Standardkostenmessung und Bürokratieabbau in Deutschland


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

24 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Ausgangssituation und Notwendigkeit aktueller Reformschritte

3. Von der Standardkostenmessung zum Bürokratieabbau
3.1 Bürokratieabbau auf Bundesebene
3.1.1 struktureller Aufbau auf Bundesebene
3.1.1.1 Der Nationale Normenkontrollrat
3.1.1.2 Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Staatssekretärsausschuß und Geschäftsstelle für Bürokratieabbau
3.1.1.3 Statistisches Bundesamt
3.1.2 Zwischenbilanz auf Bundesebene
3.2 Bürokratieabbau auf Landesebene am Beispiel des Bundeslandes Brandenburg
3.2.1 struktureller Aufbau zur Standardkostenmessung im Land Brandenburg
3.2.1.1 Sonderausschuß des Landtages zum Abbau von Normen und Standards
3.2.1.2 Leitstelle Bürokratieabbau der Staatskanzlei des Landes Brandenburg
3.2.2 Zwischenbilanz im Land Brandenburg
3.3 Bürokratieabbau im internationalen Vergleich

4. Schlußbetrachtung

5. Literaturverzeichnis

6. Anhang

1. Einleitung

(De-)Regulierung und Bürokratieabbau sind nichts Neues und nichts besonders Originelles. Allein in den letzten 20 Jahren beinhalteten zu Legislaturbeginn sämtliche Regierungserklärungen eine Forderung zum Bürokratieabbau und einer Senkung administrativer Kosten. Hierzu wurden mannigfache technokratische Instrumente vorgeschlagen[1]. In Folge kam es zu einer unüberschaubaren Menge an Vorschlägen und Initiativen, die jedoch kein Problemverständnis oder gar ein kohärentes Konzept zum Bürokratieabbau hervorbrachten[2]. Und so scheinen bürokratische Hürden in dieser Zeit nicht geringer geworden zu sein. Diese „gefühlte Bürokratie“ ist empirisch und objektiv jedoch nur schwer nachweisbar. Gern wird hier auf internationale Studien der OECD, Indizes der Weltbank oder des Davos-Forums verwiesen[3] - diese können letztendlich jedoch auch kein befriedendes Bild der tatsächlichen Bürokratiebelastung aufzeigen, da Indizes nicht immer vergleichbar sind und zu Scheinkorrelationen verleiten.

Bürokratie wird jedoch immer dann zum Ärgernis, wenn sie in Überregulierung umschlägt und Staat und Gesellschaft lähmt. Galt die Verwaltung unter Max Weber noch als effizient, professionell und leistungsstark, so konnte dieses Idealbild mit neuen staatlichen Steuerungsaufgaben nicht aufrecht erhalten werden. Das Gesamtbild der deutschen Verwaltungen fällt jedoch pessimistischer aus, als es tatsächlich der Fall ist[4].

Im aktuellen Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist das Thema traditionell aufgegriffen worden, um auf die vermeintlichen Fehlsteuerungen in der Vergangenheit aufmerksam zu machen. Dort heißt es, das die Erfahrungen gezeigt haben, daß eine auf Einzelmaßnahmen beschränkte Rechtsbereinigung nicht ausreiche, um die Bürokratie und die dadurch entstehenden finanziellen Lasten insbesondere der klein- und mittelständischen Unternehmen (KMU) zu beseitigen[5]. Haben Steuerungsprozesse in der Vergangenheit also versagt oder fehlte nur ein Globalprogramm zum systematischen Abbau bürokratischer Lasten? Nach Meinung der Regierung habe sich als wesentliches Hindernis dabei erwiesen, daß bis 2005 in Deutschland keine Methode existierte, bestehende Bürokratiekosten zuverlässig zu erfassen und für neue Gesetze sicher vorherzusagen[6]. In dieser Arbeit soll daher weniger auf die mannigfachen Bemühungen der 1970/80er Jahre eingegangen werden, als vielmehr auf die aktuellen Reformschritte in Deutschland. Konkreter formuliert: Kann das Standard-Kosten-Modell (SKM) ein nachhaltigen Beitrag zum Wandel des Entbürokratisierungsprozeß leisten?

