Sport, Staat & Doping - Der Deutsche Olympische Sportbund und ein Anti-Doping-Gesetz


Essay, 2007

14 Seiten, Note: 1,7

Anonym


Leseprobe


Sport, Staat und Doping

Der Deutsche Olympische Sportbund und ein Anti-Doping-Gesetz

„Das ist in unserem Sinne“[1] sagte der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Michael Vesper, nachdem sich die Regierungskoalition Mitte Januar auf die Bestrafung des Besitzes ‚nicht geringer Mengen’ von Dopingmitteln verständigt hatte. Thomas Bach, Präsident des DOSB, sprach von „Übereinstimmung zu unseren Beschlüssen“[2]. Da war sie also, die Einigung, die alle zufrieden stellte. Und man mochte sich fragen, worüber eigentlich so lange gestritten wurde. Schließlich ging es bei der seit fast einem Jahr so intensiv geführten Debatte um gesetzliche Maßnahmen im Kampf gegen Doping, nicht um einen Kampf zwischen Befürwortern und Gegnern gesundheitsschädigender Betrugsmethoden. Nein, es herrschte seit der ersten Stunde große Einigkeit in den entscheidenden Fragen. Erstens waren alle Akteure selbstverständlich gegen Doping im Sport und zweitens waren sie sich auch darin einig, dass Sport und Staat ihre Aufgaben in dieser Angelegenheit haben und dass jeder genau das tun solle, was er am besten könne. Somit war mit dem gemeinsamen Ziel eines ‚sauberen’ Sports vor Augen die Findung eines Kompromisses, so mag man glauben, bereits im Keim der Debatte angelegt. Doch ganz so harmonisch lief es nicht ab. Denn als das Thema Doping im Sommer letzten Jahres ernsthaft Gegenstand eines Gesetzgebungsprozesses wurde, begann eine Auseinandersetzung, bei der es um nicht weniger als die Existenz des Sports in seiner jetzigen Gestalt ging. So erlebte der erst im Mai 2006 gegründete Dachverband des deutschen Sports prompt eine Feuertaufe.

Doch welche Rolle nahm der DOSB dabei ein? Wie steht er zu einem wie – auch immer gearteten – Anti-Doping-Gesetz? Wie lässt sich seine Position begründen? Und welche Strategie verfolgt der DOSB im aktuellen Gesetzgebungsprozess?

Um Rolle und Position des DOSB zu analysieren, muss der aktuelle Gesetzgebungsprozess zunächst einmal in einen größeren Kontext gestellt werden. Denn, auch wenn selten so öffentlich über gesetzliche Maßnahmen gegen Doping debattiert wurde, ist die Debatte um den Umgang mit Doping schon so alt wie der moderne Sport selbst. Der erste registrierte Todesfall durch Doping datiert immerhin auf das Jahr 1886. Und auch die konkrete Diskussion um ein deutsches Anti-Doping-Gesetz ist nicht neu. „Seit mehr als zehn Jahren wird die Notwendigkeit eines Anti-Doping-Gesetzes diskutiert, werden die Befürworter einer derartigen Aktion vertröstet, werden die damit verbundenen Probleme vertagt“[3], klagte der Sportwissenschaftler Helmut Digel, seinerzeit Vizepräsident des Nationalen Olympischen Komitees (NOK), kurz vor der DOSB-Gründung.

Allerdings stand das letzte Jahr unter besonderen Vorzeichen, denn mit der Fusion von NOK und Deutschem Sportbund (DSB) zum Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) gelang eine historische Einigung des Sports. Und gleichzeitig ließ sich das unbequeme Thema Doping kaum mehr unter den Teppich kehren. Denn nur drei Tage nach der Gründung des DOSB führte die ‚Operación Puerto’ von Polizei und Staatsanwaltschaft in Spanien zur Aufdeckung eines international agierenden Dopingnetzwerks um den Arzt Eufemiano Fuentes. Über 200 Profisportler aus den verschiedensten Sportarten soll er systematisch mit Dopingmitteln und –methoden versorgt haben. Die deutsche Öffentlichkeit war vor allem durch die schwerwiegenden Indizien einer Verstrickung von Jan Ullrich geschockt.

Die plötzliche erdrückende Medienpräsenz des Themas Doping machte zwei Dinge auf schmerzliche Art und Weise deutlich. Erstens wurde ersichtlich, dass Doping viel größere Ausmaße annimmt, als sich viele eingestehen wollten. Die 2005 veröffentlichte Studie "Zur Häufigkeit des Dopings im Leistungssport" unter der Federführung des Trierer Sportwissenschaftlers Eike Emrich ergab, dass zwischen 25,8 und 48,1 Prozent aller deutschen Kaderathleten bereits zu Dopingmitteln gegriffen haben.[4]

