„Die deutsche Einheit ist gemacht, und der Kaiser auch!“ Bevor Bismarck unmittelbar nach der Unterzeichnung der Versailler Verträge am 23. November 1870 erleichtert darüber, dass er mit Bayern im Rahmen des Reichsgründungsprozesses endlich zu einem Abschluss gekommen war, diese Worte äußern konnte, waren im Vorfeld viele kleine Schritte notwendig, um das Königreich unter Ludwig II. zum Eintritt in das Deutsche Reich zu bewegen. Dem Entschluss Bayerns, sich dem Deutschen Kaiserreich anzuschließen, ging nämlich ein langwieriger, schwieriger Prozess voraus, in dem Bayern stets unbeirrt um den Erhalt seiner Souveränität bemüht war, während von preußischer Seite versucht wurde, den bayerischen Handlungsspielraum sukzessive derart zu beschränken, dass dem Königreich schlussendlich keine andere Möglichkeit blieb als der Reichsgründung zuzustimmen.
Die Aufgabe dieser Arbeit soll es sein, genau nachzuvollziehen, durch welche politischen Vorgänge dieser Spielraum Bayerns grundlegend beschnitten wurde, so dass Bayern in den Jahren 1870/71 letztlich keine Alternative zum Eintritt in das Deutsche Reich hatte. Wichtig erscheint dabei auch die Frage, wie sich die bayerischen Verantwortlichen in dieser entscheidenden Phase verhielten und ob sie Möglichkeiten gehabt hätten, den Prozess, durch den Bayern immer weiter in den Sog Preußens gezogen wurde, aufzuhalten. Außerdem soll nach der Analyse der entsprechenden politischen Vorgänge beurteilt werden, welche Konsequenzen sich für Bayern aus der Reichsgründung ergeben haben: Gelang es Bayern trotz des Eintritts in das Deutsche Reich seine Souveränität zu erhalten oder trat das von vielen befürchtete „Finis Bavariae“ – das Ende der bayerischen Eigenständigkeit – ein?
Um angemessene Antworten auf diese Fragen zu finden und die Stellung Bayerns bei der Reichsgründung sorgfältig erfassen zu können, darf der Zeitraum, mit dem sich in dieser Arbeit beschäftigt werden soll, nicht auf die Jahre 1870 und 1871 beschränkt werden. Die entscheidenden Weichen für die Ereignisse dieser Jahre wurden nämlich schon früher gestellt. Dies brachte bereits der Zeitgenosse Heinrich von Sybel mit dem Ausspruch „im Herbste des Jahres 1866 war das deutsche Reich gegründet“ zum Ausdruck. Ein exakter Zeitpunkt, an dem die Reichsgründung letzten Endes in die Wege geleitet wurde, lässt sich allerdings nicht genau festmachen. Es erscheint aber sinnvoll, mit einer kurzen Skizzierung der politischen Lage im zweiten Ministerium von der Pfordtens zu beginnen, um daraufhin die Rolle Bayerns bei der Gasteiner Konvention – ein wichtiger Schritt auf dem Weg Bayerns ins Reich – näher beleuchten zu können.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Quellen- und Forschungsbasis
- Bayerische Schritte auf dem Weg ins Bismarckreich
- Die bayerische Außenpolitik im Vorfeld des Krieges von 1866
- Die Grundstruktur der bayerischen Außenpolitik vor 1866
- Bayerns Rolle bei der Gasteiner Konvention 1865
- Die Haltung Bayerns in der Schleswig-Holstein-Frage
- Die bayerische Politik gegenüber Österreich
- Die Wende in der bayerischen Politik: Annäherung an Preußen
- Bewertung der Politik Bayerns im Hinblick auf Gastein
- Die bayerische Außenpolitik zwischen dem Gasteiner Vertrag und dem Ausbruch des deutsch-deutschen Krieges
- Das Verhältnis zu Österreich
- Die Beziehung zu Preußen
- Bayern am Vorabend des Krieges zwischen den Großmächten
- Bayerns Rolle im deutsch-deutschen Krieg von 1866
- Bayerns Stellung bei Kriegsausbruch
- Bayern im Krieg des Jahres 1866
- Konsequenzen für Bayern aus der Niederlage
- Die Friedensverhandlungen mit Preußen
- Die Entlassung des bayerischen leitenden Ministers von der Pfordten
- Zur Bewertung der Politik von der Pfordtens
- Zur deutschen Politik des Fürsten Hohenlohe-Schillingsfürst
- Grundsätzliche Tendenzen und Probleme in der deutschen Politik Hohenlohes
- Angleichungen an Preußen im militärischen Bereich
- Hohenlohes Bundpläne
- Plan eines „weiteren Bundes“ zwischen den süddeutschen Mittelstaaten und dem Norddeutschen Bund
- Das Südbundprojekt
- Bayern und die Erneuerung des Zollvereins 1867
- Zur Bewertung der Politik des Fürsten Hohenlohe
- Die bayerische Außenpolitik im Vorfeld des Krieges von 1866
- Bayern im Angesicht des deutsch-französischen Krieges von 1870/71
- Grundzüge der deutschen Politik Bray-Steinburgs
- Zum Amtsantritt Bray-Steinburgs
- Bray-Steinburg zwischen Preußen und Österreich
- Entwicklungen im Vorfeld des deutsch-französischen Krieges 1870
- Bayerns Rolle im Rahmen der sich zuspitzenden preußisch-französischen Auseinandersetzung
- Bayern, der casus foederis und die Mobilmachung
- Zur Diskussion um die Bewilligung der Kriegskredite im bayerischen Landtag
- Bayerische Forderungen und preußische Zugeständnisse während des Krieges
- Grundzüge der deutschen Politik Bray-Steinburgs
- Abschluss der Reichsgründung
- Die Initiative Bayerns in der deutschen Frage
- Die Münchner Vorverhandlungen im September 1870
- Bismarcks Maßnahmen zur Beschleunigung der nationalen Einigung
- Die Versailler Verträge
- Verhandlungen und Unterzeichnung der Verträge durch Bayern
- Zur Diskussion um die Ratifizierung der Verträge im bayerischen Landtag
- Zur Kaiserfrage
- Initiativen zur Lösung der Kaiserfrage
- Der Kaiserbrief
- Zur Bewertung der Geldzahlungen an Ludwig II.