In einem ersten Schritt soll hierzu in Kürze die Notwendigkeit der Bürokratiekostenmessung, als einen Kernpunkt des Gesamtkonzeptes der Bundesregierung, aufgezeigt werden und welche institutionellen Änderungen dies mit sich bringt. Im zweiten Teil wird dann der Versuch unternommen, die Bürokratieabbaubemühungen auf Bundes- und Landesebene vorzustellen. Abschließend soll kurz ein Stand der derzeitigen SKM-Projekte auf internationaler Ebene aufgezeigt werden und veranschaulicht werden, ob das SKM tatsächlich Bürokratiekosten nachhaltig senken kann.

Nach Angaben der Bertelsmann-Stiftung stammen zwar die überwiegenden Informationsbefolgungskosten aus EU- und Bundesgesetzgebung (95%)[7]. Der Vollzug liegt jedoch bei den Ländern. Daher erscheint es sinnvoll in der vorliegenden Arbeit auch die SKM-Konzepte der Länder zu betrachten. Sie sollen entscheidend zum Kulturwandel (durch Einbeziehung der Nutzerperspektive) beitragen[8]. An Hand der Entwicklung des Landes Brandenburg soll exemplarisch gezeigt werden, ob in diesem Themenfeld bereits Fortschritte erkennbar sind.

Auf Grund der Vielschichtigkeit und der Komplexität des Themas soll der Fokus dieser Arbeit auf der Standardkostenmessung auf Bundes- und Länderebene liegen. Der Einfluß des EU-Rechts auf die aktuellen Reformbemühungen der Bundesrepublik wird bewußt nicht vertiefend behandelt, da dies sonst erheblich den Rahmen der Arbeit sprengen würde.

2. Ausgangssituation und Notwendigkeit aktueller Reformschritte

Das deutsche Rechtssystem stellt eine Kaskade von Rechtsvorschriften dar. So gab es 2005 auf Bundesebene über 2.200 Gesetzte mit 46.800 Einzelvorschriften und 3.130 Verwaltungsvorschriften mit 39.200 Einzelvorschriften, zudem kommen mindesten nochmals doppelt so viele Rechtsvorschriften auf Landesebene hinzu – seit 1999 wurden insgesamt 122 Gesetze und 178 Verordnungen mehr erlassen als abgeschafft[9]. Das Problem besteht jedoch nicht in der Anzahl der Rechtsvorschriften, sondern in der dadurch entstehenden mangelnden Transparenz, dem mangelnden Bewußtsein über Folgekosten von Rechtsvorschriften, fehlenden institutionellen Kontrollen, Sektorinteressen von Ressorts und verschiedensten Lobbygruppen.

Es gibt bislang in Deutschland keine belastbaren Zahlen über das Volumen und insbesondere über die Verteilung der staatlich verursachten Bürokratiekosten bei Unternehmen und Bürgern[10]. Daher konnten in der Vergangenheit nicht zielgerichtete Konzepte ausgearbeitet werden. Erst nach der Erfassung der bestehenden bürokratischen Kosten wird die Zusammensetzung der administrativen Belastungen erkennbar. Es können zudem gezielte Strategien und Abbaumaßnamen entwickelt werden und ferner trägt dies zu einem nachvollziehbaren Ergebnistransfer für die Öffentlichkeit bei[11]. Dabei ist es notwenig eine breite Unterstützung aus der Regierung und der Wirtschaft zu erfahren.

