Scham, Schande, Ehre - Psychoanalytische und juristische Aspekte - Entwürdigung und "totale Institution"


Seminararbeit, 2005

12 Seiten, Note: 12 Punkte


Leseprobe


Gliederung

A. Begriffsbestimmung: Totale Institution
I. Allgemeine Ansicht
II. Rechtliche Ansicht
III. Soziologische Ansicht
IV. Systemtheorie
V. MarxistischeTheorie
VI. Philosophische Ansicht
VII. Erving Goffman
VIII. Zusammenfassung

B. Leben in einer totalen Institution
I. Entwürdigung
II. Aufnahmeprozeduren und Rollenverlust
III. Looping

C. Schlussbetrachtung

A. Begriffsbestimmung: Totale Institution

I. Allgemeine Ansicht

Nach allgemeiner Ansicht sind Institutionen gesellschaftliche, staatliche oder kirchliche Einrichtungen, in denen bestimmte Aufgaben, meist in gesetzlich geregelter Form wahrgenommen werden.

II. Rechtliche Ansicht

Rechtlich gesehen stellt die Institution bzw. das Institut eine rechtliche Einrichtung dar. Nach läufigem Sprachgebrauch werden die durch überwiegend privatrechtliche Rechtsnormen gestalteten Gebilde z.B. die Ehe, die Familie oder das Eigentum, als Institut bezeichnet. Das „institutionelle Rechtsdenken“ betrachtet das Recht weniger unter dem Aspekt des Einzelnen und seiner Individualrecht, als vielmehr im Hinblick auf den Sinn und das Funktionieren von Institutionen.

III. Soziologische Ansicht

In der Soziologie ist die Institution eine Bezeichnung für soziale Gebilde und Organisationen verschiedenster Art, die sich überall dort entwickeln, wo das Zusammenleben einer Gruppe Ordnung und Regelung erfordert. Unterschieden werden abstrakte in kulturellen Traditionen niedergelegte, regulative Prinzipien (Verhaltensregeln) und konkrete gesellschaftliche Gruppen, Assoziationen, Organisationen, in denen sich diese Prinzipien repräsentieren. Zu ihren wichtigsten Merkmalen zählen zeitliche Konstanz, das einer bestimmten Struktur, einem kulturellen Muster folgende Zusammenwirken ihrer Glieder sowie normative Richtlinien, die das Handeln der Menschen leiten sollen. Die „Leitideen“ sind grundsätzlich an bestimmte Träger der Macht oder des sozialen Prestiges gebunden; sie wirken und verwirklichen sich mithilfe von Sanktionen und sozialer Kontrolle. Innerhalb der gesellschaftlichen Entwicklung besteht allgemein die Tendenz zur Institutionalisierung zunächst spontan entstandener Verhaltens-weisen und Gruppenbeziehungen.

Die soziologische Forschung untersucht die Funktionen der Institutionen für die Gesellschaft sowie ihre Auswirkungen für das Individuum. Kulturanthropologen und Soziologen der funktionalistischen und strukturell-funktionalen Theorie deuteten Institutionen als strategische Einrichtungen, die die Mittel zur Befriedigung grundlegender sozialer und individueller Bedürfnisse sichern: Sie strukturieren Familien- und Verwandtschaftsbeziehungen, Erziehung, kulturelle Eingliederung der Heranwachsenden, Verteilung der wirtschaftlichen Güter, der politischen Macht sowie des schichtenspezifischen sozialen Status insgesamt.

IV. Systemtheorie

Die an diese Richtung anschließende Systemtheorie sieht in der Institution als öffentlich garantierte und akzeptierte Ordnung die Voraussetzung für geregeltes, aufeinander bezogenes soziales Handeln und einen gesellschaftlichen Konsens.

V. Marxistische Theorie

Die marxistische und neomarxistische Theorien verstehen Institutionen in erster Linie als systemstabilisierende Organe der herrschenden Klasse und Mittel der Unterdrückung, Ausbeutung und Entfremdung des Einzelnen.

VI. Philosophische Ansicht

Die neuere philosophische Anthropologie hebt den Entlastungscharakter der Institution hervor, auf die der Mensch als „instinktentsichertes Mängelwesen“ angewiesen ist.

