Parteienkonstellationen und Stabilität der Regierungen in Polen


Magisterarbeit, 2006

160 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlegung und politische Rahmenbedingungen
2.1 Demokratische Konsolidierung und Entstehung des polnischen Regierungssystems
2.1.1 Demokratie und die Stabilität des politischen Systems
2.1.2 Genese und Stabilitätswirkung der verschiedenen Regierungssysteme im Kontext der Systemtransformation
2.1.2.1. Transformationstheoretische Grundlagen
2.1.2.2. Regierungssystemtypen im Kontext der Semipräsidentialismusdebatte
2.1.2.3. Konkurrenz- und Konkordanzdemokratie in Transformationsgesellschaften
2.1.3 Grundzüge des semipräsidentiellen Regierungssystems Polens
2.2 Wahl- und Parteiensysteme im Kontext der Systemtransformation
2.2.1 Wahlsysteme
2.2.2. Parteien und Parteiensysteme in Osteuropa
2.2.2.1. Osteuropäische Parteien
2.2.2.2. Besonderheiten der osteuropäischen Parteiensysteme und ihr Einfluss auf die demokratische Konsolidierung
2.3 Regierungsstabilität

3. Die Parteien und das Parteiensystem
3.1 Normative Rahmenbedingungen
3.1.1 Rechtlicher Rahmen
3.1.2 Wahlsystem und seine politische Wirkung
3.2 Entstehungsbedingungen der politischen Parteien in Polen und ihre strukturellen Probleme
3.2.1 Entstehungsbedingungen
3.2.2 Strukturelle Probleme der polnischen Parteien
3.3 Cleavage -Struktur und ihre Ausprägung in den Parteien
3.3.1 Die sozioökonomischen cleavages
3.3.2 Rolle der katholischen Kirche im öffentlichen Leben
3.3.3 Umgang mit der kommunistischen Vergangenheit
3.3.4 Weltoffenheit vs. Traditionalismus
3.4 Akteure der parteipolitischen Szene
3.4.1 Rechtes Spektrum
3.4.2 Zentrumsparteien
3.4.3 Linkes Spektrum
3.5. Konsolidierung des polnischen Parteiensystems

4. Der Ministerrat im System der Staatsorgane
4.1 Struktur und Arbeitsweise des Ministerrates
4.1.1 Der Ministerpräsident
4.1.2 Minister und andere Regierungsmitglieder
4.1.3 Hilfsorgane des Ministerrates
4.1.4 Arbeitsweise des Ministerrates
4.2 Der Einfluss der institutionellen Arrangements auf die Stabilität der Ministerräte
4.2.1 Beziehungen zwischen der Legislative und Exekutive
4.2.1.1 Investiturrecht
4.2.1.2 Misstrauensvotum
4.2.1.3 Parlamentsauflösung
4.2.2 Der Staatspräsident und die Stabilität der Regierungen

5. Parteienkonstellationen und die Stabilität der Regierungen
5.1. Die Stabilität der polnischen Regierungen bis 1997
5.2 Wahlkampagne und Ergebnisse der Wahlen im untersuchten Zeitraum
5.2.1 Wahlen 1997
5.2.2 Wahlen 2001
5.2.3 Wahlen 2005
5.3 Parteienkonstellationen und Regierungsstabilität im untersuchten Zeitraum
5.3.1 Der III. Sejm (1997-2001)
5.3.2 Der IV. Sejm (2001-2005)
5.3.3 Der V. Sejm

6. Abschließende Betrachtungen

II. Parteien-, Fraktions- und Abgeordnetenkreisverzeichnis

III. Abkürzungsverzeichnis

IV. Tabellenverzeichnis

V. Abbildungsverzeichnis

VI. Literatur - und Quellenverzeichnis

VII. Anhang

1. Einleitung

Einige der osteuropäischen Staaten, die in den Jahren 1989/1990 einen politischen Umbruch und demokratische Wende erlebten, wurden seit Mai 2004 zu Mitgliedern der Europäischen Union und gelten somit als konsolidierte Demokratien. Die für den Beitritt unabdingbare Voraussetzung ist die politische Stabilität, deren Erreichen die jungen Demokratien auch angesichts der schwierigen dreifachen Transformation erfolgreich fertig brachten. In Anbetracht des gleichzeitigen Umbaus aller gesellschaftlichen Teilsysteme und der auf sie zukommenden Anpassungsanstrengungen bezüglich ihrer EU- Aufnahme kommt der Stabilität des politischen Systems eine herausragende Bedeutung zu und sie wird als Rahmenbedingung einer gelungenen Systemtransformation betrachtet.

Für die Bewältigung der den Transformationsstaaten bevorstehenden Herausforderungen spielen stabile Regierungen eine sehr wichtige Rolle. Regierungen gestalten den politischen Kurs des Landes und sollen das Einspielen der neuen demokratischen Regeln und somit die demokratische Konsolidierung fördern, wofür eine stabile politische Führung Voraussetzung ist. Doch wie definiert sich die Regierungsstabilität und wovon hängt sie ab? Es ist nicht nur die lange Lebensdauer eines Kabinetts, die es automatisch stabil machen würde. Vielmehr müssen für die Stabilitätsermittlung auch andere Faktoren berücksichtigt werden. Grundsätzlich aber haben langlebige Regierungen ein viel größeres Effektivitätspotenzial als die negativ angesehenen kurzlebigen und instabilen Kabinette, die oftmals als Anzeichen für Krisen des politischen Systems gelten.

Ziel dieser Arbeit ist die Analyse der Regierungsstabilität in der jungen polnischen Demokratie sowie Untersuchung der Parteienkonstellationen hinsichtlich ihres Einflusses auf die Stabilität der Kabinette. Die Wichtigkeit dieser Fragestellung und das Forschungsinteresse ergeben sich zum einen aus der zentralen Bedeutung der Regierungsstabilität für die Stabilität des gesamten Systems in Anbetracht der Tatsache, dass Polen sich einerseits durch vergleichsweise hohe Anzahl von Regierungswechseln charakterisiert, während dem System selbst Stabilität zugewiesen wird und das Land mit dem EU- Beitritt seinen Status einer weitgehend konsolidierten und krisenresistenten jungen Demokratie beglaubigt hat. Zum anderen sind sie im Erkenntnisstand der politikwissenschaftlichen Forschung zu den osteuropäischen Regierungen und ihrer Stabilität begründet, die bisher nur unzureichend erforscht wurden. Auch auf Westeuropa bezogen wurde die Regierungsstabilität überraschend selten zum Ziel politikwissenschaftlicher Untersuchungen, im Vordergrund derer zumeist die Koalitionsforschung stand. Allerdings lassen sich die gewonnenen Erkenntnisse auch auf die Analyse der Regierungsstabilität anwenden. Erklärend für diese wissenschaftliche Lücke betreffs der Regierungsstabilität ist der sehr schwierige Zugang zum Untersuchungsgegenstand, der im „inneren Kreis“ des Regierens liegt und weitgehend den Bereich der informellen Entscheidungsfindung berührt.[1] Eine regionale Ausdehnung der Koalitionsforschung nach Osteuropa bereitet noch mehr Schwierigkeiten, da die dortigen Transformationsprozesse noch nicht abgeschlossen sind, und die Regierungs- und Parteiensysteme noch keine prognostizierbare Beständigkeit erreicht haben. Dieser Kontext schwacher Institutionalisierung und geringer Regelhaftigkeit bewirkt, dass das informelle Regieren noch umfangreicher ist als in Westeuropa.

Nach fast 17 Jahren seit den Systemwechseln ist der Umfang der Literatur zu Osteuropa als sehr reichlich einzuschätzen, allerdings betrifft sie nicht alle Bereiche der Parlamentarismusforschung. Von Belang zum Thema dieser Arbeit sind Untersuchungen zu politischen Parteien und der Entwicklung des Parteiensystems Polens, die reichlich vorhanden sind. Außerdem liegen mehrere Studien vor, die sich mit dem Wahlsystem, dem Parlament und der Relation zwischen der Legislative und Exekutive beschäftigen. Wertvollste Erträge haben aber die wenigen Forschungsarbeiten erbracht, die sich mit der Regierung und Koalitionen befassen, wobei die Untersuchungen von Antoszewski, Jednaka und Rydlewski hervorzuheben sind.[2] Als einzige, der Regierungsstabilität in Osteuropa gewidmete Studie ist die Arbeit von Harfst[3] zu nennen, die eine institutionelle Perspektive mit einer Untersuchung des Parteiensystems kombiniert, allerdings lässt sie den Effektivitätsaspekt völlig aus den Augen und konzentriert sich nur auf die Dauer der Kabinette.

In der vorliegenden Arbeit wird der Frage nachgegangen, welche Faktoren die Stabilität der polnischen Regierungen beeinflussen und wie diese ausgeprägt sind. Hohe Relevanz gewinnen folgende Fragen- wodurch charakterisiert sich Regierungsstabilität und wie kann sie schließlich ermessen werden, wobei nicht nur von der durchschnittlichen Häufigkeit von Regierungswechseln ausgegangen werden darf. In dieser Arbeit werden weitere Faktoren berücksichtigt, die das politische Leben prägen und somit die landesspezifischen Besonderheiten für das Funktionieren einer Regierung bilden. Von dem institutionellen Ansatz ausgehend wird die systemstrukturabhängige Stabilität der polnischen Ministerräte untersucht, um dann zur akteurstheoretischen Perspektive zu wechseln und im Einzelnen den Einfluss der wichtigsten Akteure, der politischen Parteien, und ihrer Konstellationen auf die Stabilität der Regierungen zu bestimmen.

Das detaillierte Analysekonzept für die Ermittlung der Regierungsstabilität in Polen, das als umfassendes Einflussnetz verschiedener Faktoren unter besonderer Berücksichtigung der politischen Parteien dargestellt wird, findet seine Anwendung in folgenden Schritten:

Kapitel 2 beschäftigt sich mit der theoretischen Grundlegung der Arbeit, indem hier die wichtigsten Analysekategorien im transformationstheoretischen Kontext Osteuropas besprochen sowie die politischen Rahmenbedingungen in Polen erläutert werden.

Kapitel 3 ist der Analyse der politischen Akteure- den Parteien- vorbehalten, wobei es im Einzelnen auf weitere ihre Etablierung und Funktionieren und somit ihre Einflussnahme auf die Regierungen betreffende Faktoren eingegangen wird. Nähere Betrachtung finden die Evolution des Wahl- und des Parteiensystems sowie die Konfliktlinienstruktur, die zum einen die Entwicklung und das Wirken der politischen Parteien beeinflussen und zum anderen die Stärke ihrer parlamentarischen Präsenz sowie ihre Profilierung und ideologische Positionen zur Folge haben. Die Zweitgenannten sind folglich ausschlaggebend für ihre Einflussmöglichkeiten auf die Regierungsstabilität.

Die zwei folgenden Kapitel sind den Regierungen und ihrer Stabilität gewidmet, wobei sich im Kapitel 4 das Augenmerk auf die Stellung des Ministerrates im System der Staatsorgane und seine institutionell bedingte Stabilität richtet. Diesbezüglich werden detailliert die rechtlichen und verfassungsmäßigen Regelungen betreffs des Ministerrates und das institutionelle Verhältnis zwischen der Legislative und Exekutive untersucht sowie innerhalb der zweiten auf Grund der spezifischen Rolle des Staatsoberhauptes im semipräsidentiellem Regierungssystem Polens. Dagegen kommt im Kapitel 5, aus dem akteurstheoretischen Blickwinkel betrachtend, das besondere Interesse dem Wirken der Parteien und ihrer Einflussnahme auf die Regierungsstabilität zu. Weil sich mit der Annahme der neuen Verfassung von 1997 die systemischen Rahmenbedingungen weitgehend stabilisierten und dementsprechend keinen Raum für institutionelles Instabilitätsrisiko der Regierungen lassen, wie es bis dahin gewesen ist, steht die Erforschung der Stabilität der Regierungen ab diesem Zeitpunkt im Vordergrund. Dennoch ist die Untersuchung der Kabinette bis 1997 von bedeutendem Interesse- weil in Polen Einparteienregierungen keine Tradition haben und auf Grund der wahl- und parteiensystemischen Bedingungen fast immer Koalitionsregierungen entstehen, soll sie das herausgebildete und eingespielte Muster von Koalitionsbildungen verdeutlichen. Im weiteren Verlauf des Kapitels konzentriert sich die detaillierte Analyse ausschließlich auf den Zeitraum seit 1997, wobei dem eigentlichen Teil zur Ermittlung der Regierungsstabilität unter besonderer Berücksichtigung der Parteien ein Abschnitt mit Wahlanalysen vorangeht, welche die Entstehung der jeweiligen Parteienkonstellationen beleuchten.

Das letzte Kapitel der Magisterarbeit beinhaltet die Zusammenfassung und abschließende Betrachtungen.

