Seit Jahren beschäftigen sich wissenschaftliche Untersuchungen mit möglichen präventiven und repressiven Abwehrmaßnahmen, die einem Zielunternehmen bei einem feindlichen Akquisitionsversuch zur Verfügung stehen. Erfolgt ein Übernahmeangebot ohne oder gegen den Willen des Managements der Zielgesellschaft, so tritt das Unternehmen in einen Konflikt mit dem potentiellen Käufer.
Weitaus weniger Beachtung in der Literatur findet jedoch die Tatsache, dass auch mehrere Unternehmen an der Übernahme einer Zielgesellschaft interessiert sein können. Ist dies der Fall, so entsteht zwischen den Bietern ein Konflikt um das Akquisitionsobjekt. Eine strukturierte Analyse eines solchen Konfliktes wird in der Forschung bislang vernachlässigt und soll Gegenstand der vorliegenden Diplomarbeit sein. In dem Theorierahmen der Unternehmenspolitik wird die Konfliktbeziehung zwischen den potenziellen Käufern analysiert. Dabei wird wie folgt vorgegangen:
Nach der Einleitung im ersten Kapitel folgt im zweiten Kapitel der Arbeit eine komprimierte Einführung in die Thematik der Unternehmensübernahmen. Im Anschluss wird der theoretische Bezugsrahmen der vorliegenden Arbeit bestimmt.
Das dritte Kapitel widmet sich der Analyse von Konflikten zwischen mehreren Bietern. Anhand des formalen Zielsetzungsprozesses werden dabei die Ursachen für die Entstehung von Verteilungskonflikten aufgezeigt. Nach einem kurzen Einblick in die Machtproblematik werden verschiedene Konflikthandhabungsalternativen vorgestellt. Des Weiteren wird auf die Möglichkeit einer Eskalation des Konfliktes eingegangen. Im Anschluss werden mögliche Ergebnisse der Konflikthandhabungsmaßnahmen und potenzielle Konfliktlösungen gezeigt.
Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit der Analyse eines Verteilungskonfliktes aus der Wirtschaft. Als Praxisbeispiel dient der ein Jahr andauernde Bieterkampf zwischen dem deutschen E.on-Konzern und dem spanischen Gasversorger Gas Natural um den Stromanbieter Endesa. Bei der Bearbeitung wird die konflikttheoretische Struktur aus dem dritten Kapitel beibehalten.
Im fünften und letzten Kapitel der Arbeit werden Schlussfolgerungen aus der theoretischen und praktischen Konfliktanalyse gezogen. Abschließend wird ein kurzer Überblick über den weiteren Forschungsbedarf gegeben.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
A. Einleitung
B. Einführende Grundlagen zur Unternehmensübernahme und Darstellung des theoretischen Bezugsrahmens
I. Einführung in die Praxis der Unternehmensakquisitionen
II. Bestimmung des Theorierahmens
1. Unternehmenspolitische Konzeptionen
2. Der unternehmenspolitische Ansatz von Dlugos & Dorow
C. Unternehmenspolitische Analyse von Verteilungskonflikten bei Unternehmensübernahmen
I. Konfliktentstehung
1. Die Formalstruktur des Zielsetzungsprozesses
2. Ursachen von Verteilungskonflikten
II. Konflikthandhabung
1. Einseitige Konflikthandhabung
a. Machtproblematik
aa. Das Machtbasenmodell von French und Raven
bb. Machtgrundlagen aus unternehmenspolitischer Sicht
b. Zieldeterminierung
aa. Zieldeterminierung der Zielgesellschaft
bb. Zieldeterminierung des Mitbieters
c. Umfelddeterminierung
aa. Unmittelbare Umfelddeterminierung des Mitbieters
bb. Mittelbare Umfelddeterminierung des Mitbieters
d. Konsequenzen der einseitigen Konflikthandhabung
2. Wechselseitige Konflikthandhabung
a. Konflikteskalation
aa. Entstehung der Eskalation
bb. Intensivierung der Eskalation
b. Wahrgenommener Stillstand und Deeskalation
III. Ergebnisse und Konfliktlösungen
1. Mögliche Ergebnisse der Konflikthandhabungsmaßnahmen
2. Lösungsmöglichkeiten eines Konfliktes
IV. Zwischenfazit
D. Unternehmenspolitische Analyse des Verteilungskonfliktes zwischen E.on und Gas Natural
I. Einführung in die Konfliktsituation
II. Konfliktentstehung
1. Übernahmebestrebungen der europäischen Energiekonzerne
2. Interessen des E.on-Konzerns
a. Marktwertsteigernde Motive der Übernahme
b. Nicht marktwertsteigernde Motive der Übernahme
3. Interessen des Gas Natural-Konzerns
a. Marktwertsteigernde Motive der Übernahme
b. Nicht marktwertsteigernde Motive der Übernahme
4. Ursachen des Verteilungskonfliktes um Endesa
III. Konflikthandhabung
1. Determinierung der Zielgesellschaft Endesa
a. Einflussnahme auf die Endesa-Aktionäre und auf das Management
aa. Zieldeterminierung durch Gas Natural
bb. Zieldeterminierung durch E.on
b. Einflussnahme auf das Umfeld von Endesa
aa. Umfelddeterminierung durch Gas Natural
bb. Umfelddeterminierung durch E.on
2. Wechselseitige Determinierung des Mitbieters
a. Zieldeterminierung des Mitbieters
b. Umfelddeterminierung des Mitbieters
aa. Unmittelbare Umfelddeterminierung
bb. Mittelbare Umfelddeterminierung
(1) Spanische Regierung
(2) Spanische Oppositionspartei
(3) EU-Kommission
(4) Deutsche Regierung
3. Eskalation des Verteilungskonfliktes um Endesa
a. Eskalation des Konfliktes zwischen E.on und Gas Natural
b. Scheinbare Deeskalation des Konfliktes
c. Der Verteilungskonflikt durchläuft eine weitere Episode
aa. Eskalation des Konfliktes zwischen E.on und Acciona / Enel
bb. Entstehung einer Pattsituation
IV. Ergebnisse des Konfliktes und Konfliktlösung
1. Ergebnisse der wechselseitigen Konflikthandhabungsmaßnahmen für E.on und Gas Natural
2. Kritische Betrachtung der erreichten Konfliktlösung
IV. Zwischenfazit
E. Schlussbetrachtung und Ausblick auf weiteren Forschungsbedarf
F. Glossar
G. Anhang
I. Ergänzende Abbildungen
II. Ergänzende Tabellen
H. Literaturverzeichnis
I. Wissenschaftliche Literatur
II. Literatur für die Analyse der Praxisbeispiele
Abbildungsverzeichnis
Abbildung C- 1. Der Ursprung eines Verteilungsproblems und die Entstehung eines Verteilungskonfliktes
Abbildung C- 2. Möglichkeiten der einseitigen Konflikthandhabung
Abbildung C- 3. Konfliktepisode, Konsequenzen der Determinierungsaktionen und mögliche Ergebnisse der einseitigen Konflikthandhabung
Abbildung C- 4. Wechselseitige Konflikthandhabungsaktionen bei symmetrischer Machtverteilung
Abbildung D- 1. Umsätze der Energiekonzerne E.on, Endesa und Gas Natural im Vergleich
Abbildung D- 2. Auswahl der größten internationalen Strom- und Gasversorger
Abbildung G- 1. Vereinfachte Darstellung kollidierender Grundzielsetzungsprozesse und des Zielsicherungsprozesses
Abbildung G- 2 Verteilungskonflikt um Endesa im Zeitverlauf
Abbildung G- 3. Ausschnitt aus Fernsehspot „ Juntos sumamos energías“
Abbildung G- 4. Werbeanzeige Endesa I Abbildung G- 5. Werbeanzeige Endesa II
Abbildung G- 6. Werbeanzeige Endesa III Abbildung G- 7. Deckblatt E.on
Abbildung G- 8. Werbeanzeige E.on
Abbildung G- 9. Werbeanzeige „Énforma 2007“
Abbildung G- 10. Ausschnitt aus Fernsehspot „Énforma 2007“
Abbildung G- 11. Entwicklung der Endesa-Aktie während des Verteilungskonfliktes um Endesa
Abbildung G- 12. Werbeanzeige Acciona 67
Tabellenverzeichnis
Tabelle G- 1. Mögliche Wachstumseffekte der Akquisition von Endesa für E.on
Tabelle G- 2. Mögliche Wachstumseffekte der Akquisition von Endesa für Gas Natural
Tabelle G- 3. Beteiligungen, die E.on durch den Kompromiss mit Acciona und Enel erhält
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
A. Einleitung
Seit Jahren beschäftigen sich wissenschaftliche Untersuchungen mit möglichen präventiven und repressiven Abwehrmaßnahmen, die einem Zielunternehmen bei einem feindlichen Akquisitionsversuch zur Verfügung stehen. Erfolgt ein Übernahmeangebot ohne oder gegen den Willen des Managements der Zielgesellschaft, so tritt das Unternehmen in einen Konflikt mit dem potentiellen Käufer.
