Nachrichtendienstlicher Verfassungsschutz und das NPD-Verbotsverfahren


Seminararbeit, 2007

17 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einführung und zentrale Fragestellungen

II. Verfassungsschutzbehörden
1. Geschichtliche Erfahrungen; Entstehung
2. Aufgaben; Befugnisse
3. V-Leute

III. Geschichtlicher Abriss der NPD

IV. Verbotsverfahren der NPD
1. Gesellschaftliche und politische Vorgeschichte
2. Die Verbotsverfahren und ihr Scheitern

Anhang

Quellen- und Literaturverzeichnis

I. Einführung

„Heil Hitler!“ war der sogenannte „Deutsche Gruß“ unter den Nationalsozialisten im Dritten Reich. Heute, 62 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges, ist die Verwendung des Hitlergrußes und andere Formen nationalsozialistischen Kultes nach § 86 a des Strafgesetzbuches unter Strafe gestellt.1 Im juristischen Sinne handelt es sich somit um Strafanspruch des Staates, und die Polizei, als Exekutivorgan des Staates, darf bestimmte Maßnahmen nach der Strafprozessordnung wie z.B. Beschlagnahmung, Durchsuchung und Festnahmen anordnen bzw. durchführen.

Bis in die 1970-Jahre hinein war die rechtsextreme Szene und Anhänger des Nationalsozialismus in den Parteien DRP und NPD organisiert.2 Die NPD existiert noch heute und konnte zu den Landtagswahlen in Sachsen am 19.09.2004 ganze 9,2 % der Wähler für sich gewinnen. Eine der sogenannten Volksparteien, die SPD, lag gerade einmal 0,6 % über dem Ergebnis der NPD.3 Die NPD, welche sich selbst nicht als Partei, sondern als Bewegung sieht, ist stark von der Tradition des „Alten Nationalsozialismus“ geprägt. In den Medien, egal welcher Art, werden uns oft Bilder von Glatzköpfen in Springerstiefeln, gewaltbereit und zu allem entschlossen, im Kontext der NPD vermittelt. Immerhin befürworten auch 3 Jahre nach dem Scheitern des NPD- Verbotsverfahrens rund 53 % der Bevölkerung ein Verbot dieser Partei.4 Doch wie konnte es erst überhaupt soweit kommen, dass dieses Verfahren endete, noch bevor es eigentlich begonnen hatte? Wieso war das Verbotsverfahren durch die V-Mann-Problematik gefährdet? Welche Rolle spielt dabei der Verfassungsschutz? Diesen Fragen möchte ich mit Hilfe von Lars Flemmings „Das NPD-Verbotsverfahren; Vom „Aufstand der Anständigen“ zum „Aufstand der Unfähigen“ nachfolgend auf den Grund gehen. Das Thema hat keineswegs an Brisanz eingebüßt, zumal die NPD auch zur Landtagswahl 2006 in Mecklenburg- Vorpommern wieder ordentliche 7,3 % der Stimmen geholt hatte.5 Die Geschichte Deutschlands hat uns gezeigt, welche Folgen der Erfolg der Nationalsozialisten haben kann.

I. Verfassungsschutzbehörden

1. Geschichtliche Erfahrungen; Entstehung

Für einige Demokraten stellt der Verfassungsschutz ein „illegitimes Kind“ unseres Staates dar.6 Das freie Spiel der politischen Kräfte sei dadurch nicht mehr gegeben und die damit einhergehende Beschränkung der Freiheit erklären sie somit für unzulässig. Deutschlands freiheitlichste Demokratie wollte die Weimarer Verfassung bilden. Sie enthielt keine Sperrvorschriften, die sogenannte "verfassungsdurchbrechende" Gesetze, hätten verhindern können. Die politische Polizei war darüber hinaus mit der politischen Polarisierung und dem Terror der Nationalsozialisten restlos überfordert.7 Hitlers Machtergreifung 1933 und die damit verbundene Aushebelung der Demokratie waren die Folge.

