„Es lässt sich wohl Kaum abstreiten, dass die Vorstellung von einem freien ungebundenen Leben uns seit jeher berauscht und beflügelt hat.
In unserer Gedankenwelt verbinden wir damit die Flucht vor der Last der Geschichte, vor Unterdrückung, dem Gesetz und lästigen Verpflichtungen. Wir sehnen uns nach der absoluten Freiheit, und der Weg dorthin führte schon immer in die Fremde“(Wallace Sregner).
Mit solchen oder ähnlichen Gedanken im Gepäck haben sich schon unzählige Reisende und Abenteurer, weit vor der Entstehung eines Tourismussektors, auf den Weg gemacht um fremde Welten zu erkunden und ihren Horizont zu erweitern. Viele Reiseberichte und Romane bauen auf diesen Motiven auf. Sie beschreiben die Faszination des Fremden und sind nicht selten von der Freiheits-Projektion der Romantik geprägt, die Fremde als unberührte und bessere Welt zu betrachten. Enzensberger nimmt an, dass sich auch aus diesen Leitmotiven heraus der Tourismus am Anfang des 19. Jahrhunderts entfalten konnte. Als Parallelentwicklung zur bürgerlichen- und Industriegesellschaft. Ziel war die Flucht. Doch die Befreiung von der industriellen genormten Welt hat sich, so Enzensberger, selbst als Industrie etabliert. Der Tourismus ist gekennzeichnet durch die Elemente jeder industriellen Produktion: Normung, Montage und Serienanfertigung (vgl. Enzensberger 1958). So fließen Fremdheitsstereotype, Wünsche, Erwartungen und Sehnsüchte in den ökonomischen Prozess mit ein und formen eine genormte Fremdheit, die leicht konsumierbar ist, der Nachfrage entspricht und vor allem auch erwartbar bleibt.
Gerade in der Türkei findet man allerorts abgeschlossene Refugien, in denen die Annehmlichkeiten des Abendlandes und die gewohnten Zutaten westlicher Kultur zu künstlichen Urlaubs-Welten zusammengeschmolzen sind. In Architektur und dem allabendlichen Schauprogramm reproduzieren die Hotelketten Fremdheitsklischees auf spielerische Art und Weise. Natürlich ist den meisten Touristen diese „Inszenierung“ bewusst, stellen sie doch eine bequeme Art dar, im Schutze des Hotels orientalisches Flair zu erleben, ohne auf das „deutsche Bier“ verzichten zu müssen. Neben der Abschottung in touristische Scheinwelten, ist aber wieder ein neuer Trend zu beobachten: Eine Studie des Ammerlander- Studienkreises für Tourismus und Entwicklung kam zu dem Ergebnis, dass die Touristen vermehrt Interesse am Kennenlernen von Land und Leuten zeigen. 38 Prozent der Befragten gaben den Wunsch an, abseits der Touristen-Zentren auf Einheimische treffen zu wollen.1 Schrutka-Rechtenstamm geht davon aus, dass die Angebote, welche ein Einsteigen in die fremde Kultur versprechen, allgemein häufiger werden (vgl. Schrutka-Rechtenstamm 1999, S.107). Darüber hinaus konnte die Tourismusindustrie der Türkei in den letzten Jahren eine steigende Nachfrage an Kultur- und Gruppenreisen verzeichnen (vgl. Vielhaber 2000, online).
Was für Intentionen verbergen sich hinter dem Wunsch der Fremde zu begegnen und inwieweit lässt er sich in Gruppenreisen realisieren? Dieser Frage will ich im Hinblick auf die Türkei als Urlaubsdestination nachgehen, gleichzeitig aber auch die damit verbundene Problematik aufzeigen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Motivation, Ausgangslage und Zielsetzung der Arbeit...
- 1.1 Über die Besonderheit der Türkei als Urlaubsland.
- 1.2 Gruppenreisen als Chance interkulturellen Fremdverstehens?
- 2. Theoretische Grundlagen
- 2.1 Varianten des Fremdverstehens
- 2.2 Psychoanalytische Konstitution vom „Fremden“
- 2.2.1 Xenophobie
- 2.2.2 Exotismus
- 3 Fremdheitsbewältigung: zwischen Faszination und Bedrohung ...