- Bayerns Stellung nach der neuen Reichsverfassung
- Bayern nach der Gründung des Deutschen Reiches: „Finis Bavariae“?
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert den Weg Bayerns zur Reichsgründung 1870/71 und untersucht, wie der Handlungsspielraum Bayerns eingeschränkt wurde, bis es schließlich keine Alternative zum Beitritt zum Deutschen Reich gab. Dabei wird auch beleuchtet, wie die bayerischen Verantwortlichen in dieser Phase handelten und ob sie den Prozess der Einbindung Bayerns in den Sog Preußens hätten aufhalten können. Die Arbeit bewertet zudem die Konsequenzen der Reichsgründung für Bayern und untersucht, ob es trotz des Beitritts seine Souveränität bewahren konnte oder ob das befürchtete „Finis Bavariae“ eintrat.
- Die bayerische Außenpolitik im Vorfeld und während des Krieges von 1866
- Die Rolle Bayerns bei der Gasteiner Konvention und die Folgen für die bayerische Politik
- Die deutsche Politik von Hohenlohe-Schillingsfürst und Bray-Steinburg
- Die bayerische Position in den Verhandlungen zur Reichsgründung
- Die Auswirkungen der Reichsgründung auf die Souveränität Bayerns
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung erläutert die Fragestellungen der Arbeit und den zeitlichen Rahmen, der über die Jahre 1870/71 hinausgeht, da die entscheidenden Weichenstellungen schon früher getroffen wurden. Das Kapitel „Quellen- und Forschungsbasis“ gibt einen Überblick über die wichtigsten Quellen und deren Aussagekraft für die Untersuchung.
Das Kapitel „Bayerische Schritte auf dem Weg ins Bismarckreich“ analysiert die bayerische Außenpolitik im Vorfeld des Krieges von 1866, beleuchtet die Rolle Bayerns bei der Gasteiner Konvention und untersucht die Entwicklungen in der bayerischen Außenpolitik zwischen dem Gasteiner Vertrag und dem Ausbruch des deutsch-deutschen Krieges.
Das Kapitel „Bayerns Rolle im deutsch-deutschen Krieg von 1866“ behandelt die bayerische Stellung bei Kriegsausbruch, die Rolle Bayerns im Krieg selbst und die Konsequenzen der Niederlage für Bayern, einschließlich der Friedensverhandlungen mit Preußen und der Entlassung von der Pfordten.
Das Kapitel „Zur Bewertung der Politik von der Pfordtens“ analysiert die Politik des bayerischen leitenden Ministers im Kontext der Zeit.
Das Kapitel „Zur deutschen Politik des Fürsten Hohenlohe-Schillingsfürst“ befasst sich mit den Grundsätzen und Problemen der deutschen Politik Hohenlohes, den Angleichungen an Preußen im militärischen Bereich, den Hohenloheschen Bundplänen, der Rolle Bayerns bei der Erneuerung des Zollvereins und der Bewertung der Politik Hohenlohes.
Das Kapitel „Bayern im Angesicht des deutsch-französischen Krieges von 1870/71“ behandelt die Grundzüge der deutschen Politik Bray-Steinburgs, die Entwicklungen im Vorfeld des deutsch-französischen Krieges, Bayerns Rolle in der sich zuspitzenden preußisch-französischen Auseinandersetzung, den casus foederis und die Mobilmachung, sowie die Diskussion um die Bewilligung der Kriegskredite im bayerischen Landtag.
Das Kapitel „Bayerische Forderungen und preußische Zugeständnisse während des Krieges“ beleuchtet die Verhandlungen zwischen Bayern und Preußen während des deutsch-französischen Krieges.
Schlüsselwörter
Bayerns Weg zur Reichsgründung, bayerische Außenpolitik, Gasteiner Konvention, deutsch-deutscher Krieg von 1866, Hohenlohe-Schillingsfürst, Bray-Steinburg, deutsch-französischer Krieg von 1870/71, Reichsgründung, bayerische Souveränität, „Finis Bavariae“.
- Quote paper
- Annette Schießl (Author), 2007, Bayern und die Reichsgründung 1870/71, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84915