Weitaus weniger Beachtung in der Literatur findet jedoch die Tatsache, dass auch mehrere Unternehmen an der Übernahme einer Zielgesellschaft interessiert sein können. Ist dies der Fall, so entsteht zwischen den Bietern ein Konflikt um das Akquisitionsobjekt. Eine strukturierte Analyse eines solchen Konfliktes wird in der Forschung bislang vernachlässigt und soll Gegenstand der vorliegenden Diplomarbeit sein. In dem Theorierahmen der Unternehmenspolitik wird die Konfliktbeziehung zwischen den potenziellen Käufern analysiert. Dabei wird wie folgt vorgegangen:
Nach der Einleitung im ersten Kapitel folgt im zweiten Kapitel der Arbeit eine komprimierte Einführung in die Thematik der Unternehmensübernahmen. Im Anschluss wird der theoretische Bezugsrahmen der vorliegenden Arbeit bestimmt.
Das dritte Kapitel widmet sich der Analyse von Konflikten zwischen mehreren Bietern. Anhand des formalen Zielsetzungsprozesses werden dabei die Ursachen für die Entstehung von Verteilungskonflikten aufgezeigt. Nach einem kurzen Einblick in die Machtproblematik werden verschiedene Konflikthandhabungsalternativen vorgestellt. Des Weiteren wird auf die Möglichkeit einer Eskalation des Konfliktes eingegangen. Im Anschluss werden mögliche Ergebnisse der Konflikthandhabungsmaßnahmen und potenzielle Konfliktlösungen gezeigt.
Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit der Analyse eines Verteilungskonfliktes aus der Wirtschaft. Als Praxisbeispiel dient der ein Jahr andauernde Bieterkampf zwischen dem deutschen E.on-Konzern und dem spanischen Gasversorger Gas Natural um den Stromanbieter Endesa. Bei der Bearbeitung wird die konflikttheoretische Struktur aus dem dritten Kapitel beibehalten.
Im fünften und letzten Kapitel der Arbeit werden Schlussfolgerungen aus der theoretischen und praktischen Konfliktanalyse gezogen. Abschließend wird ein kurzer Überblick über den weiteren Forschungsbedarf gegeben.
B. Einführende Grundlagen zur Unternehmensübernahme und Darstellung des theoretischen Bezugsrahmens
I. Einführung in die Praxis der Unternehmensakquisitionen
Unter einer Unternehmensübernahme bzw. Akquisition versteht man den Erwerb eines Unternehmens oder Teile desselben (Vogel, 2002: 9).
Der Erwerb einer Aktiengesellschaft kann auf verschiedene Weise abgewickelt werden (Hölters, 2005: 10f): Die Mehrheit der Übernahmen erfolgt in Form von Paketkäufen durch Verhandlungen und abschließenden Kaufverträgen. Dabei erwirbt der Käufer Beteiligungen von einem oder mehreren Großaktionären. Will das Unternehmen die Kontrolle an der Zielgesellschaft erreichen, d.h. mindestens 30% der Stimmrechte erwerben, so ist es zur Abgabe eines öffentlichen Übernahmeangebotes verpflichtet (WpÜG, 2001: § 29)[1]. Die Offerte richtet sich dann an alle Aktionäre der Zielgesellschaft und gilt für einen bestimmten Zeitraum (Bank, 2006: 4). Soll die Übernahme dagegen zunächst stillschweigend erfolgen, so kann der Käufer sukzessiv Wertpapiere auf dem Markt erwerben. Dies setzt jedoch ein entsprechendes Angebot von Aktien an der Börse voraus und kann unter Umständen sehr langwierig werden, da für gewöhnlich nur ein sehr geringer Teil der Aktien gehandelt wird (Hölters, 2005: 12). Auch hierbei ist zu beachten, dass der Käufer ab der Beteiligungsschwelle von 30% der Stimmrechte ein öffentliches Übernahmeangebot lancieren muss.
Bei der Übernahme börsennotierter Unternehmen werden im Verlauf des Verfahrens in 10 bis 15 % der Fälle Konkurrenzangebote für dieselbe Zielgesellschaft abgegeben (Jennings & Mazzeo, 1993: 888; Lipuscek, 2005: 13). Dieser Wettbewerb unter den Bietern wird für gewöhnlich von den Aktionären begrüßt, da sich dadurch der Aktienkurs erhöht. Die Anteilseigner werden ihre Aktien i.d.R. an den Bieter veräußern, dessen Konditionen sie als vorteilhafter einschätzen (Lipuscek, 2005: 32). Eine geplante Übernahme kann jedoch bereits scheitern, bevor die Aktionäre über die Annahme entscheiden dürfen. Dies wäre bspw. der Fall, wenn die Akquisition von Wettbewerbsbehörden aus kartellrechtlichen Gründen untersagt wird oder die Zielgesellschaft die Übernahme durch erfolgreiche Abwehrmaßnahmen vereitelt[2]. Wie im Folgenden noch gezeigt werden soll, kann jedoch auch der Mitbieter maßgeblich dazu beitragen, dass der Kontrahent die geplante Akquisition nicht durchführen kann.
II. Bestimmung des Theorierahmens
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist die strukturierte Analyse von Konflikten zwischen mehreren Unternehmen, die um die Übernahme eines dritten Unternehmens konkurrieren. Zunächst muss dafür ein passender Theorierahmen festgelegt werden.
Für die Bestimmung des Bezugsrahmens wird aus der Vielzahl der vorherrschenden sozialen Konflikttheorien[3] ein möglicher Ansatz ausgewählt, in dem die konflikttheoretische Analyse stattfinden soll. Eine bekannte Theorie in diesem Kontext ist die Theorie der sozialen Identität. Für die Entstehung sozialer Konflikte werden demnach Kategorisierungsprozesse, soziale Vergleiche, Identifikation und Distinktheit verantwortlich gemacht (Zick, 2005: 411). Da diese Betrachtungsweise sehr eingeschränkt ist, stellt sie keine passende Grundlage für die vorliegende Arbeit dar. Eine derartige Basis bietet vielmehr der Rational-Choice-Ansatz. Danach sind Konflikte auf individuelle Handlungen zurückzuführen, die auf rational getroffenen Entscheidungen basieren (Kunz, 2005: 463). Auf diese Theorie stützt sich auch der hier verwendete unternehmenspolitische Ansatz von Dlugos (1974; 1984) und Dorow (1978; 1982). Bevor dieser Ansatz vorgestellt wird, soll zunächst auf die unterschiedlichen Auffassungen von Unternehmenspolitik aufmerksam gemacht werden.
1. Unternehmenspolitische Konzeptionen
Dorow (1982: 20) weist darauf hin, dass der Begriff der Unternehmenspolitik von verschiedenen Wissenschaftlern unterschiedlich definiert wird. Der Grund für die differenzierte Betrachtung liegt in der heterogenen Auslegung des Politikbegriffes. Politisches Handeln wird zum einen in Anlehnung an den angloamerikanischen „policy“ Ansatz als das Festlegen von Entscheidungsregeln und das Setzen von Zielen verstanden. Zum anderen wird der Begriff im Sinne des „politics“ Ansatzes als die Sicherung von gefährdeten Interessen durch Machteinsatz ausgelegt (Dorow; 1982: 21f).