Das bereits Anfang der 1990er Jahre in den Niederlanden entwickelte SKM wird derzeit immer wieder als erfolgreiches (De-)Regulierungsinstrument herangezogen. Das Modell soll dazu beitragen, administrative Kosten zu identifizieren und so die Unternehmen zu entlasten. Es soll eine positive Entwicklung auf das Wirtschaftswachstums, der Arbeitsplätze und der Steuereinnahmen bewirken und ferner den Personalaufwand der Behörden erheblich reduzieren[12]. Mittlerweile konnten die Erwartungen erfüllt werden und das SKM ist bereits in anderen Ländern[13] erfolgreich zum festen (De-)Regulierungsbestandteil geworden (siehe Punkt 3.3). Jedoch gab es auch in den Niederlande, als Entwickler des SKM, Anlaufprobleme. Regulierungsmechanismen mußten erst an das poltisch-administrativen System angepaßt werden[14], bis sich Erfolge des Modells in den letzten Jahren einstellten[15].

Nachdem nun die Große Koalition in Deutschland ihren Willen zum Bürokratieabbau bekundet[16] und bekräftigt[17] hat, soll im folgenden Abschnitt beschrieben werden, wie sich das SKM an das föderale System Deutschlands anpaßt und welchen Herausforderungen und welchen Schwierigkeiten das SKM - gerade in der Latenzphase - gegenübersteht.

3. Von der Standardkostenmessung zum Bürokratieabbau

Im föderalistischen Deutschland kommt traditionell den Ländern gemäß Artikel 20 (1) GG und Artikel 28 GG eine besondere Stellung und Verantwortung bei gesetzlichen Regelungen zu. Dies führt u.a. dazu, daß neben dem EU-Recht auch noch unterschiedliches Landesrecht mit Bundesrecht kollidiert. Aus diesem Grund mußten die bereits bewährten Institutionen des niederländischen Systems an das deutsche politisch-administrative Mehrebenensystem angepaßt werden. Im Folgenden wird daher zunächst der strukturelle Aufbau des Bundes beschrieben – auf die Situation der Länder wird, am Beispiel des Landes Brandenburg, in Punkt 3.2 eingegangen.

3.1 Bürokratieabbau auf Bundesebene

Am 28. Februar 2007 hat die Bundesregierung beschlossen, bis 2011 den gemessenen Gesamtbestand an Bürokratiekosten der Wirtschaft durch Informationspflichten zu überprüfen und die unnötigen Bürokratiekosten zu identifizieren und zu beseitigen[18]. Es wird ein Reduktionsziel bis 2011 von 25 Prozent der gegenwärtigen Bürokratiekostenbelastung angestrebt. Hierfür wird derzeit eine Nullmessung des gesamten Bundesrechts mit Stichtag vom 30. September 2006 durchgeführt. Rechtsvorschriften nach diesem Stichtag werden mittels SKM gesondert geprüft. Die Nullmessung soll bis Ende dieses Jahres[19] abgeschlossen sein. Erst daraufhin können die Kostentreiber identifiziert und konkret einzelne Reduzierungsmaßnahmen ergriffen werden. Entscheidend für die Bundesregierung wird das Abbauziel von 25 Prozent bleiben, an den letztendlich der Erfolg meßbar sein wird.

In diesem Globalkonzept zum Bürokratieabbau nehmen die bundespolitischen Akteure spezifische Aufgaben wahr und kooperieren innerhalb der institutionellen Strukturen miteinander. Im Folgenden werden daher genauer der Aufbau und die Akteure des Gesamtkonzepts der Bundesregierung untersucht.

[...]


[1] u.a. durch die Sachverständigen Gruppe im Auftrag des Bundestages (1980), die Bundesvereinfachungs-kommission (1983-1998), die Waffenschmidt-Kommission, Donges-Kommission (1988-1990), Schlichter-Kommission einschließlich der Ludewig-Arbeitsgruppe (1994/95), Scholz-Kommission „Schlanker-Staat“ (1995-97), den „Lenkungsausschuß Verwaltungsorganisation“ des BMI (1997/98), „Moderner Staat – moderne Verwaltung“ (seit 1999), „Henzler Kommission“ (2004) und die EU-Mandelkernkommission

[2] vgl. Jann, Werner et. al.: „Bürokratisierung“ und Bürokratieabbau im internationalen Vergleich – wo steht

Deutschland?, Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Berlin, 2007, S. 24.

