Umsatzrealisierung bei Mehrkomponentenverträgen nach IAS/IFRS


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

21 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsklärung
2.1 Erträge
2.2 Umsatzrealisierung
2.3 Mehrkomponentenvertrag

3. Relevante Regelungen zur Umsatzrealisierung in IAS/ IFRS
3.1 Framework
3.2 Rechnungslegungsgrundsätze nach IAS/ IFRS
3.2.1 accrual basis (periodengerechte Erfolgsermittlung)
3.2.1.1 Realization Principle
3.2.1.2 Matching Principle
3.2.1.3 Defferals Principle
3.2.2 Qualitative Merkmale (qualitative characteristics)

4. Abbildung von Mehrkomponentenverträgen im IFRS- Abschluss
4.1 Bestehende Standards in IAS/ IFRS bezüglich Mehrkomponentenverträgen
4.1.1 IAS 11
4.1.2 IAS 18
4.2 IAS 8 zur Anwendung von Standards anderer Standardsetter
4.2.1 Adaption bei Regelungslücken
4.2.2 Anwendung von US-GAAP- Regelungen (EITF 00-21)
4.3 Bilanzierung von Mehrkomponentenverträgen
4.3.1 Trennbarkeit dem Grunde nach (sachliche Trennung)
4.3.1.1 Konzeption der Kostenabgrenzung
4.3.1.2 Konzeption der Umsatzaufgliederung
4.3.1.3 Konzeption der hinausgezögerten Umsatzrealisation
4.3.1.4 Beurteilung
4.3.2 Trennbarkeit der Höhe nach (wertmäßige Trennung)
4.3.2.1 Methode der relativen fair values
4.3.2.2 Residualwertmethode

5. Anwendungsbereiche von Mehrkomponentenverträgen

6. Beispiel: PKW- Neuwagenverkauf mit lebenslangem Instandhaltungsservice

7. Aktuelle Entwicklung / Ausblick

Verzeichnis der Gesetze, Verordnungen, Verwaltungsanweisungen und sonstigen Rechnungslegungsvorschriften

Verzeichnis der Internetquellen

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Unternehmen müssen heutzutage immer innovativer und kundenorientierter sein, um konkurrenzfähig zu bleiben. In den letzten Jahren haben sich unter anderem deshalb neue Vertragsformen herausgebildet. Oft ist es nicht mehr das einzelne Produkt, sondern ein ganzes Bündel von Leistungen, das den Kunden anlockt und überzeugt. Für einen Gesamtpreis erhält der Kunde neben der eigentlichen Hauptleistung mindestens eine Nebenleistung (Mehrkomponentenvertrag)[1]. In dieser Form versuchen die Unternehmen sich von Wettbewerben zu differenzieren und einen Vorteil im Wettstreit um die Gunst der Kundschaft zu erlangen. Allerdings stellt sich zugleich im Rahmen der Rechnungslegung allerdings die Frage, wie solche Geschäftsvorfälle adäquat im Jahresabschluss abzubilden sind. Insbesondere, wenn sich die Leistungserbringung über mehrere Abrechnungsperioden erstreckt.

Bisher existieren in IAS/ IFRS im Hinblick auf die Umsatzrealisierung von Mehrkomponentengeschäften nur sehr rudimentäre Regelungen[2]. In dieser Arbeit werden die vorhandenen Regelungen und mögliche Vorgehensweisen bei der Umsatzrealisierung von Mehrkomponentenverträgen in IAS/IFRS erörtert.

2. Begriffsklärung

Umsatzerlöse sind in den IFRS definiert, als Bruttozufluss wirtschaftlichen Nutzens im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit, resultierend aus dem Absatz der Produkte der Unternehmung oder aus der Erbringung der für das Unternehmen charakteristischen Dienstleistung (revenues).[3] Welche Erlöse im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit einzuordnen sind richtet sich nach der jeweiligen operativen Ausrichtung des Unternehmens. IFRS verwendet die Begriffe Ertrag und Erlös inkonsistent. Es ist bei Erträgen zwischen Umsatzerlösen (revenues) und sonstigen Erträgen (gains) zu unterscheiden.[4]

2.1 Erträge

Erträge sind im Framework als „[…] Zunahme wirtschaftlichen Nutzens in der Berichtsperiode (increase in economic benefits during the accounting period) definiert, die in Form von Zuflüssen (inflows) oder Erhöhungen (enhancements) von Vermögenswerten oder einer Abnahme (decrease) von Schulden eintreten und gleichzeitig das Eigenkapital erhöhen und nicht auf Kapitalzuführungen der Anteilseigner (contributions from equity participants) beruhen.“[5] Sie sind nach dem Fair Value (beizulegender Zeitwert)[6] „der erhaltenen oder zu beanspruchenden Gegenleistung zu bemessen“.[7] In den IAS/ IFRS werden Erträge in gewöhnliche Erträge (revenues)[8] und andere Erträge (gains)[9] unterteilt.

