Das Phänomen Frauenkriminalität

Unter besonderer Berücksichtigung der Diebstahldelikte


Diplomarbeit, 2007

76 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Phänomen “Frauenkriminalität” – erste Annäherungsversuche
2.1 Begriffsklärung Kriminalität
2.2 Begriffsklärung abweichendes Verhalten

3. Polizeiliche Kriminalstatistik als Grundlage zur Beschreibung der Frauenkriminalität
3.1 Aussagekraft und Grenzen der Polizeilichen Kriminalstatistik
3.2 Das Hell- und Dunkelfeld
3.2.1 Zusammenfassung auffälliger Ergebnisse der Dunkelfeldforschung
3.2.2 Theorie zur Quantität von Frauenkriminalität

4. Aktuelles Erscheinungsbild der Frauenkriminalität
4.1 Allgemeine Situation der Diebstahldelikte und ihr Anteil an der Frauenkriminalität
4.1.1 Diebstahl ohne erschwerende Umstände
4.1.2 Exkurs: Kleptomanie
4.1.2.1 Charakteristik des pathologischen Stehlens
4.1.2.2 Rechtliche Folgen
4.1.3 Diebstahl unter erschwerenden Umständen
4.2 Motivationen der Diebstahltäterinnen
4.3 Das Erscheinungsbild der Frauenkriminalität – ein Rückblick

5. Frauenkriminalität und ihre Erklärungsversuche
5.1 Biologische Erklärungsmodelle und ihre Relevanz für die weibliche Kriminalität
5.2 Emanzipation als Schlüssel zur weiblichen Kriminalität
5.2.1 Ausgewählte Forschungsergebnisse
5.2.2 Kritische Anmerkungen zur Emanzipationsthese
5.3 Anomietheorie nach Merton
5.3.1 Handlungsmöglichkeiten zur Situationsbewältigung nach Merton
5.3.2 Kritische Betrachtung der Theorie
5.3.3 Zusammenfassung und Bezug zur Frauenkriminalität
5.3.4 Der „weibliche“ Anpassungstyp
5.4 Feministische Theorien – Kaufhausdiebstahl als Ausdruck weiblicher Rollendefinition
5.4.1 Feministischer Empirismus
5.4.2 Kaufhausdiebstahl – ein Erklärungsversuch aus feministischer Sicht

6. Resümee der Erklärungsansätze weiblicher Kriminalität

7. Geschlechtsspezifische Interventionsmöglichkeiten
7.1 Erstes konkretes Modell: "Lübecker Modell"
7.2 Zweites konkretes Modell: “Die Elstern”

8. Schlussbemerkungen

9. Literaturverzeichnis

1. Einführung

Es geistern Bilder von kriminellen Frauen durch die Medien, bei denen die Frau als grausame, kaltblütige „Verbrecherin“ auftritt. Von den Medien aufgebauscht, stehen diese Bilder im krassen Gegensatz zur Realität.

„Die Angst vor Verbrecherinnen scheint schon immer weit größer gewesen zu sein, als die tatsächlich erfasste Frauenkriminalität.“ (Malamud, 2003, S. 18)

Denn tatsächlich ist es so, dass die Frauen in der Kriminalität nur eine untergeordnete Rolle spielen. Zudem zeigen sich auch in der qualitativen Betrachtung erhebliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Diese Besonderheiten werden und wurden in der Forschung diskutiert und führten zu den verschiedensten Ansätzen und Untersuchungen - von der Historie bis heute.

Blickt man nun zurück auf die historische Entwicklung der Frauenkriminalität, so muss als Basis zur Aufarbeitung dieser Thematik das Verständnis der Frau im historischen Kontext zugrunde gelegt werden.

Rousseau, der im 18. Jahrhundert zu Papier bringt, was eine heiratswürdige Frau nicht verkörpern sollte, spiegelt sehr deutlich das gängige Frauenbild seiner Generation.