Die verwendete Zählmethode für die Regierungen sieht als erstes Kriterium die Durchführung von Parlamentswahlen vor, d.h. mit jeder Parlamentswahl endet eine Regierung.[4] Außerdem wird jeder Wechsel des Premierministers als der Beginn einer neuen Regierung gewertet, genauso wenn eine Partei ihre Minister aus dem Kabinett zurückzieht oder wenn Minister einer neuen Partei ins Kabinett aufgenommen werden. Nicht berücksichtigt werden die Parteien, die die Regierung unterstützen, ohne im Kabinett vertreten zu sein, und die Veränderungen in der Verteilung der Kabinettsposten.

Die Materialengrundlage für diese Arbeit stützt sich auf unterschiedliche Quellen. Zum einen sind das Primärquellen- die Verfassungen, die Gesetzes- und Beschlusstexte des Parlaments, die Koalitionsverträge sowie die Informationen auf den Sejminternetseiten und die über Internet zugänglichen Programme der Parteien. Neben der vorhandenen Fachliteratur zu den polnischen Parteien und Regierungen wird auf die Erkenntnisse der Koalitionsforschung sowohl Osteuropas als auch der westlichen Demokratien zurückgegriffen. Außerdem bilden die Berichte der polnischen Tages- und Wochenzeitungen sowie eigene Beobachtungen eine wichtige Grundlage für die Analyse. Die empirische Untersuchung hat einen deskriptiv- interpretativen Charakter.

2. Theoretische Grundlegung und politische Rahmenbedingungen

2.1 Demokratische Konsolidierung und Entstehung des polnischen Regierungssystems

Der Zusammenbruch kommunistischer Einparteienstaaten stellte die osteuropäischen Gesellschaften vor die Notwendigkeit, alle Teilbereiche des Gesamtsystems von Grund auf neu zu organisieren.[5] Die stattfindende Systemtransformation, deren Leitbilder die westeuropäischen Prinzipien Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft waren, führte zum Aufbau neuer Herrschaftsstrukturen und Entwicklung neuer politischer, wirtschaftlicher und soziokultureller Verhältnisse, wobei für die Stabilität des gesamten Systems die Etablierung beständiger politischer Strukturen sowie deren Konsolidierung elementar sind.

2.1.1 Demokratie und die Stabilität des politischen Systems

Das politische System kann abstrakt als Gesamtheit von Strukturen (Institutionen) und Regeln (Verfahren) begriffen werden, die den Kontext für die Handlungen politischer und gesellschaftlicher Akteure bilden. Seine Leistungs- und Überlebensfähigkeit hängt von der Konstruktion der Wechselbeziehungen zwischen Strukturen, Verfahren und Akteuren ab, so dass diese Herausforderungen, die ihm von seiner Umwelt gestellt werden, bewältigt werden können. Für seine Problemlösungskapazitäten ist ein bestanderhaltendes Maß an Bürgerunterstützung unabdingbar, wovon die Effizienz, Transparenz und Legitimität des politischen Systems abhängt.[6] Gegenüber den autokratischen Systemen sind Demokratien auf Grund ihrer inneren Konstruktion und höheren Fähigkeit zu systemrelevanten Lernprozessen längerfristig stabiler, weil sie mit den allgemeinen und freien Wahlen einen feed back - Mechanismus institutionalisieren, der als ein sensibles Frühwarnsystem gelten kann und zur Flexibilität und Adaptationsfähigkeit zwingt. Neben dem über freie Wahlen geregelten Herrschaftszugang hängt die endogene Stabilität der demokratischen Systeme von dem beschränkten Herrschaftsanspruch ab, was den einzelnen Teilsystemen eine gewisse Selbststeuerungs- und Entfaltungsfreiheit gewährleistet. Zudem muss ein Mindestmaß an sozioökonomischer Entwicklung sowie ein grundsätzlicher Konsens oder Kompromiss der politischen Eliten hinsichtlich der elementaren demokratischen und rechtsstaatlichen Spielregeln gegeben sein. Wenn solcher Konsens in Systemwechselbedingungen zustande kommt, zeigen junge Demokratien laut den empirischen Befunden[7] rasche Konsolidierungsfortschritte und scheinen nach 15 Jahren ihres Überlebens eine Schwelle erreicht zu haben, die ihren Zusammenbruch extrem unwahrscheinlich macht. Dagegen ist für Diktaturen keine vergleichbare Stabilisierungsschwelle erkennbar.[8]

2.1.2 Genese und Stabilitätswirkung der verschiedenen Regierungssysteme im Kontext der Systemtransformation

2.1.2.1. Transformationstheoretische Grundlagen

Folgend dem Phasenmodell von O’Donnell und Schmitter nennt die Transformationsliteratur drei Phasen des Systemwechsels, die schwer voneinander abzugrenzen sind und ineinander übergehen.[9] Systemtransformation beginnt mit der Liberalisierung auf Grund politischer Krise des ancien régime und kündigt das Ende des autokratischen Regimes an. In der darauf folgenden Demokratisierungsphase werden die demokratischen Spielregeln des neuen Regimes ausgehandelt und institutionalisiert. In der formal mit der Verabschiedung einer neuen Verfassung oder mit den Gründungswahlen beginnenden Konsolidierung müssen die neu etablierten Normen und Institutionen ihre Stabilität gewinnen, um auf das gesamte System wichtige Konsolidierungsimpulse abzugeben und zu einer weitgehend krisenresistenten Demokratie zu führen.

Die akute Ursachenkonstellation für das Ende des autokratischen Systems in Polen entspricht dem osteuropäischen Muster, das mit externen Faktoren[10] und der Funktionslogik des kommunistischen Regimes[11] erklärbar ist.[12] Aber insbesondere die sich seit dem Jahre 1980 mit der Gründung der oppositionellen Gewerkschaft Solidarność zuspitzende Krise des autoritären Systems führte 1988 zur Herauskristallisierung einer Pattsituation zwischen Regimeelite und Regimeopposition, in der keine Seite die Möglichkeit besaß, einseitig die Bedingungen der zukünftigen politischen Herrschaft zu definieren. Mit den Verhandlungen der beiden Kontrahenten am Runden Tisch, die in „Transformationspakten“ mündeten, ist Polen ein Paradebeispiel eines ausgehandelten Systemwechsels.[13] Der Logik nach kann das entstandene semipräsidentielle Regierungssystem als Ergebnis dieser Machtsituation betrachtet werden, auch wenn generell die Hypothese nicht haltbar ist, dass der Modus der Ablösung des alten Regimes die Form des Regierungssystems beeinflusst.[14]

Die Hauptfragen der Transformationsforschung sind die nach den Typen von Regierungssystemen, die in den jungen Demokratien entstehen; nach den Ursachen der Etablierung eines besonderen Systemtyps; nach dem Einfluss des Modus des Systemwechsels auf die Institutionsbildung, sowie danach, ob die neu konstituierten Regierungssysteme die Konsolidierung der Demokratie eher begünstigen, oder sie erschweren. Die politikwissenschaftliche Diskussion greift zu einer ganzen Reihe von theoretischen Erklärungsansätzen,[15] deren systematische Darstellung jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. In der Demokratisierungsforschung Osteuropas wird den Akteurstheorien Vorrang gegeben, wobei die Notwendigkeit der Ergänzung um institutionell und strukturell orientierte Ansätze bekräftigt wird, weil diese die Handlungskontexte der Akteure untersuchen.[16] Timm Beichelt, der die Konsolidierungschancen und –fortschritte der jungen osteuropäischen Demokratien untersucht, greift weniger nach den Ansätzen der Transformationsforschung, vielmehr aber nach den Methoden der vergleichenden Staatstätigkeits- und Demokratieforschung, nämlich der akteursoffenen Analyse von Regierungs-, Parteien und Wahlsystemen.[17]

Der für die Untersuchung der Genese von Regierungssystemen fruchtbarste akteursbezogene Ansatz, und hier vor allem der racional choice- Ansatz, besagt, dass die institutionellen Arrangements die Interessen der mächtigsten Akteure in den verschiedenen Transformationsphasen widerspiegeln. Die zukünftige Ausgestaltung des politischen Systems wird von den strategischen Machtkalkülen der rational handelnden Akteure betreffs ihres Machterhalts und ihres potenziellen Einflusses geprägt.[18] Diese spieltheoretische Perspektive erklärt das Ergebnis der polnischen Transformation, das semipräsidentielle System, welches als Resultat des sich ergebenden machtpolitischen Patts betrachtet werden kann. Typischerweise sahen in einer solchen Situation die autokratischen Regimeeliten ihre Interessen am ehesten durch einen starken Präsidenten gewahrt, während die demokratische Opposition auf einem starken Parlament bestand.[19]

2.1.2.2. Regierungssystemtypen im Kontext der Semipräsidentialismusdebatte

Die in der Institutionalisierungsphase vor den politischen Akteuren stehende Aufgabe ist die Entscheidung für einen bestimmten Typ des demokratischen Regierungssystems. Die Verfassungen können entweder parlamentarische, präsidentielle oder semipräsidentielle Institutionsordnungen etablieren, die sich durch das Verhältnis von Legislative und Exekutive unterscheiden. Anhand des Ausmaßes der Teilung, Verschränkung oder Dominanz beider Gewalten können die real existierenden Regierungssysteme den Idealtypen zugeordnet werden.[20] In der vergleichenden Regierungslehre hat sich das Kriterium der parlamentarischen Verantwortung der Regierungen bzw. ihrer Abberufbarkeit durch das Parlament als konstitutives Merkmal parlamentarischer Systeme etabliert.[21] Würde man nur dieses Kriterium anwenden, wären fast alle neu entstandenen demokratischen Institutionsordnungen in Osteuropa als parlamentarische Regierungssysteme einzuschätzen. Um ihrer Vielzahl und Komplexität gerecht zu werden, sollen weitere Aspekte untersucht werden, wie Kontrollrechte des Parlaments gegenüber der Regierung, das Auflösungsrecht des Parlaments und die Absetzungsmöglichkeit der Regierung durch das Staatsoberhaupt sowie seine legislativen Vetorechte und Politikdomänen. Durch ihre Berücksichtigung ergeben sich neben dem parlamentarischen und dem präsidentiellen System noch zwei sich durch doppelköpfige Exekutive auszeichnende Mischtypen: der parlamentarisch- präsidentielle und der präsidentiell- parlamentarische. Der Unterschied zwischen ihnen besteht in der Möglichkeit des Staatspräsidenten in einem präsidentiell- parlamentarischen Regierungssystem, die Regierung oder den Regierungschef gegen den Willen der Parlamentsmehrheit zu entlassen.[22]

Die seit den 80er Jahren geführte politikwissenschaftliche Diskussion um den Semipräsidentialismus wurde während der osteuropäischen Demokratisierung wieder belebt, weil eine Vielzahl von Regierungssystemen entstanden ist, die Elemente beider Idealtypen aufweisen. Die Debatte verlief zwischen den Befürwortern (Duverger, Bohro/Veser, Rüb) des Semipräsidentialismus als einen eigenständigen Systemtyp, der die Elemente beider Idealtypen vereinigt, sowie seinen Gegnern (Steffani), der die Mischsysteme als eine Modifikation parlamentarischer Systeme betrachtet und sie als Parlamentarismus mit Präsidialdominanz nennt. Sartoris Modellentwurf des „alternierenden Präsidentialismus“, d.h. Parlamentarismus während Cohabitation und Präsidentialismus in der übrigen Zeit, wird von Steffani als ein vom Parlamentarismus her ausgehendes Konzept angesehen.[23] Die von Juan Linz 1990 wieder eröffnete politikwissenschaftliche Debatte, welche Regierungssystemtypen besser geeignet sind, junge Demokratien zu konsolidieren, lenkte die Semipräsidentialismusdiskussion im Zuge der Osteuropademokratisierung auch auf diese Frage. Eindeutig galt die Meinung, dass der Parlamentarismus dem Präsidentialismus in dieser Hinsicht überlegen ist, wobei vier Kernargumente genannt wurden.[24] Da parlamentarische Systeme generell mehr Parteien als präsidentielle aufweisen, ermöglichen sie inklusivere und flexiblere Koalitionsbildung in Gesellschaften, die nicht homogen sind. Zweitens werden die Regierungen in den parlamentarischen Systemen von stabileren parlamentarischen Mehrheiten bei ihren Reformprogrammen gestützt, dagegen ist in präsidentiellen Systemen bei fehlender parlamentarischen Unterstützung des Reformprogramms die Gefahr groß, sie am Rande der Verfassung mit Dekreten, im bilateralen Tauschgeschäft oder in Ad-hoc-Koalitionen zu verwirklichen. Drittens schützt im Parlamentarismus die Verschränkung der Gewalten, d.h. ihre gegenseitige Abhängigkeit, vor der Entstehung lähmender Konflikte und Entscheidungsblockaden. Da präsidentielle Systeme die politische Polarisierung fördern, bringen sie diese Gefahr bei unterschiedlichen parteipolitischen Präferenzen der Exekutive und Legislative mit sich.[25] Nach Linz’ Begrifflichkeit zeichnen sich der Präsidentialismus durch Rigidität und der Parlamentarismus durch Flexibilität aus, die ihn dazu befähigt, besser die Konsolidierungsgebote der Inklusion und der Regierungseffizienz zu erfüllen.