2.2 Umsatzrealisierung

Sie behandelt die Frage nach dem Zeitpunkt, in dem der entsprechende Umsatz erfasst werden soll. Im Englischen wird der Begriff Revenue Recognition als Oberbegriff für die Thematik der Umsatzrealisierung, -erfassung, -bewertung und -offenlegung verwendet. Revenue kann sowohl Ertrag, Gewinn als auch Umsatzerlös bedeuten.[10] In Anlehnung an die US-GAAP Regelungen kann Revenue Recognition als formaler Prozess der buchhalterischen Erfassung einer Transaktion im Jahresabschluss übersetzt werden.[11]

2.3 Mehrkomponentenvertrag

Der Begriff Mehrkomponentenvertrag hat seine Wurzeln im anglo - amerikanischen Wirtschaftsraum. Jedoch besteht weder im US-GAAP, noch in IFRS oder HGB eine Legaldefinition von Mehrkomponentenverträgen. Am ehesten lässt sich der Mehrkomponentenvertrag als „gegenseitigen Vertrag zur Lieferung und Leistung einer Sache (oder eines sonstigen Gegenstandes) bzw. Erbringung einer Dienstleistung, der neben der eigentlichen Hauptleistung (z.B. Kaufvertrag über eine Sache) noch mind. eine Nebenleistung (z.B. Dienstleistungsvertrag) beinhaltet“[12] definieren. Weitere Merkmale sind, dass die Leistungen gleichzeitig oder zumindest zeitnah erbracht werden und miteinander eng verbunden sind. Oftmals wird nur ein zivilrechtlicher Vertrag geschlossen, in welchem im Voraus ein Gesamtpreis für das ganze Leistungsbündel vereinbart wird[13]. Allerdings können auch mehrere Verträge- juristisch unterschiedlicher Art- zusammen als Mehrkomponentengeschäft gelten. Dazu müssen sie in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang zueinander stehen, der Abschluss zeitgleich bzw. zeitnah mit dem gleichen Vertragspartner erfolgen und Komplementarität der Teilleistungen vorliegen.[14] Jedoch sind bei solchen Konstellationen die einzelnen Verträge in einem Unter- Überordnungsverhältnis zu betrachten. D.h. konkret, dass sich die Nebenleistungen jederzeit zweifelsfrei von der Hauptleistung separieren lassen müssen.[15] „Unter Mehrkomponentengeschäfte fallen auch Finanzierungsvorgänge, die explizit oder implizit vereinbart worden sind und in engem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Verkauf von Vermögenswerten oder Dienstleistungen stehen.“[16] Besonders oft kommen Mehrkomponentenverträge in der IT- Branche (Softwareverkauf inklusive Support) und im Mobilfunkmarkt (Mobilfunkvertrag inklusive Handy) vor, aber auch der Kauf einer Produktionsmaschine inklusive Schulungen zur Bedienung der Anlage ist ein typisches Beispiel.[17]

3. Relevante Regelungen zur Umsatzrealisierung in IAS/ IFRS

In den IAS/IFRS gibt es mehr als eine die Umsatzrealisierung betreffende Vorschrift. Neben den Einzelstandards sind das Framework und die Interpretationen SIC und IFRIC zu berücksichtigen.[18] Selbstverständlich muss sich der Abschlussersteller, auch im Rahmen der Umsatzrealisierung bei Mehrkomponentenverträgen, an die der IFRS- Rechnungslegung zugrunde liegenden Prinzipien und Annahmen halten, um dem Zweck, den Adressaten entscheidungsnützliche Informationen zu vermitteln (decision usefullness approach), gerecht werden zu können. Als vorrangiger Adressat eines IFRS- Abschlusses ist gemäß F.10 der Investor anzusehen[19]. Die Annahmen und Prinzipien sind im Framework und in IAS 1 festgehalten.