[3] vgl. ebd. S. 11 ff.

[4] vgl. ebd. S. 14 ff.

[5] vgl. Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD - Gemeinsam für Deutschland. Mit Mut und Menschlichkeit., Union Betriebs-GmbH, Berlin, 2005. S. 74.

[6] vgl. ebd.

[7] vgl. Frick, Frank: SKM in Deutschland - Erfahrungen aus den länderübergreifenden Pilotprojekten der Bertelsmann Stiftung, Präsentation im Rahmen der Tagung „Informationskostenmessung als Instrument des Bürokratieabbaus“ der Staatskanzlei des Landes Brandenburg, Potsdam, 2006, S. 16.

[8] vgl. ebd.

[9] vgl. Klapper, Carl Dominik: Bürokratieabbau in Deutschland – Versinkt unsere Zukunft im Regelsumpf?, Stiftung Marktwirtschaf – Frankfurter Institut ,Nr. 91, Berlin, 2005, S. 3.

[10] vgl. Frick, Frank; Ernst, Tobias: Argumente für Bürokratieabbau, Bertelsmann-Stiftung, Gütersloh, 2005, S. 1.

[11] vgl. Icks, Anette; Wallau, Frank et. al.: Ermittlung bürokratischer Kosten in ausgewählten Bereichen – Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technik, Institut für Mittelstandforschung (Hrsg.), Bonn, 2006. S.1. In: http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/I/ifm-schlussbericht-ermittlung-buerokratischer-kostenbelastungen-langfassung,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf

[12] vgl. Hilgers, Hans Anton: Das niederländische Modell zum Bürokratieabbau - Actal - , in: Wissenschaftliche

Dienste des Deutschen Bundestages (Hrsg.), Nr. 10/06, Berlin, 2006, S.2.

[13] u.a. Dänemark, Großbritannien und die Niederlande.

[14] vgl. OECD: „Regulatory reform Switzerland - Government capacity to assure high quality Regulation”,

OECD reviews of regulatory reform, o.O., 2006, S. 6.

[15] vgl. Brinkmann, Henrik; Frick, Frank et al.: Bürokratie messen, Belastung transparent machen – Das Standard-Kosten-Modell, Bertelsmann-Stiftung (Hrsg.), Gütersloh, 2006, S.7.

[16] vgl. Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD, S. 74 ff.

[17] vgl. Merkel, Angela: Bundespressekonferenz "Bilanz und Ausblick“ vom 18.07.2007, Berlin, 2007. In: http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2007/07/2007-07-18-pk-merkel.html#top

[18] vgl. Deutscher Bundestag: Drucksache 16/5323, 16. Wahlperiode, Berlin, 2007, S. 6.

[19] vgl. Schleiermacher, Thomas: Durchbruch beim Bürokratieabbau läßt weiter auf sich warten, Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern, München, 2007. In: http://www.ihk-muenchen.de/internet/mike/WirUeberUns/IHK-Newsletter/IHK_Newsletter_Nr__ 262_Auflage__5_465_6__ Februar_2007.html

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Standardkostenmessung und Bürokratieabbau in Deutschland
Hochschule
Universität Potsdam
Veranstaltung
Staats- und Verwaltungsmodernisierung in Deutschland
Note
2,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
24
Katalognummer
V85356
ISBN (eBook)
9783638006507
ISBN (Buch)
9783638913201
Dateigröße
971 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Standardkostenmessung, Bürokratieabbau, Deutschland, Staats-, Verwaltungsmodernisierung, Deutschland
Arbeit zitieren
Christian Ohr (Autor:in), 2007, Standardkostenmessung und Bürokratieabbau in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85356

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