Leseprobe
Inhaltsübersicht
I Einleitung
II Die humanitäre Intervention der UNO - von Peace- Keeping zu Peace- Enforcing
1. Humanitäre Intervention
1.1 Der Begriff der humanitären Intervention
1.2 Die völkerrechtliche Betrachtungsweise
1.3 Sind Humanitäre Einsätze Aufgabe der UNO ?
2. Die Peacekeeping- Einsätze der UNO
2.1 Die Entstehung von Peacekeeping
2.2 Ziel und Aufgaben bei Peacekeeping- Einsätzen
2.3 Die Problematik von Peacekeeping
3. Vom Peacekeeping zum Peaceenforcing
3.1 Der Unterschied zwischen Peacekeeping und Peaceenforcing
3.2 Das Scheitern von Peaceenforcing in Jugoslawien
III Fazit und Ausblick
IV Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Die Vereinten Nationen setzen sich im 1. Artikel ihrer Charta unter anderem zum Ziel, „...den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahme zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen...“.1
Dazu gehören auch humanitäre Interventionen, sogenannte Peacekeeping- und Peaceenforcing- Einsätze. Die Entstehung, Entwicklung und die Problematik dieser Kollektivmaßnahmen der Vereinten Nationen sollen in dieser Arbeit dargestellt werden.
Im ersten Teil wird der Unterschied zwischen Intervention im eigentlichen Sinne und dem Begriff der humanitären Intervention erläutert. Darauf aufbauend wird im zweiten Teil der Arbeit gezeigt, wie die UNO diese Kollektivmaßnahmen in der Vergangenheit mit Hilfe von Peacekeeping- Einsätzen umgesetzt hat. An Hand des Beispiels Jugoslawien gehe ich im dritten Teil auf die Entwicklung vom Peacekeeping zum Peaceenforcing ein.
Am Schluss der Arbeit soll der Frage nachgegangen werden, ob Peacekeeping- oder Peaceenforcing- Einsätze ein geeignetes Mittel zur Herstellung von Frieden in Krisenregionen darstellen, oder ob es anderer Maßnahmen bedarf.
II Die humanitäre Intervention der UNO - von Peacekeeping zu Peaceenforcing
1. Humanitäre Intervention
1.1 Der Begriff der humanitären Intervention
Zunächst möchte ich den Unterschied zwischen Intervention und humanitärer Intervention darstellen.
Als Intervention bezeichnet man die Einmischung in die inneren und/oder äußeren Angelegenheiten eines Staates durch Anwendung von militärischer Gewalt. Davon ist der Begriff der humanitären Intervention jedoch klar zu trennen. Ursprünglich bezeichnete man als humanitäre Intervention den Eingriff eines Staates in einen anderen Staat, in welchem eigene Staatsbürger bedroht waren, was heute allerdings als „humanitäre Rettung“ bezeichnet wird.2 Unter humanitärer Intervention versteht man nun den Einsatz von militärischer Gewalt um „humanitäre“ Ziele durchzusetzen. Der Zweck der Gewaltanwendung ist der Schutz der Bevölkerung jenes Staates, der nicht in der Lage ist diese Schutzfunktion selbst auszuführen.3 Die zu schützende Bevölkerung muss vom Tode oder schweren Menschenrechtsverletzungen bedroht sein, entweder durch die eigene Regierung, durch fremde Eingriffe oder durch die allgemeine anarchistische Lage.
Zusammenfassend kann man sagen, dass humanitäre Intervention den Einsatz von Waffengewalt zum Schutz von Menschen bedeutet.
1.2 Die völkerrechtliche Betrachtungsweise
In diesem Abschnitt wird dargestellt, warum die humanitären Interventionen der UNO rechtmäßig sind. Die Gründe für die Rechtmäßigkeit finden sich in der Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945.
Ein grundlegendes Prinzip der UNO ist die Nichtintervention in die inneren Angelegenheiten der Staaten und das Gewaltverbot.4 Diese Prinzipien stehen aus rechtlicher Sicht jedoch nicht im Gegensatz zur humanitären Intervention. Eine Befugnis zum Eingreifen in innerstaatliche Angelegenheiten darf zwar grundsätzlich nicht aus der Charta abgeleitet werden, Maßnahmen nach Artikel VII sind von diesem Grundsatz jedoch ausgenommen.5 Die Maßnahmen nach Artikel VII beziehen sich auf Handlungen, welche die Bedrohung oder den Bruch des Friedens hervorrufen. Die Feststellung solcher Handlungen obliegt dem Sicherheitsrat.6 Dieser beschließt zunächst friedliche Sanktionsmaßnahmen, das heißt ohne Waffengewalt. Erweisen sich diese Maßnahmen als unzulänglich, können auch militärische Mittel eingesetzt werden.7
Die Rechtmäßigkeit der humanitären Intervention kann also - rein rechtlich gesehen - aus der Charta der Vereinten Nationen abgeleitet werden.
