Die Güte des kaufmännischen Berufsausbildungsniveaus wird entscheidend durch die Qualität und Eignung der inländischen Handelslehrer und Handelslehrerinnen beeinflusst. Die Besonderheit dieses Berufsbildes liegt dabei vor allem in seiner zweiphasigen Ausbildungsstruktur verborgen.
Die erste, universitäre Phase steht zunächst ausdrücklich im Kontext der Wissenschaft. Sie ist als gewichtete Kombination fachwissenschaftlicher, fachdidaktischer sowie wirtschaftspädagogischer Komponenten ausgestaltet, die zusätzlich um schulpraktische Anteile ergänzt werden. Der Ausbildungsschwerpunkt wird demnach nahezu ausschließlich auf die Erfassung und Beherrschung der theoretischen Grundlagen, die sowohl den Bereich der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre als auch den der Wirtschaftspädagogik und eines weiteren Schulfaches umfassen, gelegt . Durch diese Ausgestaltung des Studiums sollen die Studenten ein solides wissenschaftliches Fundament in einem oder mehreren Fächern ihres späteren Berufsfeldes erhalten . Der anschließende Vorbereitungsdienst beschäftigt sich im Gegensatz dazu vornehmlich mit dem Erleben des Schulalltages und soll durch die Agglomeration von praxisspezifischen Erfahrungen den Ausbau einer souveränen Unterrichtskompetenz ermöglichen.
Innerhalb der letzten Jahre geriet dieses auf Dauer gewachsene Ausbildungssystem jedoch wiederholt in die Diskussion. Dazu wurden unzählige Reformen und Umgestaltungen konzipiert und vorgeschlagen.Besonders aktuell ist derzeit die Debatte um die angestrebte internationale Angleichung der deutschen Studiengänge. Somit steht insbesondere die erste Ausbildungsphase der Diplom-Handelslehrer aufgrund der Sorbonne-Erklärung 1998 oder den Bologna-Beschlüssen 1999 landesweit auf ’unsicheren Beinen’.
Im Vordergrund dieser Reform steht eindeutig die Tendenz weg vom herkömmlichen und anerkannten deutschen Diplom hin zu den jeweiligen Varianten der Bachelor- und Masterstudiengänge. Diese Bemühungen werden dabei nahezu bedenkenlos als Inkarnation einer Neugestaltung eines ’offenbar’ unzeitgemäßen Hochschulwesens angepriesen und hauptsächlich aus den Reihen der Politik vorangetrieben . Doch zu dem jetzigen Zeitpunkt scheint es sich bei diesen Anstrengungen vielmehr um unübersichtliche Umstrukturierungs- und Umbruchsprozesse zu handeln, die eher einen experimentellen Charakter aufweisen und daher bis zum heutigen Tage keinen eindeutigen Ausgang versprechen.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Die Geschichte der Wirtschaftspädagogik
- Die Anfänge der Wirtschaftspädagogik
- Ökonomie, Wirtschaft, Pädagogik, Erziehung
- Die Verankerung der Wirtschaftspädagogik
- Friedrich Schlieper
- Alfons Dörschel
- Aufkommende Zweifel an der Wirtschaftspädagogik
- Wolfgang Ritzel
- Jürgen Zabeck
- Zur Gewissheit der Wirtschaftspädagogik in unsicherer Mitte
- Ein Verhältnis als Struktur
- Die Anfänge der Wirtschaftspädagogik
- Der vermeintliche Untergang der Wirtschaftspädagogik
- Bestandsaufnahme: Die gegenwärtige Ausbildungsstruktur der Handelslehrer
- Allgemeine Sachverhalte und Regelungen
- Das wirtschaftspädagogische Grundstudium
- Das wirtschaftspädagogische Hauptstudium
- Die Besonderheiten des wirtschaftspädagogischen Studiums
- Grundlagen der Master- und Bachelorstudiengänge
- Gründe für die Einführung einer konsekutiven Studienstruktur
- Nationale und internationale Konferenzen und Vereinbarungen innerhalb des Bologna-Prozesses im Überblick