3.1 Framework

Das Rahmenkonzept stellt die Grundlage dar, auf der IFRS- Abschlüsse erstellt werden.[20] Es „[…]enthält übergreifende Überlegungen zum Zweck und zu Grundanforderungen der Rechnungslegung sowie zur Definition der Gegenstände der Rechnungslegung (Bilanzierungsobjekt usw.)“[21], ist aber kein Bestandteil der Standards und im Falle eines Konflikts subsidiär. Insbesondere F.74 – 77 stehen im Zusammenhang mit der Umsatzrealisierung im Mittelpunkt, da sie Erträge und die Ertragserfassung definieren.

3.2 Rechnungslegungsgrundsätze nach IAS/ IFRS

Die allgemeinen Grundsätze der IFRS- Rechnungslegung sind consistency (Grundsatz der Stetigkeit)[22], going concern (Unternehmensfortführung)[23] und accrual basis (periodengerechte Erfolgermittlung)[24]. Zielsetzung der Prinzipien ist es, dem Abschlussadressaten durch den Jahresabschluss einen true and fair view auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des berichtenden Unternehmens zu vermitteln.[25] Im Hinblick auf die Umsatzrealisierung ist primär das Prinzip der periodengerechten Erfolgermittlung zu betrachten.

3.2.1 accrual basis (periodengerechte Erfolgsermittlung)

Die Annahme der periodengerechten Erfolgsermittlung ist von grundlegender Bedeutung für die Umsatzrealisation. Oftmals erstrecken sich Geschäftsvorfälle über mehrere Abrechnungsperioden. Daher ist es notwendig, solche Transaktionen periodengerecht abzugrenzen, um die Vermögen- Finanz- und Ertragslage des Unternehmens richtig darzustellen. Nach dem Prinzip der periodengerechten Erfolgermittlung sollen die Auswirkungen von Transaktionen im Zeitpunkt erfasst werden, in dem sie auftreten. Die buchhalterische Erfassung und der Ausweis im Abschluss erfolgt in der Periode, der die Transaktion zuzurechnen ist. Geschäftsvorfälle werden so unabhängig von ihrer Zahlungswirksamkeit abgebildet. Ziel ist es den Abschlussadressaten über die Informationen vergangener Geschäftsvorfälle hinaus, auch künftige Zahlungsverpflichtungen sowie Zahlungsmittelzuflüsse offen zu legen. Das Prinzip der periodengerechten Erfolgsermittlung spaltet sich in drei Teilprinzipien: Realisationsprinzip, matching principle und deferral principle[26]

3.2.1.1 Realization Principle

Das Realisationsprinzip ist zentraler Bestandteil bei Überlegungen zur Umsatzrealisierung. Es konkretisiert den Zeitpunkt der Erfassung von Erträgen. Umsatzerlöse dürfen prinzipiell erst erfolgswirksam verbucht werden, wenn der Leistende alle wesentlichen Leistungen erbracht hat, die den Anspruch auf Gegenleistung begründen.[27] Somit wird ersichtlich, dass noch nicht realisierte revenues bereits aufgrund des sehr abstrakten Realisationsprinzips erfolgswirksam verbucht werden können.[28]

3.2.1.2 Matching Principle

Das matching principle bestimmt, dass Aufwendungen in einem direkten Zusammenhang mit den entsprechenden Erträgen zu erfassen sind. Aufwendungen und Erlöse aus demselben Geschäftsvorfall werden einander zugeordnet, d.h. sie werden gleichzeitig und gemeinsam in der GuV erfasst.[29]

3.2.1.3 Defferals Principle

Das defferals principle[30], welches dem handelsrechtlichen Prinzip der zeitlichen Abgrenzung[31] inhaltlich überwiegend entspricht, enthält Ansätze zur Verteilung zeitraumbezogener Aufwendungen und Erträge.[32]

3.2.2 Qualitative Merkmale (qualitative characteristics)

Zusätzlich zu den angeführten Grundannahmen müssen Abschlussinformationen festgelegten qualitativen Anforderungen genügen, um für den Abschlussleser entscheidungsnützlich (decision usefullness) sein zu können. Darunter versteht das IASB die vier qualitativen Anforderungen Verständlichkeit (understandibility), Relevanz (relevance), Verlässlichkeit (reliability) und Vergleichbarkeit (comparability).[33] Die Anforderungen gliedern sich teilweise noch in Sekundäreigenschaften und werden durch Nebenbedingungen beschränkt.[34] Eine dieser Sekundäreigenschaften, die wirtschaftliche Betrachtungsweise (substance over form), ist für die Umsatzrealisierung im Allgemeinen von entscheidender Bedeutung. Es besagt, dass bei der Beurteilung eines Sachverhalts vorrangig auf die wirtschaftlichen Auswirkungen abzustellen ist. Die konkrete juristische Ausgestaltung sollte nicht das alleinige Kriterium zur Abbildung des Sachverhalts sein.[35]

[...]