1.3 Sind humanitäre Einsätze Aufgabe der UNO?
Die UNO stellt ein System kollektiver Sicherheit dar. Die Organisation setzt , „...den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren...“.8 Daraus kann man ableiten, dass damit die Wahrung des zwischenstaatlichen, nicht aber des innerstaatlichen Friedens gemeint ist. Störungen des innerstaatlichen Friedens, wie zum Beispiel Menschenrechtsverletzungen, fallen somit nicht in den ursprünglichen Aufgabenbereich der UNO.9 Dieses Argument führt jedoch nicht zu einer Ablehnung der humanitären Intervention, da auch schwere Menschenrechtsverletzungen innerhalb von Staaten den Weltfrieden gefährden können. Problematisch kann die Feststellung von Menschenrechtsverletzungen durch den Sicherheitsrat sein, da eine konkrete Definition in der Charta der Vereinten Nationen fehlt. Der Sicherheitsrat muss immer abwägen, wann die Verletzung von Menschenrechten eine Intervention oder zumindest Sanktionen erforderlich macht. Schon die Zusammensetzung des Sicherheitsrates aus den fünf Großmächten China, Frankreich, Großbritannien, Russland und den USA macht deutlich, dass machtpolitische Interessen objektive Entscheidungen verhindern können.
Nach dem Ende des Ost-West- Konfliktes haben sich für die UNO neue Handlungsperspektiven ergeben, die 1992 in der „Agenda für den Frieden“ vom damaligen Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali veröffentlicht wurden. Auch in dieser Agenda werden humanitäre Interventionen und das Eingreifen in innerstaatliche Angelegenheiten nicht explizit erwähnt. Die Darstellung von humanitären Elementen und der Bezug auf Menschenrechtsangelegenheiten lässt jedoch auf Rechtmäßigkeit und Notwendigkeit von humanitären Interventionen schließen.
2. Die Peacekeeping- Einsätze der UNO
2.1 Die Entstehung von Peacekeeping
Ein erster Einsatz von friedenserhaltenden Maßnahmen geht auf das Jahr 1715 zurück, als im Utrechter Frieden zur Vermeidung von erneuten Spannungen zwischen Holland und den Niederlanden Soldaten am Grenzgebiet stationiert wurden. Als unmittelbaren Vorläufer heutiger UNO- Maßnahmen kann man die Aktion des Völkerbundes im Saarland 1934 betrachten. Im Rahmen des Streites zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich um die Zugehörigkeit des Gebietes, wurden - mit Einwilligung beider Staaten - Kontingente aus schwedischen, britischen und niederländischen Soldaten eingesetzt. Diese hatten die Aufgabe, Wahlbüros zu bewachen, Wahlurnen zu eskortieren und Extremisten „im Auge zu behalten“.10 Das Konzept, durch die Präsenz von Truppen die Situation zu stabilisieren zeigt, dass es sich tatsächlich um einen Vorläufer der heutigen Peacekeeping Einsätze handelt.
2.2 Ziel und Aufgaben bei Peacekeeping- Einsätzen
Das Peacekeeping ist eines der wichtigsten Instrumente der UNO zur
Friedenssicherung. Da sie keine eigenen Streitkräfte besitzt, müssen humanitäre Interventionen von Truppen der Mitgliedstaaten ausgeführt werden, wobei das Prinzip der Freiwilligkeit besteht. Ziel ist die Stabilisierung und Bewahrung eines bereits abgeschlossenen Friedens zwischen zwei oder mehreren Konfliktparteien. Dabei stehen zwei wesentliche Aufgaben im Vordergrund. Die erste Aufgabe besteht aus dem Prinzip der Isolation. Dieses besagt, dass eine Ausbreitung des Konfliktes durch Einmischung weiterer Parteien verhindert werden soll. Die zweite Aufgabe ist die Interposition, das heißt die räumliche Trennung der Konfliktparteien, zum Beispiel durch Pufferzonen oder Einrichtung eines Niemandlandes. Durch die Ausführung dieser Aufgaben kann ein integrativer Lernprozess bei den Konfliktparteien entstehen: Der zunächst notgedrungene Verzicht auf Gewalt wird zur Gewohnheit und wird auch nach Abzug der UN- Truppen beibehalten.11
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1 Charta der Vereinten Nationen, Artikel 1 Absatz 1
2 Weber, Mathias: Der UNO- Einsatz in Somalia. Die Problematik einer humanitären Intervention. Denzlingen 1997. S. 40
3 Natali, Rezwanian-Amiri: Gescheiterter Staat - gescheiterte Intervention? Die humanitäre Intervention der UNO in Somalia. Berlin 2000. S. 11
4 Charta der Vereinten Nationen: Artikel 2 Absatz 4
5 Charta der Vereinten Nationen: Artikel 2 Absatz 7
6 Charta der Vereinten Nationen: Artikel 39
7 Charta der Vereinten Nationen: Artikel 41 und 42
8 Charta der Vereinten Nationen: Artikel 1
9 Natali, Rezwanian-Amiri: S. 65
10 Frei, Daniel: Die Organisation der Vereinten Nationen (UNO). Eine Einführung in 15 Vorlesungen. Grüsch (CH) 1990 (aus: Züricher Beiträge zur politischen Wissenschaft, Bd. 15). S. 94
11 ebd.: S. 99