Die den Präsidentialismus betreffenden Argumente bestätigen sich auch weitgehend in Bezug auf Semipräsidentialismus. Durch die Verdopplung aller wesentlichen Verfassungs- und Regierungsfunktionen- doppelte Exekutive, doppelte Legislative, doppelte Legitimität und implizit doppelte politische Verantwortung der Regierung[26] - erweisen sie sich als problematisch für die Konsolidierung einer Demokratie. Die durch die Direktwahl des Präsidenten legitimierte institutionelle Konkurrenz innerhalb der Exekutive oder die zwischen dem Präsidenten und der Legislative kann die Entscheidungen paralysieren und zu Effizienzeinbüßen führen, ohne dabei besonders inklusiv zu wirken. Solche Situationen kommen sehr oft während einer Kohabitation vor und können nur durch einen Elitenkompromiss bezüglich der Zuständigkeitsteilung vermieden werden.[27] Außerdem, trotz der von ihren Verfechtern erwähnten Vorteile,[28] können die semipräsidentiellen Systeme jedoch nicht die Schwächen eines instabilen und polarisierten Parteiensystems kompensieren. Ferner lassen sie auch freie Räume für viele politische Spiele, die im Extremfall zu Verfassungsspaltung führen können.

Auch empirisch wurde bestätigt, dass sich die parlamentarischen Regierungssysteme stabiler als die präsidentiellen oder semipräsidentiellen erweisen, und somit die Konsolidierungschancen einer jungen Demokratie begünstigen.[29] Um dies genauer feststellen zu können, müssen neben den institutionellen Arrangements auch die Kontextbedingungen der sich festigenden Systeme berücksichtigt werden, hier vor allem die Struktur und Dynamik des Parteien- und Wahlsystems sowie die politischen Lernprozesse der Eliten. Beim Betrachten der in osteuropäischen Staaten entstandenen Regierungssysteme und dar „Level“ des konsolidierten demokratischen Regimes ist auffallend, dass alle parlamentarische Regierungssysteme über ein formal-demokratisches Regime verfügen. Diese Demokratiestufe haben auch Polen und Litauen als einzige Ausnahmen mit semipräsidentiellem System erreicht. Die übrigen semipräsidentiellem Staaten befinden sich auf dem Level eines Transitionsregimes und die präsidentiellen auf dem eines minimal-demokratischen Regimes. Als Erklärung dafür, vor allem in Bezug auf semipräsidentielle (bei ihm ausbalancierte) Regierungssysteme, gibt Beichelt nicht nur die Exaktheit der konstitutionellen Arrangements an, die das Verhältnis der Institutionen zueinander regeln, sondern auch das Wirken der individuellen Vertreter politischer Elite sowie konkrete machtpolitische Konstellationen unter Berücksichtigung der Machtverhältnisse im Parlament und der politischen Stellung des Präsidenten. Überdies werden die Konsolidierungschancen von den exogenen Kontextfaktoren wie der Art des Systemwechsels, internationaler Einbettung, sozioökonomischem Entwicklungsstand und wirtschaftlicher Entwicklung beeinflusst.

2.1.2.3. Konkurrenz- und Konkordanzdemokratie in Transformationsgesellschaften

Erfolgreiche Konsolidierung umfasst neben der Makroebene (Institutionen) auch die Mesoebene (repräsentative und Verhaltenskonsolidierung der formellen und informellen politischen Akteure) sowie die Mikroebene (Bürgergesellschaft).[30] Hierfür spielt der in der Institutionalisierungsphase gefasste Entschluss über den Entscheidungsmodus, ob mehrheits- oder konsensdemokratisch, eine sehr große Rolle. Vor allem in heterogenen Gesellschaften ist der Konsolidierungsimperativ der Inklusion von großer Bedeutung, weil institutionell abgesicherte Konsenspraktiken demokratieabträgliche und stabilitätsgefährdende Dauerdiskriminierungen und Exklusion relevanter Minderheiten vermeiden. Die Mehrheitsdemokratie konzentriert politische Macht und ermöglicht der Parlamentsmehrheit und der von ihr unterstützten Regierung freie Politikgestaltung. Dagegen strebt die Konsensdemokratie eine Machtteilung, sowie Sicherungen und Gegenkräfte gegen die Mehrheit im Parlament und gegen die Exekutive an. Durch Vetorechte oder hohe Zustimmungsschwelle wie qualifizierte Mehrheiten bemüht sie sich, der Minderheit gesicherte Chancen der Machtteilhabe zu geben.[31] Mehrheitsdemokratien gewährleisten relativ stabile Regierungen und mit einiger Wahrscheinlichkeit Macht- und somit Politikwechsel, der Voraussetzung für Innovation ist. Die majoritäre Regelfindung lässt gut für die Wähler nachprüfbare Machtverteilung, Zuständigkeit und Rechenschaftspflichtigkeit zu, wobei es zu bemerken ist, dass die anfallenden Implementierungskosten viel höher sind als die ihrer Entscheidungsfindung. Für Verhandlungsdemokratien gilt das Umgekehrte- die Konsensfindungskosten und –Zeiträume sind in der Regel viel höher als die des Vollzugs. In Majorzdemokratien werden Nullsummenspiele praktiziert, die in der „Tyrannei der Mehrheit“ enden können, die Konsensdemokratien können dagegen von den Vetorecht besitzenden und kooperationsunwilligen Gruppen mit dem Problem der „Tyrannei der Minderheit“ konfrontiert werden. Auch wenn Konkordanzdemokratien längere Zeiträume für konsensuelle Regelfindung benötigen, haben sie einerseits den Konsenscharakter und gewähren Kontinuität in der Politikformulierung, sind aber andererseits innovationsfeindlich. Durch Berücksichtigung ihrer Interessen werden die potentiell blockierenden Vetoakteure in die breiteren Institutions- und Akteurskontexte des demokratischen Regierens angebunden, und so die Blockaden bei der Implementierung minimiert und die faktische Respektierung der getroffenen Entscheidungen erhöht. Dem Vetospieleransatz von Tsebelis zufolge sind Vetospieler diejenigen individuellen und kollektiven Akteure, deren Zustimmung Bedingung für einen Politikwechsel ist. Je mehr Vetospieler, je kürzer die Amtszeit einer Regierung, je geringer ihre ideologische Kongruenz und je größer ihre interne Kohärenz desto höher der Grad an Machtdispersion und demzufolge kleiner das reformpolitische Potenzial der Regierung.[32] Neuere Studien der vergleichenden Politikwissenschaft passen das Konsens- und Mehrheitsdemokratie Modell Lijpharts an Tsebelis’ Vetospielermodell an.[33] Konsens- und mehrheitsdemokratische Elemente bilden ein institutionelles Netz von Vetopunkten, wobei es gilt, je mehr Vetopunkte, desto stärker der konsensdemokratische Charakter einer Demokratie. Demzufolge wird ein Politikwechsel bei ausgeprägt mehrheitsdemokratischen Zügen eines Regimes leichter, weil es weniger zu berücksichtigende konstitutionelle und parteipolitische Vetospieler gibt.

Die Verfassungen aller mittel- und osteuropäischen Staaten fördern einen verhandlungsdemokratischen Willensbildungsprozess,[34] allerdings zeigt oft die Verfassungspraxis sehr starke konkurrenzdemokratische Züge auf Grund der Stärke der in der Gesellschaft existierenden politischen Konfliktlinien und vor allem der konfrontativen politischen Kultur, was beispielsweise in Polen der Fall ist.[35]

In der Transformationsforschung wird es deutlich, dass sich bestimmte institutionelle Arrangements als geeigneter für die spezifischen Probleme einer Etappe des Systemwechsels erweisen, und dagegen in einer anderen dysfunktional wirken können. Unter diesem Aspekt werden in der vorliegenden Arbeit die institutionellen Lösungen in Polen betrachtet.

Für die Akzeptanz der zentralen politischen Institutionen ist in der Demokratisierungsphase die Inklusion, Repräsentativität und konsensdemokratischer Entscheidungsmodus von enormer Bedeutung. Dagegen sollte in der anschließenden Konsolidierungsphase der Stabilität und Effizienz der Staatsorgane Vorrang gegeben werden.[36] Die institutionellen Arrangements dürfen jedoch nicht kontextunabhängig gesehen werden. Daneben kommt der Tatsache außerordentliche Bedeutung zu, dass die Institutionen die Arena für das Handeln der politischen Akteure bilden, und immer unter diesem Gesichtspunkt betrachtet werden sollen. Demokratiestabilisierende Institutionen sollen so angelegt werden, dass sie kooperatives Verhalten stimulieren und die Gewinne der Regelbeachtung die Gewinne der Regelverletzung übersteigern. Je nach konkreten Gegebenheiten kann dies jeder Regierungssystemtyp erreichen oder verfehlen, allerdings scheint der semipräsidentielle Typ eher als ungünstig wegen der Tatsache, dass er zu viele Gelegenheiten zur Regelverletzung bietet.

2.1.3 Grundzüge des semipräsidentiellen Regierungssystems Polens

Genauso wie in den anderen sich transformierenden Staaten Mittel- und Osteuropas fand in Polen auf Grund der zeitlichen Knappheit keine grundständige Diskussion über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Regierungssystemtypen statt.[37] Das heutige System ist das Ergebnis eines in mehreren Schritten erfolgten Verfassungsgebungsprozesses.[38] Die am Runden Tisch vereinbarten Kompetenzen der Staatsorgane wurden im Oktober 1992 mit dem In-Kraft-Treten der so genannten Kleinen Verfassung modifiziert und etwas präziser gestaltet, wodurch die zuvor oft vorkommenden Organstreitigkeiten und politische Blockaden auf Grund der Verfassungsüberinterpretation verhindert werden sollten. Mit der 1997 in Kraft gesetzten Neuen Verfassung wurden weitere Veränderungen an den Zuständigkeiten der Institutionen vorgenommen, was den Charakter des Regierungssystems von einem eher präsidentiell-parlamentarischen zu einem parlamentarisch-präsidentiellen mit Tendenz zu einem rein parlamentarischen Systemtyp veränderte.[39] In dem mehrstufigen Verfassungsgebungsprozess fand eine schrittweise Beschneidung der Kompetenzen des seit 1990 direkt gewählten Staatspräsidenten. Nach der Runden Tisch Verfassung verfügte er über ein Mitspracherecht bei der Zusammensetzung des gesamten Kabinetts, sowie weitgehende Kompetenzen bei Parlamentsauflösung und Gesetzgebung. Die Kleine Verfassung reduzierte seine Mitwirkung bei der Regierungsbildung auf die Besetzung von drei Schlüsselministerien. Nach der Neuen Verfassung besitzt das Staatsoberhaupt nur das formelle Ernennungsrecht des Ministerpräsidenten, ohne auf die Auswahl der Minister Einfluss nehmen zu können. Seine Kompetenzen, die in anderen Bereichen noch bestimmte Reservefunktionen sowie Verfahrensrechte umfassen, wie die Gesetzesinitiative oder Anrufung des Verfassungsgerichts, sind für parlamentarische Regierungssysteme üblich.[40] Als systemfremdes Element gilt allerdings seine wichtigste Befugnis- ein nur mit Dreifünftel parlamentarischer Mehrheit überwindbares Veto bei der Gesetzgebung.[41] Es verschafft ihm potenziellen Einfluss auf politische Entscheidungen, der je nach personeller und parteipolitischer Konstellation unterschiedlich intensiv ausgeübt wird. Die Position des Präsidenten wurde nicht so sehr durch die Beschneidung seiner Kompetenzen geschwächt, sondern vielmehr durch die Beseitigung von Zweideutigkeiten und Unklarheiten, die zu viele Optionen von politischen Spielen eröffneten.[42]

Obwohl die Neue Verfassung weiterhin ein Mischsystem vorsieht, weist sie eindeutig dem Parlament und der Regierung im Gegensatz zum Staatsoberhaupt eine dominante Position hinsichtlich der Staatsleitung zu.[43] Parallel zur Schwächung der Stellung des Präsidenten erfolgte Stabilisierung und Stärkung der Regierung und vor allem des Ministerpräsidenten, einerseits gegenüber dem Staatschef und andererseits gegenüber dem Parlament. Das konstruktive Misstrauensvotum nach deutschem Vorbild wurde 1992 eingeführt und mit der Neuen Verfassung das bis dahin existierende einfache Misstrauensvotum abgeschafft.[44] Sie stärkt auch das Verfassungsgericht gegenüber dem Parlament, indem seine Entscheidungen nun bindendes Recht sind, während sie bis 1997 vom Sejm mit Zweidrittelmehrheit abgelehnt werden konnten.[45]

Auf Grund der Besonderheit des ausgehandelten Systemwechsels wurde die Zweite Kammer auf der Grundlage der Runde- Tisch- Vereinbarungen eingeführt. Gegenüber dem Sejm, der Ersten Kammer des polnischen Parlaments, ist der Senat untergeordnet, und fungiert in der Praxis vor allem als Organ zur Verbesserung der Gesetzgebung.[46] Er kann Gesetze des Sejms mit einfacher Mehrheit abweisen, mit Änderungsvorschlägen versehen oder eine erneute Beratung in der Ersten Kammer veranlassen.

