Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Von den Büchern
2.1. Wie kommt Aristoteles zu dem Schluss, die Glückseligkeit sei das Endziel?
2.2. Welcher bios ist nun vorzuziehen?
2.3. Ergon und das politische Wesen
3. Zur Polis
4. Fazit
Quellentexte:
Sekundärliteratur:
1. Einleitung
Aristoteles’ Werke die „Nikomachische Ethik“ sowie die „Politik“, sind ein Teil der wenigen überlieferten Texte des griechischen Philosophen und Lehrmeisters Alexanders des Großen. Ob sie genealogisch aufgebaut, oder aber wie W. Jaeger[1] meint, umgebaut wurden, was exemplarisch Franz Susemihl in seiner Übersetzung der Politik[2] durchgeführt hatte, spielt im Rahmen dieser Hausarbeit keine wesentliche Rolle.
Gleichwohl findet die karge Rezeption aristotelischer Schriften bis zum Beginn der Aristoteles-Rezeption durch Thomas von Aquin[3] ihre Begründung in dem trockenen, lehrhaften Abhandlungsstil, der sich gegenüber der Dialogform Platons und seiner „Politeia“[4], des Lehrers und Freundes Aristoteles, nicht durchzusetzen vermochte.
Dem ungeachtet also die zeitliche Entstehung der Nikomachischen Ethik[5] (NE) und der Politik[6] (Pol) nicht genau festgestellt werden kann[7], versucht diese Hausarbeit dennoch - wo möglich textimmanent - beide konsekutiv zu betrachten, kausale oder aber adversative Zusammenhänge zu beschreiben und sich zunächst bereits dem Endziel, dem Telos, nämlich der Glückseligkeit zu stellen.
„Wenn ich auf eine einsame Insel fahre, packe ich meinen Koffer und nehme mit...“ – auf dieses Kinderspiel würde Aristoteles geantwortet haben, dass man einsam nicht existieren könne, es sei denn, man sei ein Tier oder ein Gott[8]. Denn der Mensch ist für ihn ein zoon politikon[9], ein politisches Lebewesen und es wäre für ihn schlechthin ebenso absurd, ein eremitisches Dasein zu führen, das man glückseligmachend nennen könnte, wie auch die homogen gleichmachend-„kommunistische“ Sichtweise[10] seines Lehrers Platon in dessen „Politeia“.
Dass die NE und die Politik aufeinander bezogen sind, kann man darin erkennen, dass der letzte Satz der NE zur Politik hin überleitet.
2. Von den Büchern
„Die Politik i.e.S. handelt von den institutionellen Ordnungen, Organisationsformen und gesellschaftlichen Realisierungen der Bedingungen des guten Lebens. Der Übergang der Ethik zur Politik in NE X 10 nennt die einzelnen Themen, die nach Abschluss der eigentlichen ethischen Erörterungen[...] noch zu behandeln sind, damit „die Philosophie über die menschlichen Angelegenheiten zur vollen Abrundung kommt.“[11]
Wenn diese Arbeit also einen Zusammenhang zwischen Politik und Ethik erläutern soll, muss vorab eine Diärese des Begriffs Politik erfolgen, denn die Pragmatiendisjunktion[12] von theoretischer und praktischer Philosophie ist dahingehend sinnvoll, als die praktische Philosophie normativ insofern betrachtet werden kann, als die gesamte, die Nikomachische Ethik und die „Politik“ umfassende Politische Philosophie.[13]
Die allgemeine Politik unterteilt sich zunächst in die Ethik und Politik, in einem weiteren Sinne als die Verfassungslehre, diese wiederum in die Ökonomie als Lehre vom Wirtschaften im Haushalt und in die Politik als die Lehre vom öffentlichen Bürger.
Heidegger jedoch postuliert in seiner Vorlesung der aristotelischen Bestimmung des Daseins des Menschen, dass Ethik als Teil der Politik ein Missverständnis sei.[14] Gleichwohl lautet sein
Bezug in der NE, dass „[darauf] also unsere Untersuchung [ziele], die ein Teil der politischen Wissenschaft ist.“(NE I 1, 1094b11)
Am Anfang steht die Erläuterung des Zieles der eudaimonia, der Glückseligkeit des Einzelnen und der letztlich zu beantwortenden These, dass diese mit der eudaimonia der polis identisch ist.