“Ein Schöngeist ist eine Geißel für ihren Mann, ihre Kinder, ihre Freunde, ihre Diener, für alle Welt. Von der Höhe ihres Genies aus verachtet sie alle fraulichen Pflichten [...]. Draußen wirkt sie stets lächerlich und wird zu recht kritisiert, denn die Kritik kann nicht ausbleiben, sobald man seinen Stand verlässt und einen annehmen möchte, für den man nicht geschaffen ist.” (Honneger, 1991, S. 20)

Abgesehen vom Frauenbild, das in den letzten Jahrzehnten einem starken Wandel unterworfen war, müssen noch weitere Variablen zur Erklärung von Frauenkriminalität in Betracht gezogen werden. In der vorliegenden Diplomarbeit gehe ich im Hauptteil kritisch auf ausgewählte Erklärungsansätze zur Frauenkriminalität ein.

Die quantitative und qualitative Lage der Frauenkriminalität soll ein aktuelles Bild der realen Gegebenheiten liefern und auch die Probleme der Feststellung eindeutiger Zahlen zu dieser Thematik erläutern. Ein Ausblick auf die zukünftige Entwicklung soll diesen Teil abrunden.

Im Speziellen soll auf die Diebstahlsdelikte, die zu den Eigentums- und Vermögensdelikten zählen, eingegangen werden, die den größten Anteil weiblicher Beteiligung aufzeigen.

Zum Schluss sollen ausgewählte geschlechtspezifische Maßnahmen beschrieben und ihre Relevanz für die Soziale Arbeit dargestellt werden.

2. Phänomen “Frauenkriminalität” – erste Annäherungsversuche

Bei der Begriffsbestimmung werfen sich bereits methodische Probleme auf.

“Uneinigkeit herrscht vor allem darüber, ob zur Frauenkriminalität nur die statistisch registrierte Kriminalität gehört oder auch jedes andere (nicht entdeckte) strafbare bzw. abweichende Verhalten.”(Lindner, 2006, S.1)

Allgemein als Abbild der Kriminalität werden Statistiken wie die Polizeiliche Kriminalstatistik oder der Strafverfolgungsstatistik der Justiz angesehen. Sie bilden den Ausgangspunkt kriminologischer Analysen, auch zur Frauenkriminalität. Beide Statistiken beziehen sich auf die registrierte Kriminalität.[1]

Zur Statistik und ihren Grenzen gehe ich an anderer Stelle noch näher ein. Jedoch wird in der vorliegenden Arbeit jeweils angezeigt, welche Daten aus dem Bereich des Hellfeldes zur Frauenkriminalität und welche Daten aus dem Bereich der Dunkelfeldforschungen (also der nicht in öffentlichen Statistiken erfassten Kriminalität) zur Veranschaulichung herangezogen wurden.

In früheren kriminologischen Untersuchungen zur weiblichen Delinquenz werden von den Autoren zum Teil unterschiedliche Begriffe von Frauenkriminalität verwendet.[2]

Um den Gegenstand „Frauenkriminalität“ festzulegen, muss zuerst eine allgemeine Definition von Kriminalität erfolgen.

2.1 Begriffsklärung Kriminalität

Kriminalität wird abgeleitet von crimen, der lateinischen Bezeichnung für Verbrechen. Verbrechen wird als soziale Erscheinung angesehen.

Sie ist demnach die Summe aller strafrechtlich missbilligten Handlungen. Die Kriminalität wird nach Raum, Zeit sowie Umfang, Struktur und Bewegung beschrieben. Raum und Zeit bezeichnen dabei die Verteilung von Rechtsbrüchen innerhalb eines bestimmten Zeitraums auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene. Mit Umfang ist die Summe aller Rechtsbrüche gemeint, die bekannt geworden sind. Struktur ist die Differenzierung nach dem Schweregrad oder nach Delikttyp und Deliktgruppe. Bewegung umfasst die Entwicklung der Gesamtkriminalität innerhalb begrenzter Zeiträume.[3]

Im Strafrecht werden alle Handlungen als “kriminell” bezeichnet, die durch ein Kriminal-Gesetz mit Strafe bedroht sind (Handlungen mit strafrechtlichen Rechtsfolgen).[4]

Was Kriminalität ist, liegt somit in der Macht des Gesetzgebers. Unsere Verfassung sieht in Art. 103 Abs. 2 GG vor, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt ist, bevor es zu einer Straftat kommt.