Je nach dem, von welchem Politikbegriff ausgegangen wird, lassen sich zwei unterschiedliche unternehmenspolitischen Konzeptionen erkennen (Dorow, 1982: 26):
Die Unternehmenspolitik im Sinne des „policy“ Verständnisses beschäftigt sich mit Entscheidungsproblemen der Unternehmensführung und dem Festlegen von strategischen Unternehmenszielen. Die Unternehmenspolitik im Sinne des „politics“ Verständnisses stellt dagegen den Prozess der Interessensicherung von und in Unternehmen in den Mittelpunkt.
2. Der unternehmenspolitische Ansatz von Dlugos & Dorow
Der unternehmenspolitische Ansatz von Dlugos (1974; 1984) und Dorow (1978; 1982) umfasst sowohl die Problematik des „policy“ als auch die des „politics“ Ansatzes, wobei auf dem letzteren der Schwerpunkt der Betrachtung liegt.
Nach diesem Verständnis wird die Durchführung der Entscheidungsfindung als Grundzielsetzungsprozess bezeichnet, da mit Hilfe von Zielsystemen die durch den Unternehmenszweck induzierten Grundziele der Unternehmen bestimmt werden (Dlugos, 1984: 289). Verfolgen mehrere Entscheidungsträger gleichzeitig konkurrierende oder antinome Grundziele, so kann es zwischen den Akteuren zu Konflikten kommen. Diese werden in dem hier verwendeten Ansatz als Auslöser der Zielsicherungsprozesse verstanden (Dlugos, 1984: 302). Abbildung G-1 im Anhang stellt den Zusammenhang zwischen dem Grundzielsetzungsprozess und dem Zielsicherungsprozess in vereinfachter Form dar.
Der unternehmenspolitische Ansatz von Dlugos und Dorow stellt in der vorliegenden Arbeit den Theorierahmen dar, da diese Konzeption sowohl Grundzielsetzungsprozesse als auch Zielsicherungsprozesse beinhaltet und systematisch zwischen diesen unterscheidet. Diese Differenzierung ist Vorraussetzung für eine strukturierte Konfliktanalyse, da dadurch nicht nur Aufschluss über die Konfliktentstehung und Konflikthandhabung gegeben wird, sondern auch gezielt zwischen diesen Prozessen unterschieden werden kann. Des Weiteren ist es durch diesen Ansatz möglich, soziale Konflikte, die als ein Makrophänomen verstanden werden, aus der Perspektive der Mikro-Ebene zu betrachten.
Die ausschließliche Konzentration auf den unternehmenspolitischen Ansatz im Sinne des „policy“ Verständnisses wäre für die Analyse der Beziehung zwischen Unternehmen in einem Bieterwettbewerb unvollständig, da die Entscheidungsträger der involvierten Unternehmen kollidierende Interessen verfolgen, wodurch ein Konflikt zwischen ihnen entsteht. Dieser Konflikt um ein und dasselbe Akquisitionsobjekt ist Auslöser der Zielsicherungsprozesse. Um zu klären, wie die Unternehmen ihre gefährdeten Ziele sichern können, müssen jedoch Machtaspekte berücksichtigt werden. Da diese in den „policy“ Ansätzen nicht behandelt werden (Dlugos, 1984: 301), muss die hier verwendete unternehmenspolitische Konzeption für die vollständige Analyse eines Konfliktes zwischen mehreren Bietern mit dem „politics“ Verständnis erweitert werden. Erst dadurch kann gezeigt werden, wie die Unternehmen durch mikropolitische Taktiken versuchen, den Konfliktpartner von der geplanten Akquisition abzuhalten, um somit ihre eigenen Interessen zu sichern.
C. Unternehmenspolitische Analyse von Verteilungskonflikten bei Unternehmensübernahmen
Aufgrund des hier verwendeten Theorierahmens der Unternehmenspolitik ist es für eine systematische Konfliktanalyse notwendig, zunächst die individuellen und interessenabhängigen Grundzielsetzungsprozesse der Akteure aufzuzeigen. Diese geben Aufschluss über die Konfliktursachen. Im Anschluss werden die verschiedenen Möglichkeiten der Zielsicherung beschrieben. Hier wird näher auf die jeweiligen Machtgrundlagen der Konfliktparteien eingegangen, da diese die Art und den Umfang der Konflikthandhabung wesentlich bestimmen. Abschließend werden mögliche Ergebnisse der Konflikthandhabungsaktionen vorgestellt. Die theoretische Abhandlung wird durch die kontinuierliche Berücksichtigung der praktischen Problemerstellung unterstützt.
Auf die Vielzahl der Konfliktdefinitionen und Klassifizierungsversuche kann an dieser Stelle nur hingewiesen werden[4]. Exemplarisch soll die Auslegung von Berkel (1992: 1086) herausgenommen werden: „Beim interpersonellen Konflikt stehen sich (mindestens) zwei Personen oder Gruppen (…) gegenüber, die zum gleichen Zeitpunkt Handlungen intendieren oder ausführen, welche zur Folge hätten oder haben, dass sich eine Partei behindert, blockiert, bedroht oder gar verletzt fühlt.“
I. Konfliktentstehung
1. Die Formalstruktur des Zielsetzungsprozesses
Um zu verstehen, warum sich die Parteien bei einem Konflikt behindern bzw. blockieren, müssen zunächst die individuell getroffenen Grundziele der Konfliktpartner betrachtet werden. Dafür wird die Formalstruktur des Zielsetzungsprozesses herangezogen, die den Entscheidungsprozess systematisch in die folgenden vier Stufen gliedert:
Im ersten Schritt des Grundzielsetzungsprozesses formuliert ein Akteur sein generelles und unspezifisches Generalziel. Auslöser dieser allgemeinen Zielvorstellung ist eine für den Akteur motivierende Situation (Dorow, 1982: 156). Das Generalziel lässt sich in eine materielle und eine formale Komponente unterteilen. Die materielle Komponente besteht aus einer Zweckaussage, die die Funktion des Ziels beschreibt und einer Mittelaussage, die die zu verwendenden Mittel angibt (Dlugos, 1974: 59). Die formale Komponente des Generalziels setzt sich aus den Ziel- und Entscheidungskriterien, die in den Phasen zwei und drei des Zielsetzungsprozesses festgelegt werden, zusammen (Dorow, 1982: 156f).
Die Akquisition eines Unternehmens kann für die hier betrachtete Konfliktanalyse als allgemeines Generalziel verstanden werden. Nach der Wellentheorie sind Übernahmen ein zyklisches Phänomen, wobei die Übernahmebestreben der Konkurrenten den eigenen Wunsch nach Akquisitionen verstärken (Müller-Stewens, 2004: 335f). Hat sich ein Unternehmen in einer Branche durch die Transaktion einen Wettbewerbsvorteil verschafft und wollen die Konkurrenten diesen Vorsprung einholen, so werden sie sich zwangsläufig selbst nach einem geeigneten Übernahmekandidaten umsehen (Stegmann, 2002: 27). Dieses Phänomen kann als eine mögliche motivierende Situation für Unternehmensübernahmen verstanden werden. Welchen Zweck eine Akquisition erfüllen soll, ist von den Interessen des jeweiligen Käufers abhängig. In der wissenschaftlichen Literatur wird allgemein zwischen marktwertsteigernden und nicht marktwertsteigernden Gründen für eine Übernahme unterschieden (Berens, Mertes & Strauch, 2002: 43). Zu den marktwertsteigernden Motiven zählt u.a. die Erzielung von Synergieeffekten, die aufgrund von Größenvorteilen, Verbundvorteilen und/ oder Wachstumseffekten realisiert werden können. Daneben kann eine Akquisition auch einem finanziellen Zweck dienen. Zum einen können gerade bei internationalen Zusammenschlüssen Steuerersparnisse erzielt werden. Zum anderen kann eine Übernahme unter dem Aspekt der Spekulation durchgeführt werden, bei der Arbitragegewinne erzielt werden sollen (Stegmann, 2002: 23ff). Zu den nicht marktwertsteigernden Motiven wird das Streben der Eigentümer und Manager nach Macht, Prestige und die Ausweitung des eigenen Einflussbereiches gezählt. Da auch das Gehalt der Manager häufig direkt an die Größe des Unternehmens gekoppelt ist, werden die liquiden Mittel des Unternehmens vom Management vorzugsweise in Investitionsprojekte gesteckt, anstatt diese an die Aktionäre auszuschütten (Berens et al., 2002: 50).
