I. Haftung des Frachtführers gem. § 437 HGB
Die allgemeine Haftung des ausführenden Frachtführers gem.
§ 437 HGB gewährt denjenigen, die im Rahmen eines Frachtvertrages oder eines Ladescheins im Hinblick auf den Verlust oder die Beschädigung des Gutes oder die Überschreitung der Lieferfrist gegenüber dem Frachtführer anspruchsberechtigt sind, einen zusätzlichen, unmittelbaren Anspruch gegen den ausführenden Frachtführer.1 Dieser direkte Anspruch besteht erst seit der Transportrechtsreform 1998, wobei die CMR lediglich durch die Normen des HGB ergänzt werden. § 437 HGB kommt demnach nicht zur Anwendung, wenn das Rechtsverhältnis des Anspruchstellers zum vertraglichen Frachtführer nach den Grundsätzen des internationalen Privatrechts kein deutsches Recht gilt oder einem der vereinheitlichten Transportrechte unterliegt wie, etwa der CMR, dem Warschauer Abkommen oder der CIM.2 Fraglich ist ob sich die Haftung des vertraglichen und des ausführenden Frachtführers maßgeblich unterscheiden. § 437 I, II HGB begnügt sich damit, auf die gesetzlichen bzw. vertraglichen Regelungen zu verweisen, anhand derer sich die Haftung des vertraglichen Frachtführers beurteilt.3 Zu einer Haftung des ausführenden Frachtführers nach § 437 I S.1 HGB kommt es nur, wenn der vertragliche Frachtführer nach § 425 ff. HGB für den Verlust oder die Beschädigung des Gutes oder die Überschreitung der Lieferfrist einstehen muss.4
Inhaltsverzeichnis:
I. Haftung des Frachtführers gem. § 437 HGB
II. Lieferfrist gem. § 423 HGB
III. Leistungsstörung - Haftung des Frachtführers gem. § 425 ff. HGB für Verspätungsschäden
1. Allgemeines
2. Haftungsgrundsatz bei Überschreitung der Lieferfrist ( Einfacher Fall: Verspätet aber unbeschädigt)
IV. Konkurrenz von Verspätungsschäden und Güterschadenshaftung
A. h.M. zu Verspätungsschäden und Güterfolgeschäden
1. Fall Ersatzteil wird fristgerecht geliefert ist aber beschädigt
2. Fall Lebensmittel werden verspätet geliefert
3. Fall Verlust des Gutes
4. Fall Ersatzteil wird verspätet geliefert und ist beschädigt
a. Die Verspätung steht nicht im Zusammenhang mit der Beschädigung
b. Die Verspätung steht im Zusammenhang mit der Beschädigung
B. m.M. zu Verspätungsschäden und Güterfolgeschäden
C. Stellungnahme
Deutsches und Internationales Transportrecht Thema:
Die Haftung des Frachtführers für Verspätungsschäden
I. Haftung des Frachtführers gem. § 437 HGB
Die allgemeine Haftung des ausführenden Frachtführers gem. § 437 HGB gewährt denjenigen, die im Rahmen eines Frachtvertrages oder eines Ladescheins im Hinblick auf den Verlust oder die Beschädigung des Gutes oder die Überschreitung der Lieferfrist gegenüber dem Frachtführer anspruchsberechtigt sind, einen zusätzlichen, unmittelbaren Anspruch gegen den ausführenden Frachtführer.1 Dieser direkte Anspruch besteht erst seit der Transportrechtsreform 1998, wobei die CMR lediglich durch die Normen des HGB ergänzt werden. § 437 HGB kommt demnach nicht zur Anwendung, wenn das Rechtsverhältnis des Anspruchstellers zum vertraglichen Frachtführer nach den Grundsätzen des internationalen Privatrechts kein deutsches Recht gilt oder einem der vereinheitlichten Transportrechte unterliegt wie, etwa der CMR, dem Warschauer Abkommen oder der CIM.2 Fraglich ist ob sich die Haftung des vertraglichen und des ausführenden Frachtführers maßgeblich unterscheiden. § 437 I, II HGB begnügt sich damit, auf die gesetzlichen bzw. vertraglichen Regelungen zu verweisen, anhand derer sich die Haftung des vertraglichen Frachtführers beurteilt.3 Zu einer Haftung des ausführenden Frachtführers nach § 437 I S.1 HGB kommt es nur, wenn der vertragliche Frachtführer nach § 425 ff. HGB für den Verlust oder die Beschädigung des Gutes oder die Überschreitung der Lieferfrist einstehen muss.4 Somit stellt die Haftung des ausführenden Frachtführers nach § 437 I S.1 HGB gewissermaßen einen Annex zu der Haftung des vertraglichen Frachtführers aus § 425 HGB dar. Dies ist gut an der systematischen Stellung der Norm im Gesetz, inmitten der § 425 ff. HGB über die Haftung des vertraglichen Frachtführers und den anschließenden Schadensanzeigen des § 438 HGB, abzulesen.5 Zudem gibt der Wortlaut des § 437 I S.1, S.3 HGB wieder, dass der ausführende Frachtführer in gleicher Weise wie der Frachtführer haftet. Es entsteht demnach ein Fall der gesetzlich angeordneten Schuldmitübernahme.6 Somit ergibt sich eine Haftung des Frachtführers aus den Voraussetzungen der § 425 ff. HGB bei Verlust oder Beschädigung des Gutes oder der Überschreitung der Lieferfrist.