In Deutschland sind kriminelle Verhaltensweisen vor allem im Strafgesetzbuch (StGB), aber auch in diversen Nebengesetzen (z. B: Waffengesetz, Betäubungsmittelgesetz, etc.) unter Strafe gestellt. Der strafrechtliche Begriff der Kriminalität ist somit den Änderungen des Gesetzgebers unterworfen.

Der Gesetzgeber seinerseits ist wiederum Sprachrohr der veränderten Auffassung der Bevölkerung und kriminalpolitischer Strömungen.[5]

Neben dieser strafrechtlichen Einschränkung des Verbrechensbegriffs sprechen sich Vertreter aus dem soziologischen Bereich für eine Ausdehnung des Verbrechensbegriffs auf sozialschädliches bzw. sozialabweichendes Verhalten, die sogenannte Devianz, aus.

“Als sozial abweichend wird in den Sozialwissenschaften ein Verhalten verstanden, das nicht den Regeln, Normen und Verhaltenserwartungen entspricht, die in der Gesellschaft oder in einem ihrer Teilbereiche (Familie, Schule, Freundeskreis, Betrieb etc.) gelten” (Hradil, 2001, S. 480)

Um das eben zitierte noch in seiner Gesamtheit zu verstehen, möchte ich kurz den Begriff der Normen definieren, um diese zur Erklärung des später erläuterten abweichenden Verhaltens heranziehen zu können.

Normen sind Verhaltensforderungen für wiederkehrende Situationen. Also ein bestimmtes Verhalten, das in wiederkehrenden Situationen regelmäßig gefordert wird. Diese Definition wird von den meisten Soziologen angenommen. Wenn Normen nun als Verhaltensforderungen definiert werden, so beinhaltet dies, dass es Personen und Institutionen geben muss, die ein bestimmtes Verhaltensmuster voraussetzen und durchzusetzen versuchen. Und es muss Personen geben, an die sich die in den Normen ausdrückenden Verhaltensanforderungen richten.[6]

Die Vertreter dieser Definitionsrichtung sehen den strafrechtlichen Verbrechensbegriff nicht als ausreichend an, um wissenschaftlich zu arbeiten. Als Begründung nennen sie, dass er zu formal sei, das heißt zu sehr darauf fokussiert, ob eine Handlung mit Strafe bedroht ist oder nicht. Zufälligkeiten könnten demnach bewirken, was kriminell ist oder nicht, ohne dass sich an der Handlung selbst Änderungen ergeben würden.[7]

“Indem bestimmte Verhaltensweisen als normabweichend klassifiziert und sanktioniert werden, sollen mehr oder minder präzise definierte Konformitätsgrenzen in verschiedenen gesellschaftlichen Wertebereichen hervorgehoben und bewahrt werden.”[8]

Nach Lösel ändern sich die Toleranzgrenzen der Normen für eine bestimmte Zeit oder eine bestimmte Gruppe parallel zu den Moralvorstellungen oder den Machtverhältnissen innerhalb der Gesellschaft. Die Definition für Kriminalität gibt es also nicht. Eine Festlegung eines Verhaltens als straffällig ist abhängig von gesellschaftlichen und auch staatlichen Einrichtungen aus dem Bereich der Strafverfolgung, Sanktionierung, etc.

Es sind nach Rasch einige Besonderheiten zu beachten, wenn man sich mit kriminell definierten Verhaltensweisen beschäftigt.

1.) Kriminalität ist zum einen ein soziales Phänomen - ein Verstoß gegen Gruppennormen
2.) Sie unterliegt nach Moffitt einer Varianz, sie sich in Form einer Normalverteilung abbilden lässt. Daraus resultiert, dass es keine Gesellschaft gibt, in der dauerhaft normkonforme Verhaltensweisen existent sind - Kriminalität ist “normal”
3.) Theoretisch kann jedes Verhalten aufgrund der vorherrschenden Normen als kriminell gelten können.[9]

2.2 Begriffsklärung abweichendes Verhalten

Abweichendes Verhalten ist zu einem Grundbegriff der Kriminalsoziologie geworden. Jedoch gibt es im Kreis der Kriminalsoziologen unterschiedliche Meinungen zur Erscheinung des abweichenden Verhaltens.