Bei den Mitteln für eine Übernahme von Aktiengesellschaften wird zwischen einem Barangebot, einem Aktientausch und einer Kapitalerhöhung beim Akquisitionsobjekt unterschieden. Aktionäre bevorzugen i.d.R. ein Barangebot, da ein Aktientausch mit einem gewissen finanziellen Risiko verbunden ist. Im Gegensatz zum Bargeld ist der Wert der getauschten Aktien von der Rentabilität der Akquisition abhängig (Fishman, 1989). Natürlich kann die Übernahme auch durch eine Kombination der Mittel durchgeführt werden (Müller-Stewens, 2004: 335).
Im zweiten Schritt des Entscheidungsprozesses werden Alternativen gesucht, die zur Erfüllung der Ziel- und Mittelaussage geeignet sind. Daneben werden spezielle Zielkriterien festgelegt, die für die Entscheidung über die Alternativen als wichtig angesehen werden. Mithilfe der Zielkriterien werden für jede gefundene Alternative die Konsequenzen ermittelt (Dorow, 1982: 156).
Als Alternativen bei dem hier zu betrachtenden Entscheidungsprozess sind zunächst alle potenziellen Unternehmen die auf dem Markt agieren denkbar. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit sollten jedoch nur solche Unternehmen in die nähere Auswahl rücken, die grundlegende Anforderungen erfüllen. Eine Vorauswahl kann mit Hilfe so genannter „qualifying criteria“ (Reissner, 1992: 152) erfolgen. Welche Kriterien ein einzelnes Unternehmen wählt, ist abhängig von dem verfolgten Zweck der Übernahme. Soll mit der Akquisition der Zugang zu einem neuen Markt ermöglicht werden, so wird der Standort in dem Zielmarkt sicherlich ein „qualifying criteria“ sein. Alle durch die Vorauswahl gefundenen Alternativen werden nun anhand der Zielkriterien bewertet. Auch für die Formulierung dieser „selection criteria“ (Reissner, 1992: 153) ist der Sinn der Akquisition ausschlaggebend. Soll ein Unternehmen durch die Übernahme in einer bestimmten Branche wachsen, so wird der erwartete Marktanteil in diesem Bereich sicherlich ein ausschlaggebendes Zielkriterium für den Käufer darstellen. Eine ausführliche Liste möglicher Zielkriterien bei Unternehmensübernahmen ist von Jung (1993: 53f) aufgestellt worden.
Im dritten Schritt des Grundzielsetzungsprozesses werden die Konsequenzen je Zielkriterium in Abhängigkeit des individuellen Wertesystems beurteilt. Werden diese Konsequenzenwerte zusammengefasst, so lässt sich ein Wert pro Alternative ermitteln. Die optimale Alternative, die das Spezialziel darstellt, wird mit Hilfe des Entscheidungskriteriums gefunden (Dorow, 1978: 66).
Schneidet ein bestimmtes Unternehmen bei der Bewertung der Zielkriterien besonders gut ab, so wird es in dieser Phase des Entscheidungsprozesses als optimaler Übernahmekandidat identifiziert.
Im vierten und letzten Schritt der Grundzielsetzung beginnt der Realisationsprozess. Ein permanenter Soll-Ist-Vergleich und die Aufnahme von neuen Daten soll die Verwirklichung des Spezialzieles sicherstellen (Dorow, 1978: 66).
Nachdem das passende Akquisitionsobjekt gefunden wurde, beginnt der Realisationsprozess durch die Kontaktaufnahme mit dem Zielunternehmen. Eine umfassende Unternehmensbewertung soll den Nutzenerwartungswert ermitteln, der dem Akquisiteur aus der Übernahme entsteht. Dieser Wert bildet die Basis für eine Angebotsformulierung. Erst danach kommt es zu der eigentlichen Erwerbsverhandlung (Witt, 1998: 177). Für eine optimale Gestaltung der Transaktion sollte während des gesamten Realisationsprozesses eine
Akquisitionskontrolle durchgeführt werden (Witt, 1998: 88).
Das durch den Zielsetzungsprozess gefundene Spezialziel stellt eine Konkretisierung des Generalziels dar. Somit bewirkt der Grundzielsetzungsprozess eine mentale Einengung des Handlungsspielraumes[5] der Entscheidungsträger (Dorow, 1982: 157). Es soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Struktur des formalen Zielsetzungsprozesses keine empirische Beschreibung des tatsächlichen Entscheidungsverhaltens darstellt. Komplexe Entscheidungsprozesse, wie sie bei der Suche nach einem geeigneten Akquisitionsobjekt der Fall sind, laufen in der Realität vielschichtiger und nicht zwingend vernunftgemäß ab. Das hier verwendete Modell beinhaltet jedoch eine formale Rationalität[6] und kann dadurch eine rationale Entscheidungsfindung unterstützen (Dorow, 1979: 65). Des Weiteren bietet die Formalstruktur der Zielsetzungsprozesse den analytischen Bezugspunkt zur Aufklärung der Konfliktursachen (Dorow, 1978: 139).
2. Ursachen von Verteilungskonflikten
Haben wenn mehrere Akteure dieselbe optimale Alternative als Spezialziel identifiziert, so tritt ein Verteilungsproblem auf. Fällt die Wahl auf eine Wertmenge[7], die teilbar ist und sind die unterschiedlichen Zielvorstellungen miteinander vereinbar, dann verläuft die Verteilung harmonisch (Holm, 1970: 4). Ist dies jedoch nicht der Fall, dann kann sich das Verteilungsproblem zu einem sozialen Konflikt ausweiten. Abbildung C- 1 soll den Ursprung eines Verteilungsproblems und die Entstehung des Verteilungskonfliktes verdeutlichen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung C- 1. Der Ursprung eines Verteilungsproblems und die Entstehung eines Verteilungskonfliktes
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Dlugos (1981: 656)
Bei der Erforschung der Konfliktursachen kann man zwischen Kausalfaktoren erster und zweiter Ordnung unterscheiden (Holm, 1970: 67). Erstere sind die Faktoren, die den Konflikt direkt auslösen. Kausalfaktoren zweiter Ordnung sind solche, die die Faktoren erster Ordnung erzeugen und somit indirekt für den Konflikt verantwortlich gemacht werden können. Zunächst sollen die Kausalfaktoren erster Ordnung näher erläutert werden.
Ein sozialer Verteilungskonflikt entsteht, wenn die Forderungen eines Mitglieds des sozialen Systems[8] bezüglich einer Wertmenge auf Ablehnung eines anderen Mitglieds stoßen (Holm, 1970: 24). Zu einer solchen Ablehnung kann es bspw. kommen, wenn beide Akteure nach einer „kapitalistischen“ Verteilungsideologie vorgehen. Dies bedeutet, dass jeder „immer und ständig nach einem Maximum strebt – gleichgültig, wie viel er schon hat“ (Holm, 1970: 52). Diese Verteilungsideologie führt dazu, dass in einem sozialen System Forderungsüberschneidungen bezüglich der Wertmenge entstehen, weil beide Partner Anteile dieser Menge benötigen, die in der Summe > 100% der Wertmenge sind, um ihre jeweiligen Ziele realisieren zu können (Dorow, 1978: 147). Die Konfliktparteien stehen dabei in keinem Austauschverhältnis zueinander und würden gerne auf die andere Partei verzichten, da ihnen so die gesamte Wertmenge zukommen würde. Der Konflikt ist geprägt von einer Nullsummenbeziehung, in der der Gewinn des Einen, der Verlust des Anderen ist (Dlugos, 1981: 663).