Als 1949 das Grundgesetz für die BRD in Kraft trat, war es Carlo Schmid, einer der Väter des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, der bei dessen Ausarbeitung eine Diktatur nie wieder zulassen wollte und den „selbstmörderischen Standpunkt einer Prinzipientreue um jeden Preis ablehnte“.8 Der Parlamentarische Rat entschloss sich somit für unsere heutige „Konzeption der Streitbaren Demokratie“.9 Die Installation eines komplexen

Verfassungsschutzsystems war die Folge. So regeln bis heute die Artikel 73 und 87 des GG die Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden unter der Vorstellung einer „Zentralstelle zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes“.10 1950 wurde dann die Regelung der Zusammenarbeit des Bundes und der Länder im Rahmen des Verfassungsschutzes festgelegt. Die letzte Novellierung des BverfSchG fand 1994 statt, um den Forderungen auf „informationelle Selbstbestimmung“ entsprechend Rechnung zu tragen.11

2. Aufgaben; Befugnisse

Der Verfassungsschutz und seine Landesbehörden haben die Aufgabe, „Auskünfte, Nachrichten und sonstige Unterlagen zu sammeln und auszuwerten über: ƒ Bestrebungen, ... die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder ... gegen den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder ... durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (Ausländerextremismus); ƒ geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht (Spionagebekämpfung).

ƒ Ferner wirkt das BfV nach § 3 Abs. 2 BverfSchG beim Geheim- und Sabotageschutz mit.“12

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) trägt also Informationen über Gruppen oder Personen zusammen, die unter deren Beobachtung stehen. Laut BfV fallen rund 80 % der gewonnen Informationen unter die Rubrik „offene Quellen“, also Medien, Veranstaltungen und Befragungen, wobei davon 20 % aus Auskünften durch andere Behörden, Polizeiberichte oder Gerichtsurteile stammen.13 Inwieweit diesen Informationen der Status „öffentlich“ zugesprochen werden kann ist strittig. Von enormer Bedeutung für den Verfassungsschutz sind aber die Erkenntnisse aus nachrichtendienstlichen Mitteln, also Methoden der „geheimen, verdeckten Nachrichtenbeschaffung“.14 Die Observation, Agenten oder Bild- und Tonaufzeichnungen fallen unter diese Rubrik. Einer „abschließenden“ Aufzählung dieser Methoden ist der Öffentlichkeit bewusst der Weg versperrt, da man eine „flexible Anpassung an die Methoden von Extremisten oder Spionen“ ermöglichen will.15 Die Befähigung der Strafverfolgungsbehörden zur akustische Wohnraumüberwachung ist noch vielen als „Großer Lauschangriff“ aus dem Jahre 1998 im Gedächtnis. Auch der Verfassungsschutz ist dazu und darüber hinaus noch zum Abhören von Telefongesprächen laut Gesetz ermächtigt. Des weiteren besitzt der Verfassungsschutz eine Datei unter dem Namen NADIS, in welcher Daten zu Personen gespeichert werden, die im konkreten Interesse des Verfassungsschutzes stehen, also auch bei Sicherheitsüberprüfungen aufgefallen sind.16

Mit den gesammelten Informationen kann der Verfassungsschutz natürlich selber nicht aktiv werden, da er ohne Zwangsbefugnisse ausgestattet ist. Somit werden die gewonnenen Erkenntnisse dem Bundesministerium des Innern, Strafverfolgungsbehörden, inländischen und ausländischen Nachrichtendiensten oder anderen Behörden weitergegeben.17 Die Übermittlung wird allerdings dabei „durch das Prinzip der Erforderlichkeit“ eingeschränkt. Das sich hierbei eine gewisse Eigendynamik unter den Verfassungsschützern entwickeln kann, ist offensichtlich.

3. V-Leute

Nachrichtendienstliche Mittel umfassen Mittel und Methoden, mit denen heimlich und verdeckt Informationen gewonnen werden. Der Gebrauch von Tarnnamen und Verschleierungsmethoden spielt dabei ebenfalls eine Rolle, denn die „Mittel und Wege, um an verborgene Informationen heranzukommen, sind im Prinzip grenzenlos wie die menschliche Phantasie“.18 So bilden geheime Mitarbeiter, Vertrauens- oder Verbindungsmänner immer noch die ergiebigste Informationsquelle des Verfassungsschutzes. Er unterscheidet dabei den VM (Vertrauensmann), den CM (Counterman) und den UCA (User Context Agent), wobei der Vertrauensmann für den Verfassungsschutz ein unverzichtbares Mittel ist. Er berichtet als geheimer Mitarbeiter gegen Honorar über, oder aus einem Beobachtungsobjekt. Der VM wird dabei entweder vom Verfassungsschutz eingeschleust oder auf Grund seiner Zugehörigkeit dort angeworben.