“Als Abweichung wird nicht nur schwere Kriminalität verstanden, sondern auch Prostitution, Alkoholismus, Drogengebrauch, Selbstmord, [...], Obdachlosigkeit, Armut.” (Kaiser, 1997, S. 127)

Kriminalität war jedoch für die Entwicklung der Soziologie des abweichenden Verhaltens bestimmend. Denn diese Form der Devianz tritt zugleich als soziales Problem in Erscheinung.[10] Sie richtet ihr Interesse auf Subkulturen und gesellschaftliche Reaktionen in Bezug auf abweichendes Verhalten.

Abweichendes Verhalten beinhaltet die Verletzung von Normen, auf die ich bereits näher eingegangen bin, und deren Sanktionen. Abweichendes Verhalten ist ein universales Phänomen. Das Verhalten unterliegt historischen und gesellschaftlichen Veränderungen. Darunter fallen zum Beispiel die Verhaltensweisen, die als abweichend bezeichnet werden, die Kategorien der Personen, die als Abweichler angesehen werden, die Organe, die für die Sanktionierung abweichenden Verhaltens zuständig sind sowie die Formen der Reaktionen auf abweichendes Verhalten, um nur einige Punkte zu nennen.

Abweichendes Verhalten beinhaltet die Dialektik zwischen der Normalität und dem Außergewöhnlichen.[11]

3. Polizeiliche Kriminalstatistik als Grundlage zur Beschreibung der Frauenkriminalität

Kriminalistische Daten sind einheitliche Daten über Kriminalität und sich kriminell Verhaltende, die in Ausdrücken zahlenmäßig dargestellt werden und von offiziellen Stellen wie der Polizei, der Staatsanwaltschaft etc. entnommen werden. Sie werden in Klassen und Tabellen aufgeteilt und so analysiert, um über Beziehungen zwischen Klassen von Daten Aufschluss zu geben. Die Ergebnisse werden publiziert.[12]

In der Polizeilichen Kriminalstatistik[13] werden die der Polizei bekannt gewordenen strafrechtlichen Sachverhalte unter Beschränkung auf ihre erfassbaren also wesentlichen Inhalte zusammengefasst. Sie soll, nach den seit 01.01.2004 geltenden Richtlinien des Bundeskriminalamts, ein möglichst verzerrungsfreies Bild der angezeigten Kriminalität liefern. Sie dient demnach der Beobachtung der Kriminalität und einzelner Delikte, des Umfangs und der Zusammensetzung des Tatverdächtigenkreises sowie der Veränderung von Kriminalitätsquotienten einerseits und der Erlangung von Erkenntnissen für die vorbeugende und verfolgende Verbrechensbekämpfung und auch kriminologisch-soziologischer Forschung sowie kriminalpolizeilichen Maßnahmen..[14]

In Deutschland stehen als Erkenntnisquellen zur registrierten Kriminalität neben der polizeilichen Kriminalitätsstatistik eine Reihe anderer Statistiken zur Verfügung. Nachfolgend ein kurzer Überblick darüber.

Die Strafverfolgungsstatistik (StVStat) wird seit 1950 geführt und bezieht sich auf abgeurteilte Tatverdächtige. Die Strafvollzugsstatistik wird seit 1961 vom Statistischen Bundesamt herausgegeben und zeigt einen jährlichen Nachweis über Zahl und Art der Justizvollzugs- und Verwahrungsanstalten. Ebenso über ihre Belegungsfähigkeit und die tatsächliche Belegung. Die Bewährungshilfestatistik fasst alle, an (vor allem) hauptamtliche Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer übertragenen Aufsichten, zusammen. Die Staatsanwaltschaftsstatistik und auch die Justizstatistik beinhalten verfahrensbezogene Daten und sind nicht nach Delikten oder Tätergruppen gegliedert.[15]

Um die weibliche Kriminalität in Deutschland durch offizielles kriminalistisches Material beschreiben zu können und entsprechend eine Grundlage für die folgenden Ausführungen liefern zu können, möchte ich mich vorwiegend[16] auf die Polizeiliche Kriminalstatistik beziehen.[17]

3.1 Aussagekraft und Grenzen der Polizeilichen Kriminalstatistik

Diese Statistik, die jährlich für das gesamte Bundesgebiet (vor 1991 für das Gebiet der ehemaligen BRD) veröffentlicht wird, weist bei seinen Vorbemerkungen auf Folgendes hin:

“Die Aussagekraft der Polizeilichen Kriminalstatistik wird besonders dadurch eingeschränkt, dass der Polizei ein Teil der begangen Straftaten nicht bekannt wird. Der Umfang dieses Dunkelfeldes hängt von der Art des Deliktes ab und kann sich unter dem Einfluss variabler Faktoren (z. B. Anzeigebereitschaft der Bevölkerung, Intensität der Verbrechenskontrolle) auch im Zeitablauf ändern. Es kann daher nicht von einer feststehenden Relation zwischen begangenen und statistisch erfassten Straftaten ausgegangen werden. Die Polizeiliche Kriminalstatistik bietet also kein getreues Spiegelbild der Kriminalitätswirklichkeit, sondern eine je nach Deliktsart mehr oder weniger starke Annäherung an die Realität.”(Bundeskriminalamt [Hrsg.], 2004, S. 7)

Diese Selbstbewertung der PKS signalisiert die Grenzen der Statistik.

Die begrenzte Aussagekraft ist im Grunde auf zwei Faktoren zurückzuführen. Zum einen die Vergleichsschwierigkeiten (hierzu zählen zum Beispiel Gesetzesänderungen) und zum anderen Unzulänglichkeiten einzelner Erhebungen (hiermit ist gemeint, dass keine Wertung vorliegt). Die Vergleichsschwierigkeiten ergeben sich beim Versuch mehrere Jahrgänge einer Statistik miteinander zu vergleichen oder die direkte Gegenüberstellung von Daten aus mehreren Statistiken.

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass die PKS eine “Ausgangsstatistik” ist. Dies bedeutet, dass die bekannt gewordenen Straftaten erst nach Abschluss der Ermittlungen durch die Statistik erfasst werden. Also vor Verfahrensende. Dadurch können spätere Verfahrenseinstellungen oder Freisprüche in der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht berücksichtigt werden.

Geschmälert wird die Aussagekraft der Statistiken aufgrund der Unzulänglichkeiten der einzelnen Erhebungen.

“Beispielhaft hierfür kann genannt werden, dass die Taten in den Statistiken nur gezählt, nicht aber gewertet werden, da die PKS und die StVStat auf dem Prinzip der numerischen Häufigkeitszählung beruhen. Dies kann dazu führen, dass Straftaten völlig unterschiedlicher Schwere gleichwertig berücksichtigt werden. “ (Lindner, 2006, S. 6)

Abschließend ist jedoch festzustellen, dass im Vergleich zu den anderen Kriminalstatistiken die PKS trotz ihrer Fehlerquellen das noch relativ brauchbarste Instrument zur Kriminalitätsmessung ist. Die Statistik sei nach Meinung Kreuzers der Kriminalität sachlich und zeitlich am nächsten.[18]

Neben den aufgeführten Problemen stellt vor allem das sogenannte Dunkelfeld einen die Aussagekraft verzerrenden Faktor dar.

3.2 Das Hell- und Dunkelfeld

Die bekannt gewordene, also registrierte Kriminalität, stellt das Hellfeld dar. Die kriminologische und kriminalistische Forschung bezieht sich bisher hauptsächlich darauf.

„Die aus den Kriminalitätsstatistiken entnommenen Daten erweisen sich bezüglich ihrer Aussagekraft im Hinblick auf ein realitätsgetreues Abbild der Kriminalität in einer Gesellschaft als problematisch, weil sie mehr Ausdruck der Tätigkeitsergebnisse der „Kriminalisierungsinstanzen“ als Spiegelbild der wirklichen Kriminalität sind.“ (Chrysopoulidou, 1999, S. 43)

Der „wirklichen“ Kriminalität nähert man sich an, wenn man sich das Dunkelfeld eingehender ansieht.