Schon seit den Zeiten der polnischen Adelsrepublik verfügte der Sejm über eine starke Position in dem jeweiligen Institutionsgefüge.[47] Im demokratischen Polen lassen sich zwei Entwicklungsphasen des Parlaments feststellen: bis 1992/93 eine personalisierte, in der die einzelnen Abgeordneten auf Grund der Fraktionsschwäche und der offen geregelten Geschäftsordnung sehr großen Handlungsspielraum hatten, und anschließend eine rationalisierte Phase, die sich durch Professionalisierung der Abgeordneten sowie bessere Wahrnehmung der Rollen von Regierungsmehrheit und Opposition und somit eine effektivere Arbeit der Kammer auszeichnete.[48] Die parlamentarische Arbeit der ersten Kammer ist hochgradig spezialisiert und arbeitsteilig, und erfolgt in den 28 im V. Sejm[49] bestehenden ständigen Ausschüssen[50], die mit umfangreichen Kompetenzen ausgestattet sind.

Die 460 Sejmabgeordneten und 100 Senatoren werden im gleichen Wahlgang nach unterschiedlichen Wahlmodi gewählt: die Abgeordneten nach Verhältnisprinzip, die Senatoren dagegen nach Mehrheitsprinzip. Für die Sejmwahlen gilt seit 1993 auf der nationalen Ebene eine Sperrklausel von fünf Prozent für Parteien und 8 Prozent für Wahlbündnisse.

2.2 Wahl- und Parteiensysteme im Kontext der Systemtransformation

2.2.1 Wahlsysteme

Kompetitive Wahlen bilden den Ausgangspunkt des liberalen Demokratieverständinisses und bezeichnen den offenen Wettbewerb politischer und gesellschaftlicher Kräfte um die politische Macht. Dadurch legitimieren sie die politische Führung und somit das politische System insgesamt.[51] In den meisten Ländern Osteuropas wurden seit den, die Demokratisierungsprozesse einleitenden funding elections in den Umbruchsjahren 1989/90, regelmäßige Wahlen nach demokratischen Grundsätzen abgehalten.

Das Wahlsystem bezeichnet den Modus, nach welchem ein Wahlvolk bei einer Wahl auf nationaler oder regionaler Ebene seine Partei- und Kandidatenpräferenz durch die Abgabe seiner Stimmen ausdrückt, und diese in politische Mandate übertragen werden.[52] Diesen Prozess regeln die Wahlsysteme durch Festlegung der Wahlkreiseinteilung, der Wahlbewerbung, der Stimmgebung und der Stimmverrechnung, wodurch auch die politischen Wirkungen des Wahlsystems bestimmt werden können. Eine klassifikatorische Unterscheidung zwischen Mehrheitswahl und Verhältniswahl stellt die klassische Wahlsystemfrage dar, die auch eine der wichtigsten „constitutional choices“ in jungen Demokratien verkörpert.[53] Jedoch ist die Genese der osteuropäischen Wahlsysteme weniger mit theoretischen Überlegungen sondern mit machtpolitischen Gegebenheiten und Kalkülen erklärbar.[54] So wurde nachgewiesen, dass die Entscheidung über das Wahlsystem eng mit dem Typ des Systemwechsels in Verbindung stand.[55]

Die Entscheidungsregeln Majorz und Proporz stellen Repräsentationsprinzipien dar, die für die Stimmen-Mandate-Relation verantwortlich sind. Die aus Jahrzehnte langer westeuropäischer Erfahrung bekannten Vorzüge der Mehrheitswahl sind Verhütung der Parteienzersplitterung, Förderung der Parteienkonzentration mit Herausbildung eines Zweiparteiensystems sowie Förderung stabiler Regierungen. Demgegenüber ermöglicht die Verhältniswahl proportionale Repräsentation aller politischen Kräfte sowie deren Anbindung in die politischen Entscheidungsprozesse mittels Aushandelns und Kompromisse.[56] Der heutige Forschungsstand widerlegt die These, dass das Parteiensystem direkt von dem Wahlsystemtyp abhängt.[57] Den Wahlsystemen kann jedoch ein strukturierender Einfluss auf einzelne Parteiensysteme nachgesagt werden, und dies auf Grund der konzentrierenden Wirkung, die den Stabilitäts- oder Fragmentierungsgrad des Parteiensystems in erheblichem Maße beeinflusst.[58] Es lassen sich jedoch keine allgemeingültigen und generalisierenden Aussagen über die Wirkung der Wahlsysteme treffen, weil diese in einem komplexen Zusammenhang verschiedener Faktoren funktionieren und so ihr Effekt von vielen konkreten gesellschaftlichen und politischen Bedingungen abhängt.[59] Die Wahlsysteme werden dennoch nach folgenden funktionalen Anforderungen beurteilt: Repräsentation, Konzentration und Effektivität, Partizipation, Einfachheit und Legitimität.[60] Ein Wahlsystem soll die Vertretung aller relevanten gesellschaftlichen Gruppen sowie faire Repräsentation der gesellschaftlichen Interessen und politischen Meinungen leisten, deren Parameter der Grad der Proportionalität von Stimmen und Mandaten ist. Konzentrations- und Effektivitätsleistung eines Wahlsystems drückt sich in seiner Fähigkeit, die Zahl der Parlamentsmandate besitzenden Parteien zu reduzieren sowie Bildung von stabilen parteilichen oder Koalitionsmehrheiten im Parlament zu ermöglichen. Die Effektivität eines Wahlsystems wird danach bestimmt, ob es stabile Regierungen und folglich die Stabilität des politischen Systems fördert. Begünstigend für die Partizipation ist das Bestehen einer Alternative zu Parteien-/Listenwahl in Form einer Personenwahl. Der funktionale Anspruch nach der Einfachheit eines Wahlsystems hat den Charakter einer Richtlinie, die zu der Erfüllung mehrer bzw. aller funktionalen Anforderungen umgekehrt proportional ist. Dennoch ist es wünschenswert, dass der Wähler die Funktionsweise des Wahlverfahrens verstehen und nachvollziehen kann. Das Legitimitätskriterium schließt alle anderen ein und ist mit ihrer zufriedenstellenden Erfüllung verwirklicht.

Die nach 1989 in Osteuropa entstandenen Wahlsysteme werden als komplex und sehr kompliziert bewertet.[61] Nirgendwo wurde ein „erprobtes“ westeuropäisches Wahlsystem direkt übernommen, und auch weder eine für das Westminstersystem typische relative Mehrheitswahl noch die reine Form der Verhältniswahl installiert.[62] Überwiegend wurden Verhältniswahlsysteme in kleinen oder großen Mehrpersonenwahlkreisen geschaffen, die der Regierbarkeit wegen Einschränkungen in Form von Sperrklauseln unterliegen. Der sich abzeichnende Trend entfernt sich von der absoluten Mehrheitswahl, die einzig im autoritär regierten Weißrussland besteht. Sechs osteuropäische Wahlsysteme kombinierten die Mehrheitswahl mit der Verhältniswahl, entweder als kompensatorisches oder als sagmentiertes Wahlsystem (Grabensystem). Der letzte Typ war für die Wahlsystemforschung von besonderem Interesse, weil er die Möglichkeit eröffnete, nach den Auswirkungen seiner Bestandteile, nämlich der Mehrheitswahl in Einerwahlkreisen und der Verhältniswahl in Mehrpersonenwahlkreisen, bei ein und derselben Wahl zu fragen.[63] Das Ergebnis bestätigt die Fragwürdigkeit des conventional wisdom. Entgegen den aus westeuropäischen Erfahrungen gewonnenen Erwartungen zeigte die Mehrheitswahl in den Grabensystemen keine stabilisierende Wirkung; diese ging vielmehr von den Verhältniswahlelementen aus. Diese den allgemeinen Vorstellungen zuwiderlaufenden Effekte sind auf die schwache Struktur der Parteien und der Parteiensysteme zurückzuführen, und erst nach ihrer Stabilisierung könnten sich die Auswirkungen von beiden Wahlrechttypen gemäß den üblichen Erwartungen einstellen.[64] Bisher zeigten Verhältniswahlsysteme mit Sperrklausel und Verhältniswahlelemente in kombinierten Wahlsystemen mehr konzentrierende Wirkung als die Mehrheitswahl, und trugen wesentlich zum Parteienbildungsprozess bei.[65]

Erwartungsgemäß erbringen die Verhältniswahlsysteme in großen Mehrpersonenwahlkreisen die besten Repräsentationsleistungen.[66] Für die recht hohen Repräsentationswerte der Verhältniswahlsysteme in kleinen Mehrpersonenwahlkreisen spielt der Charakter des Parteiensystems eine entscheidende Rolle. Geringste Proportionalität weisen die Grabensysteme auf, womit sich Sartoris These bestätigt, dass angesichts eines nicht strukturierten Parteiensystemens die relative Mehrheitswahl keinen Konzentrationseffekt bewirkt.[67]

Für die Bildung einer stabilen Regierung ist die mehrheitsbildende Wirkung eines Wahlsystems von grundlegender Bedeutung. Diese wird anhand des Indikators Überrepräsentierung gemessen.[68] Beichelt gelangt zu der Ansicht, dass eine hohe Überrepräsentierung der jeweils stärksten Partei mit der Fähigkeit von Parteiensystemen zur Hervorbringung stabiler Regierungsmehrheiten korreliert.[69] Starke mehrheitsbildende Effekte mancher osteuropäischen Wahlsysteme führten sogar zu manufactured majorities in einigen Fällen, die durch verschiedene Wahlsystemtypen erreicht wurden.[70]

Abschließend kann gesagt werden, dass entgegen der conventional wisdom der Wahlsystemforschung in Osteuropa die Verhältniswahlsysteme mit Sperrklauseln die besten Ergebnisse hervorzubringen scheinen.[71] Die Ausschließungswirkungen von Sperrklauseln führten zu Lerneffekten, die in der tendenziellen Abnahme der verschenkten Stimmen sowie Stagnation oder Reduzierung der Anzahl parlamentarischer Parteien sichtbar sind. Diese konzentrierende Wirkung des Wahlsystems legt die Feststellung nahe, dass das Wahlsystem einen strukturierenden Einfluss auf das Parteiensystem hat. Allerdings ist es ein Faktor unter vielen und Nohlen macht ihn von mehreren Kontextfaktoren abhängig: der gesellschaftlichen Struktur, der Zahl und Tiefe der cleavages, dem Grad der Fragmentierung und der Institutionalisierung des Parteiensystems, dem Interaktionsmuster der Parteien, der regionalen Streuung der Wählerschaft sowie schließlich dem Wählerverhalten.[72] Neben dem Filtereffekt von landesweiten Sperrklauseln können die Wahlsysteme weitere psychologische Wirkungen erzeugen, die vor allem in Transformationsländern mit nicht gefestigten politischen Kontexten wahrscheinlicher sind als in stabilen Demokratien. Wegen dem geistigen Antizipieren ihrer Funktionsweise durch politische Akteure können die Wahlsysteme einen wichtigen Einfluss auf die Strukturierung der Kandidaturen- und die Wählerebene ausüben, und auf diese Weise auf das parlamentarische Parteiensystem.[73]