Zweitens zeigten die Dopingfälle des letzten Jahres, dass der Sport das Problem bislang nicht eindämmen konnte oder wollte. Die sportlichen Kontroll- und Sanktionsmechanismen haben offensichtlich versagt. Zwar ist als Konsequenz früherer Skandale die World Anti-Doping Agency (WADA) gegründet worden, deren deutscher Ableger, die Nationale Antidoping-Agentur (NADA), seit 2003 für das einheitliche Doping-Kontrollsystem verantwortlich ist. Dieses hat sich jedoch als zahnloser Tiger erwiesen. Die NADA ist finanziell schlecht ausgestattet. Sie verfügt nur über wenige Mitarbeiter. Sämtliche Kontrolleure arbeiten ehrenamtlich. Die Hälfte des vergangenen Jahres fehlte der NADA ein Justiziar, was ihre Arbeit beeinträchtige, ihr aber keine Unterstützung der Sportverbände einbrachte. Zudem ist die Kontrolldichte in Deutschland sehr gering. Sportwissenschaftler Digel sagte vor dem Sportausschuss des Bundestages im September 2006 dazu: „Der Dopingbetrug ist für den Athleten sehr gut kalkulierbar. Das Risiko ist sehr gering, aufgedeckt zu werden. Deshalb findet auch – übrigens nicht überraschend – eine systematische Manipulation statt.“[5] Die größte Schwachstelle stellen allerdings die Dopingtests selbst dar. Sie können nur einen Teil der Substanzen erkennen, und dies oft nur für eine kurze Zeit. So waren beispielsweise alle Proben der österreichischen Skifahrer bei den Olympischen Winterspielen in Turin negativ, obwohl die Polizei große Mengen von Dopingmitteln bei ihnen beschlagnahmt hatte.

Die Sportverbände, allen voran ihr Dachverband, der DOSB, sind dabei in einer Dilemmasituation. Auf der einen Seite sind sie dringend auf internationale Spitzenergebnisse angewiesen. Denn was ist schon Leistungssport ohne Leistung und Medaillen? Bund, Länder und Kommunen finanzieren den größten Teil des Breiten- und Leistungssports. Darüber hinaus ist vor allem der professionelle Leistungssport auf private Sponsoren angewiesen. Diese erwarten im Gegenzug Spitzenleistungen der Athleten. Und auch die staatliche Förderung orientiert sich meist an den sportlichen Ergebnissen. „Wir fördern Spitzensport ja nicht mit dem Ziel, dass die deutschen Athleten schlechte Leistungen erzielen“[6], erklärte Bundesinnenminister Schäuble dazu.

Andererseits gibt es für die Sportverbände kaum etwas Schädlicheres als große Dopingskandale. Diese gefährden die Glaubwürdigkeit ganzer Sportarten, senken das mediale Interesse an den Wettkämpfen und können schließlich das private und staatliche Sponsoring zum Erliegen bringen.

Das Dilemma besteht nun darin, dass sich Leistungserwartungen und Dopingbekämpfung fundamental im Wege stehen. „Das System des Leitungssports ist auf Leistungssteigerung ausgelegt; der Athlet unterliegt einem Steigerungsimperativ. Das Steigerungsvorhaben ist dabei nach oben offen angelegt. Zu diesem Vorhaben stehen die zentralen sportmoralischen Normen inkommensurabel im Widerspruch.“[7] Daher stellt sich der Verdacht ein, dass Doping für die Sportverbände vor allem dann ein Problem ist, wenn es öffentlich wird, und dass sie Doping vielleicht nicht unterstützen, aber teilweise dulden oder zumindest nicht ernsthaft bekämpfen. Das sorgt allerdings für erhebliche interne Spannungen.

[...]


[1] Tagesspiegel 19.01.07, S. 22.

[2] Stuttgarter Zeitung 20.01.07, S. 37.

[3] Frankfurter Allgemeine Zeitung 28.02.2006, S. 31.

[4] Pitsch, Werner; Emrich, Eike; Klein, Markus: Zur Häufigkeit des Dopings im Leistungssport, in: Leipziger Sportwissenschaftliche Beiträge: Bd. 46, 2/2005, S. 63-77.

[5] Deutscher Bundestag: Protokoll Nr. 16/17. Sportausschuss Wortprotokoll 17. Sitzung. Berlin: 27.09.2006, S.14.

[6] Frankfurter Allgemeine Zeitung 12.09.2006, S. 32.

[7] Digel, Helmut: Probleme und Perspektiven der Sportentwicklung. Dargestellt am Beispiel der Leichtathletik. Aachen: Meyer und Meyer Verlag 1997, S. 288.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Sport, Staat & Doping - Der Deutsche Olympische Sportbund und ein Anti-Doping-Gesetz
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft)
Note
1,7
Jahr
2007
Seiten
14
Katalognummer
V84987
ISBN (eBook)
9783638907057
Dateigröße
452 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sport, Staat, Doping, Deutsche, Olympische, Sportbund, Anti-Doping-Gesetz
Arbeit zitieren
Anonym, 2007, Sport, Staat & Doping - Der Deutsche Olympische Sportbund und ein Anti-Doping-Gesetz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84987

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