungsverbot beinhaltet. Eine Beschränkung liegt bereits dann vor, wenn die entsprechende Regelung Anleger aus anderen Mitgliedsstaaten von einer Investition abhalten können. Nur aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses können sich die Mitgliedstaaten auf den Vorbehalt des §295 EG berufen. Ebenfalls notwendig sei die Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die Zielerreichung, wobei die Kriterien objektiv und gerichtlich nachprüfbar sein müssen.

Die Liberalisierung grenzüberschreitender Investitionen wird in zwei Strategien umgesetzt: beschränkende Regelungen der Mitgliedstaaten werden abgebaut und nationale Vorschriften werden auf Gemeinschaftsebene angeglichen.

[...]


[1] BGBl 1, 586

[2] BGBl 1, 1149

[3] BT-Drucksache v. 15.3.1960, 3/1680, S.2

[4] Callies/Ruffert, EUV/EGV 1999, Art. 56 Rn 5

[5] EuGH, Slg. 1999, I-1661 Rn 20f – Trummer

[6] EuGH/ Rs 26/83 u. 286/82, Slg. 1984, 377 Rn 21

[7] A. Bleckmann, Rn. 1181 f

[8] EuGH, NJW 2002. 2307 ff

[9] EuGH Slg. 1995, I – 4821, Rn 25 – Sanz de Lera

[10] Krause, NJW 2002, 2747, 2749

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Das VW-Gesetz- ist es europarechtswidrig?
Hochschule
Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
Veranstaltung
Deutsches und europäisches Staats-und Verfassungsrecht
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
15
Katalognummer
V84089
ISBN (eBook)
9783638004817
ISBN (Buch)
9783638912419
Dateigröße
505 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
VW-Gesetz-, Deutsches, Staats-und, Verfassungsrecht
Arbeit zitieren
Ulrike Prinz (Autor:in), 2006, Das VW-Gesetz- ist es europarechtswidrig?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84089

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