2.2.2. Parteien und Parteiensysteme in Osteuropa

2.2.2.1. Osteuropäische Parteien

Eine repräsentative Demokratie kann ohne Parteien nicht funktionieren, weil diese zentrale Funktionen erfüllen, die von anderen Organen oder Akteuren nicht wahrgenommen werden können. Hierzu gehören Aggregation gesellschaftlicher Interessen, Formulierung von Programmen und politischen Optionen, Bürgersozialisierung und -Mobilisierung in den Wahlen, Bereitstellung der parlamentarischen Repräsentation sowie des Regierungspersonals.[74] Diese Erkenntnis der Parteienforschung in etablierten Demokratien kann jedoch nicht bedingungslos auf die Transformationsgesellschaften übertragen werden, in denen die politischen Parteien sich durch eine schwächere Verwurzelung, höhere Volatilität, weniger ausgeprägte Organisationsstrukturen, geringere Mitgliederzahlen und weniger profilierte Programme charakterisieren. Diese Form- und Funktionsunterschiede ergeben sich aus anderen Entstehungsbedingungen und –Kontexten. Die westeuropäischen Parteien, die sich schon vor Beginn des XX Jahrhunderts herausgebildet haben, können als Ableitungen der historischen Konfliktlinien des XVIII und XIX Jahrhunderts gesehen werden. Sie prägten aber auch die Entstehung der gesellschaftlich-politische Formen der Bevölkerung und trugen so zur Herausbildung der Gesellschaftsklassen bei.[75] Gegenüber dieser die westeuropäische Entwicklung erklärenden freezing hypothesis[76] wird die für Osteuropa zutreffende defrosting hypothesis gestellt, die den Ausgangspunkt der Parteienbildung in den osteuropäischen „Revolutionen“ des Jahres 1989/90 sieht.[77] Die sich daraus ergebenden tief greifenden Veränderungen sind konstituierend für die Konfliktlinien, die die Entwicklung des Parteiensystems stimulieren. So erwies sich der zentrale Transformationskonflikt zwischen autoritärem Regime und demokratischer Opposition als sehr prägend in der frühen Transformationsphase, jedoch im Verlauf der demokratischen Konsolidierung fand ein Differenzierungsprozess entlang ideologischer, sozioökonomischer und personeller Trennungslinien statt.[78] Auf diesem Hintergrund ist die hohe Kontinuität der Parteien des ancien régime auffallend, die sich in Sozialdemokratische Parteien umbenannten und sich in einigen Ländern auch relativ glaubhaft sozialdemokratisch profilieren konnten. Es ist kennzeichnend für Osteuropa, dass die Gruppierungen, die aus dem Zerfall der demokratischen oppositionellen Forumsparteien entstanden sind, nur sehr geringe Möglichkeiten hatten, an historische Parteien vorkommunistischer Phase anzuknüpfen.[79] Trotz dieser mangelnder Kontinuität sind nicht alle cleavages neu. Allerdings reichen die vier klassischen westeuropäischen Konfliktlinien- Zentrum vs. Peripherie, Stadt vs. Land, Religion vs. Säkularer Staat, Kapital vs. Arbeit- zur Analyse der Konfliktstrukturen in den osteuropäischen Parteiensystemen nicht aus.[80] Neben ihnen prägen überall die cleavages - radikaler Marktliberalismus vs. Etatistismus und Weltoffenheit vs. Traditionalismus- die Parteienlandschaft besonders stark. Dazu kommt die in einigen Ländern sehr bedeutende ethnisch- linguistische Konfliktlinie.[81] Infolge des Differenzierungsprozesses der Forumsparteien entlang der in der Gesellschaft bestehenden Konfliktlinien kam es zur langsamen Überlagerung des Regimekonflikts durch diese und einer Evolution der existierenden Gruppierungen zu modernen Programmparteien.[82] Abgesehen von den Parteien der ethnischen Minderheiten und den Nachfolgeparteien der kommunistischen Regime sind die osteuropäischen Parteien keine Mitglieder- und Massenintegrationsparteien. Vielmehr sind sie dem Typus Wähler-/Elitepartei zuzuordnen.[83] Ihre niedrigen Mitgliederzahlen und ihre schwachen und instabilen Beziehungen zu den Wählern stehen im engen Zusammenhang mit der geringen Parteienidentifikation und demzufolge sehr begrenzter Mobilisierungsfähigkeit der Parteien gegenüber der Wählerschaft.[84] Diese Situation ist mit der über 40 Jahre andauernden Herrschaft der kommunistischen Partei, ihrer völligen Diskreditierung und dem „Antiparteieneffekt“ in den postsozialistischen jungen Demokratien erklärbar.[85]

2.2.2.2. Besonderheiten der osteuropäischen Parteiensysteme und ihr Einfluss auf die demokratische Konsolidierung

Parteiensysteme, d.h. „strukturelle Gefüge der Gesamtheit der politischen Parteien in einem Staat“,[86] befinden sich in den meisten osteuropäischen Ländern immer noch oder wiederholt in dynamischen Entwicklungsprozessen, auch wenn die extreme Instabilität der Anfangsjahre überwunden zu sein scheint.[87] Nur in wenigen Ländern entstanden stabile Systeme mit zwei Großparteien; in den meisten bildeten sich stark fragmentierte und instabile Mehrparteiensysteme heraus.[88] Diese Situation ist im Vergleich zu Westeuropa auf „Vertauschung der historischen Reihenfolge“[89] mit einer „verspäteten Entstehung der politischen Parteien“[90] zurückzuführen. Im Falle Westeuropas bildeten sich mit der Durchsetzung politischer Rechte die Institutionen der Massendemokratie parallel zum Prozess des Einfrierens der sozialen cleavages in politische Parteien. Demgegenüber fand in Osteuropa nach 1989 eine rasche Institutionalisierung statt, und erst danach bildeten sich ihre wichtigsten Akteure heraus.[91] Die Instabilität der Parteien, ihre geringe Mitgliederzahlen und unbefriedigende Verankerung in der Gesellschaft sowie ihre Schwäche bei der Wahrnehmung der Rolle des wichtigsten Vermittlers zwischen Staat und Gesellschaft sind Gründe dafür, dass im osteuropäischen Raum von „schwebenden Parteiensystemen“ gesprochen wird.[92]

Institutionelle Arrangements, und hier vor allem das Wahlrecht, wirken auf das Parteiensystem strukturierend.[93] Neben seinen „mechanischen“ Effekten kann das Wahlsystem auch psychologische Wirkungen erzeugen.[94] Auch die landesweiten Sperrklauseln haben einen Filtereffekt und wirken sich konzentrierend aus.[95] Ebenfalls starken psychologischen Einfluss auf das Parteiensystem haben der Typ des Regierungssystems sowie die Klarheit der Kompetenzverteilung zwischen den Staatsorganen. Von großer Bedeutung ist die Direktwahl des Staatspräsidenten, denn je stärker die präsidentiellen Züge des Systems, desto polarisierender wirkt es auf den Parteienwettbewerb.[96]

Gut strukturierte Parteiensysteme haben einen sehr großen Einfluss auf die Funktionsfähigkeit des Regierungssystems und tragen somit zur Verfestigung der demokratischen Ordnung bei.[97] In dem Spannungsverhältnis zwischen einer breiten gesellschaftlichen Inklusion und der Regierungsstabilität sind es die Varianten des moderaten Vielparteiensystems,[98] die die demokratische Konsolidierung fördern. Um die Demokratiekonsolidierung begünstigen zu können, dürfen die Parteiensysteme einen bestimmten Grad an Fragmentierung, Polarisierung und Volatilität nicht übersteigern.[99] Fragmentierung meint die Anzahl der Parteien und parteiähnlichen Gruppierungen, deren sehr hohe Zahl stabilitätsgefährdend auf das gesamte politische System wirken kann, insbesondere wenn sie mit ideologischer Polarisierung einhergeht. Parteiensysteme, in denen die ideologische Entfernung zwischen den relevanten linken und rechten Parteien gering ist und keine Antisystemparteien existieren, haben Konsolidierungsvorteile. Als großes Problem der osteuropäischen Parteiensysteme gilt die vergleichsweise hohe Wählerfluktuation, deren Stabilisierung sich konsolidierungsfördernd auf das gesamte politische System auswirken würde. Abnahme der Volatilität brächte auch einen Anstieg der Parteiidentifikation und damit eine größere Unwahrscheinlichkeit von turbulenten Regierungswechsel sowie radikalen Wenden in der Regierungspolitik mit sich.[100] Außerdem haben eine klare cleavage - Struktur, der Rückgang des Faktionalismus als Zeichen der Entideologisierung und Depolarisierung sowie eine Trennung zwischen territorialer und funktionaler Interessenrepräsentationeinen[101] einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die „Konsolidierung in der Konsolidierung“[102]. Überdies spielen die politischen Parteien eine enorme Rolle für das Funktionieren der Parlamente und das Zusammenspiel von Regierung und Parlament. Die Funktionstüchtigkeit der osteuropäischen Parlamente und die parlamentarische Arbeit haben die politischen Parteien selber stabilisiert und die Ausbildung klarer politischer Profile begünstigt- die Parteien agieren sehr erfolgreich als Parlamentsfraktionen. Konsolidierungsfördernd ist die Herausbildung einer klaren Alternative von Opposition und Regierung sowie die Ermöglichung realistischer Alternativen in der Koalitionsbildung.[103] Die oben beschriebenen Schwächen der Parteiensysteme wirken sich negativ auf die Regierungsbildung und –Stabilität, und folglich auf die Stabilität der politischen Systeme aus.

2.3 Regierungsstabilität

Die Regierungsstabilität stellt einen schwer definierbaren Begriff dar, der, demokratietheoretisch betrachtet, von einem immanenten Widerspruch zwischen der berechtigten Forderung nach politischem Wechsel und dem Bedürfnis nach politischer Stabilität gekennzeichnet ist.[104] Einerseits ist die Lebensdauer einer demokratischen Regierung durch regelmäßige Wahlen begrenzt, die der Opposition ermöglichen, die regierende Partei im fairen Wettbewerb herauszufordern und eventuell abzusetzen. Andererseits wären Regierungen ohne ein gewisses Maß an politischer Kontinuität und Stabilität nicht imstande, ihre Pflichten befriedigend zu erfüllen. Besonders kritisch und als instabil werden Kabinette betrachtet, die eine volle Legislaturperiode nicht überdauern.[105] Solch instabile und kurzlebige Regierungen werden nicht nur grundsätzlich als negativ angesehen, sondern sie gelten auch als Indikator für Krisen des politischen Systems oder als Anzeichen für sein mögliches Zusammenbrechen. Allerdings bedeutet das nicht, dass stabile Regierungen automatisch effektiv sind.[106] Sie haben vielmehr ein größeres Effektivitätspotential, was besonders in Osteuropa vor dem Hintergrund der schwierigen Transformationsprozesse von überragender Bedeutung ist. Demzufolge lässt sich die Regierungsstabilität nicht allein am zeitlichen Überleben eines Kabinetts definieren, vielmehr muss für deren Analyse auch die Effektivität berücksichtigt werden.[107]

Es ist alles andere als einfach, die Begriffe stabil und instabil zu definieren. An dieser Stelle erscheint die Erklärung von Laver/Shepsle (1996) sehr plausibel.[108] Demnach sind solche Regierungen als stabil zu bezeichnen, die sich im Gleichgewicht befinden und imstande sind, gewisse Veränderungen der politischen Umgebung zu überleben. Die Faktoren, die die Regierung aus dem Gleichgewicht bringen können, sind dreierlei: erstens Veränderungen des politischen Kontextes durch Verschiebungen von Schlüsselparametern wie zum Beispiel Verlust der parlamentarischen Mehrheit, zweitens das Aufkommen eines neuen Problems und drittens Veränderungen der gegenseitigen Wahrnehmung der Akteure.[109]

Die Regierungsstabilität wurde selten zum Ziel politikwissenschaftlicher Untersuchungen, im Vordergrund derer zumeist die Koalitionsforschung stand. Gegenstand dieser waren hauptsächlich die Bedingungen für die Bildung einer Koalition, ihre Stabilität und Beendigung, wofür die Parlamentsparteien als Akteure die Hauptrolle spielen. Die gewonnenen Erkenntnisse lassen sich auch auf die Analyse der Regierungsstabilität anwenden.

Koalitionsregierungen gelten generell als instabiler als Einparteienregierungen, weil zwischen den Akteuren Kompromisse bezüglich des Regierungsprogramms sowie der Art seiner Umsetzung, der Organisation der Regierungsarbeit, und schließlich des Personals getroffen werden müssen. Auch jede Auseinandersetzung kann mit sich die Gefahr des Koalitionsbruchs bringen, wobei mit der steigenden Zahl der an der Regierung beteiligten Parteien auch das Konfliktpotential innerhalb der Koalition wächst. Natürlich hängt die Stabilität und Funktionsfähigkeit einer Einparteienregierung davon ab, ob sie eine Mehrheits- oder Minderheitsregierung ist. Im zweiten Fall kann sie sich nur solange an der Macht halten, wie lange sie von einer parlamentarischen Mehrheit unterstützt wird.[110]

Die vergleichende Koalitionsforschung untersucht anhand zweier Ansätze, des „office-seeking“ und des „policy- seeking“- Ansatzes,[111] die Motivationen für die „Parteienheirat“[112]. Die auf Rational- Choice- Theorien beruhenden „office-seeking“ Ansätze der frühen Koalitionsforschung wurden bald um die Kontextvariable der Koalitionsbildung- die politischen Präferenzen der Akteure- ergänzt. Allerdings erreichte man eine hinreichende Erklärung für die Stabilität des Koalitionshandelns erst dank der Neuorientierung der Theorie, die seit den 1980ern Jahren die Bedeutung der Institutionen wieder entdeckte.[113] Ihre Wichtigkeit ist darin zu sehen, dass sie einen Rahmen für das Handeln der Koalitionsakteure bilden. So können die oben genannten Faktoren, die die Regierungsstabilität beeinflussen, in zwei Kategorien eingeteilt werden. Die erste umfasst die vom institutionellen Gefüge des Regierungssystems resultierenden Abhängigkeiten, während die zweite von den Handlungen der Akteure betroffen ist. Für eine effektive Untersuchung der Regierungsstabilität gilt es also die institutionelle mit der Akteursperspektive zu verbinden.[114]

In allen repräsentativen Demokratien, deren Regierungssysteme der parlamentarischen Logik folgen, wird die Regierung nicht direkt vom Volk sondern aus dem Parlament heraus gewählt, gegenüber dem sie auch politisch verantwortlich ist. Diese enge Verknüpfung zwischen der Regierung und dem Parlament, die sich in der die Exekutive tragenden Regierungsmehrheit demonstriert,[115] sichert die Handlungsfähigkeit und Stabilität der Regierungen, und dies in einem Abhängigkeitsverhältnis zu der Stabilität und Diszipliniertheit der parlamentarischen Akteure- der Fraktionen. Die institutionellen Regelungen hinsichtlich der Beziehungen zwischen Legislative und Exekutive haben einen erheblichen Einfluss auf die Stabilität einer Regierung, weil ihre Bestellung und Entlassung, und damit auch die Entscheidung über deren Existenz, eine der wichtigsten Kompetenzen des Parlaments bildet.[116] Im Falle des semipräsidentiellen Polens ist es zudem notwendig, die Rechte des Staatsoberhauptes gegenüber dem Ministerrat zu untersuchen.