„Die Eudaimonia wohnt nicht in Herden und nicht in Gold; die Seele ist der Wohnsitz des Daseins.“[15], zitiert Olof Gigon in seiner Einführung Demokrit und er führt weiter aus, dass „Eudaimonia [...] ein Begriff [sei], der allgemein genug war, um sozusagen axiomatisch verwendet zu werden: dass alle Menschen die Eudaimonia besitzen wollen, ist selbstverständlich. Und doch kann gerade daran gezeigt werden, dass es allein vom Menschen und seinem Tun abhängt, ob er zur Eudaimonia gelangt“[16]
Man sieht also deutlich, dass die NE nicht theoretische Kenntnisse, sondern vielmehr Handeln erfordert. Alle Handlungen haben also scheinbar ein Ziel und streben einem Gut zu (NE I 1, 1094a1) und so kann man fragen:
2.1. Wie kommt Aristoteles zu dem Schluss, die Glückseligkeit sei das Endziel?
Aristoteles bedient sich hierbei auf der normativen Seite eines Ausschlussverfahrens. Ziel des Handelns muss es sein, um seiner selbst wegen gewollt zu werden (NE I 13, 1094 a18), doch hierbei sind die architektonischen, leitenden Verrichtungen, die Staatskunst nämlich (NE I 1, 1094 a25), die das sittlich Gute und Gerechte untersucht (NE I 1, 1094 b 7), der anderen Wissenschaften übergeordnet. Denn das Ziel der Staatskunst umfasst alle Einzelziele (NE I 1, 1094 b 7) denn die Aufgabe des Staates ist es „die Bürger in den Besitz gewisser Eigenschaften zu setzen, sie nämlich tugendhaft zu machen und fähig und willig, das Gute zu tun“ (NE I 10, 1099 b 28). Der Glückseligkeit wohnen eine vollendete Tugend und ein volles Leben lang beständige tugendhafte Handlungen inne (NE I 11, 1100 b 10):
„Und somit wäre dies die vollendete Glückseligkeit des Menschen, wenn sie außerdem noch die volle Länge eines Lebens dauert, da nichts, was zur Glückseligkeit gehört, unvollkommen sein darf.“[17]
[...]
[1] Kullmann, Wolfgang: Einleitung. In: Aristoteles: Politik. Nach der Übersetzung von Franz Susemihl mit Einleitung, Bibliographie und zusätzlichen Anmerkungen von Wolfgang Kullmann. Hrsg. von Ursula Wolf. Reinbek: Rowohlt (= Rowohlts Klassiker der Literatur und der Wissenschaft Griech. Philosophie, Band 8), S.10
Künftig: Kullmann, Seite
Anm.: Jaeger differenzierte in Urpolitik(II,III,VII/VIII) in der zweiten Lebensperiode (IV-VI) als empirische Bücher und I zum Schluss als Einleitung.
[2] Kullmann, S. 7
[3] Reese-Schäfer, Walter: Antike politische Philosophie zur Einführung. Hamburg: Junius Verlag, 1998, S. 118-129. Künftig: Reese-Schäfer, Seite
Anm.: „ta politika“ war der maßgebliche Text der „scientia politica“
[4] Reese-Schäfer, S.118 Anm.: Platons Politeia war „Kultbuch“
[5] Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übersetzt und mit erklärenden Anmerkungen versehen von Eugen Rolfes. Mit einer Einleitung von Günter Bien. Hamburg: Felix Meiner Verlag, 19955 (= Aristoteles, Philosophische Schriften, Band 3) Künftig: NE
[6] Aristoteles: Politik. Nach der Übersetzung von Franz Susemihl mit Einleitung, Bibliographie und zusätzlichen Anmerkungen von Wolfgang Kullmann. Hrsg. von Ursula Wolf. Reinbek: Rowohlt (= Rowohlts Klassiker der Literatur und der Wissenschaft Griech. Philosophie, Band 8) Künftig:: Pol
[7] Kullmann, S. 9
[8] Pol I 2, 1253 a 29
[9] Vgl. Pol I 2, 1253 a und Pol III 6, 1278 b 15
[10] Reese-Schäfer, S. 120 Anm.: Aristoteles argumentiert eher pluralistisch. Vgl. Pol II 1, 1261a
[11] Bien, Günther: Einleitung. In: Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übersetzt und mit erklärenden Anmerkungen versehen von Eugen Rolfes. Mit einer Einleitung von Günter Bien. Hamburg: Felix Meiner Verlag, 19955 (= Aristoteles, Philosophische Schriften, Band 3),S. 35 Künftig: Bien (a), Seite
[12] Bien (a), S.14
[13] Bien (a), S. 17
[14] Heidegger, Martin: Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie. Marburger Vorlesung Sommersemester 1924. Hrsg. von Mark Michalski. Frankfurt a. Main: Klostermann, 2002 (= Gesamtausgabe. II: Abteilung: Vorlesungen 1919-1924, Band 18), S. 68 Künftig: Heidegger, Seite
[15] Gigon, Olof: Einführung. In: Aristoteles: Die Nikomachische Ethik. Aus dem Griechischen und mit einer Einführung und Erläuterungen versehen von Olof Gigon. München: dtv, 20046, S. 97 Künftig: Gigon, Seite
[16] Ebd. S. 98
[17] NE X 7, 1177 b 25