Unter dem Dunkelfeld versteht man die Summe der Straftaten, die zwar begangen wurden, jedoch der Polizei oder Justiz nicht bekannt geworden sind. Die offiziellen Statistiken, wie bereits erwähnt, zeigen nur die registrierten Straftaten an. Das heißt, dass hier kein Abbild der Kriminalität aufgezeigt werden kann. Zu Forschungen im Bereich des Dunkelfeldes setzte man zum Beispiel in den USA die sogenannten Selbstberichtuntersuchungen (“Self-Report-Studies”) ein.[19]

Im Bundesstaat Texas etwa wurden Collegestudentinnen und -studenten sowie delinquente Jugendliche befragt, ob sie bestimmte Delikte, die man nicht näher beschrieben hatte, in ihrem Leben bereits begangen hätten. Diesen Untersuchungen folgten Selbstberichtuntersuchungen nicht nur in den USA sondern auch in vielen anderen Ländern.

Mehr Gewichtung schenkte man später den “Victimization Surveys” (Untersuchungen zum Opferwerden). Inhalt dieser Untersuchungen war, die Probanden dieser Studien zu befragen, ob sie in einem bestimmten Zeitraum Opfer ausgewählter Delikte geworden waren und ob sie diese Straftaten angezeigt hätten. Bei dieser Art der Befragung wird der Proband per Zufallsstichprobe darüber befragt, ob er Opfer von bestimmten Delikten geworden war. Die Ergebnisse werden anschließend auf die Grundgesamtheit hochgerechnet. Diese Form der Befragung brächten nach Kreuzer die (relativ) sichersten Ergebnisse, da zu erwarten sei, dass ein Opfer, eher als ein Täter bereit ist, Auskunft über verübte Delikte zu geben.[20]

Diese Viktimisierungsuntersuchungen ergeben ein umfassendes Bild der objektiven und subjektiven Sicherheitslage aus Sicht der Opfer und der potentiellen Verbrechensopfer.

Gegenwärtig kann sich die Kriminologie[21] auf zwei Datenquellen stützen, die sich gegenseitig ergänzen und berichtigen. Zum einen die offizielle Kriminalstatistik und auf der anderen Seite die Dunkelfeldforschung.[22]

Doch auch hier ist zur Vervollständigung zu sagen, dass es statistisch keine

100%ige Erfassung und demnach kein Abbild der Kriminalitätswirklichkeit geben kann. Das absolute oder sogenannte doppelte Dunkelfeld umfasst die Straftaten, die weder der Polizei bekannt werden (also angezeigt werden) noch anhand der Dunkelfeldforschung[23] erfasst werden können, da die Opfer die Delikte unter keinen Umständen angeben möchten. Hierzu zählen innerfamiliäre Gewalttätigkeiten wie Kindesmisshandlung oder sexueller Missbrauch von Kindern oder die Vergewaltigung in der Ehe.

Zu den Straftaten, die sich für die Opferbefragung gut eignen, gehört jedoch der einfache Diebstahl oder auch der Diebstahl unter erschwerenden Umständen.[24]

3.2.1 Zusammenfassung auffälliger Ergebnisse der Dunkelfeldforschung

Im Anschluss möchte ich auf ausgewählte Resultate aus der Dunkelfeldforschung eingehen, dies auch im besonderen Hinblick auf die Diebstahlsdelikte und die weibliche Kriminalität.

Grundsätzlich ist das Dunkelfeld bei allen bisher untersuchten Deliktarten größer als das Hellfeld. Die Polizeiliche Kriminalstatistik kann als “Spitze des Eisbergs” aller tatsächlich verübten Straftaten gesehen werden. Das Dunkelfeld variiert je nach Delikt mehr oder weniger. Besonders groß ist das Dunkelfeld unter anderem beim Ladendiebstahl[25]. Generell sind leichtere Delikte weit überproportional häufig vertreten. Zudem scheinen Mädchen (Frauen) nicht nur im Hellfeld, sondern auch im Dunkelfeld weniger kriminalitätsbelastet zu sein als Jungen und Männer.[26]

“Allerdings ist der Geschlechterabstand im Dunkelfeld (mit einem Verhältnis von 1:2) geringer als der Hellfeldabstand (mit 1:3). Dieser Abstand nimmt jedoch mit steigender Häufigkeit und Schwere der abgefragten Delikte wieder zu; “ (Schwind, 2005, S. 49)

Zwischen Hell- und Dunkelfeld besteht eine Abhängigkeit. Denn die Ergebnisse der Dunkelfeldforschung sind nicht nur in wissenschaftlicher Beziehung relevant. Für die Praxis besitzen sie ebenso an Bedeutung, zum Beispiel für die Strafverfolgungsbehörden und generell für die Kriminalpolitik.