Für die Prüfung der akteursbezogenen Regierungsstabilität muss der Blick auf das Parteiensystem, die Parteien selbst und ihre parlamentarischen Repräsentationen im weiteren Kontext der politischen Kultur gerichtet werden. Die Koalitionsforschung ordnet das Koalitionsspektrum mit Hilfe verschiedener Modelle.[117] Die minimal winnig coalitions ermöglichen den größten Gewinn der Regierungsposten, können aber durch den Austritt eines Partners ihre parlamentarische Mehrheit verlieren. Dagegen ist die Entstehung von übergroßen Koalitionen durch institutionelle, kulturpolitische oder konkordanzdemokratische Zwänge bedingt. Allerdings liegt hier genauso wie bei den Mehrparteienkoalitionen das Konfliktpotenzial viel höher auf Grund der großen Zahl der Akteure. Die Existenz von Minderheitenregierungen, die im polnischen Fall große Rolle spielen, veranschaulicht, dass die Parteien nicht nur office - und policy -, aber auch vote-seekers sind, die sich unter gewissen Umständen die Regierungskosten ersparen wollen.[118] Diese Erklärung gilt auch für Fälle einer extern unterstützten Regierung.[119]

Auch wenn eine starke Fragmentierung des Parteiensystems den Koalitionsbildungsprozess wegen der Vielzahl potenzieller Partner ungünstig beeinflusst, hat sie jedoch nicht so gravierend negativen Einfluss wie eine starke Polarisierung des Parteiensystems.[120] Infolge des Vorhandenseins von Antisystemparteien und der unüberwindbaren ideologischen Differenzen zwischen den Parteien sind die Koalitionsoptionen eingeschränkt. Koalitionen werden von Partnern gebildet, zwischen denen die policy distances gering sind. Diese so genannten minimal range coalitions sind kein typisches Koalitionsmuster in Polen, weil sie auf Grund programmatischer Nähe geformt werden.[121] Diese Praxis hat seit der Demokratisierung des Landes keine Tradition, worüber genauer in der Einleitung zum Kapitel 5 dieser Arbeit gesprochen wird.

Bei einer Untersuchung zur Regierungsstabilität ist es nach Budge/Keman unerlässlich, folgende Aspekte der Regierungsaktivität der Parteien zu betrachten: Regierungs-/Koalitionsverhandlungen und –Bildung, Zusammensetzung des Kabinetts und seine Umbildungen, Umsetzung des Regierungsprogramms, Art der Beendigung der Koalition und ihre Wirkung auf das Nachfolgekabinett.[122]

3. Die Parteien und das Parteiensystem

Moderne Demokratien sind heutzutage ohne politische Parteien nicht denkbar, denn ohne sie kann Politik in hoch differenzierten Gesellschaften nicht effektiv gestaltet werden. In kompetitiven Parteiensystemen setzen diese Akteure bestimmte Mechanismen in Gang, die das Funktionieren der demokratischen Institutionen gewährleisten.[123] Demokratie lebt von der Spannung zwischen Konsens und Konflikt, zwischen Repräsentativität und Regierbarkeit, zwischen Partizipation und Effektivität.[124] Da in nicht gefestigten Demokratien wie der polnischen diese Spannungen in erhöhtem Maße bestehen, hängt es gerade von der Handlungs-, Konflikt- und Konsensfähigkeit der politischen Parteien ab, ob eine Konsolidierung der Institutionen des demokratischen Verfassungsstaates gelingt.[125]

Neben der Verfassung und dem Wahlrecht wurde die Evolution des Parteiensystems durch eine Reihe von Faktoren geprägt, die gleichzeitig die Entstehung der politischen Konfliktlinien förderten. Zu diesen zählen: Umgestaltung der Wirtschaft, Rolle der katholischen Kirche im öffentlichen Leben, Betonung der national-katholischen Identität der Gesellschaft, Integration in die westlichen Strukturen und die Einstellung zur kommunistischen Vergangenheit.[126] Darüber hinaus sind bei den zahlreichen Spaltungen und Neugründungen, vor allem in den zwei ersten Legislaturperioden, die Meinungsverschiedenheiten und die Ambitionen der politischen Führer der jeweiligen Gruppierungen als nicht übersehbare Aspekte einzuschätzen.[127]

3.1 Normative Rahmenbedingungen

3.1.1 Rechtlicher Rahmen

Den rechtlichen Rahmen für die politischen Parteien in Polen bilden die Verfassung[128], das Gesetz über politische Parteien[129], die Wahlordnung[130] sowie die parlamentarische Geschäftsordnung[131]. Zudem kommen als Folge und Ergänzung dieser die Beschlüsse in den Parteiendokumenten, vor allem den Satzungen.[132] Ferner ist es auch die Aufgabe des polnischen Rechts, die Entwicklung eines demokratischen Parteiensystems zu garantieren. Darunter versteht man Pluralismus, freien Wettbewerb, Achtung der demokratischen Spielregeln und des Verfassungsregelwerkes sowie die Akzeptanz der parlamentarischen Mechanismen.

Mit der Verfassungsänderung 1989 gemäß den Runde Tisch- Vereinbarungen wurde das Machtmonopol der Kommunistischen Partei aufgehoben und somit die verfassungsmäßige Einschränkung der Legalität anderer Parteien außer der PZPR und ihrer Bündnispartner.[133] Seitdem ist die Neugründung von Parteien ohne Begrenzungen möglich. Ihre freie Bildung und Tätigkeit sind konstitutionell garantiert und bedürfen keinerlei Genehmigung seitens staatlicher Behörden.[134] Das erste Gesetz über politische Parteien wurde 1990 erlassen.[135]

Seitdem ist nur das Bestehen solcher Organisationen oder politischer Parteien verboten, die sich in ihrem Programm auf die totalitären Methoden und Praktiken des Nazismus, Faschismus und Kommunismus berufen, oder die in ihrem Programm oder ihrer Tätigkeit Rassen- und Nationalitätenhass, Gewalt zum Zweck der Machtübernahme oder Einflussausübung auf die Staatspolitik voraussetzen oder zulassen, oder die ihre Strukturen oder Mitgliedschaft verheimlichen.[136]

Im Gegensatz zu der 1992 verabschiedeten Kleinen Verfassung[137] regelt die Neue Verfassung das Funktionieren der politischen Parteien, allerdings findet ihr Status die größte Konkretisierung in dem Parteiengesetz vom 1997, das nach der Reform der Verwaltungsstruktur des Staates im Jahre 2001 novelliert wurde.[138]

Im Lichte des polnischen Rechts definiert sich eine politische Partei folgend: sie ist eine freiwillige, gesellschaftliche Organisation, die sich am öffentlichen Leben im Rahmen der Verfassungsordnung beteiligt, und die Staatspolitik beeinflusst oder die Staatsmacht ausübt.[139] Die zwei Letztgenannten beschreiben auch das Ziel einer politischen Partei- die Teilnahme am öffentlichen Leben. Sie streben nach der Verwirklichung ihrer Ziele mittels der Machtausübung oder, wenn sie in der Opposition sind, durch die parlamentarische bzw. außerparlamentarische politische Kontrolle der Machthabenden. Die Mitgliedschaft in einer politischen Partei ist freiwillig und beruht auf dem Prinzip der Gleichheit, wobei einer polnischen Partei nur polnische Staatsbürger angehören dürfen.[140] In Polen können sowohl die eingetragenen als auch die nicht eingetragenen Parteien aktiv sein, wobei sie erst durch den Eintrag im Sachregister zu juristischen Personen werden, die die aus dem Status als Partei herrührenden Rechte in Anspruch nehmen dürfen.[141] Für die Eintragung als Partei waren nach dem Parteiengesetz von 1990 nur 15 Unterschriften erforderlich, was dazu beitrug, dass bald eine unüberschaubare Anzahl registriert wurde.[142] Nach dem Parteiengesetz von 1997 bedarf die Registrierung einer Befürwortung und Unterschrift von mindestens 1000 polnischer Bürger, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und wahlberechtigt sind.[143]

Die Parteien dürfen ihre Finanzierung nicht verheimlichen, und haben ihre Finanzen und insbesondere ihre Wahlkampfkosten offen zu legen.[144] Mögliche Quellen ihres Vermögens listen Art. 24-27 des Parteigesetzes auf. Eine Finanzierung vom Ausland sowie die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit werden nicht gestattet. Parteien erhalten auch finanzielle Zuwendungen vom Staatshaushalt[145], zum einen als Dotierung der Ausgaben für die Parlamentswahlen[146], und zum anderen als Subventionen für die satzungsgemäßen Tätigkeiten entsprechend der in den Wahlen erreichten Sejmmandate.[147] Jede Novellierung des Parteiengesetzes brachte auch Änderungen mit sich bezüglich der Finanzierungsquellen der Parteien dahingehend, dass die staatlichen Zuwendungen immer größeres Gewicht bekamen, um den Parteien gewisse finanzielle Unabhängigkeit zu sichern und sie auf diese Weise weniger beeinflussbar von den Interessengruppen zu machen.

3.1.2 Wahlsystem und seine politische Wirkung

Wie in dem theoretischen Teil ausführlich dargestellt wurde ist die Ausgestaltung des Parteiensystems nicht direkt durch das bestehende Wahlrecht verursacht.[148] Allerdings ist die Entwicklung des Parteiensystems durch bestimmte Elemente des Wahlsystems und seine Änderungen beeinflusst. In einem Land wie Polen, wo die Parlamentarisierung enorme Bedeutung für die Entwicklung der Parteien hat, spielt das Wahlrecht eine besondere Rolle. Aus diesem Grund kann die Evolution des Parteiensystems zum großen Teil an die Entwicklung des Wahlrechts gekoppelt werden. Die politische Wirkung eines Wahlsystems ist eine unmittelbare- die Disproportionalität zwischen der Wählerunterstützung und den erreichten Mandaten, sowie eine indirekte- die Reduktion der effektiven Parteienanzahl, die parlamentarisch vertreten sind.[149] Nebenbei ist der psychologische Effekt nicht zu verkennen, der sowohl die Strategien der Parteien als auch das Wählerverhalten prägt. Das Wahlsystem bildet eine zentrale Determinante für die Anzahl der im Sejm vertretenen Parteien und kann somit entweder die Regierungsbildung vereinfachen oder sie erschweren, indem es sich auf die Bildung von Mehrheiten positiv oder eher negativ auswirkt. Da der Senat eine viel kleinere politische Bedeutung hat und für die Stabilität der Regierungen eine geringe Rolle spielt, wird des Weiteren hauptsächlich die Wahlordnung für die erste Kammer untersucht.[150]

Die Entwicklung der polnischen Wahldemokratie ist durch sehr hohe Instabilität des Wahlsystems gekennzeichnet.[151] In dem Zeitraum 1989- 1993 wurden die insgesamt drei stattgefundenen Wahlen nach jeweils verschiedenen Wahlrechten abgehalten. Die Wahlen zum Vereinbarungssejm wurden nach relativer Mehrheitswahl organisiert, für die Wahlen 1991 galt aber schon das reine Verhältniswahlrecht nach der radikal proportionalen Methode Hare- Niemeyer. Als Ergebnis dieser zogen 29 Gruppierungen in den Sejm. Um ähnlich extreme Zersplitterung der parlamentarischen Parteienlandschaft in der Zukunft vorzubeugen wurde im Mai 1993 ein neues Wahlgesetz verabschiedet, das erstmals eine Sperrklausel auf nationaler Ebene einführte und sich dadurch sehr strukturierend und stabilisierend auf das Parteiensystem auswirkte. Nach der 1999 durchgeführten Verwaltungsreform entfiel die bisherige Grundlage für die Wahlkreiseinteilung und somit bestand eine Reformnotwendigkeit im Bezug auf das Wahlgesetz. Das neue Wahlrecht wurde 2001 verabschiedet und etablierte die Verhältniswahl nach Methode Sainte-Laguë.

