In seiner Entscheidung zum 6. Änderungsgesetz zum Hochschulrahmengesetz hat das Bundesverfassungsgericht das in § 27 Abs. 4 HRG normierte Gebot der Gebührenfreiheit des Erststudiums für verfassungswidrig und damit nichtig erklärt. Inzwischen haben mehrere Länder die Einführung allgemeiner Studiengebühren beschlossen. Weitere Länder werden folgen. Das Flächenbundesland X beabsichtigt dagegen, an der in § 30 des geltenden Landeshochschulgesetzes normierten Studienkontenregelung (Studiengebührenfreiheit für das Erststudium, Studienkonto mit Studienguthaben, Studiengebühren in Höhe von 650 EUR nur nach Verbrauch des Studienguthabens) grundsätzlich festzuhalten. Da jedoch die angrenzenden
Länder allgemeine Studiengebühren einführen, fürchtet das Land X finanzielle Mehrbelastungen, die durch Zuwanderung von Studierenden aus diesen Ländern entstehen. Die Landesregierung denkt daher über Schutzvorkehrungen nach. Insbesondere wird in Erwägung gezogen, die Geltung des § 30 HochSchG auf Studierende aus dem Land X zu beschränken und von Studierenden aus anderen Ländern die Studiengebühren zu erheben, die nach Verbrauch des Studienguthabens auch von Studierenden aus dem Land X erhoben werden.
Schließlich verabschiedet der Landtag mit der Regierungsmehrheit eine Änderung des § 30 HochSchG. § 30 Abs. 1 Satz 1 HochSchG hat danach folgenden Wortlaut: „Das Studium ist für Studierende mit Studienguthaben bis zu einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss, bei konsekutiven Bachelor- und Masterstudiengängen bis zum zweiten berufsqualifizierenden Abschluss, gebührenfrei.“ Der geänderte § 30 Abs. 2 Satz 1 HochSchG bestimmt: „Ein Studienkonto mit Studienguthaben erhalten mit Einschreibung die Studierenden, die ihre Hauptwohnung im Land X haben.“ § 30 Abs. 6 Satz 1 HochSchG regelt u.a., dass Studierende ohne Studienguthaben, die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten, von der Erhebung der Studiengebühr ausgenommen sind. Auch kann nach § 30 Abs. 6 Satz 2 HochSchG die Studiengebühr auf Antrag von der Hochschule gestundet, ermäßigt oder erlassen werden, wenn die Einziehung der Gebühr aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls für die Studierende oder den Studierenden eine unbillige Härte darstellt."
Ist die Regelung des § 30 Abs. 2 Satz 1 HochSchG materiell verfassungsgemäß?
Inhaltsverzeichnis
- A. Artikel 12 Abs. 1 GG
- I. Schutzbereich
- 1. persönlicher Schutzbereich
- 2. sachlicher Schutzbereich
- II. Ergebnis
- B. Artikel 33 Absatz 1 GG
- I. Schutzbereich bzw. Anwendungsbereich
- 1. persönlicher Schutzbereich
- 2. Sachlicher Schutzbereich
- a) Staatsbürgerliche Rechte und Pflichten
- b) Landeszugehörigkeit
- aa) Restriktive Auffassung
- bb) Extensive Auslegung
- cc) Zwischenergebnis
- 3) rechtlich relevante Ungleichbehandlung
- 4) Zwischenergebnis
- II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
- 1. legitimer Zweck
- 2. Geeignetheit
- 3. Erforderlichkeit
- 4. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne
- 5. Zwischenergebnis
- III. Ergebnis
- C. Art. 3 Abs. 3 GG
- I. Schutz- bzw. Anwendungsbereich
- 1. Persönlicher Schutzbereich
- 2. Sachlicher Schutzbereich
- a) Abstammung
- b) Heimat
- c) Herkunft
- 3. Zwischenergebnis
- II. Ergebnis
- D. Artikel 3 Abs. 1 GG
- I. Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem
- 1. Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1
- 2. Ungleichbehandlung
- 3. Wesentliche Gleichheit
- 4. Ergebnis
- II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
- 1. Prüfungsmaßstab
- a) Willkürverbot
- c) Zwischenergebnis
- 2. Verhältnismäßigkeit
- III. Ergebnis
- E. Ergebnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der materiellen Verfassungsmässigkeit der Regelung des § 30 Abs. 2 Satz 1 HochSchG, die Studierenden mit Hauptwohnsitz im Land X ein Studienguthaben gewährt, Studierenden mit Hauptwohnsitz außerhalb des Landes X jedoch nicht.
- Die Arbeit untersucht die Anwendbarkeit des Art. 12 Abs. 1 GG auf die Regelung.
- Es werden die Schutzbereiche des Art. 33 Abs. 1 GG und die Rechtfertigung der Regelung durch den Staat geprüft.
- Die Arbeit analysiert die Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 3 GG auf die Regelung und prüft die Rechtfertigung der Regelung durch den Staat.
- Es wird die Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG auf die Regelung geprüft und die Rechtfertigung der Regelung durch den Staat analysiert.
- Die Arbeit untersucht die Verhältnismässigkeit der Regelung in Bezug auf ihre Zweckmässigkeit, Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismässigkeit im engeren Sinne.
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel A befasst sich mit dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG und der Anwendbarkeit dieser Norm auf die Regelung des § 30 Abs. 2 Satz 1 HochSchG.
- Kapitel B untersucht die Anwendbarkeit des Art. 33 Abs. 1 GG auf die Regelung und analysiert die Rechtfertigung der Regelung durch den Staat.
- Kapitel C befasst sich mit der Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 3 GG auf die Regelung und analysiert die Rechtfertigung der Regelung durch den Staat.
- Kapitel D untersucht die Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG auf die Regelung und analysiert die Rechtfertigung der Regelung durch den Staat.
Schlüsselwörter
Studiengebühren, Landeskinderklausel, Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 33 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 GG, Verfassungsrechtliche Rechtfertigung, Verhältnismässigkeit, Grundrechtskonformität
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- Christoph Gand (Author), 2006, Die Verfassungsmäßigkeit von Landeskinderklauseln, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84407