Der Ursprung eines Verteilungsproblems bei Unternehmensübernahmen kann in dem dritten Schritt des Zielsetzungsprozesses gefunden werden, wenn zwei Unternehmen dieselbe Zielgesellschaft als optimale Alternative identifiziert haben. Verfolgen beide Unternehmen rein finanzielle Motive, d.h. erhoffen sie sich steigende Aktienkurse, so können sie bis zu einer gewissen Schwelle Anteile des Unternehmens an der Börse erwerben (Berens et al., 2002: 37). Obwohl in einem solchen Fall beide Unternehmen Interesse an demselben Objekt haben, kommt es zu einer harmonischen Verteilung der Anteile. Streben im Gegensatz dazu beide Unternehmen mindestens eine Mehrheitsbeteiligung an, so entsteht ein Verteilungskonflikt zwischen den potenziellen Käufern, da nur ein Unternehmen die Mehrheit an dem Zielunternehmen erreichen kann.
Als Kausalfaktoren zweiter Ordnung können bspw. die begrenzenden Rahmenbedingungen des Handlungsspielraumes betrachtet werden (Dorow, 1978: 147). Dabei kann zwischen personen- und sachbedingten Rahmenbedingungen unterschieden werden (Dorow, 1978: 135). Dlugos (1981: 666) identifiziert u.a. die öffentliche Meinung, die Gesetzgebung, Gerichtsentscheidungen, Abkommen und die Bereitschaft zur Kooperation als allgemein begrenzende Faktoren. Viele dieser Gegebenheiten üben allerdings nicht per se eine einengende Wirkung aus. Vielmehr kommt ihnen gegenüber einer Vielzahl von Realisationsvorgängen eine neutrale Bedeutung zu. Rahmenbedingungen begrenzen den Handlungsspielraum erst, wenn sie die Verwirklichung eines konkreten Zieles behindern (Hannig, 1969: 470). Zum einen können die Faktoren indirekt einen Konflikt auslösen, weil sich ein Akteur gegenüber seinen tatsächlichen oder erwarteten Rahmenbedingungen weiteren Begrenzungen ausgesetzt sieht. Dadurch wird er in seiner Zielrealisation eingeschränkt. Zum anderen kann der Akteur beim Versuch, seinen Spielraum zu erweitern, um die Verwirklichung seines individuellen Zieles zu verbessern, auf kollidierende Interessen anderer Akteure stoßen (Dorow, 1978: 139).
Als ein konfliktgenerierender Begrenzungsfaktor des Handlungsspielraumes bei Unternehmensübernahmen ist auf nationaler Ebene vor allem das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) zu nennen. Das Bundeskartellamt kann innerdeutsche Zusammenschlüsse untersagen, wenn der Akquisiteur durch die Übernahme eine marktbeherrschende Stellung einnehmen würde (GWB, 1998: §48). Auf europäischer Ebene ist die Europäische Kommission aufgrund der Fusionskontrollverordnung (FKVO) legalisiert, Zusammenschlüsse zu verhindern (FKVO, 2004: Artikel 21). Stimmt bspw. das Bundeskartellamt einer geplante Übernahme nicht zu, so sieht sich potenzielle Käufer dadurch zusätzlichen Begrenzungen seines Spielraumes ausgesetzt. Versucht dieser nun in anderen europäischen Ländern zu akquirieren und wird die geplante Übernahme von der EU-Kommission genehmigt, so konnte das Unternehmen seinen zunächst begrenzten Handlungsraum wieder erweitern. Bei dem Versuch, in einen neuen Markt einzutreten, kann es jedoch zu Verteilungskonflikten kommen, wenn der potentielle Käufer auf kollidierende Interessen anderer Unternehmen stößt, die ebenfalls in diesem Markt akquirieren wollen.
II. Konflikthandhabung
1. Einseitige Konflikthandhabung
Ein wahrgenommener Verteilungskonflikt kann bei den Konfliktparteien das Bedürfnis auslösen, Maßnahmen der Zielsicherung einzuleiten[9]. Ein Akteur kann jedoch nur dann erfolgreich die Zielsetzung bzw. den Handlungsspielraum seines Kontrahenten determinieren, wenn er über gewisse Machtgrundlagen verfügt (Blazejewski, 2004: 13).
Bevor näher auf die Machtbasen eingegangen wird, soll zunächst aus Gründen der Vereinfachung davon ausgegangen werden, dass nur ein Akteur (im Folgenden auch A genannt) über solche Machtgrundlagen verfügt. Diese wendet er an, um den Konfliktpartner (im Folgenden auch B genannt) zur Revision seines kollidierenden Spezialziels zu veranlassen. Zwischen den Konfliktparteien herrscht demnach ein Machtgefälle; sie stehen in einer asymmetrischen Machtrelation zueinander (Dorow, 1978: 184).
a. Machtproblematik
In der vorliegenden Arbeit wird Macht im Sinne der relationalen Theorien, bei denen der Machtadressat B mit in die Betrachtung einbezogen wird, verstanden. Nicht relationale Konzeptionen weisen dagegen die Schwäche auf, dass sie Macht einseitig auf den machtüberlegenen A ausrichten. Dieser besitzt demnach Macht, weil er über gewisse Ressourcen verfügt und diese anwendet. Wird Macht dagegen als relationales Phänomen betrachtet, so hat A nicht Macht an sich, sondern nur über einen konkreten Machtunterlegenen (Sandner, 1992: 13ff).
aa. Das Machtbasenmodell von French und Raven
Eines der bekanntesten relationalen Modelle ist das Machtbasenmodell von French und Raven (1968). Die beiden Wissenschaftler haben insgesamt sechs verschiedene Machtgrundlagen bestimmt, über welche Akteur A in seiner Beziehung zu B verfügen kann[10].
Obwohl die Identifizierung der Machtbasen die Vorraussetzung für die Analyse von Zielsicherungsprozessen darstellt, wird das Modell von French und Raven hier nicht verwendet. An der Konzeption ist u.a. kritisch anzumerken, dass sich die Machtgrundlagen in diesem Modell zum Teil überschneiden und Interdependenzen im Hinblick auf personale und formale Aspekte auftreten[11]. Für den weiteren Verlauf der Arbeit ist jedoch eine Trennung von personalen und formalen Machtquellen notwendig, da nur so die Grundlagen der Konflikthandhabungsmaßnahmen fassbar gemacht werden können. Eine solche differenzierte Betrachtung biete das unternehmenspolitische Konfliktmodell.
bb. Machtgrundlagen aus unternehmenspolitischer Sicht
In der Unternehmenspolitik werden Machtbasen als Determinierungsgrundlagen bezeichnet. Elemente dieser Grundlagen sind Determinierungsquellen, Determinierungsmittel und zum Teil auch die Akzeptanz des Machtadressaten (Dorow, 1978: 189ff).
Formale Determinierungsquellen bestehen aus der Legitimität des Akteurs A für die Sicherung seiner Ziele, die ihm zur Verfügung stehenden Real- und Nominalgüter einzusetzen. Formale Quellen sind übertragbar und nicht an eine bestimmte Person gebunden. Im Gegensatz dazu sind personale Determinierungsquellen unmittelbar von dem Akteur abhängig. Dabei kann man zwischen dem Wissen bzw. der Sachkenntnis (funktionale Autorität) und der Persönlichkeit des Individuums (personale Autorität) unterscheiden.