Das semikompetitive Wahlsystem von 1989 wirkte sich auf die Entwicklung des postsozialistischen Parteiensystems aus, da es in mehreren Hinsichten den Verlauf und das Ergebnis der 1989er Parlamentswahlen beeinflusste.[152] Die restriktiven Wahlrechtbestimmungen bewirkten außergewöhnliche organisatorische sowie ideologische Geschlossenheit der Regimeopposition, die sie trotz des institutionell garantierten „Wahlsieges“ der kommunistischen Regimepartei zu unbestreitbarem Wahlerfolg führte.[153] Der mechanische Konzentrationseffekt trug zu dem eindeutigen Ergebnis bei, dennoch nicht ohne Komplikationen- bei kompetitiven Wahlen nach Proporzregel wäre die Repräsentationsstruktur viel differenzierter gewesen. So aber bestätigte sich anscheinend die Annahme der Solidarność, die einzige Vertreterin der polnischen Nation gewesen zu sein.[154] Das Wahlergebnis ermöglichte die Regierungsbildung unter einem Solidarność- Politiker Tadeusz Mazowiecki, womit ein Machtwechsel vollzogen war und der Transformationsprozess beginnen konnte. Angesichts des unerwartet schlechten Abschneidens der Regimekoalition wurden Stimmen nach grundlegender Umgestaltung der Parteien laut. Daraufhin kam es zur Selbstauflösung der PZPR mit gleichzeitiger Gründung von zwei neuen Parteien und zu internen Umbildungsprozessen der beiden anderen Blockparteien. Auch in dem ehemaligen Oppositionslager kam es zu heftigen Differenzierungsprozessen und Entstehung zahlreicher neuer Gruppierungen. All diese Veränderungen bildeten den Ausgangspunkt für die Entwicklung des heutigen Parteiensystems.

Das 1991 nach heftigen Auseinandersetzungen[155] verabschiedete Wahlgesetz[156] führte eine Verhältniswahl in Mehrpersonenwahlkreisen mit nationaler Zusatzliste ein. Es sah vor, dass 85 Prozent der 460 Sejm-Mandate in 37 Mehrmann-Wahlkreisen (7 bis 17 Mandate) nach der Verrechnungsmethode Hare-Niemeyer an Listen vergeben werden.[157] Die restlichen 69 Mandate (15 Prozent) wurden auf nationaler Ebene nach der Methode Sainte-Laguë an diejenigen Parteien verteilt, die landesweit mindestens 5 Prozent der gültigen Stimmen oder Mandate in wenigstens 5 Wahlkreisen erhalten hatten. Parteien, die in mindestens 5 Wahlkreisen ein Quorum von 5000 Unterschriften nachweisen konnten, waren zur Kandidatenaufstellung in allen 37 Wahlkreisen berechtigt. Diese Anforderungen erfüllten 28 politische Gruppierungen.[158] Zwar war in diesen Bestimmungen eine 5 Prozent Klausel enthalten, galt aber nur für Mandatsverteilung auf nationaler Ebene, was extreme Zersplitterung im Parlament herbeiführte und auch Parteien mit regionalen Hochburgen den Einzug in den Sejm ermöglichte- mit der Partei der Deutschen Minderheit zogen 29 Parteien und Gruppierungen in den Sejm, davon 11 mit nur einem einzigen Sitz. Die Wahlkreisgröße mit durchschnittlich 10,5 Mandaten rief keine größeren Disproporzeffekte hervor und die angewandten Methoden der Stimmenverrechnung begünstigten kleinere Parteien.[159] Ein zusätzlicher Dekonzentrationseffekt resultierte aus der subnationalen Wahlkreiseinteilung unter den Bedingungen eines wenig institutionalisierten Parteiensystems. Aber auch die konzentrationsförderlichen Elemente der Regelungen, die die nationale Ebene betrafen, konnten wegen zwei Zusatzbestimmungen nur beschränkt ihre Wirkung entfalten.[160] Dieses sehr proportionale Wahlsystem repräsentierte zwar ziemlich genau die Wählerpräferenzen, verursachte aber eine ungewöhnlich große Proliferation der Parteien, darunter auch der Kleinstgruppierungen, weil sie auch nicht ganz chancenlos bei der Verteilung der Sejmmandate auf nationaler Ebene waren.[161] Eine direkte und sehr gravierende Konsequenz dieses Wahlsystems war die Unmöglichkeit, stabile Regierungen zu bilden, hervorgerufen durch die extreme Zersplitterung der parlamentarischen Parteienlandschaft. Diese Fragmentierung war nicht nur auf die mechanische Wirkung des Wahlsystems- geringe Mandatskonzentration- zurückzuführen, vielmehr aber auf die fragmentierte Stimmenverteilung. Für die Parteien setzte das Wahlrecht keinerlei Hürden und regte sie daher nicht dazu an, sich zu Bündnissen zusammenzuschließen. Diese psychologische Wirkung des Wahlsystems trug zu der enormen Proliferation der Parteien und der extremen Fragmentierung des parlamentarischen Parteiensystems bei.

Wegen dieser Erfahrung konnte sich der in den meisten Fragen zerstrittene Sejm 1993 auf ein neues Wahlgesetz einigen.[162] Demnach bildete jede Wojewodschaft einen Wahlkreis (3 bis 17 Mandate) außer Warschau und Kattowitz, die in drei bzw. zwei Wahlkreise aufgeteilt wurden. 391 Sejmsitze (85 Prozent) wurden in den Wahlkreisen nach der Methode d’Hondt an diejenigen Parteien vergeben, die landesweit mindestens 5 Prozent der gültigen Stimmen erreichten. Für Wahlbündnisse erhöhte sich die Hürde auf 8 Prozent. Für die restlichen 69 Mandate, die landesweit ebenfalls nach der Methode d’Hondt vergeben wurden, wurde die Sperrklausel von 5 auf 7 Prozent angehoben.[163] Durch die Präferenzstimme bei den Wahlkreislisten konnten die Wähler die Reihenfolge der Personen beeinflussen, welche die der Liste zustehenden Mandate besetzten. Die Kandidatenreihenfolge auf der Landesliste war starr.[164]

In Anbetracht der außerordentlichen Fragmentierung des Parteiensystems war von den neuen wahlsystematischen Bestimmungen ein starker Konzentrationseffekt zu erwarten.[165] Dazu trug vorwiegend die Methode der Stimmenverrechnung nach d’Hondt bei, welche tendenziell größere Parteien begünstigt. Außerdem errichtete das Wahlgesetz erstmals eine nicht umgehbare nationale Sperrklausel. Wahlsystematisch betrachtet entstanden aus den bisherigen großen Distrikten Wahlkreise mittlerer Größe, die durch ihre höhere „natürliche“ Hürde die stimmenstärksten Parteien begünstigten.[166] Überdies wurde auch das Quorum für die Registrierung zu den Wahlen modifiziert, indem es nach den neuen Regelungen nicht nur in 5 sondern in 26 Wahlkreisen erfüllt werden musste. Von einer anderen Bestimmung, dass Abgeordnetengruppierungen ab 15 Mitgliedern keine Unterschriftenlisten vorzuweisen hatten, profitierten die größten Sejmfraktionen.

Abgesehen von der mechanischen Wirkung der Sperrklausel und der quantitativen Reduktion der Kandidaturen rief dagegen die Etablierung der nationalen Prozenthürden weder vor den Parlamentswahlen noch kurz danach keine organisatorische Konzentration unter den wichtigen Parteien hervor.[167] Aus den Wahlen 1993 ging auf Grund des mechanischen Effekts der Sperrklauseln ein im Vergleich zur vorausgegangenen Legislaturperiode viel weniger fragmentiertes, besser strukturiertes und folglich auch deutlich stabileres Parteiensystem hervor. Das Nebenergebnis der starken Konzentration des parlamentarischen Parteiensystems war ein extremer Disproportionseffekt, bei dem ein Drittel der gültigen Wählerstimmen bei der Mandatsverteilung unberücksichtigt blieben.[168] Nach den, den politischen Wettbewerb polarisierenden Präsidentschaftswahlen kam es zu einer Reorganisation der außerparlamentarischen Post- Solidarność Gruppierungen mit der Gründung der Wahlallianz AWS, wodurch sich die Struktur des Parteiensystems Richtung Bipolarität grundlegend veränderte.[169] Das modifizierte Wahlsystem hatte einen äußerst strukturierenden Einfluss auf die Entwicklung des Parteiensystems und brachte ein moderat fragmentiertes Parteiensystem hervor, und nach den Wahlen von 1997 sprach man sogar von Anzeichen für Herausbildung eines bipolaren Parteisystems,[170] wobei diese Entwicklung im Jahre 2000 mit dem Zerfall der AWS endete.

[...]


[1] Kropp/Schüttemeyer/Sturm 2002: 7-9.

[2] Antoszewski 1998a, 2004; Dieringer 2002; Jednaka 2002b; Kropp/Schüttemeyer/Sturm2002; Leszczyńska 2005; Rydlewski 2000, 2001, 2002.

[3] Harfst, 2001.

[4] Harfst 2001: 4f.

[5] Merkel 1999: 377f. In diesem Kontext spricht man von dem „Dilemma der Gleichzeitigkeit“. Dieser osteuropäische Phänomen bezeichnet den gleichzeitigen Umbau aller gesellschaftlichen Bereiche: Herstellung einer demokratischen konstitutionellen Ordnung; wirtschaftliche Transformation von Plan- zur Marktwirtschaft sowie Aufbau einer Zivilgesellschaft.

[6] Merkel 1999: 57-61.

[7] Merkel 1999: 62.

[8] Merkel 1999: 61-67.

[9] Beichelt 2001: 16; Merkel 1999: 119-169.

[10] Endgültige Aufgabe der Breschnew-Doktrin 1988, die als externe Bestandsgarantie der realsozialistischen Staaten galt. Dies verschärfte ihre Legitimitätsprobleme und verminderte das Protestrisiko für die Opposition. Die darauf folgenden regionalen Ansteckungseffekte (Dominoeffekt) betreffen Polen nicht, weil es das erste sich zu transformieren beginnende Land gewesen ist.

[11] Die zu enge Koppelung der Teilbereiche des Systems bewirkte bei häufig vorkommenden Krisen und Ineffizienzen der anderen Teilsysteme starke Rückschläge auf das politische Teilsystem, und infolge seine Krise sowie extremen Rückgang seiner Legitimität.

[12] Merkel 1999: 397ff.

[13] Merkel 1996: 86; Merkel 1999: 410-414; „pacted transition“ bei Linz/Stepan 1996: 244ff.

[14] Lijphart/Waisman 1996: 6; Merkel/Sandschneider/ Segert 1996: 14ff, Merkel 1999: 138-143.

[15] Bos 2004: 31-73; Merkel 1999: 77- 109. Hierzu die wichtigsten: Systemtheorien, Strukturtheorien, Kulturtheorien und Akteurstheorien. Diese Theorien haben teilweise unterschiedliche Analyseobjekte und keine von ihnen vermag alleine hinreichend alle Aspekte des Systemwechsels zu erklären.

[16] Bos 2004: 71; Merkel 1996: 75; Merkel/Sandschneider/ Segert 1996: 18; Merkel 1999: 108f.

[17] Beichelt 2004: 11-21.

[18] Merkel 1999: 102-109.

[19] Merkel 1999: 410-414

[20] Ausführliche Kriterienkataloge und Abhandlungen über diese Systeme vgl. Steffani 1997: 125-151.

[21] Steffani 1997: 93-95.

[22] Merkel 1996: 77-80; Merkel: 1999: 139f.

[23] Bahro/Veser 1995; Duverger 1992; Rüb 1994; Sartori 1994a; Sartori 1994b; Steffani 1994; Steffani 1996; Steffani 1997.

[24] Lijphart 1994; Linz 1992; Linz 1994; Stepan /Skach 1994;

[25] Merkel/Sandschneider/ Segert 1996: 27ff.

[26] Brunner 1996: 82f.

[27] Rüb 1996: 56-60.

[28] Rüb 1996: 60.

[29] Beichelt 2001: 134-175.

[30] Merkel 1999: 143-169.

[31] Schmidt 2000: 325-355. Er führt auch Lijpharts Unterscheidung zwischen Konkurrenz- und Mehrheitsdemokratie sowie der Konkordanz- und Konsensdemokratie an, der darin besteht dass Mehrheits- und Konsensdemokratie Machtkonzentration oder –Teilung anstreben, dagegen Konkordanz- und Konkurrenzdemokratie sie erfordern und Inklusion bzw. Exklusion voraussetzen.

[32] Croissant 2002: 146ff. Je mehr Vetospieler, je geringer ihre ideologische Kongruenz und je größer ihre interne Kohärenz desto höher der Grad an Machtdispersion und desto geringer die Fähigkeit der einzelnen Akteure, ihre partikularen Interessen ungebremst durchzusetzen, und somit schwieriger der Politikwechsel.

[33] Kaiser 1998.

[34] Ismayr 2004b.

[35] Dieringer 2002: 264; Schmidt 2000: 330.

[36] Merkel/Sandschneider/ Segert 1996: 31f.

[37] Bos 2004: 27.

[38] Zum Verlauf des Verfassungsgebungsprozesses in Polen vgl. Matthes 1999: 61ff.

[39] Ziemer/Matthes 2004: 194.

[40] Ebd: 195f.

[41] Ismayr 2004a: 22.

[42] Bos 2004: 199.

[43] Ziemer/Matthes 2004: 194.

[44] Matthes 2002: 89.

[45] Ziemer/Matthes 2004: 236.

[46] Ebd: 209.

[47] Ebd: 199.

[48] Ebd: 201.

[49] Der V. Sejm hat seine Arbeit am 19.10.2005 aufgenommen. Die aktuelle Nummerierung der Legislaturperioden beginnt in der III RP nach den ersten freien Wahlen von 1991 neu. Die aktuelle Nummerierung der Senatslegislaturperioden begann schon nach den Wahlen 1989, da die Wahl der Zweiten Kammer vollkommen frei war. Demzufolge ist die Nummerierung des Senats immer um eins höher als die des Sejms.