II. Lieferfrist gem. § 423 HGB
Um die Voraussetzungen der in § 425 ff. HGB beschriebenen Überschreitung der Lieferfrist überhaupt anwenden zu können, bedarf es der Voraussetzung der Lieferfristüberschreitung. Der § 423 HGB enthält die Legaldefinition des Begriffs Lieferfrist. Danach ist der Frachtführer verpflichtet, das Gut innerhalb der vereinbarten Frist oder mangels Vereinbarung innerhalb der Frist abzuliefern, die einem sorgfältigen Frachtführer unter Berücksichtigung der Umstände vernünftigerweise zuzubilligen ist. Vorbild für diese HGB Norm hatte der Art. 19 CMR, jedoch wurde auf eine Definition der „Überschreitung der Lieferfrist“ wie in Art. 19 CMR verzichtet, da sich diese bereits aus der Umschreibung des Begriffs der Lieferzeit ergibt.7 Die praktische Bedeutung der Lieferfrist ist die Haftung wegen verspäteter Ablieferung was gem. § 425 I HGB die Überschreitung der Lieferfrist ist. Diese ergibt sich aus der Frist, innerhalb der der Frachtführer die Beförderung durchführen und das Gut dem Empfänger abliefern soll.8
Eine Lieferfristüberschreitung liegt somit vor, wenn die tatsächliche Beförderungsdauer die Frist überschreitet. Eine solche Lieferfristabrede wird zweckmäßigerweise in den Frachtbrief eingetragen9 und kann somit Teil des Frachtvertrages gem. § 407 HGB, § 408 I Nr.4 HGB werden.10 Jedoch ist der Zeitpunkt der Vereinbarung einer Lieferfrist (Lieferfristabrede) nicht relevant, da dies sowohl bei Abschluß des Frachtvertrages als auch während des Transports geschehen kann.11 Die Abrede bedarf keiner Formerfordernisse, da dem Frachtbrief nur eine Beweisfunktion zukommt.12 Hierbei kann man die Lieferfristabrede sowohl auf den Übernahme-/ als auch auf den Ablieferungszeitpunkt fixieren.13 In der Praxis jedoch hat deutlich der Ablieferungszeitpunkt die größere Bedeutung. Lieferfristabreden, die mit Lieferklauseln wie „ baldmöglichst“, „so schnell wie möglich“, „umgehend“ oder „prompt“ versehen sind, sind keine festen Abreden im Sinne des § 423 HGB, da sie keinen festen Endtermin fixieren, sondern nur auferlegen, dass eine Verpflichtung besteht, alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um die geschuldete Leistung möglichst schnell zu erfüllen.14 Dieser Auslegung könnten die Argumente entgegenstehen, dass eine Klausel mit Wortlaut „wie üblich“ durchaus eine Vereinbarung ist, da dann nicht die gem. § 423 Alt.2 HGB angemessene Frist maßgeblich ist, sondern die übliche Frist bzw. die in der Geschäftsverbindung zwischen den Parteien übliche Frist.15 Somit wird nach dieser Ansicht auch eine Lieferfrist vereinbart, wenn die oben genannten Lieferklauseln verwendet werden. In diesem Fall wäre die auf vergleichbare Handelsklauseln vertretene Interpretation maßgeblich.16 Davon umfasst werden auch circa -Klauseln, da es keinen Grund gibt, dass solche im Gütertransportrecht nicht zu beachten sind.17 Die Argumente der ersten Meinung vermögen jedoch in diesem Fall zu überzeugen, da es sich aus Gründen der Rechtssicherheit und gerade aus den Gründen der Lieferfristnorm, die eine genaue und feste Absprache verlangt, um einen fixen Endtermin handeln muss. Schwammige Klauseln unterlaufen die Rechts- und Vertragssicherheit im Transportrecht und führen zu überflüssigen Rechtstreitigkeiten.