Die zur Verfügung stehenden Determinierungsquellen stellen jedoch lediglich die Voraussetzung für die Konflikthandhabung dar. Erst wenn diese genutzt werden und aus ihnen Determinierungsmittel abgeleitet werden, ist eine Konflikthandhabung möglich (Dorow, 1978: 194). Als Determinierungsmittel werden primäre und sekundäre Informationen sowie materielle und nicht materielle Äquivalente angesehen. Während primäre Informationen unmittelbar über die Tatbestände des Konfliktes informieren, verweisen sekundäre Informationen auf die Determinierungsquellen des Determinierenden. Äquivalente können von dem Adressat positiv oder negativ beurteilt werden. Von großer Bedeutung sind dabei die Bedürfnisse der Konfliktpartei B (Dorow, 1978: 195). Hat diese kein Interesse an den angebotenen Kompensationen, wird eine Determinierung mit diesen Mitteln fehlschlagen.
Inwieweit die Determinierungsgrundlagen wirken, hängt zum Teil auch von der Akzeptanz des Konfliktpartners ab (Dorow, 1979: 373). Wird die Zielsetzung von B direkt determiniert (Zieldeterminierung), so ist die Machtausübung von A nur dann wirksam, wenn B die Machtbasen von A anerkennt und sie zum Anlass nimmt, sein eigenes Ziel zu ändern. Dagegen setzen Konflikthandhabungsprozesse, die den Handlungsspielraum des Konfliktpartners einengen (Umfelddeterminierung) keine Akzeptanzbereitschaft von B voraus.
b. Zieldeterminierung
Bei der Zieldeterminierung versucht Akteur A mithilfe des Determinierungsmittels Information, den Konfliktpartner B von seinem Spezialziel abzuhalten. Dies kann in Form von Überzeugung, Manipulation und/oder durch die Ankündigung positiver oder negativer Sanktionen geschehen (Dorow, 1982: 173). Eine erfolgreiche Zieldeterminierung setzt voraus, dass zwischen den beiden Konfliktparteien die Kommunikation gewährleistet ist und Akteur B die Determinierungsmittel des anderen als Anlass für eine Revision akzeptiert (Dorow, 1982: 175). Des Weiteren wird von einem rational handelnden Akteur ausgegangen (Dorow, 1978: 208).
Versucht Akteur A das Zielsystem des anderen durch Überzeugungsarbeit zu determinieren, so informiert er diesen nach bestem Wissen und Gewissen über die Situation. Dabei übt er keinerlei Druck (bspw. durch das Ankündigen von Sanktionen) auf Akteur B aus (Sandner, 1992: 109). Reichen die primären Informationen nicht aus, um B von seiner Zielrealisation abzuhalten, so kann der Determinierende auch sekundäre Informationen einsetzen, um dadurch seine Glaubwürdigkeit zu unterstreichen (Dorow, 1978: 212).
Bei einer Manipulation verschweigt A dagegen seine wahren Interessen. Diese Art der Determinierung wird vor allem dann angewendet, wenn Akteur A davon ausgeht, dass sich der Konfliktpartner B dem Einwirkungsversuch widersetzen würde, wenn er die tatsächlichen Absichten des Gegners kennen würde (Bütow & Dorow, 1977: 306). Typisch ist eine zu Gunsten des Determinierenden einseitige und verzerrte Informationsdarbietung (Dorow, 1978: 213). Nach Sander (1992: 108f) stellt auch das Einschmeicheln einen Versuch direkter Manipulation dar. Für den Erfolg dieser Konflikthandhabungsalternative ist es notwendig, dass B den Manipulationsversuch nicht erkennt. Ist sich dieser der Manipulation durch A dagegen bewusst, so wird dadurch die soziale Beziehung der beiden Konfliktpartner negativ beeinflusst (Sander, 1992: 109).
Des Weiteren ist es möglich, den Konfliktpartner durch die Ankündigung von Sanktionen zur Revision seines Zieles zu bewegen. Positive Sanktionen sollen die Situation des Akteurs B verbessern, wenn dieser bereit ist, sein Ziel im Sinne des Kontrahenten zu verändern. Im Gegensatz dazu soll B durch die Androhung von negativen Sanktionen glaubhaft gemacht werden, dass er sich gegenüber seiner Ausgangssituation verschlechtert, wenn er sich nicht dem fremden Ziel anpasst (Dorow, 1982: 174). Neben den oben genannten Voraussetzungen für eine wirksame Zieldeterminierung muss der zu Determinierende für eine erfolgreiche Wirkung der angekündigten Sanktionen auch von der Glaubwürdigkeit des A überzeugt sein (Pruitt & Kim, 2004: 66). Er muss annehmen, dass der andere die Belohnung bzw. Bestrafung tatsächlich durchführen kann und auch ausführen wird. Der Determinierende muss also nicht nur über formale und/oder personale Machtquellen verfügen, er muss auch die entsprechend notwendigen Determinierungsmittel einsetzen können. Dabei spielen besonders materielle und immaterielle Äquivalente eine Rolle (Bütow & Dorow, 1977: 306).
aa. Zieldeterminierung der Zielgesellschaft
Bei einem Bieterwettbewerb muss beachtet werden, dass die Aktionäre der Zielgesellschaft über die Annahme des Übernahmeangebotes entscheiden. Für die Bieter ist es also in erster Linie wichtig, die Anteilseigner von der Offerte zu überzeugen. Ein potenzieller Käufer eines Unternehmens verfügt über die formale Determinierungsquelle, die ihm zur Verfügung stehenden Nominalgüter einzusetzen. Mit dem Angebot von monetären Äquivalenten versucht ein Unternehmen, die Aktionäre der Zielgesellschaft zum Verkauf ihrer Anteile zu bewegen. Aus Sicht der Aktionäre ist eine Offerte umso besser, je höher der angebotene Preis pro Aktie ist. Das Angebot muss dabei mindestens dem aktuellen Börsenwert entsprechen (Houben, 2000: 2).
Daneben sollte auch das Management der Zielgesellschaft von der Übernahme überzeugt werden, da es die geplante Übernahme als feindlich einstufen könnte. Ist letzteres der Fall, dann tritt der potenzielle Käufer in einen Konflikt mit der Zielgesellschaft. Die Führungsebene wird daraufhin den Aktionären vom Verkauf abraten und eventuell weitere Abwehrmaßnahmen einleiten. Bei der Beeinflussung des Managements der Zielgesellschaft sind neben formalen auch personale Determinierungsquellen ausschlaggebend. Die Akteure, die Verhandlungen mit der Führungsmannschaft des Akquisitionsobjektes führen, müssen nicht nur einen angemessenen Kaufpreis bieten, sie müssen auch fachliche Qualitäten (funktionale Autorität) und kommunikative Fähigkeiten (persönliche Autorität) besitzen (Witt, 1998: 180).
Die Unterstützung des Managements zu erhalten wird dadurch erschwert, dass dieses bei einer erfolgreichen Übernahme möglicherweise seine Stellung und sein Einkommen verliert (Bank, 2006: 20). Ein Bieter kann versuchen, das Management durch die Kombination aus Information und dem Angebot von Äquivalenten zu beeinflussen. Ein potenzieller Käufer kann der Führungsmannschaft bspw. versichern, dass er diese bei einer erfolgreichen Akquisition ebenfalls übernehmen wird. Zudem kann er durch einen hohen Kaufpreis den Unternehmenswert steigern. Je höher die angebotene Prämie ist, desto niedriger ist dabei die Wahrscheinlichkeit, dass das Management Abwehrmaßnahmen initiiert[12] (Jennings & Mazzeo, 1993).
Gelingt es einem Bieter, durch die erfolgreiche Einflussnahme auf das Management und auf die Aktionäre der Zielgesellschaft die Mehrheit an dieser zu erreichen, so hat er gleichzeitig den Mitbieter von der Übernahme abgehalten. Die Zieldeterminierung dieser Akteure stellt für ein Unternehmen in einem Bieterkonflikt demnach eine Möglichkeit dar, seine eigenen Interessen zu sichern.
bb. Zieldeterminierung des Mitbieters
Neben der Einflussnahme auf die Zielgesellschaft kann ein Bieter ebenso versuchen, unmittelbar auf das Zielsystem seines Konkurrenten einzuwirken. Es ist vorstellbar, dass dem Kontrahenten positive Sanktionen angekündigt werden, falls sich dieser aus dem Bieterkampf zurückzieht. Nicht selten hat ein Mitbieter bereits im Vorfeld ein Aktienpaket an dem Akquisitionsobjekt erworben. In diesem Fall kann das andere Unternehmen versuchen, das Aktienpaket des Kontrahenten zu erwerben (Hölters, 2005: 11). Dem Konfliktpartner muss dabei eine hohe Prämie angeboten werden, damit er sich durch den Verkauf seiner Anteile finanziell besser stellen kann als ohne die Veräußerung.