[50] http://www.sejm.gov.pl/komisje/komsta5.htm [Zugriff vom 22.03.06]

[51] Nohlen 2000: 25ff. Für detaillierte Darstellung der Funktionen von kompetitiven Wahlen vgl. Nohlen 2000: 28-31.

[52] Nohlen 2000: 53.

[53] Kaspoviç/Nohlen1996a: 214.

[54] Ebd.: 219; Kaspoviç/Nohlen1996b: 39-41; Nohlen 2000: 419.

[55] Kaspoviç/Nohlen1996b: 42-46; Kaspoviç/Nohlen1996a: 217f, 247. Generell ist die Tendenz sichtbar, bei Systemwechseln unter der Führung alter Staatseliten die Mehrheitswahl zu bevorzugen, während bei ausgehandelten Systemwechseln kombinierte Wahlsysteme und bei replacement Verhältniswahlsysteme dominierten.

[56] Sartori 1994b: 53-61; Kaspoviç/Nohlen1996b: 21. Die wichtigen Wirkungen der beiden Haupttypen von Wahlsystem werden hier genau aufgeführt.

[57] Nohlen 2000: 54.

[58] Beichelt 2001: 257; Birch 2001; Tóka 1996.

[59] Nohlen 2000: 59

[60] Kaspoviç/Nohlen1996b: 183f.

[61] Kaspoviç/Nohlen1996b: 188-194; Nohlen 2000: 226-232.

[62] Ismayr 2004a: 47f.

[63] Nohlen 2005.

[64] Ismayr 2004a: 48; Kaspoviç/Nohlen1996b: 199.

[65] Nohlen 2000: 227.

[66] Beichelt 2001: 246-249.

[67] Sartori 1994: 38.

[68] Angaben zu Stimmen- und Mandatskonzentration der osteuropäischen Wahlsysteme bis 1996 vgl. Kaspoviç/Nohlen1996b: 192f.

[69] Beichelt 2001: 250.

[70] Ebd.: 249.

[71] Ebd.: 254.

[72] Nohlen 2000: 415.

[73] Grotz 2000: 60f.

[74] Merkel 1997: 9f.

[75] Grabowska/Szawiel 2001: 35-61.

[76] Dieser Zustand änderte sich erst wieder in den 1970ern, als sich einige der im vergangenen Jahrzehnt stark gewordenen sozialen Bewegungen als Parteien etablierten, und durch ihre Erstarkung, wie z. Bsp. der ökologischen Parteien, sich Veränderungen in der Parteienlandschaft ergaben.

[77] Grabowska/Szawiel 2001: 61-63.

[78] Beichelt 2001: 190-202; von Beyme 1997b : 14.

[79] Von Beyme 1997a: 37f.

[80] Niewiadomska-Frieling 2005: 127-130.

[81] Ismayr 2004a: 50; Von Beyme 1997a: 41-43.

[82] Beichelt 2001: 227

[83] Segert/Machos 1995: 238f; Segert 1997: 57-61. Segert nennt sie „Quasi-Honoratiorenpartei“.

[84] Segert 1997: 66.

[85] Ismayr 2004a: 50.

[86] Nohlen 2000: 65.

[87] Ismayr 2004a: 49; Krupavičius 1999.

[88] Grotz 2000: 34-37. Der permanente Wandel sowie „fluide“ Kontexte stellen die bekanntesten Typologien der Parteiensysteme von Sartori (2005: 110-178) und von von Beyme (1997b: 24) vor Anpassungsbedarf, und generell die Parteiensystemforschung vor große Herausforderung.

[89] Segert 1997: 68.

[90] Ebd.

[91] Grotz 2000: 24f.

[92] Segert/Machos 1995: 26.

[93] Segert 1997: 77f; von Beyme 1997a: 29.

[94] Vgl. Kap. 2.2.1, S. 18 dieser Arbeit.

[95] Grotz 2000: 60f.

[96] Grotz 2000: 64ff.

[97] Beichelt 2001: 289-293; Grotz 2000: 23.

[98] Von Beyme 1997b: 24. Moderate Veilparteiensysteme befinden sich zwischen den Typen: Zweiparteiensystem und polarisierter extremer Pluralismus.

[99] Merkel 1999: 157.

[100] Beichelt 2001: 258-289; Von Beyme 1997a: 46ff.

[101] Von Beyme 1997a: 37- 48.

[102] D.h. die Konsolidierung des Parteiensystems. Von Beyme 1997a: 34.

[103] Von Beyme 1997a: 48ff; Segert 1997: 78-86.

[104] Harfst 2001: 1f.

[105] „Short lived cabinets are regarded as ineffective policy-makers“ Vgl. Lijphart 1984b: 165.

[106] Sartori 1994b: 113. So können Kabinette für Sartori „long lived and impotent“ im folgenden Sinne sein: „Stable government may be a facilitating condition, but is certainly not a sufficient condition for effective government”.

[107] Harfst 2001: 2; Sartori 1994b: 113.

[108] Laver/Shepsle 1996: 61f.

[109] Laver/Shepsle 1996: 196ff.

[110] Rydlewski 2000: 23.

[111] Budge/Keman 1990: 5-62; Kropp/Schüttemeyer/Sturm 2002: 9f; Laver/Shepsle 1996: 18-20.

[112] Ebd: 9.

[113] Kropp/Schüttemeyer/Sturm 2002: 10.

[114] Harfst 2001: 3.

[115] Döring 1994: 336-358; Steffani 1997: 125-151.

[116] Harfst 2001: 8f.

[117] Budge/Keman 1990: 5-62; Kropp/Schüttemeyer/Sturm 2002: 12f, 25-33; Laver/Shepsle 1996: 18-20.

[118] Budge/Keman 1990: 5-62; Kropp/Schüttemeyer/Sturm 2002:13.

[119] Budge/Keman 1990:49-52. D.h. außerhalb des Parlaments.

[120] Harfst 2001: 17-19; Kropp/Schüttemeyer/Sturm 2002: 27-33.

[121] Rydlewski 2000: 21.

[122] Budge/Keman 1990: 8.

[123] Wiatr 2005: 198.

[124] Diamond 1990: 48-60.

[125] Stöss/Segert 1997: 427.

[126] Mattes/Ziemer 2004: 221.

[127] Matthes 1999: 114.

[128] Konstytucja Rzeczypospolitej Polskiej (Verfassung der Republik Polen): Dz.U. 1997, NR 78 poz. 483.

[129] Ustawa o partiach politycznych (Parteiengesetz): Dz.U. 1997 nr 98 poz. 604.

[130] Ordynacja Wyborcza do Sejmu Rzeczypospolitej Polskiej i do Senatu Rzeczypospolitej Polskiej (Wahlordnung für den Sejm und den Senat der Republik Polen): Dz.U. 2001 Nr 46 poz. 499.

[131] Regulamin Sejmu Rzeczypospolitej Polskiej (Parlamentarische Geschäftsordnung): M.P. 2002 Nr 23 poz. 398.

[132] Garlicki 2001: 106f.

[133] Grotz: 2000: 110.

[134] Art. 11 Abs.1 Verf.

[135] Ustawa o partiach politycznych (Parteiengesetz): Dz.U. 1990 nr 54, poz. 312

[136] Art. 13 Verf.

[137] Ustawa konstytucyjna (Kleine Verfassung): Dz.U. 1992 nr 84

[138] Ustawa o partiach politycznych, zm. (Novellierung des Parteiengesetzes): Dz. U. z 2001 Nr154, poz. 1802, Dz. U. z 2002 r. Nr 127, poz. 1089

[139] Art. 11 Abs.1 Verf. und Art. 1.1 Parteiengesetz

[140] Art. 2.1 Parteiengesetz

[141] Art. 11-23 Parteiengesetz

[142] Grabowska/Szawiel 2001: 20f.; Ziemer 1997: 57. Beispielweise waren 1993 über 200 Parteien registriert.

[143] Art. 11.3.2 Parteiengesetz

[144] Art. 11 Abs. 2 Verf. und Art. 23a Parteiengesetz

[145] Art. 28-41 Parteiengesetz

[146] Art.129 GO

[147] Staatlich werden nur Parteien finanziert, die über 3% Stimmen, und Wahlbündnisse, die über 5% Stimmen erreicht haben.

[148] Vgl. Kap. 2.2.1 dieser Arbeit, S. 19.

[149] Antoszewski 1998b: 74-79

[150] Ziemer 1997: 50f. Die Regierung ist politisch nur der ersten Kammer verantwortlich.

[151] Antoszewski 1998b: 74.

[152] Die Sonderregelung sah 299 der 460 Parlamentssitze der PZPR und ihren Bündnisparteien vor. Die 100 Senatsitze wurden in kompetitiver Wahl vergeben. Für beide Kammern galt die für realsozialistische Systeme typische absolute Mehrheitswahl, wovon sich die Regimeeliten Wahlerfolg verhießen. Der Machtkalkül der PZPR beruhte darauf, die stärkste Partei in den meisten Wahlkreisen zu werden. Sie versprachen sich von dem zu erwartenden Disproportionalitätseffekt der Majorzregel besonders große Mandatszugewinne. Vgl. Grotz 2000: 102-126.

[153] Grotz 2000: 124f.

[154] Antoszewski 1998b: 79-83; Grotz 2000: 105-107.

[155] Ziemer/Mathes 2004: 217. Die Mehrheit der Abgeordneten befürwortete ein rein proportionales Wahlsystem, während Präsident Wałęsa sich für ein stärker mehrheitsbildendes System einsetzte.

[156] Ordynacja Wyborcza do Sejmu Rzeczypospolitej Polskiej, in: Dz.U. 1991 nr 59, poz. 252.

[157] Ziemer 1997: 45f.

[158] Für Parteien nationaler Minderheiten galten besondere Bestimmungen- sie mussten geringere Anforderungen von nur 3000 Unterschriften erfüllen.

[159] Grotz 2000: 127ff.

[160] Einerseits konnte das Überschreiten der Klausel durch den Gewinn von 5 Wahlkreismandaten ersetzt werden, wofür allerdings bei so starker Fragmentierung der Wählerebene deutlich weniger als 5 Prozent der Stimmen erforderlich waren. Andererseits gestattete das System explizit die Bildung von „Blöcken“ aus mehreren Listen, deren gemeinsam gewonnene Mandate erst ex post proportional unter den Partnern aufgeteilt wurden. Vgl. Grotz 2000: 128f.

[161] Antoszewski 1998b: 83-88; Gebethner 1996: 66-74; Grotz 2000: 129, 147.

[162] Ordynacja Wyborcza do Sejmu Rzeczypospolitej Polskiej, in: Dz.U. 1993 nr 45, poz. 205.

[163] Für die Listen der nationalen Minderheiten galten Sonderregelungen. Sie konnten sich vor den Wahlen entscheiden, ob sie entweder von der Sperrklausel für die subnationalen Wahlkreismandate oder von der für die nationale Liste befreit werden wollten.

[164] Grotz 2000: 148ff. Ziemer 1997: 46-50.

[165] In das Wahlgesetz wurden sogar detaillierte Sonderregelungen integriert für den Fall, dass der mechanische Filtereffekt der Sperrklauseln die pluralistische Struktur des parlamentarischen Parteiensystems aufheben würde. Genauer zu den Konsequenzen des neuen Wahlsystems vgl. Antoszewski 1998b: 88-92.

[166] Es wurde eine Reduktion der durchschnittlichen Wahlkreisgröße von 10,5 auf 7,5 Mandate beschlossen. Jedoch war das genaue Ausmaß des zu erwartenden Konzentrationseffekts anhand des Durchschnittswerts nur schwer prognostizierbar, weil das polnische Wahlsystem von 1993 parallel Wahlkreise aller drei Kategorien aufwies.

[167] Grotz 2000: 150.

[168] Trotz der extremen Zersplitterung und Polarisierung des Parteiensystems brachte die Änderung des Wahlgesetzes die Parteiführer, vor allem des Mitte-Rechts-Lagers, nicht zur Einsicht, auf ihre persönlichen Ambitionen zu verzichten und bei den Wahlen geschlossener anzutreten. In dieser Situation scheiterte die zersplitterte Rechte an den Prozenthürden und in der Folge fielen 33,8 % der gültigen Wählerstimmen unter den Tisch und wurden bei der Sitzverteilung nicht bewertet. Vgl. Ziemer 1999: 342f.

[169] Grotz 2000: 170f.

[170] Ziemer 1999: 347.

Ende der Leseprobe aus 160 Seiten

Details

Titel
Parteienkonstellationen und Stabilität der Regierungen in Polen
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Politikwissenschaft)
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
160
Katalognummer
V85157
ISBN (eBook)
9783638892261
ISBN (Buch)
9783638905619
Dateigröße
1188 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Parteienkonstellationen, Stabilität, Regierungen, Polen
Arbeit zitieren
Katarzyna Angelika Bednarz (Autor:in), 2006, Parteienkonstellationen und Stabilität der Regierungen in Polen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85157

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