Die Bundesregierung legt im 2. Periodischen Sicherheitsbericht, der in diesem Jahr veröffentlicht wurde, dar, dass die amtlichen Kriminalstatistiken wie zum Beispiel die PKS, ja nur das Hellfeld erfassen. Zur Bewertung der tatsächlichen Kriminalitätslage und -entwicklung reichen die Daten nicht aus. Das Dunkelfeld kann nicht erfasst werden und bleibt so außen vor. Die Bundesregierung erläuterte schon im 1. Periodische Sicherheitsbericht aus dem Jahr 2001, dass die bereits aufgenommenen Kontakte zu wissenschaftlichen und kommerziellen Forschungseinrichtungen mit dem Ziel zu intensivieren, baldmöglichst eine Konzeption für regelmäßige Dunkelfeldforschungen zur Verfügung zu stellen.[27]

Im 2. Periodischen Sicherheitsbericht weist man noch einmal eindringlich auf die Wichtigkeit hin, das Dunkelfeld miteinzubeziehen, um ein angemessenes Gesamtbild der Kriminalität zu liefern.[28]

“Ohne Dunkelfelddaten bleibt gänzlich ungewiss, ob die statistischen Zahlen die Entwicklung der Kriminalitätswirklichkeit widerspiegeln oder ob sie lediglich das Ergebnis einer Verschiebung der Grenze zwischen Hell- und Dunkelfeld sind.” (Bundesministerium des Inneren [Hrsg.], 2001. S. 2)

Um diese Thematik noch einmal zu verdeutlichen, wird das Dunkel- und Hellfeld grafisch in der Statistik dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(vgl. Bundeskriminalamt [Hrsg.], 2006, S. 8)

Zudem beziehe ich mich in den folgenden Ausführungen auch weiterhin auf den 2. Periodischen Sicherheitsbericht der Bundesregierung, den ich nun kurz darstellen möchte.

Der 2. Bericht ist Nachfolger des Ersten Periodischen Sicherheitsberichts, der am 11. Juli 2001 von der Bundesregierung verabschiedet und der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Das Ziel der Periodischen Sicherheitsberichte ist es, ein Gesamtbild der Kriminalitätslage zu erstellen, in das auch Einzelfälle eingeordnet werden können. Daneben gibt er einen Überblick über Kriminalitätsvorbeugung und auch Kriminalitätsbekämpfung.

Die Berichte sollen es der Bevölkerung ermöglichen, eine angemessene Einschätzung der Sicherheitslage vorzunehmen, ohne das es zu Fehleinschätzungen aufgrund einzelner Schlagzeilen in den Zeitungen kommt.

Für diese angemessene Beurteilung der Sicherheitslage ist es wichtig, eine breit gefächerte Bestandsaufnahme der Kriminalitätslage zu liefern.

Ohne diese empirische Grundlage ist es, dem Bericht zufolge, nicht möglich eine folgenorientierte Kriminal- und Strafrechtspolitik zu gestalten.[29]

3.2.2 Theorie zur Quantität von Frauenkriminalität

Eine Frage, die sich bei der Kriminalität von Frauen immer wieder aufwirft ist, ob es eine geschlechtsdifferenzierte Strafverfolgung gibt und sich dadurch die Ergebnisse der Statistiken erklären lassen. Lässt sich also so die unterschiedliche Verteilung zwischen der registrierten Männer- und Frauenkriminalität erklären?

Betrachtet man die Historie, so stößt man auf die “chivalry hypothesis”. Die Hypothese der “Ritterlichkeit” des männlichen Strafverfolgers gegenüber der delinquenten Frau. Grundlegend muss hier erwähnt werden, dass man von einer Gleichverteilung der Kriminalität von Mann und Frau ausgeht. Die unterschiedlichen Zahlen zur registrierten Kriminalität von Mann und Frau führe man zurück auf die verzerrten Aktivitäten der (meist) männlich besetzten Strafverfolgungsbehörden. Bei dieser Theorie führt man an, dass Mädchen bzw. Frauen als eher schwach und zu beschützend eingestuft werden, als Jungen oder Männer. Dies führe zu einer nachsichtigeren Behandlung. Daneben wird immer wieder als Grund angeführt, dass zum Beispiel eine Inhaftierung von Frauen die Kernfamilie zerstören würde und der Gesellschaft demgegenüber wieder ein Schaden entstünde, die dann gegebenenfalls die Kinderversorgung übernehmen müsste.