VII. Erving Goffman

Jede Institution nimmt einen Teil der Zeit und der Interessen ihrer Mitglieder in Anspruch und stellt für sie eine Art Welt für sich dar; und totaler Charakter wird symbolisiert durch Beschränkungen des sozialen Verkehrs mit der Außenwelt sowie der Freizügigkeit, die häufig direkt in die dingliche Anlage eingebaut sind; wie verschlossene Tore, hohe Mauern, Stacheldraht usw

Goffman sieht in unserer Gesellschaft 5 Gruppen der totalen Institutionen:

1. jene, die zur Fürsorge von Menschen eingerichtet sind (Blinden-, und Altersheime).
2. jene, die zur Fürsorge von Menschen dienen, von denen angenommen wird, dass sie unfähig sind, für sich selbst zu sorgen und eine Bedrohung für die Gesellschaft darstellen (Psychiatrien).
3. jene totale Institutionen, die dem Schutz vor Gefahren dienen, die man für beabsichtigt hält (Gefängnisse, Konzentrationslager).
4. jene Institutionen, die darauf abzielen bestimmte, arbeit-ähnliche Aufgaben besser durchführen zu können (Kasernen, Internate, Arbeitslager).
5. schließlich jene Einrichtungen, die als Zufluchtsorte dienen (Klöster, Abteien).

In der modernen Gesellschaft besteht eine grundlegende soziale Ordnung, nach der der einzelne lebt, und dies unter verschiedenen Autoritäten tut, und ohne einem umfassenden rationalen Plan zu unterliegen. Das zentrale Merkmal totaler Institutionen besteht darin, dass die Schranken, die normalerweise die 3 Lebensbereiche voneinander trennen, aufgehoben sind, denn alle Angelegenheiten finden an derselben Stelle statt -> und unter derselben Theorie.

- Die Mitglieder der Institution führen alle Phasen ihrer täglichen Arbeit in unmittelbarer Gesellschaft einer großen Gruppe von anderen Mitgliedern aus.
- Alle Phasen des Tages sind exakt geplant, eine geht in die nächste über, und sie werden von oben durch ein System von Regeln und Funktionären vorgeschrieben.
- Die verschiedenen erzwungenen Tätigkeiten werden in einem einzigen rationalen Plan vereinigt, der dazu dienen soll, die offiziellen Ziele der Institution zu erreichen.

In totalen Institutionen findet eine fundamentale Trennung zwischen den Insassen auf der einen, und dem Aufsichtspersonal auf der anderen Seite statt. Für die Insassen gilt, dass sie in der Institution leben und beschränkten Kontakt zur Außenwelt haben.[1] Doch das Personal hält sich für überlegen und glaubt das Recht auf seiner Seite, während die Insassen sich unterlegen, schwach und schuldig fühlen.[2] Es herrscht ein großes Machtgefälle zwischen Personal und Insassen, in dem die Machthaber sich Verhalten, als agieren sie in einem quasi rechtsfreien Raum, d.h. ohne (oder nur sehr schwer) für Verstöße gegen die (Menschen-)Rechte der Insassen zur Rechenschaft gezogen werden zu können. Denn : Erstens wird den Insassen nicht oder weniger geglaubt, wenn sie von erlittenen Demütigungen und Entwürdigungen berichten und zweitens werden willkürliche und nicht nachvollziehbare „Maßnahmen“ wie Besuchsverbote, Einsperren in Isolierzimmer und Folter praktiziert. Die soziale Mobilität zwischen den beiden Schichten ist sehr gering, dadurch entwickeln sich 2 verschiedene soziale und kulturelle Welten, die mit einigen offiziellen Berührungspunkten nebeneinanderher bestehen, sich jedoch kaum gegenseitig durchdringen.

Gleichgültig, ob die totale Institution positiv oder negativ auf die bürgerliche Gesellschaft einwirkt, in jedem Fall wird sie über Macht verfügen, die z.T. auf der Unterdrückung einer ganzen Reihe von wirklich existierenden oder potentiellen Bedürfnissen beruht. Totale Institutionen sind soziale Zwitter, einerseits Wohn- und Lebensgemeinschaft, andererseits formale Organisation.

[...]


[1] Lloyd E. Ohlin, S. 14, 20.

[2] S. Kirson Weinberg, S. 717-726.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Scham, Schande, Ehre - Psychoanalytische und juristische Aspekte - Entwürdigung und "totale Institution"
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Note
12 Punkte
Autor
Jahr
2005
Seiten
12
Katalognummer
V85051
ISBN (eBook)
9783638007986
ISBN (Buch)
9783638913980
Dateigröße
458 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Scham, Schande, Ehre, Psychoanalytische, Aspekte, Entwürdigung, Institution
Arbeit zitieren
Saskia-Veronique Steffen (Autor:in), 2005, Scham, Schande, Ehre - Psychoanalytische und juristische Aspekte - Entwürdigung und "totale Institution", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85051

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