- Die Sorbonne-Erklärung
- Die Bologna-Erklärung
- Das Prager Communique
- Die Berlin-Konferenz
- Die Konferenz in Bergen
- Die rechtliche Umsetzung des Bologna-Prozesses in Deutschland
- Beschlüsse auf Basis des europäischen Rechts
- Beschlüsse auf Basis des Bundesrechts
- Beschlüsse auf Basis der Kultusministerkonferenz
- Charakteristische Elemente der Master- und Bachelorstudiengänge
- Die konsekutive Studienstruktur und die Abschlüsse Master und Bachelor
- Die Modularisierung
- Allgemeine Kritik an der Modularisierung
- Die Modularisierung der Studieninhalte aus dem Blickwinkel der Komplementarität
- Komplementarität als unverzichtbares Prinzip im tertiären Bildungssektor – Ein Exkurs
- Das Leistungspunktesystem
- Allgemeine Kritik am Leistungspunktesystem
- Eine abschließende Gegenüberstellung der Diplom- und Bachelor- / Master-Studiengänge
- Entwicklung und Selbstverständnis der Wirtschaftspädagogik
- Rechtliche Grundlagen und Umsetzung des Bologna-Prozesses in Deutschland
- Charakteristika und Kritikpunkte der Master- und Bachelorstudiengänge
- Folgen der neuen Studienstruktur für die Handelslehrerausbildung und die Wirtschaftspädagogik
- Zukunft der Wirtschaftspädagogik als eigenständige Disziplin
- Kapitel 2 stellt die Geschichte der Wirtschaftspädagogik von ihren Anfängen bis zur heutigen Zeit dar. Dabei werden die verschiedenen Phasen der Entwicklung, die Verankerung als Teildisziplin der Erziehungswissenschaft und die Diskussion um ihre Eigenständigkeit beleuchtet.
- Kapitel 3 analysiert die aktuellen Reformbestrebungen des deutschen Hochschulwesens, die durch den Bologna-Prozess angestoßen wurden. Es werden die Ziele und die rechtlichen Grundlagen der Hochschulreform erläutert. Der Fokus liegt auf den Auswirkungen der Einführung von Master- und Bachelorstudiengängen, der Modularisierung und des Leistungspunktesystems.
- Kapitel 4 fokussiert die Folgen der neuen Studienstruktur für die Handelslehrerausbildung und die Wirtschaftspädagogik. Es werden die Auswirkungen auf die Ausbildungsqualität, die berufliche Identität der Lehrenden und die Zukunft der Wirtschaftspädagogik als eigenständige Disziplin diskutiert.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit analysiert kritisch die aktuelle Hochschulreform in Deutschland, die sich durch die Einführung von Master- und Bachelorstudiengängen auszeichnet. Dabei wird der Fokus auf die Auswirkungen der Reform auf die Ausbildung von Handelslehrern und insbesondere auf die Zukunft der Wirtschaftspädagogik gelegt. Die Arbeit untersucht, ob die Einführung dieser neuen Studienstruktur tatsächlich zur Verdrängung des etablierten Diplomstudiengangs Wirtschaftspädagogik führt und welche Folgen dies für die Qualität der Handelslehrerausbildung und die berufliche Identität der Lehrenden hat.
Zusammenfassung der Kapitel
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter und Fokusthemen der Arbeit sind: Wirtschaftspädagogik, Bologna-Prozess, Master- und Bachelorstudiengänge, Modularisierung, Leistungspunktesystem, Komplementarität, Handelslehrerausbildung, Berufliche Identität, Qualitätssicherung, Hochschulreform, Desinvestition, Zukunft der Wirtschaftspädagogik.
- Bestandsaufnahme: Die gegenwärtige Ausbildungsstruktur der Handelslehrer
- Citation du texte
- Marlies Franzen (Auteur), 2006, Wirtschaftspädagogik: Zwischen Aufbruch und Untergang, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84195