Gelegentliche Nachrichtenlieferanten sind jedoch nicht als V-Leute anzusehen. Aber auch der V-Mann kann „je nach individueller Verwendbarkeit zur Erfüllung einzelner, zeitlich begrenzter Einsätze beauftragt werden.“19 Seine Tätigkeit ist somit nicht als hauptberuflich anzusehen. Der V-Mann-Führer, ein Bediensteter der Verfassungsschutzbehörde, behält den V-Mann im Auge und versucht darauf hinzuwirken, dass er keine Straftaten begeht, die durch seine Aufgabenzuweisung nicht gerechtfertigt sind.20 Die Motive für die Tätigkeit als V- Mann werden wohl selten idealistischer, häufiger wohl handfester materialistischer Natur sein.21 Für viele ist diese Art von Spionage daher moralisch und rechtsstaatlich verwerflich. Auch die Mittel, deren er sich bedient, in der Regel Täuschung, Vertrauensbruch und Verrat, begünstigen eine solche Einstellung. Doch würde man mit so einer Argumentation viele Angehörige der Widerstandsbewegung vom 20. Juli 1944 „zu ehrlosen Gesellen erniedrigen“.22 Schließlich sollte nur der Zweck des Vertrauensmannes bewertet werden. Doch das ist so nicht haltbar. Viele Strafrechtswissenschaftler und auch Politiker sind der Ansicht, dass die rechtliche Bewertung der V-Leute vom Privatrecht abhängen würde, sprich die V-Leute kein verlängerter Arm des Verfassungsschutzes seien. Sie sind der Auffassung, dass die Beauftragung von V-Leuten nicht mit einer Übertragung von Hoheitsgewalt einhergehe. Doch stünde er betroffenen Bürgern der bespitzelten Organisation wie jedes andere Privatrechtssubjekt gegenüber, könnte er freilich bei Straftaten nur schwerlich die Verteidigung staatlicher Rechtsgüter ins Feld führen.23 Die Realität und Praxis lehrt uns aber genau eine solche Vorgehensweise. Darüber hinaus ist der Einsatz von V-Leuten -laut Verfassungsschutz- selbst wieder an den in den Organisationen vorgesehenen Eingriffsermächtigungen zu orientieren.

[...]


1 http://bundesrecht.juris.de/stgb/index.html

2 vgl. Flemming: Das NPD-Verbotsverfahren, Vom „Aufstand der Anständigen“ zum „Aufstand der Unfähigen“ S. 48/49

3 http://www.statistik.sachsen.de/wahlen/allg/Seite_1.htm

4 http://www.n-tv.de/731662.html

5 http://www1.ndr.de/ndr

6 Bundesamt für den Verfassungsschutz: Aufgaben; Befugnisse; Grenzen, S. 10

7 vgl. ebenda, S. 11

8 vgl. ebenda, S. 12

9 ebenda, S. 12

10 Art. 87 Abs. 1 GG, Quelle: http://www.documentarchiv.de/brd/1949/grundgesetz.html

11 Bundesamt für den Verfassungsschutz: Aufgaben; Befugnisse; Grenzen, S. 19

12 Bundesamt für den Verfassungsschutz: Aufgaben; Befugnisse; Grenzen, S. 24

13 ebenda, S. 66

14 ebenda, S. 67

15 ebenda, S. 67

16 Bundesamt für den Verfassungsschutz: Aufgaben; Befugnisse; Grenzen, S. 67

17 ebenda, S. 72

18 Hermann Borgs-Maciejewski: Was jeder vom Verfassungsschutz wissen sollte, S. 88

19 Lars Oliver Michaelis: Politische Parteien unter der Beobachtung des Verfassungsschutzes - Streitbare Demokratie zwischen Toleranz und Abwehrbereitschaft, S. 95

20 ebenda, S. 95

21 Hermann Borgs-Maciejewski: Was jeder vom Verfassungsschutz wissen sollte, S. 90

22 ebenda, S. 89

23 Lars Oliver Michaelis: Politische Parteien unter der Beobachtung des Verfassungsschutzes - Streitbare Demokratie zwischen Toleranz und Abwehrbereitschaft, S. 98

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Nachrichtendienstlicher Verfassungsschutz und das NPD-Verbotsverfahren
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Die Polizei in Deutschland
Note
2,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
17
Katalognummer
V85451
ISBN (eBook)
9783638006637
ISBN (Buch)
9783640529766
Dateigröße
570 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nachrichtendienstlicher, Verfassungsschutz, NPD-Verbotsverfahren, Polizei, Deutschland
Arbeit zitieren
Heiko Schmolke (Autor:in), 2007, Nachrichtendienstlicher Verfassungsschutz und das NPD-Verbotsverfahren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85451

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