Als Beispiel soll hier der Konflikt zwischen den Pharmakonzernen Merck und Bayer um die Akquisition von Schering genannt werden. Merck hatte sich im Verlauf des Übernahmeprozesses von Bayer ca. 22 % der Schering-Aktien über die Börse gesichert. Dadurch wurde die Akquisition durch den Bayer-Konzern, der mindestens eine Dreiviertelmehrheit an Schering anstrebte, gefährdet. Damit Merck sein Aktienpaket an Bayer veräußert, zahlte der Konzern 89 Euro pro Schering-Aktie, obwohl das offizielle Übernahmeangebot von Bayer lediglich 86 Euro betrug. Merck verkaufte letztendlich sein Aktienpaket an den Kontrahenten und verbuchte dadurch einen Veräußerungsgewinn in Höhe von ca. 400 Mio. Euro (Maisch, 2006: 26).
Den Mitbieter durch Überzeugungsarbeit bzw. Manipulation von der geplanten Akquisition abzuhalten, bietet sicherlich nur geringe Chancen auf Erfolg. Da die in einem Bieterkampf involvierten Unternehmen nicht voneinander abhängig sind und am liebsten auf den anderen verzichten würden, werden sie die Informationen der Wettbewerber kaum zum Anlass nehmen, ihr eigenes Ziel freiwillig aufzugeben. Auch die Ankündigung von negativen Sanktionen wird in der Regel nicht zum gewünschten Ergebnis führen, da die Wettbewerber nicht über die nötigen Determinierungsquellen verfügen, um die Situation des anderen im Vergleich zur Ausgangslage zu verschlechtern.
c. Umfelddeterminierung
Sind die Vorraussetzungen für eine erfolgreiche Zieldeterminierung nicht gegeben oder bleibt diese wirkungslos, so kann Konfliktpartei A auch versuchen, ihren Gegner B mithilfe der Umfelddeterminierung von seiner Zielrealisation abzuhalten. Dabei wird, unabhängig von der Zustimmung des Konfliktpartners, Einfluss auf die Begrenzungsfaktoren des Handlungsspielraumes von B genommen. Die Situation von B wird zwangsweise verschlechtert, wenn dieser durch die Konflikthandhabungsmaßnahmen von A in der Verwirklichung seines Ziels behindert oder unterbrochen wird (Dorow, 1978: 209).
Für eine erfolgreiche Umfelddeterminierung muss der Handlungsspielraum des Konfliktpartners B soweit eingegrenzt werden, dass die Nachteile, die diesem dadurch entstehen, größer sind als die Vorteile, die er bei einer weiteren Verfolgung seines kollidierenden Spezialziels erreichen würde (Dorow, 1982: 177). Auf die begrenzenden Faktoren des Handlungsspielraumes kann Akteur A auf zwei Arten einwirken. Kontrolliert er die entsprechend benötigten Determinierungsgrundlagen, so kann er selbst unmittelbar die Handlungsfreiheit des Akteurs B beeinträchtigen. Durch die Ausübung gesetzlicher Rechte oder die Realisation von angekündigten, negativen Sanktionen kann die Handlungsfreiheit von B soweit eingeschränkt werden, dass die Zielerreichung von A nicht mehr gefährdet ist (Dorow, 1982: 176). Des Weiteren kann Akteur A mittelbar auf den Handlungsspielraum seines Konkurrenten einwirken. Diese Möglichkeit ist besonders attraktiv, wenn A nicht selbst über das notwendige Machtpotenzial verfügt, jedoch Einfluss auf andere Akteure hat, die diese Bedingung erfüllen. Bei der mittelbaren Umfelddeterminierung werden dritte Parteien in den Konflikt einbezogen, von denen angenommen wird, dass diese den Handlungsspielraum des Gegners einengen können. Diese neuen Akteure können dann ihrerseits Aktionen der Ziel- oder Umfelddeterminierung durchführen (Blazejewski, 2004: 12). Ein Vorteil der mittelbaren Umfelddeterminierung besteht darin, dass A nicht immer als der tatsächliche Verantwortliche ausgemacht werden kann, da dieser im Hintergrund wirkt und der Konfliktpartner seine Umfeldbegrenzung durch einen Dritten wahrnimmt. Pruitt & Kim (2004: 231) und Blazejewski (2004: 12) machen darauf aufmerksam, dass A nicht zwingend den Eingriff durch Dritte auslösen muss. Außenstehende können auch aus eigener Initiative in das Konfliktgeschehen eingreifen. Dies wäre der Fall, wenn sie das eigene Wohlergehen oder das ihrer Umwelt durch den Konflikt als gefährdet betrachten oder wenn sie auf der Seite einer der Konfliktparteien stehen.
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Alternativen der Ziel- und Umfelddeterminierung auch kombiniert angewendet werden können (Bütow & Dorow, 1977: 305).
Abbildung C- 2 stellt die Möglichkeiten der einseitigen Konflikthandhabung durch Unternehmen A grafisch dar. Dabei veranschaulichen die Kreise die individuellen Handlungsspielräume von Unternehmen in einem Bieterwettbewerb. Unternehmen A kann im Konfliktfall mithilfe von Maßnahmen der Ziel- bzw. Umfelddeterminierung auf das Zielsystem des Konfliktpartners B bzw. auf die begrenzenden Rahmenbedingungen seines Handlungsspielraumes einwirken, um seine eigenen Interessen zu sichern.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung C- 2. Möglichkeiten der einseitigen Konflikthandhabung
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Blazejewski (2004: 12)
aa. Unmittelbare Umfelddeterminierung des Mitbieters
Erhöht im Verlauf eines Bieterwettbewerbs Unternehmen A seine Offerte, so ist dies eine Maßnahme der Zieldeterminierung der Aktionäre des Akquisitionsobjektes. Gleichzeitig hat der Bieter mit dieser Handlungsweise den Spielraum des Kontrahenten unmittelbar eingeschränkt. Will dieser weiterhin die Mehrheit an der Zielgesellschaft erreichen, so muss er zwangsläufig sein eigenes Angebot aufstocken (Lipuscek, 2005: 32). Ist Kontrahent B aufgrund seiner finanziellen Restriktion dazu jedoch nicht in der Lage, steigen für Akteur A die Chancen, die Transaktion durchführen zu können. Mit einem höheren Angebot kann ein Bieter seinen Konkurrenten demnach in seiner Zielrealisation behindern oder sogar davon abhalten. Akteur A muss dabei jedoch beachten, dass er mit einer erhöhten Offerte auch seinen eigenen finanziellen Handlungsspielraum einengt.
Als Beispiel für die Konflikthandhabung mithilfe der unmittelbaren Umfelddeterminierung soll der Bieterkonflikt zwischen dem US Mobilfunkanbieter Cingular und dem britischen Konzern Vodafone um die Übernahme des AT&T Konzerns dienen. Zunächst hatten beide Unternehmen ein offizielles Übernahmeangebot in Höhe von 13 US-Dollar pro AT&T-Aktie abgegeben. Während Cingular sein Angebot auf 15 Dollar aufstockte, verbesserte Vodafone seine Offerte nicht. Der britische Mobilfunkkonzern zog sich aus dem Bieterwettbewerb zurück; das US-amerikanische Unternehmen konnte die Akquisition durchführen (Handelsblatt, 2004: 1).
bb. Mittelbare Umfelddeterminierung des Mitbieters
Verfügt Unternehmen A nicht über die benötigten Determinierungsmittel, um den Handlungsspielraum seines Konkurrenten selbst einzuschränken, so können auch Dritte in den Konflikt eingreifen und Konflikthandhabungsmaßnahmen einleiten.
