In aktuellen wissenschaftlichen Diskursen über das Leben im Mittelalter wird oft angenommen, dass der Warenhandel meist in einem sehr begrenzten Wirtschaftsraum durchgeführt wurde. Aus der Sicht der Volkswirtschaftslehre und Teilen der Wirtschaftsgeschichte wird die mittelalterliche Wirtschaft als Feudalwirtschaft charakterisiert, in der der Warentransfer regional begrenzt und in Tauschgeschäfte abgewickelt wurde. Dieser Sichtweise auf die mittelalterliche Wirtschaft liegt das Paradigma zugrunde, wonach die ökonomische Entwicklung von der antiken Hauswirtschaft über die Jahrhunderte hinweg exponentiell zunahm. Am Ende dieser Entwicklung steht die moderne Weltwirtschaft.
Folgt man diesem Ansatz, so bildeten die norditalienischen Seestädte, allen voran Venedig, eine regionale und kulturelle Ausnahme und ihre Handelsbeziehungen mit Afrika und Asien waren im Vergleich zum Rest der europäischen Wirtschaft im Mittelalter nur von marginaler Bedeutung gewesen.
Geht man jedoch, wie Fritz Rörig schon 1932 in seinem Aufsatz , davon aus, dass es eine Weltwirtschaft im Mittelalter gab, dann eröffnet sich eine vollkommen neue Perspektive auf die Entwicklung der Lagunenstadt. Der plötzliche Aufstieg Venedigs wäre kein lokales Phänomen mehr, sondern nur ein Teil einer gewerblichen Entwicklung, die in der ganzen damaligen bekannten Welt zu einem Aufblühen des Handels führte.
Die folgende Arbeit soll am Beispiel des Aufstiegs Venedigs über die mögliche Existenz einer mittelalterlichen Weltwirtschaft Aufschluss geben. Das besondere Augenmerk ruht hierbei auf den institutionellen Rahmenbedingungen der Lagunenstadt und Ihrer Position im Handel mit dem Orient .
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Gab es eine mittelalterliche Weltwirtschaft?
- Der Aufstieg Venedig zur Groß- und Handelsmacht
- Die institutionellen Rahmenbedingungen Venedigs auf dem Weg zum Handelszentrum
- Das Münzsystem
- Bankwesen und Bargeldlose Zahlungen
- Regelung von Zinssätzen
- Personelle Organisation des Überseehandels
- Kartelle und Verbände
- Schiffsbau und Flottenpolitik des venezianischen Löwen
- Venedig und der Orienthandel
- Ägyptens ökonomische Entwicklung als Handelsplatz seit dem 3. Kreuzzug
- Entwicklung der Handelsbeziehungen zwischen Venedig und Ägypten zur Zeit des dritten Kreuzzuges
- Die institutionellen Rahmenbedingungen in Alexandria
- Warentransfer zwischen Alexandria und Venedig
- Der Handelsplatz Palästina und die Rolle Venedigs während der Kreuzzüge im Heiligen Land
- Die ökonomische Grundlagen, die Bedeutung und Entwicklung des Heiligen Landes als Handelsplatz für Venedig
- Ausbau der Rahmenbedingungen
- Die Wiederaufnahme des Baumwollhandels mit Palästina im Spätmittelalter
- Das Aufblühen des Baumwollhandels
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die mögliche Existenz einer mittelalterlichen Weltwirtschaft am Beispiel des Aufstiegs Venedigs. Sie beleuchtet die institutionellen Rahmenbedingungen der Lagunenstadt und ihre Position im Handel mit dem Orient.
- Existenz einer mittelalterlichen Weltwirtschaft
- Aufstieg Venedigs als Handelsmacht
- Institutionelle Rahmenbedingungen Venedigs
- Venedigs Rolle im Orienthandel
- Handelsbeziehungen mit Ägypten und Palästina
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den kontroversen Diskurs über die Wirtschaftsform im Mittelalter dar. Die These, dass die mittelalterliche Stadt autark war und nur Luxusgüter gehandelt wurden, wird durch den Ansatz von Fritz Rörig, der von einer mittelalterlichen Weltwirtschaft ausgeht, in Frage gestellt.
Das zweite Kapitel beleuchtet den Aufstieg Venedigs zur Groß- und Handelsmacht. Es wird argumentiert, dass der Aufstieg nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern Teil einer globalen Entwicklung des Handels ist.
Das dritte Kapitel behandelt die institutionellen Rahmenbedingungen in Venedig, die den Handel ermöglichten. Dazu gehören das Münzsystem, das Bankwesen, die Organisation des Überseehandels und die Schiffsbaupolitik.
Das vierte Kapitel konzentriert sich auf Venedigs Rolle im Orienthandel, insbesondere die Handelsbeziehungen mit Ägypten und Palästina. Es werden die ökonomischen Rahmenbedingungen und die Entwicklung des Handels in diesen Regionen beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit behandelt die Themen mittelalterliche Weltwirtschaft, Handel, Venedig, Orienthandel, Ägypten, Palästina, Institutionelle Rahmenbedingungen, Wirtschaftsgeschichte.
- Arbeit zitieren
- Sven Rolf (Autor:in), 2006, Venedig im Zentrum einer mittelalterlichen Weltwirtschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84768