- 3.1 Projektionsfläche Türkei
- 3.2 Gruppenreisen als Möglichkeit wohldosierter Fremdheitserfahrung ........
- 4 Produktion, Rezeption und Reproduktion exotischer Fremdheit.…………….….….………..\n
- 4.1 Mediale Inszenierung touristischer Illusionsproduktion.
- 4.1.1 Das Bild des „,edlen Türken“.
- 4.2 Eingeschränkte Wahrnehmung
- 4.3 Inszenierte Begegnungen
- 4.3.1 Der vermeintliche Blick auf die Hinterbühne
- 4.4 Über die Exklusivität,,authentischer\" Fremdheitserfahrung.
- 5 Konflikte und Folgen der Grenzüberschreitungen ..
- 5.1 Über die Schwierigkeit angemessenen Verhaltens
- 5.2 Gefahren der „Schnappschussjagd“.
- 5.2.1 Hierarchischer Blick.......
- 6. Möglichkeiten einer sozialverträglichen Annäherung
- 6.1 Verbesserte Aufklärung
- 6.2 Auflockerung der zeitlichen Rahmenbedingungen .....
- 6.3 Verstärkte Nutzung regionaler Ressourcen....
- Zusammenfassung und Fazit:.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Analyse von Fremdheitserfahrungen in Gruppenreisen, speziell am Beispiel des Türkeitourismus. Das Hauptziel ist es, die Intentionen hinter dem Wunsch, die fremde Kultur kennenzulernen, zu beleuchten und gleichzeitig die damit verbundenen Problematiken aufzuzeigen. Der Fokus liegt dabei auf der Frage, inwieweit Gruppenreisen als Chance interkulturellen Fremdverstehens verstanden werden können.
- Die Besonderheit der Türkei als Urlaubsland für deutsche Touristen.
- Die Rolle von Klischees und Vorurteilen im Fremdverstehen.
- Die mediale Inszenierung von Fremdheitsbildern im Tourismus.
- Die Schwierigkeit, authentische Fremdheitserfahrungen in Gruppenreisen zu gewährleisten.
- Die Konflikte und Folgen von Grenzüberschreitungen im interkulturellen Kontext.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema ein und erläutert die Motivation, Ausgangslage und Zielsetzung der Arbeit. Sie beleuchtet die Besonderheit der Türkei als Urlaubsland für deutsche Touristen und die Bedeutung von Gruppenreisen als potenzielle Plattform für interkulturelles Fremdverstehen. Das Kapitel "Theoretische Grundlagen" behandelt verschiedene Ansätze des Fremdverstehens und die psychoanalytische Konstitution des "Fremden" – mit Fokus auf Xenophobie und Exotismus.
Das dritte Kapitel widmet sich der Bewältigung von Fremdheit, wobei insbesondere die Türkei als Projektionsfläche und Gruppenreisen als Möglichkeit zur wohldosierten Fremdheitserfahrung betrachtet werden. Das vierte Kapitel analysiert die Produktion, Rezeption und Reproduktion exotischer Fremdheit im Tourismus, wobei die mediale Inszenierung von touristischen Illusionsproduktionen und die damit verbundene eingeschränkte Wahrnehmung im Fokus stehen. Die Inszenierung von Begegnungen und die Frage nach der Exklusivität "authentischer" Fremdheitserfahrungen werden ebenfalls behandelt.
Das fünfte Kapitel befasst sich mit Konflikten und Folgen der Grenzüberschreitungen im interkulturellen Kontext, wobei die Schwierigkeit angemessenen Verhaltens und die Gefahren der "Schnappschussjagd" im Vordergrund stehen. Abschließend werden im sechsten Kapitel Möglichkeiten einer sozialverträglichen Annäherung zwischen Touristen und Einheimischen vorgestellt, z. B. verbesserte Aufklärung, Auflockerung der zeitlichen Rahmenbedingungen und verstärkte Nutzung regionaler Ressourcen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit behandelt zentrale Themen wie Fremdheitserfahrung, interkulturelles Fremdverstehen, Türkeitourismus, Gruppenreisen, Exotismus, Medieninszenierung, Klischees, Vorurteile, authentische Begegnung, Grenzüberschreitung, sozialverträgliche Annäherung.
- Arbeit zitieren
- Dipl. Soz. Tobias Lohmann (Autor:in), 2006, Die Sehnsucht nach der Fremde, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84712