Zu den einflussreichsten umfeldbegrenzenden Akteuren zählen sicherlich die nationalen Regierungen. Gerade bei innereuropäischen Übernahmeversuchen intervenieren seit einigen Jahren verstärkt die Regierungen der Länder, in denen die Zielgesellschaften beheimatet sind, in den Akquisitionsprozess, da sie aus den unterschiedlichsten Gründen eine Übernahme heimischer Unternehmen durch ausländische Bieter verhindern wollen (Härtel, 2006: 58).
So leitete bspw. die französische Regierung die Fusion des teilstaatlichen Gaskonzern Gaz de France mit dem Energie- und Wasserkonzern Suez ein, um diesen vor einer Übernahme durch den italienischen Energieunternehmen Enel zu schützen (Flauger & Alich, 2007: 2).
d. Konsequenzen der einseitigen Konflikthandhabung
Die Alternativen der Zielsicherungsmaßnahmen können verschiedene Konsequenzen hervorrufen. Blazejewski (2004: 13ff) unterscheidet dabei zwischen drei verschiedenen Arten von Konflikthandhabungskonsequenzen. Bei Effekten erster Ordnung handelt es sich um die Auswirkungen, die der Zielsicherungsprozess auf die Konfliktpartner und auf ihre Beziehung hat. Dabei können Konflikte nicht nur dysfunktionale Wirkungen, wie Frustration und gegenseitiges Misstrauen, sondern auch funktionale, positive Effekte, wie Kreativität und Persönlichkeitsentwicklung auslösen (Wall, Callister 1995: 525). Effekte zweiter Ordnung entstehen, wenn Aktionen der Umfelddeterminierung strukturelle oder institutionelle Veränderungen im Konfliktumfeld bewirken. Diese können durchaus absichtlich hervorgerufen werden, um bspw. die Konflikthäufigkeit in Zukunft zu mindern (Rahim, 2002: 228f). Von diesen Modifikationen sind demnach nicht nur die Konfliktpartner selbst betroffen, sondern eventuell auch andere Akteure in dem Umfeld des Konfliktes.
Werden durch die Konflikthandhabungsaktionen in der ersten Konfliktepisode[13] die Handlungsspielräume der Kontrahenten in der Art verändert, dass diese mit den Spielräumen von anderen Parteien kollidieren, so sind dies Effekte dritter Ordnung. Der ursprüngliche Konflikt hat dadurch unbeabsichtigte Nebeneffekte auf bisher außenstehende Parteien. Diese können daraufhin in den Konflikt eintreten, da sie ihre eigenen Interessen als gefährdet betrachten. Demzufolge werden neue Streitthemen in den Konflikt gebracht, dieser wird komplexer und kann weitere Konfliktepisoden durchlaufen (Blazejewski, 2004: 14f).
In Abbildung C- 3 ist eine Konfliktepisode dargestellt. In der Graphik werden auch die möglichen Konsequenzen der Handhabungsaktionen veranschaulicht. Zudem können die Zielsicherungsmaßnahmen des Machtüberlegenen A zu verschiedenen Ergebnissen führen[14]. Es ist z.B. vorstellbar, dass der Konflikt nach nur einer Konfliktepisode beendet wird. Dies wäre der Fall, wenn die Determinierungsaktionen des Akteurs A bei dem Konkurrenten B eine vollständige Zielaufgabe bzw. Zielanpassung hervorriefen. Der Konflikt kann ebenfalls weitere Episoden durchlaufen, wenn Effekte 3. Ordnung auftreten und/oder wenn Akteur B ebenfalls über bestimmte Machtgrundlagen verfügt und seinerseits Zielsicherungsmaßnahmen einleitet (Dorow, 1982: 168).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung C- 3. Konfliktepisode, Konsequenzen der Determinierungsaktionen und mögliche Ergebnisse der einseitigen Konflikthandhabung
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Blazejewski (2004: 10)
[...]
[1] Bei internationalen Akquisitionen ist zu beachten, dass die Regelung für Pflichtangebote in verschiedenen Ländern variieren kann (vgl. Fockenbrock & Fröndhoff, 2007: 18). In Deutschland liegt die Erwerbsschwelle bei 30% der Stimmrechte (WpÜG, 2001: § 29).
[2] Als weiterführende Literatur zu möglichen Abwehrmaßnahmen sind die Arbeiten von Sieben & Stein (1992), Weisner (2000), Bank (2005) zu empfehlen.
[3] Sozialwissenschaftliche Ansätze beschäftigen sich mit Konflikten zwischen verschiedenen sozialen Einheiten (Individuen, Gruppen oder Organisation). Andere Konfliktansätze, wie z.B. intraindividuelle Konflikte (vgl. Lewin 1963: 293ff) werden in dieser Arbeit nicht näher betrachtet.
[4] Vgl. Pondy (1967: 298); Thomas (1992: 653); Glasl (2004: 17). Eine Übersicht über die Klassifizierungsmöglichkeiten geben u.a. Grunwald & Redel (1989: 536f).
[5] Der individuelle Handlungsspielraum eines Akteurs bezeichnet den Freiheitsgrad, mit dem dieser in einer Entscheidungssituation seine Ziele realisieren kann (Dorow, 1979: 135).
[6] Formale Rationalität bedeutet, dass die Art des Zustandekommens als rational betrachtet werden kann, weil die Entscheidung bewusst gefällt wurde (Gäfgen, 1974: 26).
[7] Ein Unternehmen soll in dieser Arbeit als Wertmenge bezeichnet werden, da es sich dabei auch um ein materielles Gut handelt und damit in die Begriffsdefinition „werthabender Dinge“ (Holm, 1970: 16) fällt.
[8] Akteur A und B bilden ein soziales System, wenn ihre Handlungen beim jeweils anderen zu Folgewirkungen führen (Holm, 1970: 15).
[9] Auf die Möglichkeit apolitischer Reaktionen (bspw. gegenseitige Zielanpassung ohne den Einsatz von Konflikthandhabungsmaßnahmen (vgl. Dorow, 1982: 167ff); Konfliktignorierung (vgl. Thomas, 1992: 669)) soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden.
[10] French und Raven unterscheiden zwischen reward, coercive, legitimate, referent, expert und informational power. Als weiterführende Literatur sind die Arbeiten von French und Raven (1968) und Sandner (1992) zu empfehlen.
[11] Es bleibt z.B. ungeklärt, aufgrund welcher Quellen der Machtüberlegene bei der Identifikationsmacht als attraktiv von dem Machtunterlegenen bewertet wird. Auch die Belohnungs- bzw. Bestrafungsmacht kann sowohl von personalen Fähigkeiten als auch von formalen Grundlagen abhängen.
[12] Zudem kann ein potenzieller Käufer durch eine hohe Offerte die Wahrscheinlichkeit eines Konkurrenzangebotes verringern. Jennings und Mazzeo (1993) fanden heraus, dass der Einstieg weiterer Wettbewerber umso unwahrscheinlicher ist, je höher die angebotene Prämie ist. Nach einer Studie von Fishman (1989) ist die Wahrscheinlichkeit eines Gegenangebotes umso niedriger, je höher der Baranteil der Offerte ist.
[13] Der Begriff Konfliktepisode geht auf Pondy (1967) zurück, der eine Episode in verschiedene Unterprozesse eingeteilt hat. In dieser Arbeit wird unter einer Konfliktepisode ein Zyklus verstanden, der sich aus der Konfliktentstehung, Handhabung und den Konsequenzen bzw. Ergebnissen des Konfliktes zusammensetzt.
[14] Die Ergebnisse der Konflikthandhabungsaktionen werden in Kapitel C.III.1. dieser Arbeit ausführlich behandelt.
- Arbeit zitieren
- Jana Grunwald (Autor:in), 2007, Verteilungskonflikte bei innereuropäischen Unternehmensübernahmen im Energiesektor am Beispiel E.on / Gas Natural, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85341
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