[1] Vgl. unten 2.3.

[2] Vgl. Pilhofer, J. (2002), S. 425.

[3] Vgl. IAS 18.7, IAS F.70a; Lüdenbach in Haufe IFRS Kommentar (2006a), S. 1016.

[4] Vgl. Küting, K. (2006), S. 1446.

[5] Plock, M. (2004), S.3; F.70(a).

[6] Vgl. IAS 18.7; Coenenberg, A.G. (2005), S. 246.

[7] IAS 18.9; Vgl. KPMG (2003a), S. 165.

[8] Vgl. F. 74

[9] Vgl. F.76; Pilhofer, J. (2002), S. 29.

[10] Vgl. Demming, C. (1997), S. 291; Pilhofer, J. (2002), S. 51.

[11] Vgl. Pilhofer, J. (2002), S. 52 (Abb.2).

[12] Küting, K./ Turowski, P./ Pilhofer, J. (2001) in WP, Jg. 54, S 306.

[13] Vgl. Lüdenbach, N./ Hoffmann, W-D., (2006b), S. 153.

[14] Vgl. Lüdenbach/Hoffmann in Haufe IFRS Kommentar (2006a), § 25 Rz 64.

[15] Vgl. Pilhofer, J. (2002), S. 366.

[16] Im Internet: DRSC(2002): URL: http://www.standardsetter.de/drsc/docs/drafts/17.html.

[17] vgl. Pilhofer, J. (2002), S. 367.

[18] Vgl. Lüdenbach in Haufe IFRS Kommentar (2006a), § 1 Rz 57; Wagenhofer, A. (2005), S.96f.

[19] Vgl. F.10; Lauer, R.M./ Bremer, M. (2005), S. 452.

[20] Vgl. F.1.

[21] Lüdenbach/Hoffmann in Haufe IFRS Kommentar (2006a), § 1 Rz 2.

[22] Vgl. IAS 1.27; Born, K. (2005), S. 86.

[23] Vgl. F.23; IAS 1.23; Born, K (2005), S. 85; Achleitner, A.-K./ Behr, G. (1997), S. 86f.

[24] Vgl. 3.2.1.

[25] Vgl. Born, K. (2005), S. 82; Coenenberg, A. G. (2005), S. 58f.

[26] Vgl. F.22; Coenenberg, A.G. (2005), S. 59.

[27] Vgl. Ballwieser, W./ Coenenberg, A.-G./ Wysocki, K. v. (2002), Sp. 1644.

[28] Vgl. Pilhofer, J. (2002), S. 139.

[29] Vgl. F.95; Achleitner, A.-K./ Behr, G. (1998), S. 92.

[30] Vgl. zu defferals principle: Baumann, K./ Kirsten, F. (2001), S.246.

[31] Vgl. Rürup, L. (1995), (HdJ), Abt.IV/1, Rn 35.

[32] Vgl. Pilhofer, J. (2002), S. 138.

[33] Vgl. F. 24; Baetge, J./ Kirsch, H.-J./ Thiele, S. (2005), S 145; Coenenberg, A.G. (2005), S. 61.

[34] Vgl. ausführlicher dazu stellvertretend Baetge, J./ Kirsch, H.-J./ Thiele, S. (2005), S 145ff.

[35] vgl. F. 35; Bieg, H. et al. (2006), S. 70.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Umsatzrealisierung bei Mehrkomponentenverträgen nach IAS/IFRS
Hochschule
Universität Augsburg
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
21
Katalognummer
V84493
ISBN (eBook)
9783638008532
Dateigröße
403 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Umsatzrealisierung, Mehrkomponentenverträgen, IAS/IFRS, Revenue Reconition
Arbeit zitieren
Serkan Sen (Autor:in), 2006, Umsatzrealisierung bei Mehrkomponentenverträgen nach IAS/IFRS, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84493

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