Mit der Föderalismusreform scheint es seit Jahren nicht recht voranzugehen. Zu unterschiedlich scheinen die grundsätzlichen Auffassungen vom Verhältnis des Bundes zu den Ländern. Erst Anfang November 2007 sorgte der neue Bundesratspräsident Ole von Beust für Aufsehen, indem er "die Rolle des Bundesrates nicht so sehr als Mitwirkungsorgan der Länder auf Bundesebene, sondern sozusagen als zweite Volksvertretung skizziert" (vgl. Berliner Tagesspiegel 10.11.07). Es bleibt also genügend Zeit für einen langen und vielleicht inspirierenden Blick zurück ....
Ein direkter „materieller“ Vergleich der föderalen Ordnung in der Wei-marer Reichsverfassung (WRV) und im Grundgesetz (GG) erscheint ge-nauso schwierig und problematisch wie ein qualitativer Vergleich der beiden Verfassungen überhaupt, da die Entstehungsgeschichte eine je-weils sehr unterschiedliche ist:
Für die WRV gilt, dass sie mit einer verfassungsmäßigen Rückstän-digkeit brach und als erste deutsche Verfassung herrschaftskonstituie-renden Charakter hatte. Mit dem substanziell neuen Element der Volkssouveränität ging unter diesen Bedingungen fast zwangsläufig die Abkehr von der alten föderativen Ordnung des Kaiserreichs einher. Die Einbeziehung von bundesstaatlichen Elementen in den verfassungsmä-ßigen Rekonstruktionsprozess musste „trotz der auch in den Ländern erfolgten Umstürze als ein geradezu konservatives Element gesehen werden“, heißt es bei Lengemann . Dennoch konnten „Machtteilungsin-strumente im Umgestaltungsprozess wirksam werden und damit auch im Gegensatz zu gerade von Liberalen vertretenen unitarischen Ten-denzen strukturkonservierend wirken“ .
Der Weimarer Föderalismus war ein Kompromiss zwischen Kontinui-tät und Erneuerung, er blieb mit Spannungen beladen und gehörte zu den bis 1933 am meisten diskutierten Verfassungsfragen. Winkler stellt fest: „Im Endergebnis war das Reich unitarischer, als es die Föderalis-ten, und föderalistischer, als es die Unitarier gewünscht hatten“ .
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Genese der Weimarer Reichsverfassung
- Der Föderalismus des Kaiserreichs
- Das Ende des Kaiserreichs und die Ausarbeitung der WRV
- Die WRV und ihre föderativen Regelungen
- Die Beziehung zwischen Reich und Ländern
- Die Kompetenzaufteilung zwischen Reich und Ländern
- Gesetzgebungskompetenzen
- Kompetenzverteilung bei Finanzen und Verwaltung
- Gegenseitige Einflussrechte
- Die Entstehung des Grundgesetzes
- Legitimation und Souveränität der Gliedstaaten
- Legitimation und Souveränität des Gesamtstaates
- Beurteilung der Legitimation der föderativen Ordnung der Bundesrepublik
- Die föderative Ordnung des Grundgesetzes vor dem Hintergrund des Scheiterns der Weimarer Reichsverfassung
- Die Beziehung zwischen Bund und Ländern
- Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern
- Gesetzgebungskompetenzen
- Kompetenzverteilung bei Verwaltung und Finanzen
- Gegenseitige Einflussrechte
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit dem Vergleich des Föderalismus in der Weimarer Reichsverfassung (WRV) und dem Grundgesetz (GG). Sie analysiert die Entwicklung des Föderalismus in beiden Verfassungen und untersucht die historischen, politischen und rechtlichen Hintergründe der jeweiligen föderativen Ordnung.
- Die Genese des Föderalismus im Kaiserreich und die Herausforderungen der Weimarer Republik
- Der Einfluss des Versaillet Vertrages und der „äußeren Zwänge“ auf die Gestaltung des Föderalismus im Grundgesetz
- Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern in beiden Verfassungen
- Der Vergleich der Legitimationsgrundlagen der Gliedstaaten und des Gesamtstaates
- Die Relevanz des Föderalismus als Gestaltungsprinzip im Kontext von Unitarismus und Partikularismus
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung behandelt die Schwierigkeiten eines direkten Vergleichs der föderalen Ordnung in WRV und GG und beleuchtet die unterschiedlichen historischen Entstehungszusammenhänge beider Verfassungen. Sie führt die zentralen Begriffe des Föderalismus ein und erläutert die Dynamik dieses Gestaltungsprinzips.
Kapitel 2 analysiert die Genese der Weimarer Reichsverfassung. Dabei werden der Föderalismus des Kaiserreichs, dessen Stärken und Schwächen, sowie das Ende des Kaiserreichs und die Ausarbeitung der WRV betrachtet. Dieser Abschnitt beleuchtet die Rolle Preußens im Kaiserreich und den Bruch mit dem bündnischen Föderalismus.
Kapitel 3 beschreibt die föderativen Regelungen der WRV. Es untersucht die Beziehung zwischen Reich und Ländern sowie die Kompetenzverteilung in den Bereichen Gesetzgebung, Finanzen und Verwaltung. Die gegenseitigen Einflussrechte der beiden Ebenen werden ebenfalls behandelt.
Kapitel 4 befasst sich mit der Entstehung des Grundgesetzes und seiner föderativen Ordnung. Der Fokus liegt auf der Legitimation der Gliedstaaten und des Gesamtstaates im Kontext der deutschen Teilung.
Kapitel 5 setzt sich mit der föderativen Ordnung des Grundgesetzes vor dem Hintergrund des Scheiterns der Weimarer Reichsverfassung auseinander. Es untersucht die Beziehung zwischen Bund und Ländern sowie die Kompetenzverteilung in den Bereichen Gesetzgebung, Verwaltung und Finanzen. Die gegenseitigen Einflussrechte werden ebenfalls beleuchtet.
Schlüsselwörter
Weimarer Reichsverfassung, Grundgesetz, Föderalismus, Unitarismus, Partikularismus, Bundesstaat, Kompetenzverteilung, Gesetzgebung, Finanzen, Verwaltung, Legitimation, Souveränität, Gliedstaaten, Gesamtstaat, historische Bedingungen, Vergleich, Analyse.
- Arbeit zitieren
- Bernhard Nitschke (Autor:in), 2004, Föderalismus in der Weimarer Reichsverfassung und im Grundgesetz - ein Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84755