Sollte keine Lieferfrist vereinbart sein, so tritt die in § 423 2.Alt. HGB beschriebene Regelung nach der der Frachtführer das Gut innerhalb der Frist abzuliefern hat, die einem sorgfältigen Frachtführer unter Berücksichtigung der Umstände vernünftigerweise zuzubilligen ist, in Kraft. Aus dem Wortlaut des § 423 2.Alt. HGB geht zwar nicht hervor ob diese Umstände ex ante oder ex post zu bewerten sind, jedoch spricht alles, für eine ex ante Betrachtung.18 Eine Interpretation des § 423 2.Alt. HGB aus der ex post Perspektive würde dazu führen, dass der Frachtführer bei vereinbarten Lieferfristen ohne sachlichen Grund wesentlich schärfer haften würde als bei der nach dispositivem Recht maßgeblichen Lieferfrist.19 So muss der sorgfältige Frachtführer das LKW Wochenendfahrverbot in der BRD kennen und dies bei der Bestimmung der Ladezeit und Frist berücksichtigen.20 Jedoch müssen die Lenk- und Ruhepausen berücksichtigt werden und eine Vereinbarung, die eine Lieferfrist von 21 Stunden für 1100 km annimmt, ist demnach unzulässig.21 Fahrzeugdefekte führen nicht zum Ruhen der Lieferfrist, da alle Folgen von Fahrzeugmängeln in die Risikospähre des Frachtführers fallen, dies gilt selbst dann, wenn ein Fahrzeugmangel auch bei größter Sorgfalt nicht zu vermeiden war,22 somit ist ein angemessener Zeitpuffer einzubauen, der die am häufigsten vorkommenden Störungen bei der Fracht berücksichtigt.23
III. Leistungsstörung- Haftung des Frachtführers gem. § 425 ff. HGB für Verspätungsschäden
1. Allgemeines
Die Haftung des Frachtführers für Schäden aus Lieferfristüberschreitung ist geregelt nach den Vorschriften der § 425 ff. HGB. Vorbildfunktion für diese Norm hatte Art.17 CMR.24 Der § 425 HGB gilt für verschuldensunabhängige Lieferfristüberschreitung und daraus resultierende primäre Vermögensschäden, die aufgrund bzw. im Rahmen eines Frachtvertrages verursacht wurden.25 Ein Schaden, der durch Lieferfristüberschreitung entsteht, ist regelmäßig ein reiner Vermögensschaden.26 Hierbei haftet der Frachtführer auch für seine Hilfspersonen gem. § 428 HGB und kann unter bestimmten Voraussetzungen Haftungsausschlüsse mit oder ohne Beweiserleichterung gem. §§ 426, 427 HGB in Anspruch nehmen.27
[...]
1 Ramming, TranspR 2000, 278; Zapp, TranspR 2000, 106.
2 Fremuth/ Thume, § 437, Rn.8; Ramming, TranspR 2000, 280; Demuth, TranspR 1999, 101; Fischer, TranspR 1999, 274 ; Heuer, TranspR 1998, 50.
3 Ramming, TranspR 2000, 279.
4 Zapp, TranspR 2000, 106; Ramming, TranspR 2000, 280.
5 Ramming, TranspR 2000, 280; Knorre, TranspR 1999, 99.
6 Zapp, TranspR 2000, 239.
7 Koller, § 423, Rn.1; Thume, Art.17, Rn.27; Fremuth/ Thume, § 423, Rn.1; Lammich/ Pöttinger, § 423, Rn.4.
8 Fremuth/ Thume, § 423, Rn.4; Fremuth/ Thume, Art.19, Rn.4; Koller, § 423, Rn.2; Merkt in HGB Kommentar, § 423, Rn.1.
9 Fremuth/ Thume, § 423, Rn.4.
10 Lammich/ Pöttinger, § 423, Rn.11.
11 Koller, § 423, Rn. 4;
12 Lammich/ Pöttinger, § 423, Rn.11; Thume, RIW 1992, 966; Koller, § 423, Rn.4; Thume, Art. 19, Rn.11.
13 Fremuth/ Thume, § 423, Rn.4.
14 Fremuth/ Thume, § 423, Rn.5. Lammich/ Pöttinger, § 423, Rn.15; Ramming, TranspR 2000, 281; Thume, TranspR 92, 404; LG Stuttgart, TranspR 92, 22.
15 Koller, § 423, Rn.5.
16 Koller, § 423, Rn.5.
17 Koller, § 423, Rn.5.
18 Koller, § 423, Rn.10; Lammich/ Pöttinger, § 423, Rn.20; Thume, RIW 1992, 967.
19 Koller, § 423, Rn.10.
20 Lammich/ Pöttinger, § 423, Rn.102; Lüttich ETR 1985, 572.
21 Lammich/ Pöttinger, § 423, Rn.105.
22 Lammich/ Pöttinger, § 423, Rn.20.
23 Koller, § 423, Rn.12.
24 Koller, § 425, Rn.1; Thume, Art. 17, Rn.27; Heuer, TranspR 1998, S.47; Fremuth/ Thume, § 425, Rn.1; Lammich/ Pöttinger, § 425, Rn.1, Rn.2.
25 Fremuth/ Thume, § 425, Rn.5.
26 Lammich/ Pöttinger, § 425, Rn.97.
27 Fremuth/ Thume, § 425, Rn.9; Mü- Ko, § 425, Rn.1; Lammich/ Pöttinger, § 425, Rn.4; Basedow, TranspR 1998, 59.
- Arbeit zitieren
- Sascha T. Bokhari (Autor:in), 2006, Deutsches und internationales Transportrecht: Die Haftung des Frachtführers für Verspätungsschäden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85118
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