[...]


[1] vgl. Mischau,1997, S.65

[2] vgl. Lindner, 2006, S. 1

[3] vgl. Kaiser , 1997, S. 176

[4] vgl. Schwind, 2005, S. 3

[5] vgl. Schott & Möllers, 2005, S. 16

[6] vgl. Lamnek, 1996, S. 16 f

[7] vgl. Schwind, 2005, S. 5 f

[8] vgl. www.sundoc.bibliothek.uni-halle.de , 16.08.2007

[9] vgl. www.sundoc.bibliothek.uni-halle.de , 16.08.2007

[10] vgl. Kaiser, 1997, S. 127

[11] vgl. www.socialinfo.ch, 22.08.2007

[12] vgl. Chryopoulidou, 1999, S. 7

[13] im Folgenden auch mit PKS abgekürzt

[14] vgl. Bundeskriminalamt (Hrsg.), 2004, S. 7

[15] vgl. Chrysopoulidou, 1999, S. 7

[16] anderweitige Quellen zur Ergänzung der PKS werden kenntlich gemacht

[17] vgl. Chrysopoulidou, 1999, S. 45

[18] vgl. Schwind, 2005, S. 25

[19] Zum Problem der Vergleichbarkeit ausländischer Untersuchungen und Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die deutschen Verhältnisse, aufgrund unterschiedlicher Sozial- und Gesellschaftsstrukturen:

Es muss bedacht werden, dass die Besonderheiten vor Ort Auswirkungen auf Forschungsergebnisse haben, jedoch muss erwähnt werden, dass die Sozialstrukturen der westlichen Welt - die Forschungen in diesem Bereich stehen eng im Zusammenhang mit der Gesellschaftsstruktur - durch den Kapitalismus und die leistungsorientierte Konsumgesellschaft geprägt sind, was zu vergleichbaren Gesellschaftsstrukturen führt. Eine umfassende Betrachtung der Forschung ohne ausländische (vorwiegend amerikanische) Untersuchungen wäre nicht möglich, da sie einen sehr großen Teil der gesamten Forschung in diesem Bereich darstellen. (vgl. Theurer, 1996, S. 42 f)

[20] vgl. Schwind, 2005, S. 42

[21] Kriminologie ist die geordnete Gesamtheit des Erfahrungswissens über das Verbrechen, den Rechtsbrecher, die negativ soziale Auffälligkeit und über die Kontrolle dieses Verhaltens. Ihr Wissenschaftsgebiet lässt sich mit den drei Grundbegriffen Verbrechen, Verbrecher und Verbrechenskontrolle treffend kennzeichnen. (vgl. Kaiser, 1997, S. 1)

[22] vgl. Schneider, 2001, S. 10 f

[23] ergänzend ist hier noch hinzuzufügen, dass neben den erwähnten Formen der Dunkelfeldforschung auch auf das Experiment und die teilnehmende Beobachtung häufig zurückgegriffen wird

[24] vgl. Schwind, 2005, S. 43 ff

[25] auf eine Definition der Diebstahlsdelikte wird an anderer Stelle noch präziser eingegangen

[26] vgl. Schwind, 2005, S. 49

[27] vgl. Schwind, 2005, S. 49 ff

[28] vgl. Bundesministerium des Inneren (Hrsg.), www.bmi_bund.de, 26.08.2007

[29] vgl. Bundesministerium des Inneren (Hrsg.), www.bmi_bund.de , 26.08.2007

Ende der Leseprobe aus 76 Seiten

Details

Titel
Das Phänomen Frauenkriminalität
Untertitel
Unter besonderer Berücksichtigung der Diebstahldelikte
Hochschule
Fachhochschule Regensburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
76
Katalognummer
V84919
ISBN (eBook)
9783638896979
Dateigröße
1046 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Phänomen, Frauenkriminalität
Arbeit zitieren
Daniela Frank (Autor:in), 2007, Das Phänomen Frauenkriminalität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84919

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